L 3 AL 140/16

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 1 AL 243/15
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 140/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach den im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden allgemeinen Regeln zur objektiven Beweislast gilt der Grundsatz, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Danach muss die Klägerin alle Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Insolvenzgeld darlegen. Wenn sie nach einem ersten Insolvenzereignis vorträgt, dass bei ihrer früheren Arbeitgeberin ein zweites, neue Insolvenzereignis eingetreten sei, muss sie darlegen, dass ihre frühere Arbeitgeberin zwischen dem ersten und dem zweiten Insolvenzereignis die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat. Es ist nicht an der Beklagten, den Nichteintritt der Zahlungsfähigkeit, mithin das Nichtvorliegen einer Anspruchsvoraussetzung, darzulegen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 7. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Insolvenzgeld.

Die am 21. Mai 1959 geborene Klägerin arbeitete seit dem 24. Mai 1989 bei der Firma Y ... A ... GmbH (im Folgenden: OAN). Der letzte Arbeitsvertrag vom 27. Juni 2013 weist eine Beschäftigung ab dem 1. Juli 2013 im "Innendienst Kundenbetreuung" mit einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.329,00 EUR aus. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Kündigung des Insolvenzverwalters zum 31. Dezember 2015 bei unwiderruflicher Freistellung ab dem 14. April 2015 beendet.

Die OAN hatte bereits am 2012 aufgrund von Zahlungsunfähigkeit beim Amtsgericht A einen (ersten) Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt verbunden mit dem Antrag auf Anordnung von Eigenverwaltung gemäß § 270a der Insolvenzordnung (InsO).

Das im Insolvenzverfahren über das Vermögen der OAN (Az. 401 IN 2971/12) durch den als vorläufigen Sachwalter und gerichtlich bestellten Sachverständigen Rechtsanwalt X ... erstellte Gutachten vom 28. Februar 2013 weist einen Forderungsbetrag der Gläubiger der OAN in Höhe von insgesamt 29.241.435,78 EUR und hiervon sofort fällige Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten in Höhe von 10.713.207,50 EUR, sofort fällige Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 7.656.751,51 EUR und sonstige sofort fällige Verbindlichkeiten in Höhe von 7.013.423,86 EUR aus. Die sofort fälligen Verbindlichkeiten belaufen sich auf insgesamt 25.383.382,87 EUR. Der Vermögenswert der Gesellschaft wurde mit 15.954.861,33 EUR zuzüglich einer Rückschlagsperre in Höhe von 758,83 EUR und Anfechtungsansprüchen in Höhe von 1.977.718,19 EUR, einer kurzfristigen Liquidität in Höhe von 8.880.191,78 EUR und einer freien Masse in Höhe von 5.444.152,39 EUR ermittelt. Die Überschuldung wurde mit - 13.286.574,45 EUR (= 15.954.861,33 EUR Vermögen abzüglich 29.241.435,78 EUR Forderungsbetrag) und die Zahlungsunfähigkeit mit - 16.503.191,09 EUR (= 8.880.191,78 EUR kurzfristige Liquidität abzüglich 25.383.382,87 EUR sofort fällige Forderungen) ausgewiesen.

Am 1. März 2013 wurde über das Vermögen der OAN das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet (Az. 401 IN 2971/12) und Eigenverwaltung angeordnet. Der Klägerin wurde für den Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis zum 28. Februar 2013 Insolvenzgeld gezahlt.

Im Rahmen der Eigenverwaltung der OAN wurde im Auftrag der Gläubigerversammlung am 27. September 2013 ein Insolvenzplan erstellt, der von der Gläubigerversammlung am 11. November 2013 angenommen und mit Beschluss des Amtsgerichts A ... vom 13. Februar 2014 rechtskräftig bestätigt wurde. Der Insolvenzplan enthält die Regelung, dass die Gläubiger festgestellter Forderungen im Rang des § 38 InsO auf einen Großteil ihrer Forderungen gegen die Schuldnerin gegen ein Quotenzahlung von mindestens 3 %, aufgeteilt in Tranchen von 1 % am 30. Juni 2014 sowie weiteren 2 % zum 31. Dezember 2014, verzichten. Darüber hinaus sollten die Gläubiger an sogenannten "Besserungsabreden I und II" partizipieren, die eine weitere Quote von 2 % und ein Partizipieren an Erlösen aus der Realisierung von Ansprüchen vorsah. Es wurde ausgewiesen, dass bei einer Regelinsolvenz mit einer Quote von 0,00 % zu rechnen wäre. Hinsichtlich der Rechte am beweglichen Anlagevermögen wurde von einem Fortführungswert von 5.923.893,00 EUR ausgegangen und eine Abgeltungszeit von sechs Jahren geregelt. Hinsichtlich der Rechte am unbeweglichen Anlagevermögen wurde von einem Fortführungswert von 3.390.571,00 EUR ausgegangen und eine Abgeltung innerhalb von neun Jahren mittels monatlicher Ratenzahlungen vereinbart. Eine Forderungsverzicht nach § 52 InsO erklärten die Absonderungsberechtigten nicht.

Mit Beschluss vom 6. Juni 2014 hob das Insolvenzgericht (nunmehr Az. ) das Insolvenzverfahren nach Rechtskraft der Planbestätigung und Nachweis, dass die Kosten im Sinne des § 54 InsO (u. a. Gerichtskosten, Vergütung des Sachwalters) und die unstreitigen fälligen Masseverbindlichkeiten vollständig ausgeglichen wurden und die Zahlung der nicht fälligen gestundeten Masseverbindlichkeiten in Höhe von 673.353,03 EUR ausweislich der Finanzplanung und Erläuterungen der CMC GmbH zum Finanzplan sichergestellt und hinsichtlich der streitigen Masseverbindlichkeiten hinlänglich Sicherheiten bestünden, auf.

Der Finanzplan weist aus, dass zum Zeitpunkt der erwarteten Aufhebung des Verfahrens am 4. Juni 2014 ein Guthaben von rund 71.000,00 EUR, im Dezember 2014 ein Guthaben von rund 217.000,00 EUR bestehe und zu diesem Zeitpunkt die Quotenzahlung vollständig erfolgt sein werde. Unter anderem wird ausgeführt, dass Aufgrund der verzögerten Zahlung des Vorsteuererstattungsanspruchs fällige Verbindlichkeiten nicht bis Ende Mai gezahlt werden könnten und die Begleichung im August nach Zahlungseingang aus dem von der V ... GmbH (im Folgenden: SDP) abgetretenen Stromsteuererstattungsanspruch (rd. 57.000,00 EUR) sowie dem Eingang von ebenfalls abgetretenen Forderung (Umsätze aus April, rd. 30.000,00 EUR) erfolgen solle. Weiterhin werde von der Annahme ausgegangen, dass die durch Anfechtung eingezogenen Beträge nach Abzug der Kosten in Höhe von rund 1.503.000,00 EUR zur freien Verfügung stünden und durch die Mutter von Herrn U ... die Gewährung zweier Darlehen geplant sei.

Eine Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans wurde nicht angeordnet.

Die Fortführung der OAN nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgte auf der Basis dieser Fortführungsplanung der Geschäftsführung.

Entgegen den Erwartungen konnte eine nachhaltige Sanierung nicht erreicht und die Fortführungsplanung nicht realisiert werden. Die Audi BKK teilte dem Insolvenzgericht mit Schreiben vom 1. April 2015 mit, dass die ihnen zum 31. Dezember 2014 geschuldete Quote nicht gezahlt worden sei. Am 8. April 2015 wurden Verhandlungen, die zum Ziel hatten, der OAN Liquidität zuzuführen, abgebrochen.

Der Geschäftsführer der OAN stellte am 9. April 2015 einen (zweiten) Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit und teilte mit, dass zum 7. April 2015 (erneut) fällige Verbindlichkeiten in Höhe von 1.582.257,40 EUR bestanden hätten und liquide Mittel nur in Höhe von 9.247,67 EUR vorhanden seien. Grundlage der Überlegungen zur mittelfristigen Liquiditätsentwicklung sei die Erwartung gewesen, dass aus einem Vergleich 485.000,00 EUR und aus nachinsolvenzlich zu vereinbarenden Familiendarlehen insgesamt 1,5 Mio EUR für die Betriebsfortführung zur Verfügung stehen. Zu dem erwarteten Vergleichsabschluss sei es nicht gekommen. Der vor dem Landgericht W ... geführte Anfechtungsrechtsstreit habe zum ursprünglich mitgeteilten Verkündungstermin am 13. Februar 2015 nicht mit einer Entscheidung geendet. Die sodann vom 31. März 2015 bis zum 8. April 2015 geführte Verhandlung, die mit dem Ziel geführt worden seien, die Auszahlung des zweiten Familiendarlehens in Höhe von noch 1,0 Mio EUR auch ohne Erfüllung der vereinbarten weiteren Bedingungen zu erlangen, sei ohne Ergebnis geblieben, so dass wegen Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzantrag zu stellen sei.

Der vom vorläufigen Insolvenzverwalter und Sachverständigen X ... für das Insolvenzgericht (Az. ) erstellte Zwischenbericht vom 29. April 2015 weist aus, dass neben den mit dem Insolvenzantrag vom Geschäftsführer angezeigten fälligen Verbindlichkeiten die OAN nicht in der Lage sei, ihren Zahlungsverpflichtungen gemäß Insolvenzplan nachzukommen. Diese seien auch fällig. Angabegemäß seien nur teilweise Zahlungen geleistet worden. Zudem würde bei Eröffnung des gegenständlichen Insolvenzverfahrens der von den Gläubigern im Rahmen des Plans erklärte Forderungsverzicht gemäß § 255 Abs. 2 InsO hinfällig, so dass sämtliche Forderungen aus dem Altverfahren wieder aufleben würden und von Überschuldung auszugehen sei.

Die Klägerin stellte am 8. Mai 2015 einen Antrag auf Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. Februar 2015 bis 13. April 2015.

Das im Insolvenzverfahren (Az. ) über das Vermögen der OAN durch den als vorläufigen Sachwalter und gerichtlich bestellten Sachverständigen Rechtsanwalt X ... erstellte Gutachten vom 29. Mai 2015 weist als neuerliche Krisenursachen aus, dass es der Schuldnerin nicht wie erwartet gelungen sei, Vorkasseforderungen von Lieferanten nach Verfahrensaufhebung abzuwehren und verträgliche Zahlungsziele auszuhandeln. Eine Bankenfinanzierung habe nicht eingeworben werden können. Zwar habe die Mutter des Alleingesellschafters eine Zahlung in Höhe von 500.000,00 EUR erbracht. Das Darlehen sei jedoch über eine Grundschuld besichert worden und dessen tatsächliche Verwendung noch nicht aufgeklärt. Mangels weiterer Sicherheiten sei das weitere Darlehen nicht zur Verfügung gestellt worden. Weitere operative Sanierungsmaßnahmen seien gescheitert. Die monatlichen Kosten von über 25.000,00 EUR (netto) für den neu eingestellten "CEO" (Chief Executive Officer) seien aus dem operativen Geschäft nicht zu erwirtschaften gewesen und hätten zu einer Vertiefung der ohnehin schon bestehenden Unterdeckung geführt. Nach der Verfahrensaufhebung sei es zu schwerwiegenden technischen Problemen gekommen. Zudem sei im III. Quartal 2014 über das Vermögen eines dänischen Großkunden das Insolvenzverfahren eröffnet worden, so dass die Außenstände in Höhe von 140.000,00 EUR hätten ausgebucht werden müssen und die in der Fortführungsplanung eingestellten Umsätze aus dieser Geschäftsbeziehung von ca. 1,5 Mio EUR im Jahr nicht hätten realisiert werden können. Eine Kompensation über Neukundenbeziehungen sei nicht möglich gewesen. Ein weiterer Liquiditätsausfall habe sich aus der Eröffnung des am 26. Juni 2014 eigenbeantragten Insolvenzverfahrens über das Vermögen der SDP ergeben. In der Fortführungsplanung sei die ratierliche Rückzahlung von Verbindlichkeiten der SDP gegenüber der OAN in Höhe von 500.000,00 EUR eingestellt gewesen. Die betriebliche Situation sei von einer stetig zunehmenden Liquiditätsunterdeckung gekennzeichnet gewesen, was sich an einer Vielzahl von Ratenzahlungsvereinbarungen mit Schlüssellieferanten und Dienstleistern sowie Krankenkassen, beginnend schon im Juli/ August 2014 manifestiere. Zudem sei die Schuldnerin bereits nicht ihren Zahlungsverpflichtungen gemäß Insolvenzplan vollständig nachgekommen. Schon die erste Quotenzahlung, fällig am 30. Juni 2014, sei nur teilweise geleistet worden, was auch für die zweite per 31. Dezember 2014 geschuldete Quotenzahlung gelte. Infolge ausstehender Materiallieferungen sei nicht nur Lieferverzug gegenüber Kunden eingetreten, sondern die Produktion faktisch in weiten Teilen zum Erliegen gekommen. Zur Wiederaufnahme sei ein Zahlungsbetrag von 350.000,00 EUR erforderlich. Hinzu kämen weitere über 100.000,00 EUR fällige Forderung von Dienstleistern und Spediteuren und über 500.000,00 EUR fällige Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer.

Mit Beschluss vom 1. Juni 2015 eröffnete das Amtsgericht A das Insolvenzverfahren über das Vermögen der OAN (Az. ).

Mit Bescheid vom 8. Juni 2015 wurde der Antrag der Klägerin auf Insolvenzgeld abgelehnt. Hinsichtlich der Arbeitgeberin könne eine zwischenzeitlich wiederhergestellte Zahlungsfähigkeit nicht festgestellt werden, da der bestätigte Insolvenzplan nicht habe erfüllt werden können.

Den Widerspruch der Klägerin vom 22. Juni 2015 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2015 zurück.

Die Klägerin hat am 11. September 2015 Klage erhoben.

Auf ein gerichtliches Auskunftsersuchen hin hat der Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt X ..., mit Schreiben vom 16. März 2016 auf die Frage "Ist nach der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans vom 13. Februar 2014 bzw. Aufhebung des Insolvenzverfahrens vom 6. Juni 2014 bei der Y ... A ... GmbH wieder Zahlungsfähigkeit eingetreten und erst später erneute Zahlungsunfähigkeit entstanden?" ausgeführt: "Über das Vermögen der oben genannten Schuldnerin lief bereits im Jahr 2013 ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung nach § 270a InsO (Amtsgericht A ..., AZ: ), das nach rechtskräftiger Bestätigung eines vom Eigenverwalter vorgelegten Insolvenzplans am 06.06.2014 aufgehoben wurde. Eine Planüberwachung wurde insoweit nicht angeordnet.

Entgegen den Erwartungen des Eigenverwalters konnte eine nachhaltige Sanierung in der Folge des vorangegangenen Insolvenzplanverfahrens für die Schuldnerin nicht erreicht werden. Insbesondere konnte die Fortführungsplanung der Gesellschaft nicht realisiert werden.

Der Schuldnerin gelang es nicht wie erwartet, Vorkasse-Forderungen von Lieferanten nach Verfahrensaufhebung abzuwehren und stattdessen verträgliche Zahlungsziele auszuhandeln.

Zudem scheiterten auch weitere operative Sanierungsmaßnahmen.

Ferner konnten die in der Fortführungsplanung vom Eigenverwalter eingestellten Umsätze aus diversen Geschäftsbeziehungen nicht generiert werden. Jene Umsatzausfälle konnten auch nicht durch neue Kundenbeziehungen kompensiert werden.

Infolge dessen war die betriebliche Situation der Schuldnerin von einer stetig zunehmenden Liquiditätsunterdeckung gekennzeichnet.

Dies manifestiert sich an einer Vielzahl von Ratenzahlungsvereinbarungen mit Schlüssellieferanten und Dienstleistern sowie Krankenkassen, beginnend schon im Juli/August 2014.

Zudem kam die Schuldnerin auch schon nicht ihren Zahlungsverpflichtungen gemäß Insolvenzplan vollständig nach. Bereits die erste Quotenzahlung an die Gläubiger festgestellter Forderungen im Rang des § 38 InsO, fällig am 30.06.2014, wurde nur teilweise geleistet. Gleiches gilt für die zweite geschuldete Quotenzahlung per 31.12.2014.

Die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer wurden schon seit Ende 2014 nur noch nachlaufend und ratierlich bezahlt. Letztmalig leistete die Schuldnerin auf die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer für Februar 2015 in drei Tranchen Zahlungen von insgesamt EUR 750,00/Arbeitnehmer.

Aufgrund der zunehmenden Liquiditätsunterdeckung wurde das operative Geschäft stetig erschwert.

Vor diesem Hintergrund stellte die Schuldnerin, vertreten durch Geschäftsführer U ..., einschließlich am 09.04.2015 Insolvenzeigenantrag."

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 7. Juli 2016 abgewiesen. Am 1. Juni 2015 sei kein neues Insolvenzereignis eingetreten. Ein neues Insolvenzereignis trete nicht ein und könne folglich keinen Anspruch auf Insolvenzgeld auslösen, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauere. Von andauernder Zahlungsunfähigkeit sei solange auszugehen, wie der Gemeinschuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage sei, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Dies ergebe sich aus der Auskunft des Insolvenzverwalters. Die ursprüngliche Insolvenz sei aufgrund des fehlgeschlagenen Liquiditätskonzepts bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens noch nicht beendet worden. Die Arbeitgeberin habe zu keinem Zeitpunkt ausreichende Liquidität erlangt, um ihre fälligen Geldschulden im Allgemeinen dauerhaft erfüllen zu können. Dies sei auch dadurch offenkundig, dass die Arbeitgeberin von Anfang an nicht in der Lage gewesen sei, die im Insolvenzplan vorgesehenen Zahlungen vollständig zu leisten. Das zeitlich früheste der drei im Gesetz angeführten Insolvenzereignisse schaffe für die später eintretenden Insolvenzereignisse eine Sperrwirkung. Die die Beteiligten des Insolvenzplanverfahrens betreffenden Wirkungen des Insolvenzplans nach Maßgabe des § 255 InsO würden hinfällig, wenn der Schuldner den Plan nicht erfüllt.

Die Klägerin hat gegen das Urteil am 5. August 2016 Berufung eingelegt. Die Klägerbevollmächtigte trägt vor, dass das Sozialgericht die Verpflichtung, die das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 6. Dezember 2012 (Az. B 11 AL 10/11 R) aufgestellt habe, nicht erfüllt habe. Es sei nicht ausreichend, allein auf die Auskunft des Insolvenzverwalters abzustellen. Zudem beschreibe dieser eine "stetig zunehmende" Liquiditätsunterdeckung, was impliziere, dass es eine Zeit mit einer Liquiditätsdeckung gegeben haben müsse. Die Klägerin habe nicht in Kenntnis der Insolvenz weitergearbeitet. Von der erneuten Insolvenz hätte sie erst auf der Betriebsversammlung vom 13. April 2015 erfahren. Jedenfalls für einen weiteren Monat sei Insolvenzgeld zu zahlen.

Die Klägerbevollmächtigte hat in der mündlichen Hauptverhandlung beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass die Zahlungsfähigkeit der OAN A ... GmbH nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplanes vom 13. Februar 2014 bzw. der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens am 6. Juni 2014 wieder eingetreten ist und erst nach diesem Zeitpunkt die OAN A ... GmbH nicht mehr in der Lage war, "Geldschulden im Allgemeinen" zu erfüllen, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Die Klägerin beantragt,

1. Das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 7. Juli 2016 (Az. S 1 AL 243/15) wird abgeändert. 2. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2015 wird aufgehoben. 3. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 1. Februar 2015 bis 13. April 2015 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Einholen eines Sachverständigengutachtens durch einen Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater sei nicht erforderlich. Die Klägerin habe auch nicht in Unkenntnis des Insolvenzereignisses weitergearbeitet.

Das Gericht hat nach Beratung den Beweisantrag durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung abgelehnt und diesen begründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakte beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2015 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. Februar 2015 bis zum 13. April 2015.

1. Die Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch findet sich in § 165 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III). Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt nach § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III 1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, 2. die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen hat, besteht nach § 165 Abs. 3 SGB III der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses.

Maßgebendes Insolvenzereignis im Sinne des § 165 Abs. 1 SGB III ist vorliegend die mit Beschluss vom 1. März 2013 wegen Zahlungsunfähigkeit und wegen Überschuldung erfolgte Insolvenzeröffnung. Lediglich für die dem Insolvenzereignis vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses, für welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben, besteht ein Anspruch auf Insolvenzgelt, so dass ein Anspruch der Klägerin für die Zeit vom 1. Februar 2015 bis zum 13. April 2015 nicht in Betracht kommt.

Die (spätere erneute) mit Beschluss vom 1. Juni 2015 wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung erfolgte Insolvenzeröffnung stellt kein neues Insolvenzereignis im Sinne des § 165 Abs. 1 SGB III dar, da die auf dem festgestellten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Arbeitgebers bis zur erneuten Insolvenzeröffnung andauerte.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sowohl zum Konkursausfallgeld als auch zum Insolvenzgeld, der sich der Senat vollumfänglich anschließt, tritt ein neues Insolvenzereignis nicht ein und kann folglich auch Ansprüche auf Insolvenzgeld nicht auslösen, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert. Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist so lange auszugehen, wie der Gemeinschuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelne Zahlungsverpflichtungen wieder erfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 11. Januar 1989 – 10 RAr 7/87 – SozR 4100 § 141b Nr. 43 S. 164 = juris Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 21. November 2002 – B 11 AL 35/02 RBSGE 90, 157 [158] = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3 = juris Rdnr. 14, m. w. N.; BSG, Urteil vom 29. Mai 2008 – B 11a AL 57/06 RBSGE 100, 282 f. = SozR 4-4300 § 183 Nr. 9 = juris Rdnr. 11; BSG, Urteil vom 6. Dezember 2012 – B 11 AL 11/11 RBSGE 112, 235 ff. = SozR 4-4300 § 183 Nr. 14= juris Rdnr. 16). Allein aus der Bestätigung eines Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens folgt noch nicht, dass der zunächst eingetretene Insolvenzfall beseitigt wäre. Zu beachten ist insofern, dass die nur die Beteiligten des Insolvenzplanverfahrens betreffenden Wirkungen des Insolvenzplans nach Maßgabe des § 255 InsO hinfällig werden, wenn der Schuldner den Plan nicht erfüllt. Bei einer erneuten Eröffnung des Insolvenzverfahrens lässt § 255 Abs. 2 InsO die Stundungen und Erlasse für alle Insolvenzgläubiger des alten Verfahrens entfallen (vgl. BSG, Urteil vom 21. November 2002, a. a. O., juris Rdnr. 17; BSG, Urteil vom 29. Mai 2008, a. a. O., juris Rdnr. 12; BSG, Urteil vom 6. Dezember 2012, a. a. O., Rdnr. 18; BSG, Urteil vom 17. März 2015 – B 11 AL 9/14 R - juris Rdnr. 16).

Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 21. November 2002 (a. a. O., Rdnr. 18 und 19) ausdrücklich ausgeführt:

"Entgegen der Auffassung des Klägers führt die Beteiligung des Insolvenzgerichts am Insolvenzplanverfahren nicht zu der Annahme, es werde für die betroffenen Arbeitnehmer ein Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers geschaffen. Ein derartiger Vertrauenstatbestand setzt jedenfalls voraus, dass dem Verfahren bis zur Bestätigung des Insolvenzplans eine eingehende Prüfung der Erfolgsaussichten durch das Gericht vorausgeht. Dies ist nicht der Fall. Im Rahmen der Vorprüfung nach § 231 InsO kann das Gericht nur formale Anforderungen überprüfen (§ 231 Abs. 1 Nr. 1 InsO) oder den Plan zurückweisen, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Annahme durch die Gläubiger oder Bestätigung besteht (§ 231 Abs. 1 Nr. 2 InsO) oder die den Beteiligten nach dem gestaltenden Teil des Plans zugedachten Ansprüche offensichtlich nicht befriedigt werden können (§ 231 Ab 1 N 3 InsO). Die gesetzliche Beschränkung auf eine Evidenzkontrolle erklärt sich vor dem Hintergrund, die "Abstimmungshoheit" der Gläubigerversammlung bestmöglich zu wahren (Jaffe in Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 1999, § 231 Rdnr. 26). Auch der Bestätigung des Plans nach den §§ 248 ff InsO können angesichts des dem Gericht vom Gesetz auferlegten Prüfungsumfangs nicht die vom Kläger behaupteten Auswirkungen beigemessen werden. Denn das Gericht prüft lediglich, ob die gesetzlichen Vorschriften eingehalten sind und ob sämtliche Einwendungen der Beteiligten beschieden sind. Eine materiell-rechtliche Prüfung, ob der Plan wirtschaftlich zweckmäßig gestaltet ist und ob er voraussichtlich Erfolg haben wird, ist dem Insolvenzgericht verwehrt (Jaffe In Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 1999, § 248 RdNr 10; Flessner in Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl 2001, § 248 RdNr 2). Auch insoweit überlässt der Gesetzgeber die Verantwortung für die positive Prognose den beteiligten Gläubigern.

Die mit der Einführung von Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen rechtfertigen es nicht, allein auf Grund der Bestätigung des Plans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung zu eröffnen. Der Insolvenzplan ist seiner gesetzlichen Konzeption nach ein Instrument zur Verwirklichung der Privatautonomie im Insolvenzfall (Müller, KTS 2002, 209). Das Insolvenzplanverfahren hat das Ziel der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung des Insolvenzverfahrens unberührt gelassen. Der Insolvenzplan ist neben dem regulären Insolvenzverfahren ein Mittel zur Erreichung des Zwecks der Gläubigerbefriedigung (vgl BT-Drucks 12/2443 S 90; Schmid/Rattunde, Der Insolvenzplan, RdNr 76; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, 3. Aufl, S 975). Ebenso wie durch das Insolvenzverfahren soll die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger sichergestellt werden. Schon diese Konkurrenz von regulärem Insolvenzverfahren und Insolvenzplanverfahren schließt es aus, allein das Insolvenzplanverfahren dadurch zu begünstigen, dass den Gläubigern durch die wiederholte Zuerkennung von Insg-Ansprüchen ein Sondervorteil verschafft wird. Zwar würde dies die bereits in § 1 Satz 1 InsO erwähnte weitere Zielsetzung des Insolvenzplans, den Erhalt des Unternehmens zu fördern, unterstützen. Die letztgenannte Erwägung führt jedoch nicht zu einer anderen Bewertung, denn der Gesetzgeber verfolgt - wie das BSG bereits zum Kaug entschieden hat (BSG SozR 4100 § 141b Nr 46) - mit den §§ 183 ff SGB III nicht die Ziele der InsO, sondern begründet lediglich eine Sicherung bestimmter Lohnforderungen in der Insolvenz des Arbeitgebers."

Das Bundessozialgericht hat – wenn auch für den Fall einer angeordneten Planüberwachung – zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es keine Anhaltspunkte für eine andere Bewertung gäbe, wenn die Schuldnerin bereits zum ersten Fälligkeitstermin der nach dem Insolvenzplan geschuldeten Forderung zu deren Begleichung außer Stande ist (BSG, Urteil vom 21. November 2002, a. a. O., Rdnr. 21).

Diese Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 29. Mai 2008 (a. a. O., juris Rdnr. 14) zunächst in dem Sinne weiterentwickelt, dass von einer Fortdauer der aus Anlass des früheren Insolvenzereignisses eingetretenen Zahlungsunfähigkeit jedenfalls dann auszugehen ist, wenn die im Insolvenzplan vorgesehene Überwachung der Planerfüllung andauert. Maßgebend dafür war die Erwägung, dass bei vorgesehener und andauernder Planüberwachung trotz Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 InsO) der Zusammenhang mit dem einmal eröffneten Insolvenzverfahren dadurch dokumentiert werde, dass Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters und gegebenenfalls des Gläubigerausschusses sowie die Aufsicht des Insolvenzgerichts insoweit fortbestünden. In einer solchen Situation komme die Wiedererlangung der Fähigkeit des Schuldners, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen erfüllen zu können, nicht in Betracht.

Mit Urteil vom 6. Dezember 2012 (a. a. O., juris Rdnr.19) hat das Bundessozialgericht die Rechtsprechung erneut weiterentwickelt und ausgeführt, dass auch dann ein einheitlicher Insolvenztatbestand vorliegen kann, wenn keine Überwachung der Planerfüllung stattfindet. In diesen Fällen ist anhand der Einzelumstände zu prüfen und von den Tatsachengerichten festzustellen, ob der Arbeitgeber die Fähigkeit, fällige Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, wiedererlangt hat.

Zur Überzeugung des Senats steht aufgrund der aus beiden Insolvenzverfahren zur Akte genommenen Unterlagen, insbesondere auf der Grundlage der in den Insolvenzverfahren erstellten Gutachten vom 28. Februar 2013 (Az. 401 IN 2971/12) und vom 29. Mai 2015 (Az. 403 IN 738/15) fest, dass die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der OAN, welche zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der OAN mit Beschluss vom 1. März 2013 (Az. 401 IN 2971/12) führte bis zur erneuten Eröffnung mit Beschluss vom 1. Juni 2015 (Az. 403 IN 738/15) andauerte (a). Die schriftliche Auskunft des Insolvenzverwalters vom 16. März 2016 ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht geeignet, hieran Zweifel zu begründen (b). Der Beweisantrag der Klägerin war abzulehnen (c).

a) Der Beschluss des Insolvenzgerichts vom 6. Juni 2014, mit welchem das Insolvenzverfahren Az. 430 [urspr.401] IN 2971/12 aufgehoben wurde, erging allein aufgrund des von der Gläubigerversammlung genehmigten rechtskräftigen Insolvenzplans vom 27. September 2013, der die Quotenzahlung von 1 % und 2 % vorsah, nach Stundung von Masseverbindlichkeiten und Zahlung der Verfahrenskosten und der fälligen Masseverbindlichkeiten. Bereits etwas mehr als drei Wochen später, am 30. Juni 2014, wurde die in sehr geringer Höhe von 1 % im Insolvenzplan vereinbarte Quote nicht vollständig beglichen. Auch nachträglich wurden diese und die folgende, zum 31. Dezember 2014 geschuldete Quote in Höhe von 2 % nicht vollständig beglichen. Dies hatte zur Folge, dass der im Rahmen des Plans erklärte Forderungsverzicht auf den viel größeren Teil der Forderungen aus dem Altverfahren hinfällig war und die Forderungen wieder auflebten. Allein aufgrund der gravierenden Auswirkungen ist dieser Umstand von maßgebender Bedeutung. Die Zahlungsunfähigkeit dokumentierte sich zudem in den bereits unmittelbar wieder im Juli/August 2014 mit Schlüssellieferanten und Dienstleistern sowie Krankenkassen abgeschlossenen Ratenzahlungsvereinbarungen. Zusätzlich zu den Verbindlichkeiten aus dem Insolvenzplan liefen bis zum (zweiten) Insolvenzantrag vom 9. April 2015 ausweislich des Gutachtens im Insolvenzverfahren vom 29. Mai 2015 weitere neue erhebliche fällige Verbindlichkeiten gegenüber Dienstleistern, Spediteure und Arbeitnehmer auf. Kreditwürdigkeit lag nicht vor. Weder wurden von Banken, noch von Seiten der Familie – mit Ausnahme des besicherten Darlehens in Höhe von 500.000,00 EUR – oder durch Lieferanten dem Unternehmen Kredite gewährt. Von Beginn zeichnete sich aufgrund weiterer Insolvenzen verbundener Unternehmen (so die der SDP bereits am 26. Juni 2014, keine drei Wochen nach Aufhebung des [ersten] Insolvenzverfahrens der OAN) und maßgebender Geschäftspartner sowie technischer Schwierigkeiten keinerlei Verbesserung der finanziellen und wirtschaftlichen Situation der OAN ab. Nach den getroffenen Feststellungen bestehen in der Gesamtschau keinerlei Anhaltspunkte für eine seit dem ersten Insolvenzereignis am 1. März 2013 wiedererlangte Fähigkeit, fällige Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Vielmehr war bereits am 30. Juni 2014, aufgrund der nicht vollständigen Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen aus dem Insolvenzplan, konkret der zu diesem Zeitpunkt geschuldeten und nicht vollständig gezahlten ersten Rate in Höhe einer Quote von (nur) 1 %, die fortbestehende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung offensichtlich. Die erst kurz zuvor mit Beschluss vom 6. Juni 2014 erfolgte Aufhebung des Insolvenzverfahrens hatte ihren Grund, wie sich aus den Angaben des Geschäftsführers gegenüber dem Insolvenzverwalter und den eigenen Feststellungen des Insolvenzverwalters ergibt, allein in der Erwartung, dass auf der Basis der Fortführungsplanung der Geschäftsführung, konkret insbesondere aufgrund des avisierten Liquiditätszuflusses, von Absprachen mit Lieferanten sowie der erfolgreichen Sanierung und Geltendmachung weiterer Forderung, das Insolvenzereignis überwunden war, was jedoch im hier vorliegenden Fall aufgrund der dargestellten Entwicklung erkennbar nicht der Fall war.

b) Dies hat auch der Insolvenzverwalter im Schreiben vom 16. März 2016 so beschrieben, indem er ausführte, dass die betriebliche Situation der Schuldnerin von einer stetig zunehmenden und nicht von einer neu entstandenen Liquiditätsunterdeckung gekennzeichnet war. Eine Stabilisierung der finanziellen Situation steht deshalb auch für eine kurze Zeit nicht im Raum.

Soweit die Klägerbevollmächtigte aus dieser Aussage des Insolvenzverwalters demgegenüber ableiten will, dass die OAN – jedenfalls zeitweise – ihre Zahlungsfähigkeit wiedererlangt habe, überzeugt dies nicht. Denn der Begriff "Zunehmen" beschreibt ebenso wie seine Synonyme "Ansteigen", "Anwachsen", "Erhöhen", "Steigern" oder "Vergrößern" das Verhältnis zwischen zwei Bezugspunkten im Zusammenhang mit einer zeitlichen Entwicklung. Es wird ein früherer Zustand mit einem späteren verglichen. Grundvoraussetzung für einen Vergleich ist, dass beide Bezugspunkte vergleichbar sind. Dies bedeutet, dass sie dieselben für den Vergleich erforderlichen Merkmale aufweisen müssen. Wenn während des Zeitverlaufes der maßgebende Bezugspunkt ausgewechselt wird, kann vom aktuellen Zustand keine Entwicklung mehr zum ersten Bezugspunkt beschrieben werden. Übertragen auf den Fall der Klägerin bedeutet dies, dass nur entweder die Zahlungsfähigkeit oder die Zahlungsunfähigkeit der OAN zu zwei verschiedenen Zeitpunkten verglichen und danach die Aussage getroffen werden kann, ob im Laufe der Zeit ihre Zahlungsfähigkeit oder Zahlungsunfähigkeit zugenommen oder abgenommen hat oder ob sie unverändert geblieben ist. Hingegen kann denknotwendig eine Zahlungsfähigkeit nicht zu einer Zahlungsunfähigkeit "zunehmen".

c) Der Beweisantrag der Klägerbevollmächtigten war, wie in der Beschlussbegründung bereits ausgeführt wurde, abzulehnen. Auch waren weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht veranlasst. Der Beweisantrag entsprach nicht den Anforderungen, die an einen ordnungsgemäßen Beweisantrag zu stellen sind. Es handelte sich um einen Beweisermittlungsantrag (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 24. Januar 2018 – B 13 R 377/15 B – juris Rdnr. 12, m. w. N.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 160 Rdnr. 18a, m. w. N.). Die behauptete und zum Beweis gestellte wiedererlangte Zahlungsfähigkeit wird ohne greifbare Anhaltspunkte und ohne Tatsachen aufs Geratewohl "ins Blaue" behauptet. Der Senat war, nachdem die Unterlagen aus den beiden Insolvenzverfahren beigezogen wurden, im Rahmen der Akteneinsicht zur Verfügung standen und aussagekräftig sind, im Rahmen der Amtsermittlungspflicht auch zu keiner weiteren Sachaufklärung verpflichtet.

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin alle Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Insolvenzgeld darlegen muss. Wenn sie nach einem ersten Insolvenzereignis vorträgt, dass bei ihrer früheren Arbeitgeberin ein zweites, neue Insolvenzereignis eingetreten sei, muss sie auf der Grundlage der oben beschriebenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes darlegen, dass ihre frühere Arbeitgeberin zwischen dem ersten und dem zweiten Insolvenzereignis die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat. Es ist nicht an der Beklagten, den Nichteintritt der Zahlungsfähigkeit, mithin das Nichtvorliegen einer Anspruchsvoraussetzung, darzulegen. Wenn sich nach Ausschöpfen aller Erkenntnismöglichkeiten die Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit der OAN zwischen dem ersten und dem zweiten Insolvenzereignis nicht belegen lässt, geht diese Nichterweislichkeit zu Lasten der Klägerin. Denn nach den im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden allgemeinen Regeln zur objektiven Beweislast gilt der Grundsatz, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 9. April 2015 – L 3 AS 1009/14 – juris Rdnr. 54, m. w. N.; vgl. zum Sozialverwaltungsverfahren: Siefert, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 20 Rdnr. 31, m. w. N.; zum Sozialgerichtsverfahren: Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 103 Rdnr. 19a, m. w. N.).

2. Ein Anspruch auf Insolvenzgeld kann auch nicht aus § 165 Abs. 3 SGB III hergeleitet werden. Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitnehmer, der in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen hat, Insolvenzgeld auch für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses erhalten. Ein solcher Anspruch kommt unter den gegebenen Umständen nicht in Betracht. Denn der Klägerin war das maßgebende Insolvenzereignis von 2013 bekannt, da sie hierfür Insolvenzgeld erhalten hatte. Diese Kenntnis kann nachträglich nicht entfallen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

III. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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