Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 151/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 207/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 1318 Berufskrankheiten-Verordnung
Zwar ist die Erkrankung Multiples Myelom grundsätzlich anerkennungsfähig als Berufskrankheit nach Nummer 1318 BKV. Allerdings lässt die gegenwärtige epidemiologische Datenlage keine präzise Beschreibung des Dosis-Wirkungszusammenhangs für die Erkrankung zu, weshalb für die Bejahung der Kausalität eine besonders hohe Intensität oder eine besonders lange Dauer der beruflichen Benzolexposition erforderlich ist.
Eine ausreichende Exposition wird grundsätzlich bei einer extremen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel zwei bis fünf Jahren oder bei einer hohen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel sechs Jahren und mehr bejaht. Wann von einer extremen bzw. hohen Belastungsintensität auszugehen ist, orientiert sich an der Beschreibung und Klassifizierung relevanter Expositionsverhältnisse in Abschnitt 3.2.2. der Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318.
Zwar ist die Erkrankung Multiples Myelom grundsätzlich anerkennungsfähig als Berufskrankheit nach Nummer 1318 BKV. Allerdings lässt die gegenwärtige epidemiologische Datenlage keine präzise Beschreibung des Dosis-Wirkungszusammenhangs für die Erkrankung zu, weshalb für die Bejahung der Kausalität eine besonders hohe Intensität oder eine besonders lange Dauer der beruflichen Benzolexposition erforderlich ist.
Eine ausreichende Exposition wird grundsätzlich bei einer extremen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel zwei bis fünf Jahren oder bei einer hohen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel sechs Jahren und mehr bejaht. Wann von einer extremen bzw. hohen Belastungsintensität auszugehen ist, orientiert sich an der Beschreibung und Klassifizierung relevanter Expositionsverhältnisse in Abschnitt 3.2.2. der Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 26. September 2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 1318 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1969 geborene Kläger erlernte den Beruf eines Straßen- und Tiefbauers, in dem er einschließlich der Zeit seiner Lehrausbildung von 1986 bis 2015 tätig war.
Im Juni 2015 meldete die Krankenversicherung des Klägers, Z ..., bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch wegen des Verdachts auf das Vorliegen einer Berufskrankheit in Form eines Multiplen Myeloms an. Im daraufhin eingeleiteten Verwaltungsverfahren zog die Beklagte u.a. Epikrisen des Universitätsklinikums Y , wo am 2. April 2015 beim Kläger ein Multiples Myelom mit solitärem Befall Brustwirbelkörper (BWK) 8 diagnostiziert wurde (Bl. 35 Verwaltungsakte [VA]), bei, holte Befundberichte bei den behandelnden Ärzten ein und gab bei der Präventionsabteilung arbeitstechnische Ermittlungen in Auftrag. In einer Stellungnahme Arbeitsplatzexposition vom 27. Oktober 2015 errechnete die Präventionsabteilung der Beklagten unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers (Reinigungsarbeiten mit Waschbenzin an Maschinen und Betanken von Baumaschinen mit Diesel und Benzin im Umfang von jeweils ca. 0,5 Stunden pro Woche bis zum Jahr 2000, danach Reinigungsarbeiten im Umfang von ca. 0,5 Stunden pro Monat und Betankungen im Umfang von jeweils ca. 15 Minuten pro Tag mit Diesel bzw. Benzin) eine Belastung von 5,4 Benzol-ppm-Jahren (Bl. 126 ff. VA). Die Berechnung wurde nachträglich dahin korrigiert, dass eine Belastung mit 3,3 Benzol-ppm-Jahren vorgelegen habe (Bl. 136 ff. VA). In einer gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 18. Dezember 2015 schätzte Frau Dr. X ... ein, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 1318 BKV nicht vorlägen (Bl. 144 VA). Mit Bescheid vom 20. Januar 2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung Multiples Myelom aus Berufskrankheit nach Nummer 1318 BKV ab. Eine ausreichende Benzolexposition liege bei einer extremen Belastungsintensität über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren bzw. bei einer hohen Belastungsintensität über einen Zeitraum von sechs Jahren und mehr vor. Beim Kläger habe jedoch keine hohe oder gar extreme Belastung mit Benzol vorgelegen. Eine beruflich bedingte Erkrankung sei nicht zu belegen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch, den der Kläger nicht begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2016 zurück.
Mit seiner hiergegen am 10. Juni 2016 vor dem Sozialgericht Dresden erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er sei in seiner Tätigkeit als Straßenbauer jahrzehntelang einer hohen inhalativen Belastung ausgesetzt gewesen, die nicht berücksichtigt worden sei. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. September 2016 abgewiesen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien nicht im Vollbeweis gesichert. Bei Erkrankungen ohne ausreichende epidemiologische Datenlage werde eine ausreichende Exposition bei einer extremen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel zwei bis fünf Jahren bzw. bei einer hohen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel mehr als sechs Jahren bejaht. Die Belastungen, denen der Kläger ausgesetzt war, seien bei Weitem nicht ausreichend.
Gegen den am 30. September 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24. Oktober 2016 Berufung eingelegt. Es müsse von einer relevanten Exposition durch Asphalt, diverse Geräte und Maschinen, das Betanken, Reinigen von Maschinen und durch den Straßenverkehr ausgegangen werden. Es sei eine Einzelfallbeurteilung geboten. Das Gericht hätte von Amts wegen ermitteln müssen, ob eine hohe oder gar extreme Belastung vorgelegen habe. Zudem sei lediglich Benzol, nicht aber Phenol berücksichtigt worden. Die Berechnung der Expositionsjahre sei falsch, die nachträgliche Reduzierung auf 3,3 ppm-Jahre nicht nachvollziehbar.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 26. September 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2016 zu verurteilen, die beim Kläger bestehende Erkrankung Multiples Myelom als Berufskrankheit nach Nummer 1318 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Dem Gericht lagen die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. September 2016 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der bei ihm diagnostizierten Erkrankung Multiples Myelom als Berufskrankheit nach Nummer 1318 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung.
1. Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII).
Aufgrund dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. In der Anlage 1 zur BKV sind "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol" als Nummer 1318 enthalten. Voraussetzung für die Anerkennung ist, dass die Verrichtung einer – grundsätzlich – versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben muss (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises erwiesen sein, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (st. Rechtsprechung, vgl. u.a. BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 20/14 R - juris Rn. 10). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt jeweils das Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße - nicht auszuschließende - Möglichkeit. Danach muss bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen (vgl. BSG, Urteile vom 2. November 1999 - B 2 U 47/98 R - und vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R - juris). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 – juris).
2. Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Verursachung der Erkrankung Multiples Myelom durch die berufliche Tätigkeit des Klägers nicht hinreichend wahrscheinlich im genannten Sinne.
Zwar ist die Erkrankung Multiples Myelom grundsätzlich anerkennungsfähig als Berufskrankheit nach Nummer 1318 BKV (vgl. Wissenschaftliche Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 u.a. S. 55; Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 1318 des Ärztlichen Sachverständigenbeirates "Berufskrankheiten", Bekanntmachung des BMAS vom 30.12.2009 [GMBl 5/6/2010, S. 94 ff.], S. 7; Schönberger/Mehrtens/Valtentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017 S. 981). Allerdings lässt die gegenwärtige epidemiologische Datenlage keine präzise Beschreibung des Dosis-Wirkungszusammenhangs für die Erkrankung Multiples Myelom (anders als etwa bei akuter lymphatischer Leukämie) zu (Wissenschaftliche Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 S. 56, Schlussfolgerung Nr. 4; vgl. auch Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 1318 des Ärztlichen Sachverständigenbeirates "Berufskrankheiten", S. 8 iVm Tabelle 1 [Zuordnung zu Gruppe B]). Diese Erkrankung nimmt laut der Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 (a.a.O. S. 59) eine Sonderstellung unter den Non-Hodgkin-Lymphomen ein, wobei sich die Epidemiologie wegen der Seltenheit dieser Erkrankung und der langen Latenzzeit sehr schwierig gestalte und es zudem ethnische Unterschiede zu geben scheine. In Anbetracht der heterogenen Datenlage wird daher auch das Multiple Myelom (Plasmozytom) im Abschnitt 3.3. behandelt. Wegen der schwierigen Abgrenzung der betroffenen Personengruppe ist für die Bejahung einer Kausalität allerdings eine besonders hohe Intensität oder eine besonders lange Dauer der beruflichen Benzolexposition erforderlich (vgl. Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 1318 des Ärztlichen Sachverständigenbeirates "Berufskrankheiten", S. 8). Für die danach erforderliche Bewertung der Einzelfälle von Erkrankungen mit unzureichender epidemiologischer Datenlage hat der ärztliche Sachverständigenbeirat in Abschnitt 3.3 der wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 eine gesonderte Empfehlung gegeben. Danach ist bei der Einzelfallbeurteilung wie folgt zu differenzieren: Aufgrund der Vulnerabilität und Proliferation der hämatopoetischen Stammzellen ist davon auszugehen, dass stammzellennahe Non-Hodgkin-Lymphome hinsichtlich des benzolassoziierten Erkrankungsrisikos nicht anders zu beurteilen sind als Leukämien. Für die übrigen Krankheitsbilder, zu der ein Multiples Myelom – und damit die Erkrankung des Klägers – gehört, wird eine ausreichende Exposition bei einer extremen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel zwei bis fünf Jahren oder bei einer hohen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel sechs Jahren und mehr bejaht (Wissenschaftliche Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 S. 64). Wann von einer extremen bzw. hohen Belastungsintensität auszugehen ist, orientiert sich an der Beschreibung und Klassifizierung relevanter Expositionsverhältnisse in Abschnitt 3.2.2. der Wissenschaftliche Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 (S. 61 ff.).
Die im Rahmen der Arbeitsanamnese erhobenen beruflichen Tätigkeiten des Klägers sind allenfalls einer geringen Belastungsintensität zuzuordnen. Er selbst gab laut Ermittlungsbericht der Präventionsabteilung der Beklagten vom 27. Oktober 2015 zu seiner Tätigkeit als Straßen- und Tiefbauer an, er habe bis ca. 2000 Reinigungsarbeiten mit Pinsel, Lappen und Waschbenzin an Maschinen und Geräten im Umfang von ca. 0,5 Stunden pro Woche durchgeführt sowie Maschinen mit Diesel und Benzin ebenfalls im Umfang von ca. 0,5 Stunden pro Woche betankt, wobei er keine Arbeitsschutzhandschuhe getragen habe. Ab 2000 habe er Reinigungsarbeiten nur noch ca. 0,5 Stunden pro Monat verrichtet, hingegen habe er Maschinen täglich ca. 15 Minuten mit Diesel und 15 Minuten mit Benzin betankt. Diese Tätigkeiten überschreiten jedoch nach der Klassifizierung der Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 nicht die Schwelle der geringen Belastungsintensität, weshalb auch eine längere Expositionszeit von hier knapp 20 Jahren nicht ausreichend ist, die Kausalität zwischen Erkrankung und Tätigkeit wahrscheinlich zu machen. Zwar kann intensiver Hautkontakt mit benzolhaltigen Stoffen das Risiko einer Erkrankung erhöhen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 982), allerdings erreichen weder Art noch Umfang der überhaupt benzolbelasteten Tätigkeiten des Klägers auch nur annähernd die Grenze einer hohen oder gar mittleren Belastungsintensität. Als Tätigkeit mit geringer Belastungsintensität kommt nach der Aufstellung in Abschnitt 3.2.2.4 der Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 (S. 63) Arbeiten auf dem Füllwagen, der Ofendecke, in den Meistergängen und im Düsenkanal in der Kokerei, Arbeiten in der Petrochemie, das Betanken von Kraftfahrzeugen mit benzolhaltigen Ottokraftstoffen ohne Gas-Pendel-System als Tankwart seit 1970, Reinigen von Heizöl-, Kerosin- oder Dieseltanks sowie der Umgang mit Lösemitteln ab 1980 mit Benzol als Verunreinigung (Benzolanteil bei maximal 0,1 Gew.%, typisch 0,01 Gew.%) in den alten Bundesländern in Betracht. Selbst wenn der Kläger mithin derartige Tätigkeiten zumindest teilweise ausgeübt hätte, was sich schon nicht aus seinen eigenen Angaben entnehmen lässt, wären selbst diese in keiner Weise ausreichend für die Annahme einer Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und seiner Erkrankung. Zum einen reicht eine geringe Belastungsintensität ohne Hinzutreten weiterer Umstände des Einzelfalles für sich genommen von vornherein nicht aus für die Annahme einer hinreichenden Dosis-Wirkbeziehung. Als ausreichend wird vielmehr erst eine Exposition bei einer extremen Belastungsintensität über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren oder bei einer hohen Belastungsintensität über einen Zeitraum von sechs Jahren und mehr angesehen (Wissenschaftliche Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 S. 64). Zum anderen umfassen die Tätigkeiten, die überhaupt die Schwelle einer auch nur geringen Belastungsintensität überschreiten können, nur einen geringen Teil der regelmäßigen Tätigkeiten des Klägers. Dies trifft insbesondere auf das Betanken von Maschinen mit Benzin und Diesel zu, was er bis zum Jahr 2000 im Umfang von wöchentlich 30 Minuten und anschließend bis 2015 von täglich 30 Minuten (nur 15 Minuten davon mit Benzin) ausgeführt habe. Denn selbst die Tätigkeit des Betankens in der Tätigkeit als Tankwart ist in Abschnitt 3.2.2.4. der Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 (S. 62) nur als solche mit geringer Belastungsintensität aufgeführt, was sich jedoch auf ganze Schichten und nicht lediglich 30 Minuten am Tag oder gar pro Woche bezieht. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob die anhand der geschilderten Tätigkeiten von der Präventionsabteilung der Beklagten errechnete Benzolbelastung von zunächst 5,4 ppm-Jahren oder die nachträgliche Korrektur auf 3,3 ppm-Jahre zutreffend ist. Bei dem Begriff ppm-Jahr handelt es sich um eine Dosisangabe, die das Produkt aus Arbeitsplatzkonzentration und Zeit bezeichnet. Ein ppm-Jahr (Benzol-Jahr) entspricht einer einjährigen arbeitstäglich achtstündigen Einwirkung von 1ml/m³ Benzol bei 240 Arbeitstagen (Schichten) pro Jahr. Denn weder die eine noch die andere Belastung wäre auch nur annähernd ausreichend, eine Kausalität zwischen beruflicher Tätigkeit und Erkrankung wahrscheinlich zu machen.
Mit seinen Einwendungen kann der Kläger nicht durchdringen. Soweit er sich darauf beruft, inhalative Belastungen seien nicht (ausreichend) berücksichtigt worden, ist darauf hinzuweisen, dass sowohl in der Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 als auch im Merkblatt zur BK 1318 darauf hingewiesen wird, dass die Aufnahme von Benzol am Arbeitsplatz sowohl (überwiegend) inhalativ als auch über die Haut erfolgt (Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 1318, S. 8; Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318, S. 4). Die als riskant beurteilten Tätigkeiten berücksichtigen demzufolge die Art der Aufnahme als überwiegend über die Atemwege. Soweit der Kläger damit zum Ausdruck bringen möchte, dass weitere Tätigkeiten (wie die Arbeit mit Asphalt), in deren Rahmen er Benzol inhalativ aufgenommen habe, nicht berücksichtigt worden seien, wurden diese in der Arbeitsplatzexposition deshalb nicht explizit aufgeführt, weil sie nicht mit einer Benzolexposition im nennenswerten Umfang verbunden sind. Derartige oder vergleichbare Tätigkeiten sind in der Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 nicht einmal bei Tätigkeiten mit geringer Belastungsintensität genannt. Soweit er geltend macht, es sei lediglich Benzol und nicht Phenol bei der Exposition berücksichtigt worden, verkennt er, dass in der Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit 1318 Phenol als reaktives Zwischenprodukt der Benzoloxidation beschrieben wird und damit sehr wohl Berücksichtigung findet. Im Gegensatz zu Benzol wird Phenol (für sich genommen) jedoch als nicht hämatotoxisch beschrieben (Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318, S. 6).
3. Den Beweisanregungen des Klägers zur Einholung von Sachverständigengutachten zur Benzolexposition war nicht weiter nachzugehen. Der Kläger legt nicht einmal dar, über welche Behauptung genau (Sachverständigen-)Beweis erhoben werden soll. Dass vorliegend "keinesfalls von einer geringen Belastungsintensität" ausgegangen werden könne, sondern vielmehr von einer hohen oder extremen, ist keine Behauptung, der im Wege der Beweisaufnahme nachgegangen werden müsste oder könnte. Es handelt sich vielmehr um eine reine Behauptung "ins Blaue hinein", für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5.10.1990 - 4 B 249/89 -, NVwZ-RR 1991, 118, 123) bzw. die willkürlich aus der Luft gegriffen ist und für die tatsächliche Grundlagen gänzlich fehlen (vgl. hierzu: Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl 2010, vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 18.6.1993 - 2 BvR 1815/92 -, DVBl 1993, 1002, 1003). Eine dahingehende Beweiserhebung würde eine (unzulässige) Beweisausforschung beinhalten. Denn diese liegt im sozialgerichtlichen Verfahren vor, wenn dem Beweisantrag die Bestimmtheit bei der Angabe der Tatsachen oder Beweismittel fehlt, oder aber der Beweisführer für seine Behauptung nicht genügend Anhaltspunkte angibt und erst aus der Beweisaufnahme die Grundlage für seine Behauptungen gewinnen will (BSG, Beschluss vom 19. November 2009 – B 13 R 303/09 B –, juris 2. Leitsatz, unter Verweis auf: BSG vom 19.9.1979 - 11 RA 84/78).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 1318 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1969 geborene Kläger erlernte den Beruf eines Straßen- und Tiefbauers, in dem er einschließlich der Zeit seiner Lehrausbildung von 1986 bis 2015 tätig war.
Im Juni 2015 meldete die Krankenversicherung des Klägers, Z ..., bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch wegen des Verdachts auf das Vorliegen einer Berufskrankheit in Form eines Multiplen Myeloms an. Im daraufhin eingeleiteten Verwaltungsverfahren zog die Beklagte u.a. Epikrisen des Universitätsklinikums Y , wo am 2. April 2015 beim Kläger ein Multiples Myelom mit solitärem Befall Brustwirbelkörper (BWK) 8 diagnostiziert wurde (Bl. 35 Verwaltungsakte [VA]), bei, holte Befundberichte bei den behandelnden Ärzten ein und gab bei der Präventionsabteilung arbeitstechnische Ermittlungen in Auftrag. In einer Stellungnahme Arbeitsplatzexposition vom 27. Oktober 2015 errechnete die Präventionsabteilung der Beklagten unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers (Reinigungsarbeiten mit Waschbenzin an Maschinen und Betanken von Baumaschinen mit Diesel und Benzin im Umfang von jeweils ca. 0,5 Stunden pro Woche bis zum Jahr 2000, danach Reinigungsarbeiten im Umfang von ca. 0,5 Stunden pro Monat und Betankungen im Umfang von jeweils ca. 15 Minuten pro Tag mit Diesel bzw. Benzin) eine Belastung von 5,4 Benzol-ppm-Jahren (Bl. 126 ff. VA). Die Berechnung wurde nachträglich dahin korrigiert, dass eine Belastung mit 3,3 Benzol-ppm-Jahren vorgelegen habe (Bl. 136 ff. VA). In einer gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 18. Dezember 2015 schätzte Frau Dr. X ... ein, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 1318 BKV nicht vorlägen (Bl. 144 VA). Mit Bescheid vom 20. Januar 2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung Multiples Myelom aus Berufskrankheit nach Nummer 1318 BKV ab. Eine ausreichende Benzolexposition liege bei einer extremen Belastungsintensität über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren bzw. bei einer hohen Belastungsintensität über einen Zeitraum von sechs Jahren und mehr vor. Beim Kläger habe jedoch keine hohe oder gar extreme Belastung mit Benzol vorgelegen. Eine beruflich bedingte Erkrankung sei nicht zu belegen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch, den der Kläger nicht begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2016 zurück.
Mit seiner hiergegen am 10. Juni 2016 vor dem Sozialgericht Dresden erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er sei in seiner Tätigkeit als Straßenbauer jahrzehntelang einer hohen inhalativen Belastung ausgesetzt gewesen, die nicht berücksichtigt worden sei. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. September 2016 abgewiesen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien nicht im Vollbeweis gesichert. Bei Erkrankungen ohne ausreichende epidemiologische Datenlage werde eine ausreichende Exposition bei einer extremen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel zwei bis fünf Jahren bzw. bei einer hohen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel mehr als sechs Jahren bejaht. Die Belastungen, denen der Kläger ausgesetzt war, seien bei Weitem nicht ausreichend.
Gegen den am 30. September 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24. Oktober 2016 Berufung eingelegt. Es müsse von einer relevanten Exposition durch Asphalt, diverse Geräte und Maschinen, das Betanken, Reinigen von Maschinen und durch den Straßenverkehr ausgegangen werden. Es sei eine Einzelfallbeurteilung geboten. Das Gericht hätte von Amts wegen ermitteln müssen, ob eine hohe oder gar extreme Belastung vorgelegen habe. Zudem sei lediglich Benzol, nicht aber Phenol berücksichtigt worden. Die Berechnung der Expositionsjahre sei falsch, die nachträgliche Reduzierung auf 3,3 ppm-Jahre nicht nachvollziehbar.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 26. September 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2016 zu verurteilen, die beim Kläger bestehende Erkrankung Multiples Myelom als Berufskrankheit nach Nummer 1318 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Dem Gericht lagen die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. September 2016 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der bei ihm diagnostizierten Erkrankung Multiples Myelom als Berufskrankheit nach Nummer 1318 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung.
1. Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII).
Aufgrund dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. In der Anlage 1 zur BKV sind "Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol" als Nummer 1318 enthalten. Voraussetzung für die Anerkennung ist, dass die Verrichtung einer – grundsätzlich – versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben muss (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises erwiesen sein, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (st. Rechtsprechung, vgl. u.a. BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 20/14 R - juris Rn. 10). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt jeweils das Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße - nicht auszuschließende - Möglichkeit. Danach muss bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen (vgl. BSG, Urteile vom 2. November 1999 - B 2 U 47/98 R - und vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R - juris). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 – juris).
2. Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Verursachung der Erkrankung Multiples Myelom durch die berufliche Tätigkeit des Klägers nicht hinreichend wahrscheinlich im genannten Sinne.
Zwar ist die Erkrankung Multiples Myelom grundsätzlich anerkennungsfähig als Berufskrankheit nach Nummer 1318 BKV (vgl. Wissenschaftliche Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 u.a. S. 55; Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 1318 des Ärztlichen Sachverständigenbeirates "Berufskrankheiten", Bekanntmachung des BMAS vom 30.12.2009 [GMBl 5/6/2010, S. 94 ff.], S. 7; Schönberger/Mehrtens/Valtentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017 S. 981). Allerdings lässt die gegenwärtige epidemiologische Datenlage keine präzise Beschreibung des Dosis-Wirkungszusammenhangs für die Erkrankung Multiples Myelom (anders als etwa bei akuter lymphatischer Leukämie) zu (Wissenschaftliche Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 S. 56, Schlussfolgerung Nr. 4; vgl. auch Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 1318 des Ärztlichen Sachverständigenbeirates "Berufskrankheiten", S. 8 iVm Tabelle 1 [Zuordnung zu Gruppe B]). Diese Erkrankung nimmt laut der Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 (a.a.O. S. 59) eine Sonderstellung unter den Non-Hodgkin-Lymphomen ein, wobei sich die Epidemiologie wegen der Seltenheit dieser Erkrankung und der langen Latenzzeit sehr schwierig gestalte und es zudem ethnische Unterschiede zu geben scheine. In Anbetracht der heterogenen Datenlage wird daher auch das Multiple Myelom (Plasmozytom) im Abschnitt 3.3. behandelt. Wegen der schwierigen Abgrenzung der betroffenen Personengruppe ist für die Bejahung einer Kausalität allerdings eine besonders hohe Intensität oder eine besonders lange Dauer der beruflichen Benzolexposition erforderlich (vgl. Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 1318 des Ärztlichen Sachverständigenbeirates "Berufskrankheiten", S. 8). Für die danach erforderliche Bewertung der Einzelfälle von Erkrankungen mit unzureichender epidemiologischer Datenlage hat der ärztliche Sachverständigenbeirat in Abschnitt 3.3 der wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 eine gesonderte Empfehlung gegeben. Danach ist bei der Einzelfallbeurteilung wie folgt zu differenzieren: Aufgrund der Vulnerabilität und Proliferation der hämatopoetischen Stammzellen ist davon auszugehen, dass stammzellennahe Non-Hodgkin-Lymphome hinsichtlich des benzolassoziierten Erkrankungsrisikos nicht anders zu beurteilen sind als Leukämien. Für die übrigen Krankheitsbilder, zu der ein Multiples Myelom – und damit die Erkrankung des Klägers – gehört, wird eine ausreichende Exposition bei einer extremen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel zwei bis fünf Jahren oder bei einer hohen Belastungsintensität über einen Zeitraum von in der Regel sechs Jahren und mehr bejaht (Wissenschaftliche Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 S. 64). Wann von einer extremen bzw. hohen Belastungsintensität auszugehen ist, orientiert sich an der Beschreibung und Klassifizierung relevanter Expositionsverhältnisse in Abschnitt 3.2.2. der Wissenschaftliche Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 (S. 61 ff.).
Die im Rahmen der Arbeitsanamnese erhobenen beruflichen Tätigkeiten des Klägers sind allenfalls einer geringen Belastungsintensität zuzuordnen. Er selbst gab laut Ermittlungsbericht der Präventionsabteilung der Beklagten vom 27. Oktober 2015 zu seiner Tätigkeit als Straßen- und Tiefbauer an, er habe bis ca. 2000 Reinigungsarbeiten mit Pinsel, Lappen und Waschbenzin an Maschinen und Geräten im Umfang von ca. 0,5 Stunden pro Woche durchgeführt sowie Maschinen mit Diesel und Benzin ebenfalls im Umfang von ca. 0,5 Stunden pro Woche betankt, wobei er keine Arbeitsschutzhandschuhe getragen habe. Ab 2000 habe er Reinigungsarbeiten nur noch ca. 0,5 Stunden pro Monat verrichtet, hingegen habe er Maschinen täglich ca. 15 Minuten mit Diesel und 15 Minuten mit Benzin betankt. Diese Tätigkeiten überschreiten jedoch nach der Klassifizierung der Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 nicht die Schwelle der geringen Belastungsintensität, weshalb auch eine längere Expositionszeit von hier knapp 20 Jahren nicht ausreichend ist, die Kausalität zwischen Erkrankung und Tätigkeit wahrscheinlich zu machen. Zwar kann intensiver Hautkontakt mit benzolhaltigen Stoffen das Risiko einer Erkrankung erhöhen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 982), allerdings erreichen weder Art noch Umfang der überhaupt benzolbelasteten Tätigkeiten des Klägers auch nur annähernd die Grenze einer hohen oder gar mittleren Belastungsintensität. Als Tätigkeit mit geringer Belastungsintensität kommt nach der Aufstellung in Abschnitt 3.2.2.4 der Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 (S. 63) Arbeiten auf dem Füllwagen, der Ofendecke, in den Meistergängen und im Düsenkanal in der Kokerei, Arbeiten in der Petrochemie, das Betanken von Kraftfahrzeugen mit benzolhaltigen Ottokraftstoffen ohne Gas-Pendel-System als Tankwart seit 1970, Reinigen von Heizöl-, Kerosin- oder Dieseltanks sowie der Umgang mit Lösemitteln ab 1980 mit Benzol als Verunreinigung (Benzolanteil bei maximal 0,1 Gew.%, typisch 0,01 Gew.%) in den alten Bundesländern in Betracht. Selbst wenn der Kläger mithin derartige Tätigkeiten zumindest teilweise ausgeübt hätte, was sich schon nicht aus seinen eigenen Angaben entnehmen lässt, wären selbst diese in keiner Weise ausreichend für die Annahme einer Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und seiner Erkrankung. Zum einen reicht eine geringe Belastungsintensität ohne Hinzutreten weiterer Umstände des Einzelfalles für sich genommen von vornherein nicht aus für die Annahme einer hinreichenden Dosis-Wirkbeziehung. Als ausreichend wird vielmehr erst eine Exposition bei einer extremen Belastungsintensität über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren oder bei einer hohen Belastungsintensität über einen Zeitraum von sechs Jahren und mehr angesehen (Wissenschaftliche Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 S. 64). Zum anderen umfassen die Tätigkeiten, die überhaupt die Schwelle einer auch nur geringen Belastungsintensität überschreiten können, nur einen geringen Teil der regelmäßigen Tätigkeiten des Klägers. Dies trifft insbesondere auf das Betanken von Maschinen mit Benzin und Diesel zu, was er bis zum Jahr 2000 im Umfang von wöchentlich 30 Minuten und anschließend bis 2015 von täglich 30 Minuten (nur 15 Minuten davon mit Benzin) ausgeführt habe. Denn selbst die Tätigkeit des Betankens in der Tätigkeit als Tankwart ist in Abschnitt 3.2.2.4. der Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 (S. 62) nur als solche mit geringer Belastungsintensität aufgeführt, was sich jedoch auf ganze Schichten und nicht lediglich 30 Minuten am Tag oder gar pro Woche bezieht. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob die anhand der geschilderten Tätigkeiten von der Präventionsabteilung der Beklagten errechnete Benzolbelastung von zunächst 5,4 ppm-Jahren oder die nachträgliche Korrektur auf 3,3 ppm-Jahre zutreffend ist. Bei dem Begriff ppm-Jahr handelt es sich um eine Dosisangabe, die das Produkt aus Arbeitsplatzkonzentration und Zeit bezeichnet. Ein ppm-Jahr (Benzol-Jahr) entspricht einer einjährigen arbeitstäglich achtstündigen Einwirkung von 1ml/m³ Benzol bei 240 Arbeitstagen (Schichten) pro Jahr. Denn weder die eine noch die andere Belastung wäre auch nur annähernd ausreichend, eine Kausalität zwischen beruflicher Tätigkeit und Erkrankung wahrscheinlich zu machen.
Mit seinen Einwendungen kann der Kläger nicht durchdringen. Soweit er sich darauf beruft, inhalative Belastungen seien nicht (ausreichend) berücksichtigt worden, ist darauf hinzuweisen, dass sowohl in der Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 als auch im Merkblatt zur BK 1318 darauf hingewiesen wird, dass die Aufnahme von Benzol am Arbeitsplatz sowohl (überwiegend) inhalativ als auch über die Haut erfolgt (Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 1318, S. 8; Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318, S. 4). Die als riskant beurteilten Tätigkeiten berücksichtigen demzufolge die Art der Aufnahme als überwiegend über die Atemwege. Soweit der Kläger damit zum Ausdruck bringen möchte, dass weitere Tätigkeiten (wie die Arbeit mit Asphalt), in deren Rahmen er Benzol inhalativ aufgenommen habe, nicht berücksichtigt worden seien, wurden diese in der Arbeitsplatzexposition deshalb nicht explizit aufgeführt, weil sie nicht mit einer Benzolexposition im nennenswerten Umfang verbunden sind. Derartige oder vergleichbare Tätigkeiten sind in der Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318 nicht einmal bei Tätigkeiten mit geringer Belastungsintensität genannt. Soweit er geltend macht, es sei lediglich Benzol und nicht Phenol bei der Exposition berücksichtigt worden, verkennt er, dass in der Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit 1318 Phenol als reaktives Zwischenprodukt der Benzoloxidation beschrieben wird und damit sehr wohl Berücksichtigung findet. Im Gegensatz zu Benzol wird Phenol (für sich genommen) jedoch als nicht hämatotoxisch beschrieben (Wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1318, S. 6).
3. Den Beweisanregungen des Klägers zur Einholung von Sachverständigengutachten zur Benzolexposition war nicht weiter nachzugehen. Der Kläger legt nicht einmal dar, über welche Behauptung genau (Sachverständigen-)Beweis erhoben werden soll. Dass vorliegend "keinesfalls von einer geringen Belastungsintensität" ausgegangen werden könne, sondern vielmehr von einer hohen oder extremen, ist keine Behauptung, der im Wege der Beweisaufnahme nachgegangen werden müsste oder könnte. Es handelt sich vielmehr um eine reine Behauptung "ins Blaue hinein", für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5.10.1990 - 4 B 249/89 -, NVwZ-RR 1991, 118, 123) bzw. die willkürlich aus der Luft gegriffen ist und für die tatsächliche Grundlagen gänzlich fehlen (vgl. hierzu: Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl 2010, vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 18.6.1993 - 2 BvR 1815/92 -, DVBl 1993, 1002, 1003). Eine dahingehende Beweiserhebung würde eine (unzulässige) Beweisausforschung beinhalten. Denn diese liegt im sozialgerichtlichen Verfahren vor, wenn dem Beweisantrag die Bestimmtheit bei der Angabe der Tatsachen oder Beweismittel fehlt, oder aber der Beweisführer für seine Behauptung nicht genügend Anhaltspunkte angibt und erst aus der Beweisaufnahme die Grundlage für seine Behauptungen gewinnen will (BSG, Beschluss vom 19. November 2009 – B 13 R 303/09 B –, juris 2. Leitsatz, unter Verweis auf: BSG vom 19.9.1979 - 11 RA 84/78).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
Saved