Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 12 AS 2074/07 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 1150/07 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 8. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung eine Übernahme der Kosten für ein Schulschließfach als (nicht rückzahlbaren) Zuschuss.
Sie besucht die 5. Schulklasse. Ihr Vater beantragte für sie unter dem 2. Oktober 2007 die Erstattung der Kosten der Aufbewahrung der Schulbücher in der Schule in einem Schließfach in Höhe von 36,00 Euro (einmalige Kaution 16,00 EUR, Schließfach für das Schuljahr 2007/2008 19,80 EUR). Aus eigenen Mitteln könne dieser Betrag nicht getragen werden. Hierbei handele es sich um die Gesundheit seiner Tochter. Für Folgeschäden bei Nichtübernahme der Kosten mache er die Antragsgegnerin haftbar.
Zugleich suchte der Vater der Antragstellerin um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach. Seine Tochter könne nicht benachteiligt werden, nur weil sie, die Eltern, keine Arbeit finden würden. Der Schulranzen mit den vielen Büchern sei viel zu schwer und deshalb würden von der Schule die Schließfächer bereitgestellt. Die Nutzung solle so schnell wie möglich erfolgen, um gesundheitliche Schäden der Kinder zu vermeiden.
Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag ab. Der bei allen Hilfesuchenden etwa gleiche Bedarf an Ernährung, hauswirtschaftlichem Bedarf und kleineren persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens werde anhand von Bedarfsuntersuchungen durch die Gewährung eines pauschalierten Regelsatzes berücksichtigt. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasse insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Könne im Einzelfall ein von der genannten Regelleistung umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht gedeckt werden, könne dem Hilfebedürftigen nach § 23 Abs. 1 SGB II bei entsprechendem Nachweis der Bedarf als Sach- oder als Geldleistung in Form eines entsprechenden Darlehens gewährt werden. Die beantragte Sonderleistung werde durch die Regelleistung in Höhe von 208,00 EUR abgedeckt und stelle keinen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes dar, sodass eine Übernahme der Kosten nicht möglich sei (Bescheid vom 4. Oktober 2007).
Den Widerspruch hiergegen, der damit begründet wurde, dass die Kosten nicht in der pauschalierten Regelleistung enthalten seien, wies die Antragsgegnerin als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2007).
Unter dem 8. Oktober 2007 teilte die Antragstellerin dem Sozialgericht unter anderem mit, dass ein Darlehen nicht infrage komme, weil er sich nicht wegen des Sozialgerichts oder der Antragsgegnerin verschulden werde.
Das Sozialgericht lehnte den Antrag ab. Die Kosten für das Schließfach in der Schule könnten nicht anders bewertet werden als die Kosten für Schulutensilien (z.B. Schulranzen, Hefte, Stifte). Diesbezüglich sei anerkannt, dass diese unter die Regelleistung des § 20 Abs. 1 SGB II fielen. Erfasst werde nämlich der Bedarf, wie er bei vielen Hilfeempfängern gleichermaßen bestehe. Ohne Bedeutung sei, dass es sich um einen einmaligen Bedarf, beziehungsweise einen jährlich auftretenden Bedarf, handele. Eine darlehensweise Gewährung nach § 23 Abs. 1 SGB II komme auch nicht in Betracht. Unabhängig davon, dass die Inanspruchnahme eines Darlehens abgelehnt werde, handele es sich vorliegend nicht um einen unabweisbaren Bedarf (Beschluss vom 8. Oktober 2007).
Hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Der Antrag auf Übernahme der Kosten erfolge nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch deshalb, weil die Gesundheit der Antragstellerin durch das Gewicht des Schulranzens gefährdet sei. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Der Senat hat das Begehren dahin ausgelegt, dass nicht der Vater der Antragstellerin, sondern die Antragstellerin, gesetzlich vertreten durch ihren Vater, den Anspruch verfolgt. Denn es geht um die Ansprüche der die Schule besuchenden Antragstellerin, auch wenn ein Vertrag über die Anmietung des Schließfaches zwischen dem Vater beziehungsweise den Eltern der Antragstellerin einerseits und dem Vermieter der Schließfächer andererseits zustande kommen sollte.
Nach dem ab dem 2. Januar 2002 geltenden § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag, wenn - wie hier - ein Fall von § 86b Abs. 1 SGG (vorläufiger Rechtsschutz in Anfechtungssachen) nicht vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend (Satz 4). Das Gericht entscheidet durch Beschluss (§ 86b Abs. 4 SGG).
Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und/oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch (gesetzlicher Anknüpfungspunkt bei der Sicherungsanordnung: "Recht des Antragstellers"; bei der Regelungsanordnung: "Streitiges Rechtsverhältnis") bejahen kann. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren Rn. 292). Darüber hinaus muss in Abwägung der für die Verwirklichung des Rechts bestehenden Gefahr einerseits und der Notwendigkeit einer Regelung eines vorläufigen Zustands andererseits ein Anordnungsgrund zu bejahen sein (vgl. Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar Verwaltungsgerichtsordnung, 1996, § 123 Rn. 62 f.). Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller des Eilverfahrens dürfen dabei aus Gründen des Grundrechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), insbesondere in Eilverfahren auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose, nicht überspannt werden (BVerfG 12. Mai 2005 – 1 BVR 569/05 – NVwZ 2005, 927-929).
Es kann hier dahinstehen, ob der Antragstellerin ein Anordnungsgrund zur Seite steht. Es besteht jedenfalls kein Anordnungsanspruch, also eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für die - ausschließlich begehrte - darlehensfreie, also zuschussweise Übernahme der geltend gemachten Kosten für das für Schulbücher gedachte Schließfach.
Nach § 23 Abs. 1 SGB II erbringt die Agentur für Arbeit, hier die Antragsgegnerin, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann, bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Weitergehende Leistungen sind ausgeschlossen (§ 23 Abs. 1 Satz 4 SGB II).
Aufwendungen für Schulbücher und Schulsachen sind (wohl) von der Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II umfasst (so jedenfalls für das einstweilige Rechtsschutzverfahren auch LSG Berlin-Brandenburg vom 1. Oktober 2007 – L 10 B 1545/07 AS ER). Dies ergibt sich aus Folgendem:
Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten nach § 28 SGB II ein Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches (SGB XII) haben. Das Sozialgeld umfasst die sich aus § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Leistungen. Hierbei beträgt die Regelleistung bis zur Vollendung des vierzehnten Lebensjahres 60 vom Hundert (vH) der nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Regelleistung.
Die Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II umfasst zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben.
Die nicht abschließende Aufzählung deckt auch nicht benannte Bedarfe ab, soweit diese für die Sicherstellung des notwendigen Lebensunterhalts erforderlich sind (Vor in Estelmann (Hrsg.), SGB II, Kommentar, § 20 Rz. 14, Stand: Februar 2007). Hierzu zählt auch der "Schulbedarf", dem die hier geltendgemachten Kosten für das Schließfach zuzuordnen sind. Dass ein entsprechender Bedarf von der Regelleistung umfasst ist, bestätigt der Umkehrschluss, der aus der Regelung des § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II zu ziehen ist. Denn nach dieser Regelung sind Leistungen für "mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen" nicht von der Regelleistung umfasst und deshalb nach dortiger näherer Maßgabe zusätzlich zur Regelleistung zu erbringen. Der Gesetzgeber hat somit für den Bereich der Schule lediglich diesen speziellen Bedarf von der Regelleistung ausgenommen mit der Folge, dass die übrigen diesbezüglichen Bedarfe, also auch mögliche Aufwendungen für die Kosten von Schulschließfächern, von der pauschalierten Regelung der Regelleistung umfasst sind.
Ob die übrigen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 SGB II, insbesondere die Frage, ob die Antragstellerin durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II oder auf andere Weise den entsprechenden Bedarf decken kann, kann jedoch dahinstehen.
Denn die Antragstellerin beziehungsweise ihr Vater lehnen eine darlehensweise Gewährung der Kosten für die Anmietung des Schließfaches ausdrücklich ab.
Abgesehen davon, dass die Regelung des § 23 Abs. Satz 1 SGB II nur eine darlehensweise Leistung vorsieht, hätte die Antragstellerin im einstweiligen Rechtschutzverfahren, wie hier, Leistungen ohnehin nur unter dem Vorbehalt der Erstattung für den Fall erhalten können, dass sie im Hauptsacheverfahren nicht rechtskräftig unterliegen wird.
Soweit im Verfahren vorgetragen wird, das Schließfach sei mit Blick auf eine Gesundheitsgefährdung der Antragstellerin erforderlich, ist eine hierauf gerichtete Anspruchsgrundlage gegen die Antragsgegnerin nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Die Beschlüsse sind unanfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung eine Übernahme der Kosten für ein Schulschließfach als (nicht rückzahlbaren) Zuschuss.
Sie besucht die 5. Schulklasse. Ihr Vater beantragte für sie unter dem 2. Oktober 2007 die Erstattung der Kosten der Aufbewahrung der Schulbücher in der Schule in einem Schließfach in Höhe von 36,00 Euro (einmalige Kaution 16,00 EUR, Schließfach für das Schuljahr 2007/2008 19,80 EUR). Aus eigenen Mitteln könne dieser Betrag nicht getragen werden. Hierbei handele es sich um die Gesundheit seiner Tochter. Für Folgeschäden bei Nichtübernahme der Kosten mache er die Antragsgegnerin haftbar.
Zugleich suchte der Vater der Antragstellerin um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach. Seine Tochter könne nicht benachteiligt werden, nur weil sie, die Eltern, keine Arbeit finden würden. Der Schulranzen mit den vielen Büchern sei viel zu schwer und deshalb würden von der Schule die Schließfächer bereitgestellt. Die Nutzung solle so schnell wie möglich erfolgen, um gesundheitliche Schäden der Kinder zu vermeiden.
Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag ab. Der bei allen Hilfesuchenden etwa gleiche Bedarf an Ernährung, hauswirtschaftlichem Bedarf und kleineren persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens werde anhand von Bedarfsuntersuchungen durch die Gewährung eines pauschalierten Regelsatzes berücksichtigt. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasse insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Könne im Einzelfall ein von der genannten Regelleistung umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht gedeckt werden, könne dem Hilfebedürftigen nach § 23 Abs. 1 SGB II bei entsprechendem Nachweis der Bedarf als Sach- oder als Geldleistung in Form eines entsprechenden Darlehens gewährt werden. Die beantragte Sonderleistung werde durch die Regelleistung in Höhe von 208,00 EUR abgedeckt und stelle keinen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes dar, sodass eine Übernahme der Kosten nicht möglich sei (Bescheid vom 4. Oktober 2007).
Den Widerspruch hiergegen, der damit begründet wurde, dass die Kosten nicht in der pauschalierten Regelleistung enthalten seien, wies die Antragsgegnerin als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2007).
Unter dem 8. Oktober 2007 teilte die Antragstellerin dem Sozialgericht unter anderem mit, dass ein Darlehen nicht infrage komme, weil er sich nicht wegen des Sozialgerichts oder der Antragsgegnerin verschulden werde.
Das Sozialgericht lehnte den Antrag ab. Die Kosten für das Schließfach in der Schule könnten nicht anders bewertet werden als die Kosten für Schulutensilien (z.B. Schulranzen, Hefte, Stifte). Diesbezüglich sei anerkannt, dass diese unter die Regelleistung des § 20 Abs. 1 SGB II fielen. Erfasst werde nämlich der Bedarf, wie er bei vielen Hilfeempfängern gleichermaßen bestehe. Ohne Bedeutung sei, dass es sich um einen einmaligen Bedarf, beziehungsweise einen jährlich auftretenden Bedarf, handele. Eine darlehensweise Gewährung nach § 23 Abs. 1 SGB II komme auch nicht in Betracht. Unabhängig davon, dass die Inanspruchnahme eines Darlehens abgelehnt werde, handele es sich vorliegend nicht um einen unabweisbaren Bedarf (Beschluss vom 8. Oktober 2007).
Hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Der Antrag auf Übernahme der Kosten erfolge nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch deshalb, weil die Gesundheit der Antragstellerin durch das Gewicht des Schulranzens gefährdet sei. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Der Senat hat das Begehren dahin ausgelegt, dass nicht der Vater der Antragstellerin, sondern die Antragstellerin, gesetzlich vertreten durch ihren Vater, den Anspruch verfolgt. Denn es geht um die Ansprüche der die Schule besuchenden Antragstellerin, auch wenn ein Vertrag über die Anmietung des Schließfaches zwischen dem Vater beziehungsweise den Eltern der Antragstellerin einerseits und dem Vermieter der Schließfächer andererseits zustande kommen sollte.
Nach dem ab dem 2. Januar 2002 geltenden § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag, wenn - wie hier - ein Fall von § 86b Abs. 1 SGG (vorläufiger Rechtsschutz in Anfechtungssachen) nicht vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend (Satz 4). Das Gericht entscheidet durch Beschluss (§ 86b Abs. 4 SGG).
Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und/oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch (gesetzlicher Anknüpfungspunkt bei der Sicherungsanordnung: "Recht des Antragstellers"; bei der Regelungsanordnung: "Streitiges Rechtsverhältnis") bejahen kann. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren Rn. 292). Darüber hinaus muss in Abwägung der für die Verwirklichung des Rechts bestehenden Gefahr einerseits und der Notwendigkeit einer Regelung eines vorläufigen Zustands andererseits ein Anordnungsgrund zu bejahen sein (vgl. Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar Verwaltungsgerichtsordnung, 1996, § 123 Rn. 62 f.). Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller des Eilverfahrens dürfen dabei aus Gründen des Grundrechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), insbesondere in Eilverfahren auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose, nicht überspannt werden (BVerfG 12. Mai 2005 – 1 BVR 569/05 – NVwZ 2005, 927-929).
Es kann hier dahinstehen, ob der Antragstellerin ein Anordnungsgrund zur Seite steht. Es besteht jedenfalls kein Anordnungsanspruch, also eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für die - ausschließlich begehrte - darlehensfreie, also zuschussweise Übernahme der geltend gemachten Kosten für das für Schulbücher gedachte Schließfach.
Nach § 23 Abs. 1 SGB II erbringt die Agentur für Arbeit, hier die Antragsgegnerin, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann, bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Weitergehende Leistungen sind ausgeschlossen (§ 23 Abs. 1 Satz 4 SGB II).
Aufwendungen für Schulbücher und Schulsachen sind (wohl) von der Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II umfasst (so jedenfalls für das einstweilige Rechtsschutzverfahren auch LSG Berlin-Brandenburg vom 1. Oktober 2007 – L 10 B 1545/07 AS ER). Dies ergibt sich aus Folgendem:
Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten nach § 28 SGB II ein Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches (SGB XII) haben. Das Sozialgeld umfasst die sich aus § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Leistungen. Hierbei beträgt die Regelleistung bis zur Vollendung des vierzehnten Lebensjahres 60 vom Hundert (vH) der nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Regelleistung.
Die Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II umfasst zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben.
Die nicht abschließende Aufzählung deckt auch nicht benannte Bedarfe ab, soweit diese für die Sicherstellung des notwendigen Lebensunterhalts erforderlich sind (Vor in Estelmann (Hrsg.), SGB II, Kommentar, § 20 Rz. 14, Stand: Februar 2007). Hierzu zählt auch der "Schulbedarf", dem die hier geltendgemachten Kosten für das Schließfach zuzuordnen sind. Dass ein entsprechender Bedarf von der Regelleistung umfasst ist, bestätigt der Umkehrschluss, der aus der Regelung des § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II zu ziehen ist. Denn nach dieser Regelung sind Leistungen für "mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen" nicht von der Regelleistung umfasst und deshalb nach dortiger näherer Maßgabe zusätzlich zur Regelleistung zu erbringen. Der Gesetzgeber hat somit für den Bereich der Schule lediglich diesen speziellen Bedarf von der Regelleistung ausgenommen mit der Folge, dass die übrigen diesbezüglichen Bedarfe, also auch mögliche Aufwendungen für die Kosten von Schulschließfächern, von der pauschalierten Regelung der Regelleistung umfasst sind.
Ob die übrigen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 SGB II, insbesondere die Frage, ob die Antragstellerin durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II oder auf andere Weise den entsprechenden Bedarf decken kann, kann jedoch dahinstehen.
Denn die Antragstellerin beziehungsweise ihr Vater lehnen eine darlehensweise Gewährung der Kosten für die Anmietung des Schließfaches ausdrücklich ab.
Abgesehen davon, dass die Regelung des § 23 Abs. Satz 1 SGB II nur eine darlehensweise Leistung vorsieht, hätte die Antragstellerin im einstweiligen Rechtschutzverfahren, wie hier, Leistungen ohnehin nur unter dem Vorbehalt der Erstattung für den Fall erhalten können, dass sie im Hauptsacheverfahren nicht rechtskräftig unterliegen wird.
Soweit im Verfahren vorgetragen wird, das Schließfach sei mit Blick auf eine Gesundheitsgefährdung der Antragstellerin erforderlich, ist eine hierauf gerichtete Anspruchsgrundlage gegen die Antragsgegnerin nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Die Beschlüsse sind unanfechtbar (§ 177 SGG).
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