Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 19 R 2819/04
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 344/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein VEB Rindermastbetrieb ist kein Produktionsbetrieb der Industrie. Sein Hauptzweck war nicht auf die industrielle, massenhafte und standardisierte Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern oder Bauleistungen ausgerichtete (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - Az.: B 4 RA 18/03 R).
2. Die Herstellung nach dem "fordistischen Produktionsmodell" (vgl. BSG, Urteil vom 23. Ausgust 2007 - Az.: B 4 RS 3/06 R) erfordert ein Zusammensetzen von Baugruppen und Einzelteilen zu einem neuen Sachgut und eine Fließbandfertigung.
2. Die Herstellung nach dem "fordistischen Produktionsmodell" (vgl. BSG, Urteil vom 23. Ausgust 2007 - Az.: B 4 RS 3/06 R) erfordert ein Zusammensetzen von Baugruppen und Einzelteilen zu einem neuen Sachgut und eine Fließbandfertigung.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 12. Januar 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) nach § 8 AAÜG die Beschäftigungszeiten vom 13. Dezember 1980 bis 31. Mai 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.
Der 1955 geborene Kläger war vom 27. August 1975 bis 12. Dezember 1980 Angehöriger der Nationalen Volksarmee (NVA) und erwarb den Hochschulabschluss an der Offiziershochschule der Landstreitkräfte "Ernst Thälmann", Ausbildungsprofil "Kommandeure von Pioniereinheiten". Dies berechtigte ihn nach der Urkunde vom 12. August 1978, die Berufsbezeichnung "Hochschulingenieur" zu führen. Vom 13. Dezember 1980 bis 31. Mai 1990 war er technischer Leiter des VEB KIM (Kombinat Industrielle Mast) Rindermast G. Mit Urkunde vom 1. November 1988 wurde ihm im Anschluss an das postgraduale Studium "Instandhaltung von Kraftfahrzeugen" von der Ingenieurhochschule Z. der akademische Grad "Diplomingenieur" verliehen. Nach der Urkunde vom 9. Dezember 1988 war er berechtigt, die Berufsbezeichnung "Fachingenieur für Instandhaltung" zu führen.
Eine Versorgungszusage erhielt der Kläger vor Schließung der Versorgungssysteme nicht. Vom 1. Juli 1989 bis 31. Mai 1990 entrichtete er Beiträge zur FZR.
Seinen Antrag vom Juni 2003 auf Feststellung der Zeiten vom September 1978 bis Juni 1990 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Juli 2004 mit der Begründung ab, der Kläger habe am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung in einem volkseigenen oder gleichgestellten Betrieb ausgeübt. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2004 wies sie den Widerspruch zurück.
In der Sitzung des Sozialgerichts am 12. Januar 2007 hat der Kläger vorgetragen, im VEB KIM Rindermastbetrieb G. seien etwa 20.000 Tiere von ca. 240 Beschäftigten aufgezogen worden. Der Betrieb sei hoch technisiert gewesen. Die Fütterung, Entsorgung der Exkremente, Belüftung, Tränke und Versorgung mit Medikamenten sei automatisch gesteuert worden. Nach der Sitzungsniederschrift hat der Kläger "im Einvernehmen mit der Beklagten" erklärt, die Zeit vom 27. August 1975 bis 12. Dezember 1980 sei als Zeit der Zugehörigkeit zur Sonderversorgung der NVA-Angehörigen mit Bescheid der Wehrbereichsverwaltung vom 31. Mai 2002 anerkannt worden.
Mit Urteil vom gleichen Tag hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2004 abgeändert und sie verpflichtet, die Beschäftigungszeit vom 13. Dezember 1980 bis 31. Mai 1990 als Zeit der faktischen Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung der technischen Intelligenz anzuerkennen, die während dessen erzielten Arbeitsentgelte und sonstigen Sachverhalte im Sinne des AAÜG zu ermitteln, durch Bescheid festzustellen und dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zu übermitteln. Der Kläger habe seit dem 12. August 1978 die Berechtigung besessen, den Ingenieurtitel zu führen und sein Beschäftigungsbetrieb sei ein volkseigener Produktionsbetrieb mit industrieller Produktionsweise gewesen. Es komme entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf die Unterstellung unter ein bestimmtes Industrieministerium an. Diese Betrachtungsweise des Bundessozialgerichts greife zu kurz. Entscheidend sei, ob die tatsächlichen Gegebenheiten des Betriebes die Annahme eines Produktionsbetriebes im industriellen Maßstab rechtfertigten. Dies sei der Fall: Nach der Beschreibung des Klägers und der Bezeichnung des Kombinats habe es sich um eine industrielle Fleischproduktion gehandelt. Der Betrieb habe offensichtlich arbeitsteilig und mit größtmöglichem Technikeinsatz im Sinne einer Massentierhaltung die Rinderzucht als Massenproduktion betrieben und dabei die Ver- und Entsorgung der Tiere mit technischen Versorgungs-, Regel- und Steuersystemen bewerkstelligt.
Mit ihrer Berufung hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger erfülle nicht die betrieblichen Voraussetzungen des Versorgungssystems. Der VEB KIM Rindermast G. sei weder ein Industriebetrieb noch ein Betrieb des Bauwesens gewesen, sondern ein Betrieb der Landwirtschaft, was durch die Zuordnung der Wirtschaftsgruppe 31320 in die Systematik der Volkswirtschaftszweige dokumentiert sei. Eine Produktion im Sinne des fordistischen Produktionsmodells liege nicht vor. Allein eine Massenaufzucht lasse die Rinder nicht zum industriellen Sachgut werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 12. Januar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung beruft er sich in der Hauptsache auf das Urteil der Vorinstanz. Der Einsatz von ca. 20 Ingenieuren und 14 Meistern für die Aufrechterhaltung der technischen Betriebssteuerung gegenüber sechs Meistern der Tierzucht verdeutliche, dass es sich um einen Produktionsbetrieb der Industrie handle.
Der Senat hat den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Ost vom 31. Mai 2002 bezüglich der Überführung der Ansprüche des Klägers aus dem Sonderversorgungssystem der Angehörigen der NVA in die gesetzliche Rentenversicherung beigezogen. In der Sitzung am 3. März 2009 haben die Beteiligten übereinstimmend zur Niederschrift erklärt, dass das AAÜG auf den Kläger aufgrund seiner anwartschaftsbegründenden Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem anwendbar ist.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der geheimen Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist zulässig und begründet.
Der Kläger wird nach § 1 Abs. 1 AAÜG von dem persönlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes erfasst, denn er ist aufgrund seiner Tätigkeit als Berufssoldat in das Sonderversorgungssystem für Angehörige der NVA (Anlage 2 Nr. 1 des AAÜG) einbezogen worden. Dies ergibt sich aus dem Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Ost vom 31. Mai 2002. Überdies haben die Beteiligten in der Sitzung vom 3. März 2009 übereinstimmend zur Niederschrift erklärt, dass das AAÜG auf den Kläger schon auf Grund seiner anwartschaftsbegründenden Zugehörigkeit zu diesem Sonderversorgungssystem anwendbar ist. Damit steht zwischen den Beteiligten materiell-rechtlich fest, dass der Kläger dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG unterfällt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 24. April 2008 - Az.: B 4 RS 31/07 R und 24. Juli 2003 - Az.: B 4 RA 40/02 R, nach juris).
Der Kläger erfüllt in dem geltend gemachten Zeitraum nicht die Voraussetzungen für die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zum einem Versorgungssystem und der dabei erzielten Arbeitsentgelte. Allein in Betracht kommt die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben nach der Verordnung vom 17. August 1950 (GBl. I Nr. 93 S. 844; im Folgenden: ZAVO-techInt) i.V.m. der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl. Nr. 62 S. 487; im Folgenden: 2. DB z. ZAVO-techInt).
Die maßgebende Norm § 5 Abs. 1 S. 1 AAÜG regelt die Gleichstellung von Zeiten mit Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung ("gelten als"), in denen der "Versorgungsberechtigte" eine entgeltliche Beschäftigung zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 1. Juli 1990 ausgeübt hat, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen war, das in der Anlage 1 und 2 zum AAÜG aufgelistet ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2008 - Az.: B 4 RS 31/07 R m.w.N., nach juris). Die Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Berechtigte nach den tatsächlichen Gegebenheiten 1) eine "Beschäftigung" ausgeübt hat, die 2) "entgeltlich" und 3) ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst war. In das Versorgungssystem der technischen Intelligenz waren nach den §§ 1, 5 ZAVO-techInt, § 1 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 der 2. DB z. ZAVO-techInt Beschäftigungen unter folgenden Voraussetzungen einbezogen: Der Beschäftigte musste die Berechtigung gehabt haben, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), eine dementsprechende Tätigkeit ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung) und in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung) beschäftigt gewesen sein (vgl BSG, Urteile vom 24. April 2008, a.a.O. und 27. Juli 2004 - Az.: B 4 RA 11/04, nach juris).
Mit dem Erwerb des Titels "Hochschulingenieur" erfüllt der Kläger die persönliche Voraussetzung. Ob er die sachliche Voraussetzung erfüllte, was die Vorinstanz ohne weitere Prüfung angenommen hat, ist für die Zeit bis 1. November 1988 (Zuerkennung des akademischen Grades "Diplomingenieur") allerdings zweifelhaft. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 18. Oktober 2007 - Az.: B 4 RS 17/07 R, nach juris) ist bei dieser Prüfung von der erworbenen Berufsbezeichnung im Sinne der 2. DB z. ZAVO-techInt auszugehen und zu fragen, ob der Versicherte im Schwerpunkt eine durch die Ausbildung und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägten Berufsbild entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat. Setzt die Wahrnehmung der konkreten Arbeitsaufgabe solche beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten voraus, wie sie bei dem Studium bzw. der Ausbildung zu einem Beruf i.S. des § 1 Abs 1 der 2. DB z. ZAVO-techInt erworben werden, ist die sachliche Voraussetzung erfüllt. In der Urkunde vom 12. August 1978 wird als Ausbildungsprofil "Kommandeure von Pioniereinheiten" genannt. Es ist schwer vorstellbar, dass die Tätigkeit als Technischer Leiter eines Mastbetriebes Kenntnisse erforderte, die dieser Ausbildung entsprechen. Im Ergebnis kann der Senat diese Frage aber dahingestellt lassen, weil der Kläger jedenfalls die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllte. Es kann ebenfalls dahingestellt bleiben, ob die organisatorische Unterordnung des Mastbetriebes unter das Landwirtschaftsministerium gegen eine industrielle Fertigung spricht, wie die Beklagte annimmt.
Der Kläger war in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt, weil der Hauptzweck des Betriebes nicht in der industriellen Fertigung von Sachgütern bestand. Die Zuordnung eines VEB zur industriellen Produktion (bzw. zum hier nicht in Betracht kommenden Bauwesen) hängt entscheidend davon ab, welche Aufgabe ihm das Gepräge gegeben hat. Der verfolgte Hauptzweck (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – Az.: B 4 RA 18/03 R, nach juris) des VEB muss nach dem Urteil des BSG vom 9. April 2002 (Az.: B 4 RA 41/01 R, nach juris) auf die industrielle, massenhafte und standardisierte Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern oder Bauleistungen ausgerichtet gewesen sein. Dort hat das BSG u.a. ausgeführt: "Diese Begrenzung auf industrielle Produktionsbetriebe erklärt sich zum Zeitpunkt des Erlasses der VO-AVItech und der 2. DB in den Jahren 1950/51 aus der besonderen Bedeutung, die dieser Sektor der Volkswirtschaft für den Aufbau einer zentralen Planwirtschaft nach Ende des 2. Weltkrieges in der sowjetischen Besatzungszone bzw der späteren DDR hatte. Eine solche Planwirtschaft setzte voraus, dass sich zumindest die Grundindustrien in staatlicher Hand befanden. Denn die sozialistische Wirtschaft wurde vor allem als Industriewirtschaft verstanden. Die Erhöhung des Anteils der Industrieproduktion am Nationaleinkommen war eines der erklärten Ziele. Angestrebt wurde die Herstellung der Erzeugnisse auf der Basis industrieller Massenproduktion entsprechend dem fordistischen Produktionsmodell. Der Massenausstoß standardisierter Produkte schien in besonderem Maße den Bedingungen der sozialistischen Planwirtschaft zu entsprechen und hohe Produktivitätsgewinne zu garantieren. Diesem Ziel diente von Anfang an nach der Kapitulation die Enteignungsgesetzgebung, insbesondere in der Industrie. Sie schaffte den benötigten staatlichen Sektor, der die Durchführung planmäßiger Leitungsmaßnahmen ermöglichen sollte (vgl hierzu: Ziesche, Die Rechtsstellung des VEB in der DDR seit 1945, aaO, S 4 ff; Roesler, Wirtschafts- und Industriepolitik, in: Herbst/Stephan/Winkler (Hrsg), Die SED - Geschichte, Organisation, Politik -, Dietz Verlag, Berlin 1997, S 277, 279 ff). Die überragende Bedeutung, die dem volkseigenen Sektor der Industrie beigemessen wurde, erklärt somit, warum gerade in diesem Bereich den qualifizierten Fachkräften ein besonderer Beschäftigungsanreiz ua durch Errichtung eines Zusatzversorgungssystems geboten wurde (zum Anreiz durch Lohnerhöhung vgl Senatsurteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 18/01 R, zur Veröffentlichung vorgesehen)."
Der Begriff Produktion in der Versorgungsordnung bestimmt sich also vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der Versorgungsordnung, durch versorgungsrechtliche Privilegierung bestimmter Personengruppen in bestimmten Bereichen der DDR-Volkswirtschaft abgegrenzte Teile der Wirtschaft, nämlich die industrielle Produktion, zu fördern (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 21. Juni 2007 - Az.: L 30 R 28/06 und 29. August 2006 - Az.: L 21 RA 231/03, beide nach juris). Von der Versorgungsordnung wurden nur ausgewählte Betriebe im Bereich des Wirtschaftslebens der ehemaligen DDR erfasst. Der von dem Kläger zugrunde gelegte weite Produktionsbegriff ist nicht relevant. Zur Produktion gehört nur die engere industrielle Produktion zur Herstellung standardisierter Massenprodukte. Dies ergibt sich aus § 22 Abs. 1 S. 1 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Produktionsbetriebe vom 9. Februar 1967 (GBl. II Nr. 21 S. 121), wonach ein Produktionsbetrieb im Rahmen der Festlegungen des übergeordneten Organs und mit dessen Unterstützung seine Produktionsstruktur so zu gestalten hatte, dass eine rationelle Produktion besonders der Haupterzeugnisse mit hoher Qualität, in großen Serien und nach modernen Fertigungsprinzipien erfolgte.
An einer solchen Produktion fehlt es hier. Bei einer Tierzucht liegt weder eine "Herstellung" noch eine "Serienfertigung" vor. Nach dem Vortrag des Klägers bestand die Hauptaufgabe des Betriebes in der Aufzucht von ca. 20.000 Rindern zu schlachtreifen Mastbullen. Die Tiere wurden gefüttert und getränkt, mit Medikamenten versorgt; die Exkremente wurden entsorgt. Die zu mästenden Tiere wurden nicht "hergestellt", also zusammengesetzt oder geformt, sondern aufgezogen. Erst recht erfolgte keine Herstellung nach dem "fordistischen Produktionsmodell", dem eine stark standardisierte Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen zugrunde liegt (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 - Az. B 4 RS 3/06 R, nach juris). Dieses Modell ist nach dem Unternehmer Henry Ford (1863 - 1947) benannt, der Anfang des 20. Jahrhunderts die Fließbandfertigung in seinen Automobilwerken einführte. Dabei hatte jeder Arbeiter nur eine kleine immer gleiche Aufgabe auszuführen, z.B. musste er eine einzige Schraube in wenigen Sekunden montieren. Typisch für diese Produktionsmethode sind am Fließband das Ineinandergreifen aller Teile eines "Baukastensystems" und die strikte Trennung von Kopf- und Handarbeit (vgl. Ahlfeldt / Becker, Henry Ford und die Massenproduktion, Revolution in der Automobilindustrie, www.uni-kl.de/FB-SoWi/FG-Soziologie/download/seminararbeiten).
Wie die Beklagte zur Recht vorträgt, erfordert das "fordistische Produktionsmodell" damit zum einen ein Zusammensetzen von Baugruppen und Einzelteilen zu einem neuen Sachgut, zum anderen eine Fließbandfertigung, ungeachtet der genauen Ausgestaltung. An beidem fehlt es hier. Die Aufzucht von Tieren selbst mit "größtmöglichem Technikeinsatz" (so die Vorinstanz), beinhaltet weder ein Zusammensetzen von Teilen noch eine irgendwie geartete Fließbandproduktion. Unerheblich ist der Vortrag des Klägers, dass im Betrieb nur sechs Meister der Tierzucht neben 20 Ingenieuren eingesetzt waren.
Im Übrigen fehlt es an der Serienfertigung von schlachtreifen Tieren. Seine entsprechende Behauptung hat die Vorinstanz nicht begründet. Serienfertigung ist eine Art der industriellen Fertigung, bei der eine bestimmte Anzahl gleichartiger Erzeugnisse (Serie) gleichzeitig oder nacheinander hergestellt wird (vgl. lexikon.meyers.de/wissen/Serienfertigung). Eine bestimmte Anzahl gleichartiger schlachtreifer Tiere kann nicht hergestellt werden.
Der VEB KIM Rindermast G. war auch kein den Produktionsbetrieben gleichgestellter Betrieb nach § 1 Abs. 2 der 2. DB z. ZAVO-techInt, weil dort Tiermastbetriebe nicht ausdrücklich genannt werden. Die Liste der aufgezählten gleichgestellten Einrichtungen ist abschließend (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – Az.: B 4 RA 23/04 R, nach juris).
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) liegt gegenüber denjenigen, die in das Zusatzversorgungssystem einbezogen wurden, nicht vor. Denn der Einigungsvertragsgesetzgeber war nicht gehalten, bereits in den Versorgungsordnungen angelegte Ungleichbehandlungen nachträglich zu korrigieren (vgl. BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 – Az.: B 4 RA 21/02 R, nach juris). Er durfte an die am 2. Oktober 1990 vorliegenden Versorgungsordnungen im Rahmen der Rentenüberleitung anknüpfen (vgl. BVerfG in BVerfGE 100, S. 138, 193 f.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) nach § 8 AAÜG die Beschäftigungszeiten vom 13. Dezember 1980 bis 31. Mai 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.
Der 1955 geborene Kläger war vom 27. August 1975 bis 12. Dezember 1980 Angehöriger der Nationalen Volksarmee (NVA) und erwarb den Hochschulabschluss an der Offiziershochschule der Landstreitkräfte "Ernst Thälmann", Ausbildungsprofil "Kommandeure von Pioniereinheiten". Dies berechtigte ihn nach der Urkunde vom 12. August 1978, die Berufsbezeichnung "Hochschulingenieur" zu führen. Vom 13. Dezember 1980 bis 31. Mai 1990 war er technischer Leiter des VEB KIM (Kombinat Industrielle Mast) Rindermast G. Mit Urkunde vom 1. November 1988 wurde ihm im Anschluss an das postgraduale Studium "Instandhaltung von Kraftfahrzeugen" von der Ingenieurhochschule Z. der akademische Grad "Diplomingenieur" verliehen. Nach der Urkunde vom 9. Dezember 1988 war er berechtigt, die Berufsbezeichnung "Fachingenieur für Instandhaltung" zu führen.
Eine Versorgungszusage erhielt der Kläger vor Schließung der Versorgungssysteme nicht. Vom 1. Juli 1989 bis 31. Mai 1990 entrichtete er Beiträge zur FZR.
Seinen Antrag vom Juni 2003 auf Feststellung der Zeiten vom September 1978 bis Juni 1990 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Juli 2004 mit der Begründung ab, der Kläger habe am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung in einem volkseigenen oder gleichgestellten Betrieb ausgeübt. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2004 wies sie den Widerspruch zurück.
In der Sitzung des Sozialgerichts am 12. Januar 2007 hat der Kläger vorgetragen, im VEB KIM Rindermastbetrieb G. seien etwa 20.000 Tiere von ca. 240 Beschäftigten aufgezogen worden. Der Betrieb sei hoch technisiert gewesen. Die Fütterung, Entsorgung der Exkremente, Belüftung, Tränke und Versorgung mit Medikamenten sei automatisch gesteuert worden. Nach der Sitzungsniederschrift hat der Kläger "im Einvernehmen mit der Beklagten" erklärt, die Zeit vom 27. August 1975 bis 12. Dezember 1980 sei als Zeit der Zugehörigkeit zur Sonderversorgung der NVA-Angehörigen mit Bescheid der Wehrbereichsverwaltung vom 31. Mai 2002 anerkannt worden.
Mit Urteil vom gleichen Tag hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2004 abgeändert und sie verpflichtet, die Beschäftigungszeit vom 13. Dezember 1980 bis 31. Mai 1990 als Zeit der faktischen Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung der technischen Intelligenz anzuerkennen, die während dessen erzielten Arbeitsentgelte und sonstigen Sachverhalte im Sinne des AAÜG zu ermitteln, durch Bescheid festzustellen und dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zu übermitteln. Der Kläger habe seit dem 12. August 1978 die Berechtigung besessen, den Ingenieurtitel zu führen und sein Beschäftigungsbetrieb sei ein volkseigener Produktionsbetrieb mit industrieller Produktionsweise gewesen. Es komme entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf die Unterstellung unter ein bestimmtes Industrieministerium an. Diese Betrachtungsweise des Bundessozialgerichts greife zu kurz. Entscheidend sei, ob die tatsächlichen Gegebenheiten des Betriebes die Annahme eines Produktionsbetriebes im industriellen Maßstab rechtfertigten. Dies sei der Fall: Nach der Beschreibung des Klägers und der Bezeichnung des Kombinats habe es sich um eine industrielle Fleischproduktion gehandelt. Der Betrieb habe offensichtlich arbeitsteilig und mit größtmöglichem Technikeinsatz im Sinne einer Massentierhaltung die Rinderzucht als Massenproduktion betrieben und dabei die Ver- und Entsorgung der Tiere mit technischen Versorgungs-, Regel- und Steuersystemen bewerkstelligt.
Mit ihrer Berufung hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger erfülle nicht die betrieblichen Voraussetzungen des Versorgungssystems. Der VEB KIM Rindermast G. sei weder ein Industriebetrieb noch ein Betrieb des Bauwesens gewesen, sondern ein Betrieb der Landwirtschaft, was durch die Zuordnung der Wirtschaftsgruppe 31320 in die Systematik der Volkswirtschaftszweige dokumentiert sei. Eine Produktion im Sinne des fordistischen Produktionsmodells liege nicht vor. Allein eine Massenaufzucht lasse die Rinder nicht zum industriellen Sachgut werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 12. Januar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung beruft er sich in der Hauptsache auf das Urteil der Vorinstanz. Der Einsatz von ca. 20 Ingenieuren und 14 Meistern für die Aufrechterhaltung der technischen Betriebssteuerung gegenüber sechs Meistern der Tierzucht verdeutliche, dass es sich um einen Produktionsbetrieb der Industrie handle.
Der Senat hat den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Ost vom 31. Mai 2002 bezüglich der Überführung der Ansprüche des Klägers aus dem Sonderversorgungssystem der Angehörigen der NVA in die gesetzliche Rentenversicherung beigezogen. In der Sitzung am 3. März 2009 haben die Beteiligten übereinstimmend zur Niederschrift erklärt, dass das AAÜG auf den Kläger aufgrund seiner anwartschaftsbegründenden Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem anwendbar ist.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der geheimen Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist zulässig und begründet.
Der Kläger wird nach § 1 Abs. 1 AAÜG von dem persönlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes erfasst, denn er ist aufgrund seiner Tätigkeit als Berufssoldat in das Sonderversorgungssystem für Angehörige der NVA (Anlage 2 Nr. 1 des AAÜG) einbezogen worden. Dies ergibt sich aus dem Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Ost vom 31. Mai 2002. Überdies haben die Beteiligten in der Sitzung vom 3. März 2009 übereinstimmend zur Niederschrift erklärt, dass das AAÜG auf den Kläger schon auf Grund seiner anwartschaftsbegründenden Zugehörigkeit zu diesem Sonderversorgungssystem anwendbar ist. Damit steht zwischen den Beteiligten materiell-rechtlich fest, dass der Kläger dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG unterfällt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 24. April 2008 - Az.: B 4 RS 31/07 R und 24. Juli 2003 - Az.: B 4 RA 40/02 R, nach juris).
Der Kläger erfüllt in dem geltend gemachten Zeitraum nicht die Voraussetzungen für die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zum einem Versorgungssystem und der dabei erzielten Arbeitsentgelte. Allein in Betracht kommt die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben nach der Verordnung vom 17. August 1950 (GBl. I Nr. 93 S. 844; im Folgenden: ZAVO-techInt) i.V.m. der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl. Nr. 62 S. 487; im Folgenden: 2. DB z. ZAVO-techInt).
Die maßgebende Norm § 5 Abs. 1 S. 1 AAÜG regelt die Gleichstellung von Zeiten mit Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung ("gelten als"), in denen der "Versorgungsberechtigte" eine entgeltliche Beschäftigung zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 1. Juli 1990 ausgeübt hat, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen war, das in der Anlage 1 und 2 zum AAÜG aufgelistet ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2008 - Az.: B 4 RS 31/07 R m.w.N., nach juris). Die Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Berechtigte nach den tatsächlichen Gegebenheiten 1) eine "Beschäftigung" ausgeübt hat, die 2) "entgeltlich" und 3) ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst war. In das Versorgungssystem der technischen Intelligenz waren nach den §§ 1, 5 ZAVO-techInt, § 1 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 der 2. DB z. ZAVO-techInt Beschäftigungen unter folgenden Voraussetzungen einbezogen: Der Beschäftigte musste die Berechtigung gehabt haben, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), eine dementsprechende Tätigkeit ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung) und in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung) beschäftigt gewesen sein (vgl BSG, Urteile vom 24. April 2008, a.a.O. und 27. Juli 2004 - Az.: B 4 RA 11/04, nach juris).
Mit dem Erwerb des Titels "Hochschulingenieur" erfüllt der Kläger die persönliche Voraussetzung. Ob er die sachliche Voraussetzung erfüllte, was die Vorinstanz ohne weitere Prüfung angenommen hat, ist für die Zeit bis 1. November 1988 (Zuerkennung des akademischen Grades "Diplomingenieur") allerdings zweifelhaft. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 18. Oktober 2007 - Az.: B 4 RS 17/07 R, nach juris) ist bei dieser Prüfung von der erworbenen Berufsbezeichnung im Sinne der 2. DB z. ZAVO-techInt auszugehen und zu fragen, ob der Versicherte im Schwerpunkt eine durch die Ausbildung und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägten Berufsbild entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat. Setzt die Wahrnehmung der konkreten Arbeitsaufgabe solche beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten voraus, wie sie bei dem Studium bzw. der Ausbildung zu einem Beruf i.S. des § 1 Abs 1 der 2. DB z. ZAVO-techInt erworben werden, ist die sachliche Voraussetzung erfüllt. In der Urkunde vom 12. August 1978 wird als Ausbildungsprofil "Kommandeure von Pioniereinheiten" genannt. Es ist schwer vorstellbar, dass die Tätigkeit als Technischer Leiter eines Mastbetriebes Kenntnisse erforderte, die dieser Ausbildung entsprechen. Im Ergebnis kann der Senat diese Frage aber dahingestellt lassen, weil der Kläger jedenfalls die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllte. Es kann ebenfalls dahingestellt bleiben, ob die organisatorische Unterordnung des Mastbetriebes unter das Landwirtschaftsministerium gegen eine industrielle Fertigung spricht, wie die Beklagte annimmt.
Der Kläger war in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt, weil der Hauptzweck des Betriebes nicht in der industriellen Fertigung von Sachgütern bestand. Die Zuordnung eines VEB zur industriellen Produktion (bzw. zum hier nicht in Betracht kommenden Bauwesen) hängt entscheidend davon ab, welche Aufgabe ihm das Gepräge gegeben hat. Der verfolgte Hauptzweck (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – Az.: B 4 RA 18/03 R, nach juris) des VEB muss nach dem Urteil des BSG vom 9. April 2002 (Az.: B 4 RA 41/01 R, nach juris) auf die industrielle, massenhafte und standardisierte Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern oder Bauleistungen ausgerichtet gewesen sein. Dort hat das BSG u.a. ausgeführt: "Diese Begrenzung auf industrielle Produktionsbetriebe erklärt sich zum Zeitpunkt des Erlasses der VO-AVItech und der 2. DB in den Jahren 1950/51 aus der besonderen Bedeutung, die dieser Sektor der Volkswirtschaft für den Aufbau einer zentralen Planwirtschaft nach Ende des 2. Weltkrieges in der sowjetischen Besatzungszone bzw der späteren DDR hatte. Eine solche Planwirtschaft setzte voraus, dass sich zumindest die Grundindustrien in staatlicher Hand befanden. Denn die sozialistische Wirtschaft wurde vor allem als Industriewirtschaft verstanden. Die Erhöhung des Anteils der Industrieproduktion am Nationaleinkommen war eines der erklärten Ziele. Angestrebt wurde die Herstellung der Erzeugnisse auf der Basis industrieller Massenproduktion entsprechend dem fordistischen Produktionsmodell. Der Massenausstoß standardisierter Produkte schien in besonderem Maße den Bedingungen der sozialistischen Planwirtschaft zu entsprechen und hohe Produktivitätsgewinne zu garantieren. Diesem Ziel diente von Anfang an nach der Kapitulation die Enteignungsgesetzgebung, insbesondere in der Industrie. Sie schaffte den benötigten staatlichen Sektor, der die Durchführung planmäßiger Leitungsmaßnahmen ermöglichen sollte (vgl hierzu: Ziesche, Die Rechtsstellung des VEB in der DDR seit 1945, aaO, S 4 ff; Roesler, Wirtschafts- und Industriepolitik, in: Herbst/Stephan/Winkler (Hrsg), Die SED - Geschichte, Organisation, Politik -, Dietz Verlag, Berlin 1997, S 277, 279 ff). Die überragende Bedeutung, die dem volkseigenen Sektor der Industrie beigemessen wurde, erklärt somit, warum gerade in diesem Bereich den qualifizierten Fachkräften ein besonderer Beschäftigungsanreiz ua durch Errichtung eines Zusatzversorgungssystems geboten wurde (zum Anreiz durch Lohnerhöhung vgl Senatsurteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 18/01 R, zur Veröffentlichung vorgesehen)."
Der Begriff Produktion in der Versorgungsordnung bestimmt sich also vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der Versorgungsordnung, durch versorgungsrechtliche Privilegierung bestimmter Personengruppen in bestimmten Bereichen der DDR-Volkswirtschaft abgegrenzte Teile der Wirtschaft, nämlich die industrielle Produktion, zu fördern (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 21. Juni 2007 - Az.: L 30 R 28/06 und 29. August 2006 - Az.: L 21 RA 231/03, beide nach juris). Von der Versorgungsordnung wurden nur ausgewählte Betriebe im Bereich des Wirtschaftslebens der ehemaligen DDR erfasst. Der von dem Kläger zugrunde gelegte weite Produktionsbegriff ist nicht relevant. Zur Produktion gehört nur die engere industrielle Produktion zur Herstellung standardisierter Massenprodukte. Dies ergibt sich aus § 22 Abs. 1 S. 1 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Produktionsbetriebe vom 9. Februar 1967 (GBl. II Nr. 21 S. 121), wonach ein Produktionsbetrieb im Rahmen der Festlegungen des übergeordneten Organs und mit dessen Unterstützung seine Produktionsstruktur so zu gestalten hatte, dass eine rationelle Produktion besonders der Haupterzeugnisse mit hoher Qualität, in großen Serien und nach modernen Fertigungsprinzipien erfolgte.
An einer solchen Produktion fehlt es hier. Bei einer Tierzucht liegt weder eine "Herstellung" noch eine "Serienfertigung" vor. Nach dem Vortrag des Klägers bestand die Hauptaufgabe des Betriebes in der Aufzucht von ca. 20.000 Rindern zu schlachtreifen Mastbullen. Die Tiere wurden gefüttert und getränkt, mit Medikamenten versorgt; die Exkremente wurden entsorgt. Die zu mästenden Tiere wurden nicht "hergestellt", also zusammengesetzt oder geformt, sondern aufgezogen. Erst recht erfolgte keine Herstellung nach dem "fordistischen Produktionsmodell", dem eine stark standardisierte Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen zugrunde liegt (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 - Az. B 4 RS 3/06 R, nach juris). Dieses Modell ist nach dem Unternehmer Henry Ford (1863 - 1947) benannt, der Anfang des 20. Jahrhunderts die Fließbandfertigung in seinen Automobilwerken einführte. Dabei hatte jeder Arbeiter nur eine kleine immer gleiche Aufgabe auszuführen, z.B. musste er eine einzige Schraube in wenigen Sekunden montieren. Typisch für diese Produktionsmethode sind am Fließband das Ineinandergreifen aller Teile eines "Baukastensystems" und die strikte Trennung von Kopf- und Handarbeit (vgl. Ahlfeldt / Becker, Henry Ford und die Massenproduktion, Revolution in der Automobilindustrie, www.uni-kl.de/FB-SoWi/FG-Soziologie/download/seminararbeiten).
Wie die Beklagte zur Recht vorträgt, erfordert das "fordistische Produktionsmodell" damit zum einen ein Zusammensetzen von Baugruppen und Einzelteilen zu einem neuen Sachgut, zum anderen eine Fließbandfertigung, ungeachtet der genauen Ausgestaltung. An beidem fehlt es hier. Die Aufzucht von Tieren selbst mit "größtmöglichem Technikeinsatz" (so die Vorinstanz), beinhaltet weder ein Zusammensetzen von Teilen noch eine irgendwie geartete Fließbandproduktion. Unerheblich ist der Vortrag des Klägers, dass im Betrieb nur sechs Meister der Tierzucht neben 20 Ingenieuren eingesetzt waren.
Im Übrigen fehlt es an der Serienfertigung von schlachtreifen Tieren. Seine entsprechende Behauptung hat die Vorinstanz nicht begründet. Serienfertigung ist eine Art der industriellen Fertigung, bei der eine bestimmte Anzahl gleichartiger Erzeugnisse (Serie) gleichzeitig oder nacheinander hergestellt wird (vgl. lexikon.meyers.de/wissen/Serienfertigung). Eine bestimmte Anzahl gleichartiger schlachtreifer Tiere kann nicht hergestellt werden.
Der VEB KIM Rindermast G. war auch kein den Produktionsbetrieben gleichgestellter Betrieb nach § 1 Abs. 2 der 2. DB z. ZAVO-techInt, weil dort Tiermastbetriebe nicht ausdrücklich genannt werden. Die Liste der aufgezählten gleichgestellten Einrichtungen ist abschließend (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – Az.: B 4 RA 23/04 R, nach juris).
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) liegt gegenüber denjenigen, die in das Zusatzversorgungssystem einbezogen wurden, nicht vor. Denn der Einigungsvertragsgesetzgeber war nicht gehalten, bereits in den Versorgungsordnungen angelegte Ungleichbehandlungen nachträglich zu korrigieren (vgl. BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 – Az.: B 4 RA 21/02 R, nach juris). Er durfte an die am 2. Oktober 1990 vorliegenden Versorgungsordnungen im Rahmen der Rentenüberleitung anknüpfen (vgl. BVerfG in BVerfGE 100, S. 138, 193 f.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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