Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 15 RA 1697/02
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 2 RA 830/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RS 113/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 19. August 2003 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beschäftigungen des Klägers in dem Zeitraum vom 1. September 1978 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nach der Anlage 1 Nummer 1 zum Anspruch- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) zu werten sind.
Der im Jahre 1956 geborene Kläger erwarb im September 1978 die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Diplomingenieur zu führen. Er war seit September 1978 bei dem VEB Kraftfahrzeuginstandsetzung E., später VEB Kfz-Instandsetzung E., in verschiedenen Funktionen tätig, zuletzt bis zum 30. Juni 1990 als Direktor für Wissenschaft und Technik. Der VEB Kraftfahrzeuginstandsetzung E. war Rechtsnachfolger des VEB Autoreparatur in W. (Vertragswerkstatt für Moskwitsch und Wolga) sowie des VEB Auto-Service in W. (Kraftfahrzeug-Instandsetzung, Vertragswerkstatt für Pkw, Polski-Fiat, Shiguli). Er wurde dem VEB Verkehrskombinat E., später VE Verkehrskombinat E., angegliedert und im Mai 1977 in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen. Laut Eintragungsanmeldung durch den VEB Verkehrskombinat E. war Rechtsgrundlage der Kombinatszugehörigkeit das Statut des VEB Verkehrskombinat E. vom 1. September 1975. Rechtsnachfolger des VEB Kfz-Instandsetzung E. war die Thüringer Automobilservice GmbH, die am 10. Oktober 1990 in das Handelsregister eingetragen wurde (HRB 1089). Wegen des Gegenstandes des Unternehmens wird auf den beigezogenen Registerauszug (Blatt 62 der Gerichtsakte) verwiesen.
Der Kläger gehörte der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) seit dem 1. Mai 1984 an. Eine Versorgungszusage zur Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem wurde ihm bis zum 30. Juni 1990 nicht erteilt.
Seinen Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2002 ab.
Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (Urteil vom 19. August 2003).
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Ehemalige Mitarbeiter des Betriebes hätten bereits vor 1990 eine Versorgungszusage erhalten. Bei weiteren Mitarbeitern habe die Beklagte entsprechende Ansprüche und Anwartschaften aus der Zusatzversorgung anerkannt. Sein Unternehmen habe sowohl industrielle Warenproduktion vorgenommen, wie auch ein Konstruktionsbüro besessen. Der VEB Kfz-Instandsetzung E. habe Ersatzteile für Kraftfahrzeuge gefertigt, welche zum Teil an die Bevölkerung direkt, an andere Pkw-Hersteller, Instandsetzungsbetriebe und Werkstätten verkauft worden seien. Für den Eigenbedarf, den Bedarf der Kraftverkehrsbetriebe sowie anderer Betriebe seien Lkw- und Busersatzteile gefertigt worden. Im Produktionsbereich G. habe man Spezialfahrzeuge wie Röntgenzüge, fahrbare Zahnarztpraxen sowie Dächer und andere Zulieferbauteile für einen Campinganhänger gefertigt. Zirka 70 vom Hundert (v.H.) der Mitarbeiter seien beschäftigt gewesen in den Bereichen Motorenherstellung, Tragfedernherstellung, Kupplung, Instandsetzung von Elektrobaugruppen sowie in der Herstellung beziehungsweise der Regenerierung von Ersatzteilen. Ein nicht unwesentlicher Teil davon habe in der Neuzusammensetzung von Motoren bestanden. Für den Auseinanderbau und den Zusammenbau der Motoren hätten die gleichen Anforderungen wie für neu hergestellte Motoren gegolten; es sei immer eine ganze Palette zusammengebaut worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 19. August 2003 sowie den Bescheid vom 4. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Zeitraum vom 1. September 1978 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die darin erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Den vorhanden Unterlagen sei nicht zu entnehmen, dass die industrielle Produktion dem VEB Kfz-Instandsetzung das Gepräge gegeben habe. Die industrielle Sachgüterproduktion sei nicht profilbestimmend gewesen. Die Instandsetzung von Motoren sei keine Produktion im Sinne des fordistischen Produktionsmodells dar, weil es sich nicht um eine Neuproduktion von Sachgütern gehandelt habe.
Der Senat hat Auszüge aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft zu dem VEB Kfz-Instandsetzung E. und Statuten des VE Verkehrskombinates E. beigezogen. Eine Niederschrift aus dem Parallelverfahren L 6 RA 268/03 vom 29. April 2005 mit der protokollierten Vernehmung des auch vom Kläger benannten Zeugen D. B. wurde den Beteiligten zur Kenntnis übersandt. Der Kläger hat in dem Erörterungstermin vom 24. März 2006 vor der Berichterstatterin des erkennenden Senates erklärt, dass er mit dieser Zeugenaussage inhaltlich übereinstimmt. Auf die Niederschrift vom 24. März 2006 im Übrigen wird Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und Beklagtenakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz im Zeitraum vom 1. September 1978 bis zum 30. Juni 1990 sowie auf Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte (§ 8 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 und 2 AAÜG). Der Kläger fällt schon nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 1 AAÜG; daher ist nicht in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AAÜG gegeben sind.
Der Kläger war am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Versorgungsberechtigungen, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust von Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems diesen Verlust bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt er nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als nicht eingetreten. Der Kläger erfüllt weder die Voraussetzungen des Satzes 1 noch des Satzes 2. Er hatte bis zum Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft erworben, weil eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm zum 1. August 1991 eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden ist, nicht vorliegt; und eine positive Statusentscheidung der Beklagten zu seinen Gunsten ist ebenso wenig ergangen wie eine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrages (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsaktes. Er war auch nicht aufgrund einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen worden. - Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG liegen nicht vor, weil der Kläger vor dem 30. Juni 1990 keine Versorgungsanwartschaft erlangt hatte, die er bei seinem Ausscheiden hätte verlieren können (vgl. stellvertretend für viele: Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 29. Juli 2004, Az.: B 4 RA 4/04 R, m.w.N.).
Der Kläger hatte nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage im Sinne der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG. Dieser fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer Zusage hängt von der Ausgestaltung der zu Bundesrecht gewordenen leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme ab.
Für die Altersversorgung der technischen Intelligenz ist ein Anspruch auf Erteilung der Zusage nach § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (ZAVO-techInt) i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB z. ZAVO-techInt) unter folgenden drei Voraussetzungen gegeben: 1. der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), und 2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Mit seiner Beschäftigung im VEB Kfz-Instandsetzung E. erfüllt der Kläger nicht die betriebliche Voraussetzung für eine Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz, denn dieser VEB war kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB. Der hiernach versorgungsrechtliche maßgebliche Betriebstyp ist durch die drei Merkmale "Betrieb", "volkseigen" und "Produktion (Industrie, Bauwesen)" gekennzeichnet. Er erfasst nach dem letzten maßgeblichen Sprachgebrauch der DDR nur volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens.
Der Ausdruck "Betrieb" lässt erkennen, dass es sich um eine Organisationsform handeln musste, die im Wirtschaftrecht der DDR unter dem Oberbegriff "Wirtschaftseinheit" fiel (§ 2 des Vertragsgesetzes vom 25. März 1982, GBl. I S. 293). Als Wirtschaftseinheiten verstand man in der DDR solche "Organisationsformen der sozialistischen Volkswirtschaft, die geschaffen wurden, um als warenproduzierende Glieder der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und Kollektive sozialistischer Werktätiger wirtschaftliche Leistungen zu erbringen, und die zu diesem Zweck auch über entsprechende Leitungsbefugnisse verfügen" (Autorenkollektiv unter Leitung von Heuer, Wirtschaftsrecht, Staatsverlag der DDR, Berlin 1985, S. 65 und 75). Soweit von "warenproduzierenden" Gliedern gesprochen wird, kann davon ausgegangen werden, dass der Ausdruck "Ware" nicht nur im Sinn von Sachgütern zu verstehen ist, sondern sowohl materielle als auch immaterielle Güter umschreibt. Ansonsten wären Betriebe im Bereich der Dienstleistung keine Betriebe im Sinne des DDR-Rechts gewesen. Bezogen auf den Betrieb erfasste der Ausdruck "Warenproduktion" in der DDR letztlich jede Form von wirtschaftlicher Tätigkeit. Dem entspricht auch die Bedeutung des Ausdrucks "Betrieb" nach marktwirtschaftlichem Verständnis. Hiernach ist der Betrieb die organisatorische Einheit von persönlichen, sächlichen und materiellen Mitteln zur fortgesetzten Verfolgung eines "technischen" Zwecks (Herstellung bestimmter Güter oder Erbringung bestimmter Leistungen).
Eine Eingrenzung erfolgt durch das Merkmal "volkseigen". Hiermit werden Betriebe ausgeschlossen, die auf der Grundlage von Privateigentum wirtschafteten, sowie solche, die durch die beiden anderen Formen des sozialistischen Eigentums gekennzeichnet waren: das genossenschaftliche Gemeineigentum und das Eigentum gesellschaftlicher Organisationen der Bürger.
Schließlich erfolgt noch eine Begrenzung auf volkseigene "Produktionsbetriebe (der Industrie und des Bauwesens)". Die Maßgeblichkeit des Merkmals "Produktionsbetrieb" folgt unmittelbar aus § 1 Abs. 2 der 2. DB. Dass es dabei auf Produktionsbetriebe nur der "Industrie" und "Bauwesens" ankommt, ergibt sich mit Blick auf die Produktionsbetriebe der Industrie schon aus der Einbeziehung des Ministerium für Industrie in § 5 ZAVO-techInt und für die Produktionsbetriebe des Bauwesens aus der sprachlichen und sachlichen Gegenüberstellung von "Produktionsbetrieben der Industrie und des Bauwesens" einerseits und allen anderen "volkseigenen Betrieben" anderseits, welche die DDR spätestens ab den 60er Jahren und jedenfalls am 30. Juni 1990 in ihren einschlägigen Gesetzestexten vorgenommen hatte. Aus § 5 ZAVO-techInt (und § 1 der 1. DB) ergeben sich zwei Folgerungen für die Bedeutung des Wortes "volkseigener Produktionsbetrieb" in § 1 Abs. 2 der 2. DB: es muss sich bei dem betroffenen Betrieb erstens um einen VEB handeln, der organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR – Planwirtschaft zugeordnet war; ferner muss zweitens der verfolgte Hauptzweck des VEB auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung beziehungsweise Produktion (fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein. Dem betrieblichen Anwendungsbereich der ZAVO-techInt unterlagen als "Produktionsbetriebe" somit nur VEB der Industrie, das heißt solche VEB die als Hauptzweck industrielle Fertigung von Sachgütern betrieben (vergleiche zu dem gesamten Komplex der Definition eines volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens: BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az.: B 4 RA 41/01 R).
Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers erfüllt nicht das Kriterium eines Produktionsbetriebes. Das ergibt sich bereits aus dem Statut für den VEB Verkehrskombinat E. vom 1. September 1975, das dem Senat als Entwurf vorliegt. Nach § 1 des Statutes sind im Kombinat "volkseigene Betriebe des Kraftverkehrs und der Kraftfahrzeuginstandhaltung des Bezirks E. zu einer Wirtschaftseinheit verbunden" (Absatz 1). "Das Kombinat sichert. durch eine abgestimmte Entwicklung der Beförderungs-, Transport- und Instandhaltungskapazitäten der Kombinatsbetriebe sowie durch deren komplexen Einsatz die Befriedigung des gesellschaftlichen Bedarfs an Personenbeförderungs- und Gütertransportleistungen mit Kraftfahrzeugen sowie Kraftfahrzeuginstandhaltungsleistungen im Bezirk " (Absatz 2). Die Aufgaben des Kombinates werden in § 3 Abs. 1 mit der Personenbeförderung und dem Gütertransport sowie der Ausführung von Kraftfahrzeuginstandsetzungsleistungen beschrieben. Hieraus ergibt sich bereits, dass weder das Kombinat noch die Kombinatsbetriebe Produktionsaufgaben hatten. Eine solche Aufgaben- und Zweckbestimmung findet sich auch in den späteren Statuten des VE Verkehrskombinats E. nicht. So werden im Statut vom 22. September 1981 die Aufgaben und Befugnisse des VEB Kraftfahrzeuginstandsetzung mit der "Ausführung von Kraftfahrzeuginstand¬haltungsleistungen und der Durchführung von Dienstleistungen auf dem Gebiet des Kfz-Hilfsdienstes und der Servicestationen für den sparsamsten Kraftstoffverbrauch" umschrieben. In dem letzten maßgeblichen Statut vom 1. September 1984 werden die Aufgaben des Kombinates in § 3 beschrieben. Hiernach umfasst die wirtschaftliche Tätigkeit des Kombinates "die einheitliche Leitung, Planung, Bilanzierung und Abrechnung der Entwicklung und die Durchführung der Prozesse im öffentlichen Straßenpersonenverkehr und dem öffentlichen Straßengütertransport sowie in der Kraftfahrzeuginstandhaltung bei Sicherung eines effektiven Einsatzes aller Produktionskapazitäten" (Absatz. 2). Dem VEB Kraftfahrzeuginstandsetzung oblag nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 "die Ausführung von Kraftfahrzeuginstandhaltungsleistungen" sowie "die Durchführung von Dienstleistungen". Alle weiter vorliegenden Unterlagen sowie die Aussage des (in einem Parallelverfahren gehörten) Zeugen B. und des Klägers selbst dokumentieren, dass der VEB Kfz-Instandsetzung auch tatsächlich im Sinne dieser durch das Statut vorgegebenen Zweckbestimmung tätig war. Ein starkes Indiz ist bereits die Tatsache, dass der VEB Kfz-Instandsetzung Rechtsnachfolger von einem Autoservice- und einem Autoreparaturbetrieb geworden ist und sein eigener Rechtsnachfolger die Thüringer Automobilservice GmbH war, deren Gegenstand ausweislich des vorliegenden Registerauszuges "der Verkauf und die Instandhaltung von Kraftfahrzeugen aller Art, der Handel mit Kraftfahrzeugersatzteilen, Werkzeugen, Werkstattausrüstungen und Kraftfahrzeugzubehör, der Reifen- und Batterieservice, die Fertigung von Spezialaufbauten, die Durchführung von Abschlepp-, Berge- und Hilfsdienstleistungen einschließlich Spezialtransporte, der Mietwagenverleih und Fahrschule" war. Sowohl Vorgänger als auch Nachfolgebetriebe waren damit Dienstleistungsbetriebe.
Auch nach den vom Senat für glaubhaft erachteten Aussagen des Klägers und des im Parallelverfahren vernommenen Zeugen B. war der VEB Kfz-Instandsetzung E. ein solcher Dienstleistungsbetrieb. Eine der Hauptaufgaben des Betriebes war hiernach die Generalüberholung von Automotoren und weiteren Autoteilen. Trotz unterstellter industrieller Ablaufprozesse handelt es sich hierbei nicht um eine erstmalige Neufertigung von Sachgütern, sondern gerade um die dem Statutzweck entsprechende Instandsetzung. Soweit dabei Ersatzteile aufgrund der besonderen Verhältnisse in der damaligen DDR auch selbst gefertigt worden, ändert dies den Charakter des Betriebes nicht. Dem Senat ist aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt, dass fast jeder Betrieb der damaligen DDR eigene Produktionsabteilungen hatte, um der allgemeinen herrschenden Mangelsituation Rechnung zu tragen und weiter effektiv arbeiten zu können. Dies prägt aber noch nicht den Charakter des Betriebes.
Im Übrigen kommt es nicht auf die Auslegung der Versorgungsordnung durch die Staatsorgane und deren Verwaltungspraxis in der DDR an. In der Tat gibt es Hinweise in der Literatur der DDR, die darauf hindeuten, dass damals nicht nur Produktionsbetriebe im Sinne der Herstellung von Sachgütern, sondern auch ein Teil der Dienstleistungsbetriebe als Wirtschaftseinheiten der "materiellen Produktion" verstanden worden sind, wenn nicht die Herstellung immaterieller Güter eindeutig im Vordergrund stand. Dies spielt aber bei der heutigen Auslegung der Versorgungsordnung keine Rolle (BSG, Urteil vom 9. April 2002, B 4RA 41/01 R). Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bei der Prüfung der Zugehörigkeit zu einer zusätzlichen Altersversorgung am Wortlaut der Versorgungsordnungen orientieren und nicht an eine Praxis oder an eine diese Praxis steuernde Richtlinie der DDR anknüpfen (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2004, Az.: 1 BvR 297/04 und 1 BvR 61/03).
Die Begrenzung der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG auf den Personenkreis, der nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage die drei Voraussetzungen der Altersversorgung der technischen Intelligenz erfüllte, steht im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 und 3 des Grundgesetzes (GG). Die Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber denjenigen, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen der Versorgungsverordnung erfüllten und denjenigen, die bereits früher einmal in ein Versorgungssystem im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG einbezogen waren, ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt.
Der Einigungsvertrag hat nur die Übernahme vor dem 1. Juli 1990 bestehender Versorgungsansprüche und -anwartschaften vorgesehen und neue Einbeziehungen ab 1. Juli 1990 ausdrücklich verboten (Artikel 9 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. a EV; Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 EV i.V.m. § 22 des Rentenangleichungsgesetz der DDR). Der Bundesgesetzgeber hat das grundsätzliche Verbot der Neueinbeziehung für den persönlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG modifiziert. Um einem Wertungswiderspruch zu begegnen hat das Bundessozialgericht durch eine ausdehnende verfassungskonforme Auslegung die nicht in ein Versorgungssystem Einbezogenen, die am 30. Juni 1990 nach den Regelungen der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatten, aber im Regelfall aus Gründen, die bundesrechtlich nicht anerkannt werden dürfen, nicht einbezogen waren, den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 2 des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) gleichgestellt.
Eine Gleichstellung weiterer Personengruppen war nicht geboten. Der Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme in der DDR sowie an die gegebene versorgungsrechtliche Lage der Betroffenen ohne Willkürverstoß anknüpfen und damit davon ausgehen, dass nur derjenige in das Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen werden durfte, der am 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt war. Art. 3 Abs. 1 und 3 GG gebietet nicht, von jenen zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme sowie den historischen Fakten, aus denen sich etwa die hier vorliegenden Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen (vgl. unter anderem BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 18/03 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beschäftigungen des Klägers in dem Zeitraum vom 1. September 1978 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nach der Anlage 1 Nummer 1 zum Anspruch- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) zu werten sind.
Der im Jahre 1956 geborene Kläger erwarb im September 1978 die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Diplomingenieur zu führen. Er war seit September 1978 bei dem VEB Kraftfahrzeuginstandsetzung E., später VEB Kfz-Instandsetzung E., in verschiedenen Funktionen tätig, zuletzt bis zum 30. Juni 1990 als Direktor für Wissenschaft und Technik. Der VEB Kraftfahrzeuginstandsetzung E. war Rechtsnachfolger des VEB Autoreparatur in W. (Vertragswerkstatt für Moskwitsch und Wolga) sowie des VEB Auto-Service in W. (Kraftfahrzeug-Instandsetzung, Vertragswerkstatt für Pkw, Polski-Fiat, Shiguli). Er wurde dem VEB Verkehrskombinat E., später VE Verkehrskombinat E., angegliedert und im Mai 1977 in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen. Laut Eintragungsanmeldung durch den VEB Verkehrskombinat E. war Rechtsgrundlage der Kombinatszugehörigkeit das Statut des VEB Verkehrskombinat E. vom 1. September 1975. Rechtsnachfolger des VEB Kfz-Instandsetzung E. war die Thüringer Automobilservice GmbH, die am 10. Oktober 1990 in das Handelsregister eingetragen wurde (HRB 1089). Wegen des Gegenstandes des Unternehmens wird auf den beigezogenen Registerauszug (Blatt 62 der Gerichtsakte) verwiesen.
Der Kläger gehörte der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) seit dem 1. Mai 1984 an. Eine Versorgungszusage zur Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem wurde ihm bis zum 30. Juni 1990 nicht erteilt.
Seinen Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2002 ab.
Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (Urteil vom 19. August 2003).
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Ehemalige Mitarbeiter des Betriebes hätten bereits vor 1990 eine Versorgungszusage erhalten. Bei weiteren Mitarbeitern habe die Beklagte entsprechende Ansprüche und Anwartschaften aus der Zusatzversorgung anerkannt. Sein Unternehmen habe sowohl industrielle Warenproduktion vorgenommen, wie auch ein Konstruktionsbüro besessen. Der VEB Kfz-Instandsetzung E. habe Ersatzteile für Kraftfahrzeuge gefertigt, welche zum Teil an die Bevölkerung direkt, an andere Pkw-Hersteller, Instandsetzungsbetriebe und Werkstätten verkauft worden seien. Für den Eigenbedarf, den Bedarf der Kraftverkehrsbetriebe sowie anderer Betriebe seien Lkw- und Busersatzteile gefertigt worden. Im Produktionsbereich G. habe man Spezialfahrzeuge wie Röntgenzüge, fahrbare Zahnarztpraxen sowie Dächer und andere Zulieferbauteile für einen Campinganhänger gefertigt. Zirka 70 vom Hundert (v.H.) der Mitarbeiter seien beschäftigt gewesen in den Bereichen Motorenherstellung, Tragfedernherstellung, Kupplung, Instandsetzung von Elektrobaugruppen sowie in der Herstellung beziehungsweise der Regenerierung von Ersatzteilen. Ein nicht unwesentlicher Teil davon habe in der Neuzusammensetzung von Motoren bestanden. Für den Auseinanderbau und den Zusammenbau der Motoren hätten die gleichen Anforderungen wie für neu hergestellte Motoren gegolten; es sei immer eine ganze Palette zusammengebaut worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 19. August 2003 sowie den Bescheid vom 4. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Zeitraum vom 1. September 1978 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die darin erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Den vorhanden Unterlagen sei nicht zu entnehmen, dass die industrielle Produktion dem VEB Kfz-Instandsetzung das Gepräge gegeben habe. Die industrielle Sachgüterproduktion sei nicht profilbestimmend gewesen. Die Instandsetzung von Motoren sei keine Produktion im Sinne des fordistischen Produktionsmodells dar, weil es sich nicht um eine Neuproduktion von Sachgütern gehandelt habe.
Der Senat hat Auszüge aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft zu dem VEB Kfz-Instandsetzung E. und Statuten des VE Verkehrskombinates E. beigezogen. Eine Niederschrift aus dem Parallelverfahren L 6 RA 268/03 vom 29. April 2005 mit der protokollierten Vernehmung des auch vom Kläger benannten Zeugen D. B. wurde den Beteiligten zur Kenntnis übersandt. Der Kläger hat in dem Erörterungstermin vom 24. März 2006 vor der Berichterstatterin des erkennenden Senates erklärt, dass er mit dieser Zeugenaussage inhaltlich übereinstimmt. Auf die Niederschrift vom 24. März 2006 im Übrigen wird Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und Beklagtenakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz im Zeitraum vom 1. September 1978 bis zum 30. Juni 1990 sowie auf Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte (§ 8 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 und 2 AAÜG). Der Kläger fällt schon nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 1 AAÜG; daher ist nicht in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AAÜG gegeben sind.
Der Kläger war am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Versorgungsberechtigungen, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust von Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems diesen Verlust bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt er nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als nicht eingetreten. Der Kläger erfüllt weder die Voraussetzungen des Satzes 1 noch des Satzes 2. Er hatte bis zum Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft erworben, weil eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm zum 1. August 1991 eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden ist, nicht vorliegt; und eine positive Statusentscheidung der Beklagten zu seinen Gunsten ist ebenso wenig ergangen wie eine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrages (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsaktes. Er war auch nicht aufgrund einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen worden. - Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG liegen nicht vor, weil der Kläger vor dem 30. Juni 1990 keine Versorgungsanwartschaft erlangt hatte, die er bei seinem Ausscheiden hätte verlieren können (vgl. stellvertretend für viele: Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 29. Juli 2004, Az.: B 4 RA 4/04 R, m.w.N.).
Der Kläger hatte nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage im Sinne der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG. Dieser fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer Zusage hängt von der Ausgestaltung der zu Bundesrecht gewordenen leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme ab.
Für die Altersversorgung der technischen Intelligenz ist ein Anspruch auf Erteilung der Zusage nach § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (ZAVO-techInt) i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB z. ZAVO-techInt) unter folgenden drei Voraussetzungen gegeben: 1. der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), und 2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Mit seiner Beschäftigung im VEB Kfz-Instandsetzung E. erfüllt der Kläger nicht die betriebliche Voraussetzung für eine Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz, denn dieser VEB war kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB. Der hiernach versorgungsrechtliche maßgebliche Betriebstyp ist durch die drei Merkmale "Betrieb", "volkseigen" und "Produktion (Industrie, Bauwesen)" gekennzeichnet. Er erfasst nach dem letzten maßgeblichen Sprachgebrauch der DDR nur volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens.
Der Ausdruck "Betrieb" lässt erkennen, dass es sich um eine Organisationsform handeln musste, die im Wirtschaftrecht der DDR unter dem Oberbegriff "Wirtschaftseinheit" fiel (§ 2 des Vertragsgesetzes vom 25. März 1982, GBl. I S. 293). Als Wirtschaftseinheiten verstand man in der DDR solche "Organisationsformen der sozialistischen Volkswirtschaft, die geschaffen wurden, um als warenproduzierende Glieder der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und Kollektive sozialistischer Werktätiger wirtschaftliche Leistungen zu erbringen, und die zu diesem Zweck auch über entsprechende Leitungsbefugnisse verfügen" (Autorenkollektiv unter Leitung von Heuer, Wirtschaftsrecht, Staatsverlag der DDR, Berlin 1985, S. 65 und 75). Soweit von "warenproduzierenden" Gliedern gesprochen wird, kann davon ausgegangen werden, dass der Ausdruck "Ware" nicht nur im Sinn von Sachgütern zu verstehen ist, sondern sowohl materielle als auch immaterielle Güter umschreibt. Ansonsten wären Betriebe im Bereich der Dienstleistung keine Betriebe im Sinne des DDR-Rechts gewesen. Bezogen auf den Betrieb erfasste der Ausdruck "Warenproduktion" in der DDR letztlich jede Form von wirtschaftlicher Tätigkeit. Dem entspricht auch die Bedeutung des Ausdrucks "Betrieb" nach marktwirtschaftlichem Verständnis. Hiernach ist der Betrieb die organisatorische Einheit von persönlichen, sächlichen und materiellen Mitteln zur fortgesetzten Verfolgung eines "technischen" Zwecks (Herstellung bestimmter Güter oder Erbringung bestimmter Leistungen).
Eine Eingrenzung erfolgt durch das Merkmal "volkseigen". Hiermit werden Betriebe ausgeschlossen, die auf der Grundlage von Privateigentum wirtschafteten, sowie solche, die durch die beiden anderen Formen des sozialistischen Eigentums gekennzeichnet waren: das genossenschaftliche Gemeineigentum und das Eigentum gesellschaftlicher Organisationen der Bürger.
Schließlich erfolgt noch eine Begrenzung auf volkseigene "Produktionsbetriebe (der Industrie und des Bauwesens)". Die Maßgeblichkeit des Merkmals "Produktionsbetrieb" folgt unmittelbar aus § 1 Abs. 2 der 2. DB. Dass es dabei auf Produktionsbetriebe nur der "Industrie" und "Bauwesens" ankommt, ergibt sich mit Blick auf die Produktionsbetriebe der Industrie schon aus der Einbeziehung des Ministerium für Industrie in § 5 ZAVO-techInt und für die Produktionsbetriebe des Bauwesens aus der sprachlichen und sachlichen Gegenüberstellung von "Produktionsbetrieben der Industrie und des Bauwesens" einerseits und allen anderen "volkseigenen Betrieben" anderseits, welche die DDR spätestens ab den 60er Jahren und jedenfalls am 30. Juni 1990 in ihren einschlägigen Gesetzestexten vorgenommen hatte. Aus § 5 ZAVO-techInt (und § 1 der 1. DB) ergeben sich zwei Folgerungen für die Bedeutung des Wortes "volkseigener Produktionsbetrieb" in § 1 Abs. 2 der 2. DB: es muss sich bei dem betroffenen Betrieb erstens um einen VEB handeln, der organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR – Planwirtschaft zugeordnet war; ferner muss zweitens der verfolgte Hauptzweck des VEB auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung beziehungsweise Produktion (fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein. Dem betrieblichen Anwendungsbereich der ZAVO-techInt unterlagen als "Produktionsbetriebe" somit nur VEB der Industrie, das heißt solche VEB die als Hauptzweck industrielle Fertigung von Sachgütern betrieben (vergleiche zu dem gesamten Komplex der Definition eines volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens: BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az.: B 4 RA 41/01 R).
Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers erfüllt nicht das Kriterium eines Produktionsbetriebes. Das ergibt sich bereits aus dem Statut für den VEB Verkehrskombinat E. vom 1. September 1975, das dem Senat als Entwurf vorliegt. Nach § 1 des Statutes sind im Kombinat "volkseigene Betriebe des Kraftverkehrs und der Kraftfahrzeuginstandhaltung des Bezirks E. zu einer Wirtschaftseinheit verbunden" (Absatz 1). "Das Kombinat sichert. durch eine abgestimmte Entwicklung der Beförderungs-, Transport- und Instandhaltungskapazitäten der Kombinatsbetriebe sowie durch deren komplexen Einsatz die Befriedigung des gesellschaftlichen Bedarfs an Personenbeförderungs- und Gütertransportleistungen mit Kraftfahrzeugen sowie Kraftfahrzeuginstandhaltungsleistungen im Bezirk " (Absatz 2). Die Aufgaben des Kombinates werden in § 3 Abs. 1 mit der Personenbeförderung und dem Gütertransport sowie der Ausführung von Kraftfahrzeuginstandsetzungsleistungen beschrieben. Hieraus ergibt sich bereits, dass weder das Kombinat noch die Kombinatsbetriebe Produktionsaufgaben hatten. Eine solche Aufgaben- und Zweckbestimmung findet sich auch in den späteren Statuten des VE Verkehrskombinats E. nicht. So werden im Statut vom 22. September 1981 die Aufgaben und Befugnisse des VEB Kraftfahrzeuginstandsetzung mit der "Ausführung von Kraftfahrzeuginstand¬haltungsleistungen und der Durchführung von Dienstleistungen auf dem Gebiet des Kfz-Hilfsdienstes und der Servicestationen für den sparsamsten Kraftstoffverbrauch" umschrieben. In dem letzten maßgeblichen Statut vom 1. September 1984 werden die Aufgaben des Kombinates in § 3 beschrieben. Hiernach umfasst die wirtschaftliche Tätigkeit des Kombinates "die einheitliche Leitung, Planung, Bilanzierung und Abrechnung der Entwicklung und die Durchführung der Prozesse im öffentlichen Straßenpersonenverkehr und dem öffentlichen Straßengütertransport sowie in der Kraftfahrzeuginstandhaltung bei Sicherung eines effektiven Einsatzes aller Produktionskapazitäten" (Absatz. 2). Dem VEB Kraftfahrzeuginstandsetzung oblag nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 "die Ausführung von Kraftfahrzeuginstandhaltungsleistungen" sowie "die Durchführung von Dienstleistungen". Alle weiter vorliegenden Unterlagen sowie die Aussage des (in einem Parallelverfahren gehörten) Zeugen B. und des Klägers selbst dokumentieren, dass der VEB Kfz-Instandsetzung auch tatsächlich im Sinne dieser durch das Statut vorgegebenen Zweckbestimmung tätig war. Ein starkes Indiz ist bereits die Tatsache, dass der VEB Kfz-Instandsetzung Rechtsnachfolger von einem Autoservice- und einem Autoreparaturbetrieb geworden ist und sein eigener Rechtsnachfolger die Thüringer Automobilservice GmbH war, deren Gegenstand ausweislich des vorliegenden Registerauszuges "der Verkauf und die Instandhaltung von Kraftfahrzeugen aller Art, der Handel mit Kraftfahrzeugersatzteilen, Werkzeugen, Werkstattausrüstungen und Kraftfahrzeugzubehör, der Reifen- und Batterieservice, die Fertigung von Spezialaufbauten, die Durchführung von Abschlepp-, Berge- und Hilfsdienstleistungen einschließlich Spezialtransporte, der Mietwagenverleih und Fahrschule" war. Sowohl Vorgänger als auch Nachfolgebetriebe waren damit Dienstleistungsbetriebe.
Auch nach den vom Senat für glaubhaft erachteten Aussagen des Klägers und des im Parallelverfahren vernommenen Zeugen B. war der VEB Kfz-Instandsetzung E. ein solcher Dienstleistungsbetrieb. Eine der Hauptaufgaben des Betriebes war hiernach die Generalüberholung von Automotoren und weiteren Autoteilen. Trotz unterstellter industrieller Ablaufprozesse handelt es sich hierbei nicht um eine erstmalige Neufertigung von Sachgütern, sondern gerade um die dem Statutzweck entsprechende Instandsetzung. Soweit dabei Ersatzteile aufgrund der besonderen Verhältnisse in der damaligen DDR auch selbst gefertigt worden, ändert dies den Charakter des Betriebes nicht. Dem Senat ist aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt, dass fast jeder Betrieb der damaligen DDR eigene Produktionsabteilungen hatte, um der allgemeinen herrschenden Mangelsituation Rechnung zu tragen und weiter effektiv arbeiten zu können. Dies prägt aber noch nicht den Charakter des Betriebes.
Im Übrigen kommt es nicht auf die Auslegung der Versorgungsordnung durch die Staatsorgane und deren Verwaltungspraxis in der DDR an. In der Tat gibt es Hinweise in der Literatur der DDR, die darauf hindeuten, dass damals nicht nur Produktionsbetriebe im Sinne der Herstellung von Sachgütern, sondern auch ein Teil der Dienstleistungsbetriebe als Wirtschaftseinheiten der "materiellen Produktion" verstanden worden sind, wenn nicht die Herstellung immaterieller Güter eindeutig im Vordergrund stand. Dies spielt aber bei der heutigen Auslegung der Versorgungsordnung keine Rolle (BSG, Urteil vom 9. April 2002, B 4RA 41/01 R). Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bei der Prüfung der Zugehörigkeit zu einer zusätzlichen Altersversorgung am Wortlaut der Versorgungsordnungen orientieren und nicht an eine Praxis oder an eine diese Praxis steuernde Richtlinie der DDR anknüpfen (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2004, Az.: 1 BvR 297/04 und 1 BvR 61/03).
Die Begrenzung der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG auf den Personenkreis, der nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage die drei Voraussetzungen der Altersversorgung der technischen Intelligenz erfüllte, steht im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 und 3 des Grundgesetzes (GG). Die Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber denjenigen, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen der Versorgungsverordnung erfüllten und denjenigen, die bereits früher einmal in ein Versorgungssystem im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG einbezogen waren, ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt.
Der Einigungsvertrag hat nur die Übernahme vor dem 1. Juli 1990 bestehender Versorgungsansprüche und -anwartschaften vorgesehen und neue Einbeziehungen ab 1. Juli 1990 ausdrücklich verboten (Artikel 9 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. a EV; Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 EV i.V.m. § 22 des Rentenangleichungsgesetz der DDR). Der Bundesgesetzgeber hat das grundsätzliche Verbot der Neueinbeziehung für den persönlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG modifiziert. Um einem Wertungswiderspruch zu begegnen hat das Bundessozialgericht durch eine ausdehnende verfassungskonforme Auslegung die nicht in ein Versorgungssystem Einbezogenen, die am 30. Juni 1990 nach den Regelungen der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatten, aber im Regelfall aus Gründen, die bundesrechtlich nicht anerkannt werden dürfen, nicht einbezogen waren, den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 2 des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) gleichgestellt.
Eine Gleichstellung weiterer Personengruppen war nicht geboten. Der Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme in der DDR sowie an die gegebene versorgungsrechtliche Lage der Betroffenen ohne Willkürverstoß anknüpfen und damit davon ausgehen, dass nur derjenige in das Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen werden durfte, der am 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt war. Art. 3 Abs. 1 und 3 GG gebietet nicht, von jenen zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme sowie den historischen Fakten, aus denen sich etwa die hier vorliegenden Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen (vgl. unter anderem BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 18/03 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
FST
Saved