Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 13 KN 1108/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KN 276/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 322/17 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Heranziehung eines Rentenwertes Ost ist (weiterhin) mit der Verfassung vereinbar. Die immer noch bestehende Ungleichheit der Lebensverhältnisse in den alten und den neuen Bundesländern rechtfertigt weiterhin unterschiedliche Rentenwerte. § 254b Abs. 1 SGB VI verstößt weder gegen das Bestimmtheitsgebot noch gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Februar 2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Zuschlags für Kindererziehung im Rahmen einer Erwerbsminderungsrente.
Die Beklagte gewährte der 1954 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 25. Januar 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung beginnend am 1. April 2010 (Bl. 82 Verwaltungsakte [VA]). Mit Rentenbescheid vom 15. August 2014 berechnete sie die Rente beginnend am 1. Juli 2014 unter Berücksichtigung eines Zuschlags für Kindererziehung (sog. Mütterrente) neu, wobei sie einen Zuschlag von 2,0000 Entgeltpunkten Ost für die Erziehung von zwei Kindern zugrunde legte (Bl. 124 VA). Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, sie werde gegenüber anderen Frauen der Bundesrepublik benachteiligt. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie sei an das geltende Recht gebunden und habe dieses zwingend anzuwenden.
Mit ihrer hiergegen am 20. November 2014 vor dem Sozialgericht Leipzig erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Ihr sei eine volle Erwerbsminderungsrente unter Berücksichtigung eines Zuschlags für Kindererziehung auf "Westniveau" zu gewähren. Eine Differenzierung nach Ost- und West verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG). Es sei nicht gerechtfertigt, im Beitrittsgebiet eine geringere Mütterrente zu gewähren. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2015 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf einen Zuschlag für Kindererziehungszeiten unter Berücksichtigung des aktuellen Rentenwerts West. Nach § 254b Abs. 1 in Verbindung mit § 254d (Abs. 1 Nr. 3) Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) würden bis zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (BRD) an die Stelle der ermittelten Entgeltpunkte Entgeltpunkte (Ost) für Zeiten der Erziehung eines Kindes im Beitrittsgebiet treten. Diese Vorschriften seien nicht verfassungswidrig. Die Lebensverhältnisse im Beitrittsgebiet hätten sich nicht soweit an die Verhältnisse in den alten Bundesländern angeglichen, als dass das Differenzierungskriterium der "unterschiedlichen Roherträge der Wirtschaft im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet" entfallen wäre. Auch sei die Aufwertung der im Beitrittsgebiet erzielten Entgelte zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen zu berücksichtigen.
Gegen den am 27. Februar 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27. März 2015 Berufung eingelegt. Sie wendet sich weiterhin gegen die unterschiedliche Behandlung von West- und Ostrenten. Ein Grund für eine sachliche Differenzierung sei mehr als 25 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht ersichtlich. Die Lebensverhältnisse etwa in Ostfriesland und in Teilen Schleswig-Holsteins seien sehr wohl mit denen in den neuen Bundesländern vergleichbar. Die derzeitigen Regelungen seien nicht verfassungskonform.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß und sachdienlich gefasst),
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 17. Februar 2017 sowie unter Abänderung des Rentenbescheides vom 15. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2014 zu verurteilen, der Klägerin eine Erwerbsminderungsrente unter Zugrundelegung eines Rentenwertes West zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Dem Gericht lagen die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte, ohne mündlich zu verhandeln, entscheiden, weil die Beteiligten hiermit einverstanden sind, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Leipzig hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neuberechnung ihrer Erwerbsminderungsrente unter Zugrundelegung eines Rentenwertes West.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffenden Gründe des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Februar 2017 Bezug genommen, § 153 Abs. 2 SGG.
Darüber hinaus wird Folgendes ausgeführt:
Der erkennende Senat hat sich in mehreren Entscheidungen mit der Frage, ob die Zugrundelegung eines Rentenwertes Ost mit der Verfassung vereinbar ist, auseinandergesetzt und durchgehend bejaht (st. Rspr. seit Urteil vom 6. Januar 2015 – L 5 R 970/13). So hat er im Urteil vom 6. Januar 2015 (L 5 R 970/13 –, juris Rn. 25 ff.) für das Jahr 2014 ausgeführt:
"Entgegen der Ansicht des Klägers ist § 254b Abs. 1 SGB VI nicht gleichheits- und damit grundgesetzwidrig. Die immer noch bestehende Ungleichheit der Lebensverhältnisse in den alten und den neuen Bundesländern rechtfertigt weiterhin unterschiedliche Rentenwerte (vgl. zuletzt: BSG, Urteil vom 14. März 2006 - B 4 RA 41/04 R - JURIS-Dokument, RdNr. 28; sowie: LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2012 - L 22 R 478/11 - JURIS-Dokument, RdNr. 97-122; LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 23. September 2010 - L 33 R 1239/08 - JURIS-Dokument, RdNr. 41-47).
Die Norm verstößt weder ... gegen das Bestimmtheitsgebot noch gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 (dazu nachfolgend unter a) ...
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 8. Januar 1981 - 2 BvL 3/77 und 2 BvL 9/77 - JURIS-Dokument, RdNr. 41-42) gebietet der Bestimmtheitsgrundsatz, dass eine gesetzliche Ermächtigung zur Vornahme von Verwaltungsakten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt ist, so dass das Handeln der Verwaltung messbar und in gewissem Ausmaß für den Staatsbürger vorhersehbar und berechenbar wird. Diese Kriterien erfüllt die Regelung des § 254b Abs. 1 SGB VI. Diese Norm bestimmt, dass bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für die Bürger des Beitrittsgebiets persönliche Entgeltpunkte (Ost) und ein aktueller Rentenwert (Ost) für die Ermittlung des Monatsbetrages der Rente gebildet werden. Damit ist für die Verwaltung keine Generalklausel oder ein unbestimmter Rechtsbegriff geschaffen. Vielmehr ist das Handeln der Verwaltung eindeutig festgelegt. Die Bestimmung "bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse" ist vielmehr ein Programmsatz des Gesetzgebers, mit dem er darstellen will, für welche Zeit er unterschiedliche Rentenwerte aufrechtzuerhalten gedenkt.
Zutreffend ist als weiterer Prüfungsmaßstab auch von Art. 3 Abs. 1 GG auszugehen. Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ist indes nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 254b Abs. 1 SGB VI für einen Übergangszeitraum zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Einkommensverhältnisse in den alten und den neuen Bundesländern geschaffen hat. Dem Gesetzgeber ist nicht jede Differenzierung aus sachlichen Gründen verwehrt. Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum ist bei der Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Überführung der im Beitrittsgebiet erworbenen Ansprüche und Anwartschaften besonders weit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 1996 - 1 BvL 4/88 - JURIS-Dokument, RdNr. 50), so dass die Grenze allein vom Willkürverbot gezogen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 1995 - 1 BvR 892/88 - JURIS-Dokument, RdNr. 49; BSG, Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 5/98 R - JURIS-Dokument, RdNr. 24). Hierbei sind auch die Regelungen des Einigungsvertrages (EV) zu berücksichtigen. Nach Art. 30 Abs. 5 Satz 1 EV war das SGB VI durch besonderes Bundesgesetz auf das Beitrittsgebiet überzuleiten. Ziel des Gesetzes war es, eine Grundlage dafür zu schaffen, dass alle Berechtigten in den neuen Bundesländern ab 1992 eine auf den Prinzipien der Lohn- und Beitragsbezogenheit beruhende dynamische Rente erhalten (BT-Drs. 12/630, S. 20). Dabei war aber von vornherein klar, dass Rentner aus dem Beitrittsgebiet keine Rente in der gleichen Höhe wie vergleichbare Rentner aus den alten Bundesländern erhalten sollten; dies gilt auch für Versicherte, deren Rente erst nach der Wiedervereinigung beginnt. Denn mit der Herbeiführung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Rentenversicherung durch Zusammenführung unterschiedlicher Rentenversicherungssysteme stand der Gesetzgeber nach dem Einigungsvertrag vor einer umfassenden und schwierigen Aufgabe. Die Neuordnung des Rentenrechts mit dem Ziel der Überführung der in der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in die gesamtdeutsche Rentenversicherung konnte nur schrittweise, in manchen Bereichen zügiger, in anderen weniger schnell erfolgen (BVerfG, Beschluss vom 12. November 1996 - 1 BvL 4/88 - JURIS-Dokument, RdNr. 50).
Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit war der Gesetzgeber nicht zu Lasten vor allem der Versichertengemeinschaft des alten Bundesgebietes verpflichtet, den Umstand auszugleichen, dass durch den Staatsbankrott der DDR einschließlich ihrer Versicherungs- und Versorgungssysteme die Lebensleistung auch besonders qualifizierter Erwerbstätiger wirtschaftlich völlig entwertet war. Unter Berücksichtigung der mit der Wiedervereinigung entstandenen besonderen wirtschaftlichen Lasten, die durch die Planwirtschaft in der DDR verursacht worden sind und für die die Bundesrepublik Deutschland nicht verantwortlich ist, musste die Überführung des DDR-Rentensystems in das System des SGB VI mit vorübergehend niedrigeren Zahlbeträgen unter Wahrung des Bestandsschutzes erfolgen. Eine Begrenzung der finanziellen Ausgaben war erforderlich und auch für die Betroffenen zumutbar (BSG, Urteil vom 14. Juni 1995 - 4 RA 41/94 - JURIS-Dokument, RdNr. 53), um die Liquidität der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern. Sie war daher nicht willkürlich (vgl.: BSG, Urteil vom 14. März 2006 - B 4 RA 41/04 R - JURIS-Dokument, RdNr. 28). Gleiches gilt sinngemäß für die so genannten "Neurentner", d.h. für Versicherte, deren Rente erst nach dem 1. Januar 1992 begann, deren für die Rentenberechnung maßgebliche Erwerbsbiographie zu einem wesentlichen Teil aber noch in DDR-Zeiten fällt.
Mit der zum 1. Januar 1992 durch das Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) in das SGB VI eingefügten Bestimmung des § 254b SGB VI sollte die entsprechende Übergangsregelung für den Zeitraum getroffen werden, bis sich das Einkommensniveau im Beitrittsgebiet an das der alten Länder angeglichen hat. Dies ist bis heute aber gerade nicht der Fall, auch wenn sich die wirtschaftliche Lage inzwischen – verglichen mit den Anfangsjahren nach der Wiedervereinigung – angenähert hat (vgl. Landessozialgericht Berlin/Brandenburg, Urteil vom 23. September 2010 - L 33 R 1239/08 - JURIS-Dokument, RdNr. 41-47). Nach dem "Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2010" vom 22. September 2010 haben sich die Löhne (Bruttolohn- und Gehaltssumme je Arbeitnehmer) in den ostdeutschen Bundesländern von knapp 57 Prozent des westdeutschen Niveaus im Jahr 1991 auf 83 Prozent im Jahr 2009 erhöht (vgl. Jahresbericht, S. 17). Im Jahr 2009 stieg das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner – in Folge der schwächeren Betroffenheit Ostdeutschlands durch die Wirtschafts- und Finanzkrise – auf 73 Prozent des westdeutschen Niveaus (vgl. Jahresbericht, S. 76). Ähnliches ergibt sich nach wie vor und nahezu unverändert aus dem aktuellen Datenmaterial:
- Nach dem "Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2011" vom 9. November 2011 (BT-Drs. 17/7711) erreichte der rentenrechtliche Durchschnittslohn in den neuen Bundesländern inzwischen rund 85 Prozent des Durchschnittslohn in den alten Bundesländern (BT-Drs. 17/7711, S. 16) und das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner in Ostdeutschland betrug weiterhin rund 73 Prozent des westdeutschen Niveaus (BT-Drs. 17/7711, S. 24).
- Nach dem "Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2012" vom 4. Oktober 2012 (BT-Drs. 17/10803) lag das ostdeutsche Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner lediglich bei 71 Prozent des westdeutschen Niveaus, wobei sich beim Vergleich der ostdeutschen Länder, einschließlich des Stadtstaates Berlin, mit den strukturschwachen westdeutschen Flächenländern (Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Saarland) und dem Stadtstaat Bremen, ein Niveau von knapp 80 Prozent ergibt (BT-Drs. 17/10803, S. 4). Die gesamtwirtschaftliche Produktivität Ostdeutschlands lag bei rund 80 Prozent derjenigen im Vergleich zu Westdeutschland (BT-Drs. 17/10803, S. 17).
- Nach dem "Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2013" vom 21. November 2013 (BT-Drs. 18/107) bestehen die spürbaren Unterschiede in der Wirtschaftskraft je Einwohner sowie in den Löhnen und Gehältern zwischen Ost- und Westdeutschland fort (BT-Drs. 18/107, S. 3). Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner betrug in Bezug auf die Osthälfte Deutschlands nach wie vor lediglich 71 Prozent des durchschnittlichen Niveaus in Deutschland (BT-Drs. 18/107, S. 5). Auch die Relation der Löhne und Gehälter Ostdeutschlands gegenüber denen Westdeutschlands hat sich nach wie vor mit etwa 80 Prozent nicht wesentlich verändert (BT-Drs. 18/107, S. 6).
- Nach dem "Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2014" vom 20. September 2014 hat sich der wirtschaftliche Konvergenzprozess, d.h. der wirtschaftliche Aufholprozess der neuen Bundeländer zu Westdeutschland, wieder abgeschwächt (vgl. Jahresbericht, S. 18). Die Relation der Löhne und Gehälter Ostdeutschlands gegenüber denen Westdeutschlands hat sich nach wie vor mit etwa 80 Prozent nicht wesentlich verändert (vgl. Jahresbericht, S. 45f.).
Damit ist eine Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse im Sinne von § 254b Abs. 1 SGB VI nach wie vor noch nicht festzustellen. Jedenfalls begründen die aktuellen Zahlen gegenwärtig noch keine Pflicht des Gesetzgebers zur Änderung der streitgegenständlichen Berechnungsgrundlagen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber jeweils die festgestellten Annäherungen auf das Rentenniveau übertragen hat:
- So betrug der aktuelle Rentenwert im Januar 1992, also zu Beginn der Geltung des SGB VI, 41,44 DM, der aktuelle Rentenwert (Ost) dagegen 23,57 DM, also lediglich etwa 57 Prozent des West-Wertes.
- Zum 1. Januar 1999 war das Verhältnis auf 47,65 DM zu 40,87 DM, also auf 86 Prozent, angestiegen, ab dem 1. Juli 2003 betrug es 26,13 Euro zu 22,97 Euro, so dass der aktuelle Rentenwert (Ost) 88 Prozent des aktuellen Rentenwertes ausmachte.39- Nach der Rentenanpassung zum Juli 2009 betrug der aktuelle Rentenwert 27,20 Euro und der aktuelle Rentenwert (Ost) 24,13 Euro, so dass es zu einer weiteren Angleichung kam und der aktuelle Rentenwert (Ost) danach 88,71 Prozent des "Westwertes" betrug. Diese Relation wurde zwischenzeitlich weiter verringert:
- Nach der Rentenanpassung zum 1. Juli 2011 betrug der aktuelle Rentenwert 27,47 Euro und der aktuelle Rentenwert (Ost) 24,37 Euro, somit zunächst weiterhin 88,71 Prozent des "Westwertes".
- Nach der Rentenanpassung zum 1. Juli 2012 betrug der aktuelle Rentenwert 28,07 Euro und der aktuelle Rentenwert (Ost) 24,92 Euro, mithin 88,78 Prozent des "Westwertes".
- Nach der Rentenanpassung zum 1. Juli 2013 betrug der aktuelle Rentenwert 28,14 Euro und der aktuelle Rentenwert (Ost) 25,74 Euro, damit also 91,47 Prozent des "Westwertes".
- Nach der aktuellen Rentenanpassung zum 1. Juli 2014 beträgt der aktuelle Rentenwert 28,61 Euro und der aktuelle Rentenwert (Ost) 26,39 Euro, mithin inzwischen 92,24 Prozent des "Westwertes".
Auf das Niveau einzelner Teile der Lebenshaltungskosten kommt es demgegenüber nicht an. Der Gesetzgeber hat sich in seinem Programmsatz in zulässiger Weise auf die Anbindung an das Einkommensniveau festgelegt. Dies konnte er auf Grund der in diesem Fall weiten Gestaltungsfreiheit. Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass im Rahmen des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG nicht danach zu fragen ist, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Entscheidend ist allein, ob die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, ob also, bezogen jeweils auf den in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart, ein vernünftiger Grund für die Regelung fehlt. Dies ist aus den dargelegten Gründen zu verneinen. Vielmehr stellt § 254b Abs. 1 SGB VI zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sicher, dass die Rentenberechtigung aus in der DDR zurückgelegten Zeiten unter Wahrung des Verhältnisses der in einem System der Rentenversicherung der ehemaligen DDR versicherten Arbeitsentgelte zum Durchschnittsentgelt der in der DDR Beschäftigten im jeweiligen Berufsjahr gewonnen wird (BSG, Urteil vom 10. November 1998 - B 4 RA 32/98 R - JURIS-Dokument, RdNr. 15). Die §§ 256a, 248 SGB VI gewährleisten in diesem Regelungssystem, dass die in der ehemaligen DDR zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten bei der Rentenberechnung berücksichtigt werden, was ohne diese Regelung nicht möglich wäre (BSG, Urteil vom 10. November 1998 - B 4 RA 33/98 R - JURIS-Dokument, RdNr. 22-32). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet deshalb nicht, dem Kläger eine solche Rente zu zahlen, als hätte er Zeit seines Erwerbslebens in der gleichen Höhe wie ein vergleichbarer Versicherter in den alten Bundesländern Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung eingezahlt, während er tatsächlich weit niedrigere Beiträge geleistet hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber seiner Beobachtungspflicht nicht nachkommt. Die Angleichung der Rentenwerte ist nach wie vor in der parlamentarischen Diskussion: Ausweislich der Antwort der Bundesregierung vom 19. Oktober 2011 auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag (BT-Drs. 17/554) prüfte bereits die Bundesregierung der vergangenen Legislaturperiode unter verschiedenen Gesichtspunkten, wie die rechtlichen Regelungen für eine noch festzulegende Methode der Vereinheitlichung der Rentensysteme konkret ausgestaltet werden können, auch um eine Angleichung des aktuellen Rentenwertes (Ost) an den aktuellen Rentenwert vorzunehmen. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen (BT-Drs. 17/7393, S. 3; BT-Drs. 17/7711, S. 16-17; BT-Drs. 17/10803, S. 26). Die Erwägungen des Gesetzgebers sind auch insoweit sachgerecht, wenn er ausführt, dass eine Regelung der Frage zur Vereinheitlichung der Rentenberechnung, die den unterschiedlichen Erwartungen und Interessen in Ost und West sowie bei Alt und Jung gleichermaßen gerecht wird und zur Befriedung beiträgt, nur dann erzielbar ist, wenn sie von einem breiten Konsens aller Beteiligten getragen wird (BT-Drs. 17/10803, S. 26). Zutreffend verweist der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang darauf, dass sich das derzeitige System und die geltenden Regelungen bewährt haben, weil die besonderen rentenrechtlichen Bestimmungen dazu führen, insbesondere das nach wie vor im Durchschnitt niedrigere Lohnniveau in Ostdeutschland bei der Rentenberechnung durch die Hochwertung der Einkommen auszugleichen. Die für die Bestimmung der Entgeltpunkte maßgebenden Arbeitsverdienste Ost werden mit einem Hochwertungsfaktor vervielfältigt (§ 255a SGB VI in Verbindung mit Anlage 10 zum SGB VI), der den Abstand zwischen dem Durchschnittsentgelt Ost und dem Durchschnittsentgelt West widerspiegelt. Hierdurch ist sichergestellt, dass ein Durchschnittsverdiener Ost bei Erreichen einheitlicher Einkommensverhältnisse und dann gleich hohen aktuellen Rentenwerten auch für die vor Erreichen einheitlicher Einkommensverhältnisse liegenden Beitragszeiten einen gleich hohen Rentenertrag erhält wie ein Durchschnittsverdiener in den alten Ländern (vgl. zu den Auswirkungen der Hochwertung bei einer Ost-West-Rentenangleichung dezidiert: Winkel, SozSich 2014, 373). Aktuell prüft die Bundesregierung, wie der Angleichungsprozess in der gesetzlichen Rentenversicherung fortzusetzen ist. Dabei soll der "Fahrplan zur vollständigen Angleichung", gegebenenfalls mit einem Zwischenschritt, in einem Rentenüberleitungsabschlussgesetz festgeschrieben werden: Ende 2020, wenn die Lohn- und Gehaltsangleichung weiter fortgeschritten sein wird, soll in einem letzten Schritt die vollständige Angleichung der Rentenwerte erfolgen. Bereits zum 1. Juli 2016 soll geprüft werden, wie weit sich der Angleichungsprozess bereits vollzogen hat und auf dieser Grundlage entschieden werden, ob mit Wirkung ab 2017 bereits eine weitere Teilangleichung notwendig ist (vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode "Deutschlands Zukunft gestalten", S. 53)."
Gleiches hat der Senat für das Jahr 2015 (Urteil vom 5. Januar 2016 – L 5 R 160/15 - juris) sowie für das Jahr 2016 (Urteil vom 17. Januar 2017 – L 5 R 32/16 – juris) entschieden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Zuschlags für Kindererziehung im Rahmen einer Erwerbsminderungsrente.
Die Beklagte gewährte der 1954 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 25. Januar 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung beginnend am 1. April 2010 (Bl. 82 Verwaltungsakte [VA]). Mit Rentenbescheid vom 15. August 2014 berechnete sie die Rente beginnend am 1. Juli 2014 unter Berücksichtigung eines Zuschlags für Kindererziehung (sog. Mütterrente) neu, wobei sie einen Zuschlag von 2,0000 Entgeltpunkten Ost für die Erziehung von zwei Kindern zugrunde legte (Bl. 124 VA). Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, sie werde gegenüber anderen Frauen der Bundesrepublik benachteiligt. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie sei an das geltende Recht gebunden und habe dieses zwingend anzuwenden.
Mit ihrer hiergegen am 20. November 2014 vor dem Sozialgericht Leipzig erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Ihr sei eine volle Erwerbsminderungsrente unter Berücksichtigung eines Zuschlags für Kindererziehung auf "Westniveau" zu gewähren. Eine Differenzierung nach Ost- und West verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG). Es sei nicht gerechtfertigt, im Beitrittsgebiet eine geringere Mütterrente zu gewähren. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2015 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf einen Zuschlag für Kindererziehungszeiten unter Berücksichtigung des aktuellen Rentenwerts West. Nach § 254b Abs. 1 in Verbindung mit § 254d (Abs. 1 Nr. 3) Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) würden bis zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (BRD) an die Stelle der ermittelten Entgeltpunkte Entgeltpunkte (Ost) für Zeiten der Erziehung eines Kindes im Beitrittsgebiet treten. Diese Vorschriften seien nicht verfassungswidrig. Die Lebensverhältnisse im Beitrittsgebiet hätten sich nicht soweit an die Verhältnisse in den alten Bundesländern angeglichen, als dass das Differenzierungskriterium der "unterschiedlichen Roherträge der Wirtschaft im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet" entfallen wäre. Auch sei die Aufwertung der im Beitrittsgebiet erzielten Entgelte zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen zu berücksichtigen.
Gegen den am 27. Februar 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27. März 2015 Berufung eingelegt. Sie wendet sich weiterhin gegen die unterschiedliche Behandlung von West- und Ostrenten. Ein Grund für eine sachliche Differenzierung sei mehr als 25 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht ersichtlich. Die Lebensverhältnisse etwa in Ostfriesland und in Teilen Schleswig-Holsteins seien sehr wohl mit denen in den neuen Bundesländern vergleichbar. Die derzeitigen Regelungen seien nicht verfassungskonform.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß und sachdienlich gefasst),
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 17. Februar 2017 sowie unter Abänderung des Rentenbescheides vom 15. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2014 zu verurteilen, der Klägerin eine Erwerbsminderungsrente unter Zugrundelegung eines Rentenwertes West zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Dem Gericht lagen die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte, ohne mündlich zu verhandeln, entscheiden, weil die Beteiligten hiermit einverstanden sind, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Leipzig hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neuberechnung ihrer Erwerbsminderungsrente unter Zugrundelegung eines Rentenwertes West.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffenden Gründe des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Februar 2017 Bezug genommen, § 153 Abs. 2 SGG.
Darüber hinaus wird Folgendes ausgeführt:
Der erkennende Senat hat sich in mehreren Entscheidungen mit der Frage, ob die Zugrundelegung eines Rentenwertes Ost mit der Verfassung vereinbar ist, auseinandergesetzt und durchgehend bejaht (st. Rspr. seit Urteil vom 6. Januar 2015 – L 5 R 970/13). So hat er im Urteil vom 6. Januar 2015 (L 5 R 970/13 –, juris Rn. 25 ff.) für das Jahr 2014 ausgeführt:
"Entgegen der Ansicht des Klägers ist § 254b Abs. 1 SGB VI nicht gleichheits- und damit grundgesetzwidrig. Die immer noch bestehende Ungleichheit der Lebensverhältnisse in den alten und den neuen Bundesländern rechtfertigt weiterhin unterschiedliche Rentenwerte (vgl. zuletzt: BSG, Urteil vom 14. März 2006 - B 4 RA 41/04 R - JURIS-Dokument, RdNr. 28; sowie: LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2012 - L 22 R 478/11 - JURIS-Dokument, RdNr. 97-122; LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 23. September 2010 - L 33 R 1239/08 - JURIS-Dokument, RdNr. 41-47).
Die Norm verstößt weder ... gegen das Bestimmtheitsgebot noch gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 (dazu nachfolgend unter a) ...
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 8. Januar 1981 - 2 BvL 3/77 und 2 BvL 9/77 - JURIS-Dokument, RdNr. 41-42) gebietet der Bestimmtheitsgrundsatz, dass eine gesetzliche Ermächtigung zur Vornahme von Verwaltungsakten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt ist, so dass das Handeln der Verwaltung messbar und in gewissem Ausmaß für den Staatsbürger vorhersehbar und berechenbar wird. Diese Kriterien erfüllt die Regelung des § 254b Abs. 1 SGB VI. Diese Norm bestimmt, dass bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für die Bürger des Beitrittsgebiets persönliche Entgeltpunkte (Ost) und ein aktueller Rentenwert (Ost) für die Ermittlung des Monatsbetrages der Rente gebildet werden. Damit ist für die Verwaltung keine Generalklausel oder ein unbestimmter Rechtsbegriff geschaffen. Vielmehr ist das Handeln der Verwaltung eindeutig festgelegt. Die Bestimmung "bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse" ist vielmehr ein Programmsatz des Gesetzgebers, mit dem er darstellen will, für welche Zeit er unterschiedliche Rentenwerte aufrechtzuerhalten gedenkt.
Zutreffend ist als weiterer Prüfungsmaßstab auch von Art. 3 Abs. 1 GG auszugehen. Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ist indes nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 254b Abs. 1 SGB VI für einen Übergangszeitraum zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Einkommensverhältnisse in den alten und den neuen Bundesländern geschaffen hat. Dem Gesetzgeber ist nicht jede Differenzierung aus sachlichen Gründen verwehrt. Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum ist bei der Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Überführung der im Beitrittsgebiet erworbenen Ansprüche und Anwartschaften besonders weit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 1996 - 1 BvL 4/88 - JURIS-Dokument, RdNr. 50), so dass die Grenze allein vom Willkürverbot gezogen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 1995 - 1 BvR 892/88 - JURIS-Dokument, RdNr. 49; BSG, Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 5/98 R - JURIS-Dokument, RdNr. 24). Hierbei sind auch die Regelungen des Einigungsvertrages (EV) zu berücksichtigen. Nach Art. 30 Abs. 5 Satz 1 EV war das SGB VI durch besonderes Bundesgesetz auf das Beitrittsgebiet überzuleiten. Ziel des Gesetzes war es, eine Grundlage dafür zu schaffen, dass alle Berechtigten in den neuen Bundesländern ab 1992 eine auf den Prinzipien der Lohn- und Beitragsbezogenheit beruhende dynamische Rente erhalten (BT-Drs. 12/630, S. 20). Dabei war aber von vornherein klar, dass Rentner aus dem Beitrittsgebiet keine Rente in der gleichen Höhe wie vergleichbare Rentner aus den alten Bundesländern erhalten sollten; dies gilt auch für Versicherte, deren Rente erst nach der Wiedervereinigung beginnt. Denn mit der Herbeiführung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Rentenversicherung durch Zusammenführung unterschiedlicher Rentenversicherungssysteme stand der Gesetzgeber nach dem Einigungsvertrag vor einer umfassenden und schwierigen Aufgabe. Die Neuordnung des Rentenrechts mit dem Ziel der Überführung der in der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in die gesamtdeutsche Rentenversicherung konnte nur schrittweise, in manchen Bereichen zügiger, in anderen weniger schnell erfolgen (BVerfG, Beschluss vom 12. November 1996 - 1 BvL 4/88 - JURIS-Dokument, RdNr. 50).
Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit war der Gesetzgeber nicht zu Lasten vor allem der Versichertengemeinschaft des alten Bundesgebietes verpflichtet, den Umstand auszugleichen, dass durch den Staatsbankrott der DDR einschließlich ihrer Versicherungs- und Versorgungssysteme die Lebensleistung auch besonders qualifizierter Erwerbstätiger wirtschaftlich völlig entwertet war. Unter Berücksichtigung der mit der Wiedervereinigung entstandenen besonderen wirtschaftlichen Lasten, die durch die Planwirtschaft in der DDR verursacht worden sind und für die die Bundesrepublik Deutschland nicht verantwortlich ist, musste die Überführung des DDR-Rentensystems in das System des SGB VI mit vorübergehend niedrigeren Zahlbeträgen unter Wahrung des Bestandsschutzes erfolgen. Eine Begrenzung der finanziellen Ausgaben war erforderlich und auch für die Betroffenen zumutbar (BSG, Urteil vom 14. Juni 1995 - 4 RA 41/94 - JURIS-Dokument, RdNr. 53), um die Liquidität der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern. Sie war daher nicht willkürlich (vgl.: BSG, Urteil vom 14. März 2006 - B 4 RA 41/04 R - JURIS-Dokument, RdNr. 28). Gleiches gilt sinngemäß für die so genannten "Neurentner", d.h. für Versicherte, deren Rente erst nach dem 1. Januar 1992 begann, deren für die Rentenberechnung maßgebliche Erwerbsbiographie zu einem wesentlichen Teil aber noch in DDR-Zeiten fällt.
Mit der zum 1. Januar 1992 durch das Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) in das SGB VI eingefügten Bestimmung des § 254b SGB VI sollte die entsprechende Übergangsregelung für den Zeitraum getroffen werden, bis sich das Einkommensniveau im Beitrittsgebiet an das der alten Länder angeglichen hat. Dies ist bis heute aber gerade nicht der Fall, auch wenn sich die wirtschaftliche Lage inzwischen – verglichen mit den Anfangsjahren nach der Wiedervereinigung – angenähert hat (vgl. Landessozialgericht Berlin/Brandenburg, Urteil vom 23. September 2010 - L 33 R 1239/08 - JURIS-Dokument, RdNr. 41-47). Nach dem "Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2010" vom 22. September 2010 haben sich die Löhne (Bruttolohn- und Gehaltssumme je Arbeitnehmer) in den ostdeutschen Bundesländern von knapp 57 Prozent des westdeutschen Niveaus im Jahr 1991 auf 83 Prozent im Jahr 2009 erhöht (vgl. Jahresbericht, S. 17). Im Jahr 2009 stieg das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner – in Folge der schwächeren Betroffenheit Ostdeutschlands durch die Wirtschafts- und Finanzkrise – auf 73 Prozent des westdeutschen Niveaus (vgl. Jahresbericht, S. 76). Ähnliches ergibt sich nach wie vor und nahezu unverändert aus dem aktuellen Datenmaterial:
- Nach dem "Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2011" vom 9. November 2011 (BT-Drs. 17/7711) erreichte der rentenrechtliche Durchschnittslohn in den neuen Bundesländern inzwischen rund 85 Prozent des Durchschnittslohn in den alten Bundesländern (BT-Drs. 17/7711, S. 16) und das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner in Ostdeutschland betrug weiterhin rund 73 Prozent des westdeutschen Niveaus (BT-Drs. 17/7711, S. 24).
- Nach dem "Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2012" vom 4. Oktober 2012 (BT-Drs. 17/10803) lag das ostdeutsche Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner lediglich bei 71 Prozent des westdeutschen Niveaus, wobei sich beim Vergleich der ostdeutschen Länder, einschließlich des Stadtstaates Berlin, mit den strukturschwachen westdeutschen Flächenländern (Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Saarland) und dem Stadtstaat Bremen, ein Niveau von knapp 80 Prozent ergibt (BT-Drs. 17/10803, S. 4). Die gesamtwirtschaftliche Produktivität Ostdeutschlands lag bei rund 80 Prozent derjenigen im Vergleich zu Westdeutschland (BT-Drs. 17/10803, S. 17).
- Nach dem "Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2013" vom 21. November 2013 (BT-Drs. 18/107) bestehen die spürbaren Unterschiede in der Wirtschaftskraft je Einwohner sowie in den Löhnen und Gehältern zwischen Ost- und Westdeutschland fort (BT-Drs. 18/107, S. 3). Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner betrug in Bezug auf die Osthälfte Deutschlands nach wie vor lediglich 71 Prozent des durchschnittlichen Niveaus in Deutschland (BT-Drs. 18/107, S. 5). Auch die Relation der Löhne und Gehälter Ostdeutschlands gegenüber denen Westdeutschlands hat sich nach wie vor mit etwa 80 Prozent nicht wesentlich verändert (BT-Drs. 18/107, S. 6).
- Nach dem "Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2014" vom 20. September 2014 hat sich der wirtschaftliche Konvergenzprozess, d.h. der wirtschaftliche Aufholprozess der neuen Bundeländer zu Westdeutschland, wieder abgeschwächt (vgl. Jahresbericht, S. 18). Die Relation der Löhne und Gehälter Ostdeutschlands gegenüber denen Westdeutschlands hat sich nach wie vor mit etwa 80 Prozent nicht wesentlich verändert (vgl. Jahresbericht, S. 45f.).
Damit ist eine Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse im Sinne von § 254b Abs. 1 SGB VI nach wie vor noch nicht festzustellen. Jedenfalls begründen die aktuellen Zahlen gegenwärtig noch keine Pflicht des Gesetzgebers zur Änderung der streitgegenständlichen Berechnungsgrundlagen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber jeweils die festgestellten Annäherungen auf das Rentenniveau übertragen hat:
- So betrug der aktuelle Rentenwert im Januar 1992, also zu Beginn der Geltung des SGB VI, 41,44 DM, der aktuelle Rentenwert (Ost) dagegen 23,57 DM, also lediglich etwa 57 Prozent des West-Wertes.
- Zum 1. Januar 1999 war das Verhältnis auf 47,65 DM zu 40,87 DM, also auf 86 Prozent, angestiegen, ab dem 1. Juli 2003 betrug es 26,13 Euro zu 22,97 Euro, so dass der aktuelle Rentenwert (Ost) 88 Prozent des aktuellen Rentenwertes ausmachte.39- Nach der Rentenanpassung zum Juli 2009 betrug der aktuelle Rentenwert 27,20 Euro und der aktuelle Rentenwert (Ost) 24,13 Euro, so dass es zu einer weiteren Angleichung kam und der aktuelle Rentenwert (Ost) danach 88,71 Prozent des "Westwertes" betrug. Diese Relation wurde zwischenzeitlich weiter verringert:
- Nach der Rentenanpassung zum 1. Juli 2011 betrug der aktuelle Rentenwert 27,47 Euro und der aktuelle Rentenwert (Ost) 24,37 Euro, somit zunächst weiterhin 88,71 Prozent des "Westwertes".
- Nach der Rentenanpassung zum 1. Juli 2012 betrug der aktuelle Rentenwert 28,07 Euro und der aktuelle Rentenwert (Ost) 24,92 Euro, mithin 88,78 Prozent des "Westwertes".
- Nach der Rentenanpassung zum 1. Juli 2013 betrug der aktuelle Rentenwert 28,14 Euro und der aktuelle Rentenwert (Ost) 25,74 Euro, damit also 91,47 Prozent des "Westwertes".
- Nach der aktuellen Rentenanpassung zum 1. Juli 2014 beträgt der aktuelle Rentenwert 28,61 Euro und der aktuelle Rentenwert (Ost) 26,39 Euro, mithin inzwischen 92,24 Prozent des "Westwertes".
Auf das Niveau einzelner Teile der Lebenshaltungskosten kommt es demgegenüber nicht an. Der Gesetzgeber hat sich in seinem Programmsatz in zulässiger Weise auf die Anbindung an das Einkommensniveau festgelegt. Dies konnte er auf Grund der in diesem Fall weiten Gestaltungsfreiheit. Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass im Rahmen des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG nicht danach zu fragen ist, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Entscheidend ist allein, ob die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, ob also, bezogen jeweils auf den in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart, ein vernünftiger Grund für die Regelung fehlt. Dies ist aus den dargelegten Gründen zu verneinen. Vielmehr stellt § 254b Abs. 1 SGB VI zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sicher, dass die Rentenberechtigung aus in der DDR zurückgelegten Zeiten unter Wahrung des Verhältnisses der in einem System der Rentenversicherung der ehemaligen DDR versicherten Arbeitsentgelte zum Durchschnittsentgelt der in der DDR Beschäftigten im jeweiligen Berufsjahr gewonnen wird (BSG, Urteil vom 10. November 1998 - B 4 RA 32/98 R - JURIS-Dokument, RdNr. 15). Die §§ 256a, 248 SGB VI gewährleisten in diesem Regelungssystem, dass die in der ehemaligen DDR zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten bei der Rentenberechnung berücksichtigt werden, was ohne diese Regelung nicht möglich wäre (BSG, Urteil vom 10. November 1998 - B 4 RA 33/98 R - JURIS-Dokument, RdNr. 22-32). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet deshalb nicht, dem Kläger eine solche Rente zu zahlen, als hätte er Zeit seines Erwerbslebens in der gleichen Höhe wie ein vergleichbarer Versicherter in den alten Bundesländern Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung eingezahlt, während er tatsächlich weit niedrigere Beiträge geleistet hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber seiner Beobachtungspflicht nicht nachkommt. Die Angleichung der Rentenwerte ist nach wie vor in der parlamentarischen Diskussion: Ausweislich der Antwort der Bundesregierung vom 19. Oktober 2011 auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag (BT-Drs. 17/554) prüfte bereits die Bundesregierung der vergangenen Legislaturperiode unter verschiedenen Gesichtspunkten, wie die rechtlichen Regelungen für eine noch festzulegende Methode der Vereinheitlichung der Rentensysteme konkret ausgestaltet werden können, auch um eine Angleichung des aktuellen Rentenwertes (Ost) an den aktuellen Rentenwert vorzunehmen. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen (BT-Drs. 17/7393, S. 3; BT-Drs. 17/7711, S. 16-17; BT-Drs. 17/10803, S. 26). Die Erwägungen des Gesetzgebers sind auch insoweit sachgerecht, wenn er ausführt, dass eine Regelung der Frage zur Vereinheitlichung der Rentenberechnung, die den unterschiedlichen Erwartungen und Interessen in Ost und West sowie bei Alt und Jung gleichermaßen gerecht wird und zur Befriedung beiträgt, nur dann erzielbar ist, wenn sie von einem breiten Konsens aller Beteiligten getragen wird (BT-Drs. 17/10803, S. 26). Zutreffend verweist der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang darauf, dass sich das derzeitige System und die geltenden Regelungen bewährt haben, weil die besonderen rentenrechtlichen Bestimmungen dazu führen, insbesondere das nach wie vor im Durchschnitt niedrigere Lohnniveau in Ostdeutschland bei der Rentenberechnung durch die Hochwertung der Einkommen auszugleichen. Die für die Bestimmung der Entgeltpunkte maßgebenden Arbeitsverdienste Ost werden mit einem Hochwertungsfaktor vervielfältigt (§ 255a SGB VI in Verbindung mit Anlage 10 zum SGB VI), der den Abstand zwischen dem Durchschnittsentgelt Ost und dem Durchschnittsentgelt West widerspiegelt. Hierdurch ist sichergestellt, dass ein Durchschnittsverdiener Ost bei Erreichen einheitlicher Einkommensverhältnisse und dann gleich hohen aktuellen Rentenwerten auch für die vor Erreichen einheitlicher Einkommensverhältnisse liegenden Beitragszeiten einen gleich hohen Rentenertrag erhält wie ein Durchschnittsverdiener in den alten Ländern (vgl. zu den Auswirkungen der Hochwertung bei einer Ost-West-Rentenangleichung dezidiert: Winkel, SozSich 2014, 373). Aktuell prüft die Bundesregierung, wie der Angleichungsprozess in der gesetzlichen Rentenversicherung fortzusetzen ist. Dabei soll der "Fahrplan zur vollständigen Angleichung", gegebenenfalls mit einem Zwischenschritt, in einem Rentenüberleitungsabschlussgesetz festgeschrieben werden: Ende 2020, wenn die Lohn- und Gehaltsangleichung weiter fortgeschritten sein wird, soll in einem letzten Schritt die vollständige Angleichung der Rentenwerte erfolgen. Bereits zum 1. Juli 2016 soll geprüft werden, wie weit sich der Angleichungsprozess bereits vollzogen hat und auf dieser Grundlage entschieden werden, ob mit Wirkung ab 2017 bereits eine weitere Teilangleichung notwendig ist (vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode "Deutschlands Zukunft gestalten", S. 53)."
Gleiches hat der Senat für das Jahr 2015 (Urteil vom 5. Januar 2016 – L 5 R 160/15 - juris) sowie für das Jahr 2016 (Urteil vom 17. Januar 2017 – L 5 R 32/16 – juris) entschieden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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