Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 14 AS 2446/07 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 1438/07 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 6. Dezember 2007 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Eilverfahrens über die Bewilligung von Kosten für die Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1961 geborene Beschwerdegegnerin ist Eigentümer eines Bungalows mit einer Wohnfläche von 120,00 Quadratmetern. Das Grundstück gehört zur Bungalowgemeinschaft B. e.V. und ist baurechtlich als Erholungsgebiet bzw. Wochenendhausgebiet eingestuft. Nach ihren Angaben benutzte sie den Bungalow seit dem Jahre 2003 zum dauerhaften Wohnen. Die polizeilich gemeldete Adresse S.strasse in B. sei lediglich eine Postanschrift, weil in der Bungalowsiedlung keine Post zugestellt werde.
Am 20. August 2007 beantragte sie - kurz vor dem Ende des Anspruchs auf Arbeitslosengeld - Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). In der Folge veranlasste die Beschwerdeführerin unter anderem eine Außenrevision in dem Bungalow. Mit Bescheid vom 12. November 2007 bewilligte sie für den September 2007 - unter Berücksichtigung von Einkommen aus dem Bezug von Arbeitslosengeld - Leistungen in Höhe von 199,57 Euro und für die Monate Oktober 2007 bis Februar 2008 Leistungen in Höhe des vollen Regelsatzes von 347,00 Euro. Dagegen lehnte sie die Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung ab. Bei der Unterkunft handele es sich um ein Wochenendhaus in einer Bungalowsiedlung.
Die Beschwerdegegnerin hat am 26. November 2007 Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt und am gleichen Tag beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Mit Beschluss vom 6. Dezember 2007 hat das Sozialgericht die Beschwerdeführerin verpflichtet, der Beschwerdegegnerin ab November 2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Die Beschwerdegegnerin habe den Anordnungsgrund mit ihrer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht. Gleiches gelte für den Anordnungsanspruch. Inwieweit das dauerhafte Wohnen in der Bungalowsiedlung im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften zu bringen sei, berühre den Anspruch auf Übernahme der Unterkunftskosten nach dem SGB II nicht.
Gegen den am 13. Dezember 2007 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2007 - beim Sozialgericht am 20. Dezember 2007 eingegangen - Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 20. November 2007 (richtig: 20. Dezember 2007) hat das Sozialgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Thüringer Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sei ein Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es sei zweifelhaft, ob die Beschwerdegegnerin in ihrem Wochenendhaus einen dauerhaften Wohnsitz begründet habe und sich dort ihr tatsächlicher Lebensmittelpunkt befinde. Aus dem Akteninhalt folge, dass sie sehr oft ortsabwesend sei. Die Übernahme von Schuldzinsen für Grundeigentum, das nicht dauerhaft zu Wohnzwecken diene bzw. dienen könne, sei nicht möglich. Ein Wochenendhaus unterfalle nicht dem Vermögensschutz des § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II. Ein Erhalt desselben durch die Übernahme der angemessenen Schuldzinsen stehe somit nicht in der Zielrichtung des SGB II. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, welche schweren und unzumutbaren Nachteile bei Abwarten der Hauptsache entstehen sollten. Wohne die Beschwerdegegnerin tatsächlich dauerhaft in dem Bungalow, werde ihr diese Art der Nutzung baurechtlich untersagt. Wohne sie dort nicht dauerhaft, werde sie angehalten ihr Vermögen in der Form des Bungalows zu verwerten.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 6. Dezember 2007 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Mit Verfügung vom 1. Februar 2008 hat das Landratsamt Kyffhäuserkreis - Bauverwaltung- der Beschwerdegegnerin die Nutzung ihres Bungalows zu Dauerwohnzwecken unter Androhen eines Zwangsgeldes untersagt. Mit Schreiben vom 26. Februar 2008 hat der Prozessbevollmächtigter der Beschwerdegegnerin in dem Verfahren gegen das Landratsamt Kyffhäuserkreis -Bauverwaltung den Widerspruch gegen die Nutzungsuntersagung vom 1. Februar 2008 zurückgenommen und mitgeteilt, die Beschwerdegegnerin wohne ab 5. Februar 2008 unter der Anschrift H.strasse in U.
Der Senat hat Nachweise über die Betriebskosten für den Bungalow angefordert und eine Auskunft des Landratsamtes Kyffhäuserkreis - Bauverwaltung- vom 17. März 2008 eingeholt. Danach verstößt das dauerhafte Wohnen in dem Bungalow ohne entsprechende Baugenehmigung gegen baurechtliche Bestimmungen und stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Eine Baugenehmigung hinsichtlich eines dauerhaften Wohnens könne im vorliegenden Fall nicht erteilt werde.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und derjenigen der Beschwerdeführerin verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht stattgegeben. Die Beschwerdegegnerin hat im Rahmen des Eilverfahrens keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung für das Wochenendhaus bei der Bungalowgemeinschaft B. e. V.
Nach § 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall von § 86 b Abs. 1 SGG - wie hier - nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn anders die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Nach § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Das Gericht entscheidet durch Beschluss (§ 86 b Abs. 4 SGG).
Der Antrag ist dann begründet, wenn das Gericht auf Grund hinreichender Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und bzw. oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch bejahen kann. Ein solcher Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Darüber hinaus muss in Abwägung der für die Verwirklichung des Rechts bestehenden Gefahr einerseits und der Notwendigkeit einer Regelung andererseits ein Anordnungsgrund zu bejahen sein.
Der Senat hat schon erhebliche Zweifel, ob ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist. Nach § 22 Abs. 1 SGB werden die Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit diese angemessen sind. Die Kosten werden grundsätzlich nur für eine einzige Unterkunft anerkannt, selbst wenn der Hilfebedürftige über mehrere Unterkünfte verfügen kann. Abzustellen ist dann auf die vorrangig tatsächlich genutzte Unterkunft (vgl. Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juni 2006 -Az.: L 10 B 488/06 AS ER und Hessisches LSG, Beschluss vom 8. Oktober 2007 -Az.: L 7 AS 249/07 ER, nach juris). Unter Beachtung des Vortrages der Beschwerdegegnerin hat der Senat Bedenken, dass der Bungalow seit 2003 tatsächlich die vorrangig genutzte Unterkunft ist bzw. bis zum 5. Februar 2008 war (dazu s.u.).
Gegen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs spricht folgender Umstand: Ausweislich der bestandskräftigen Verfügung des Landratsamtes Kyffhäuser - Bauverwaltungsamt - vom 1. Februar 2008 verstößt ein dauerhaftes Wohnen in dem Bungalow gegen baurechtliche Bestimmungen. Nach der Auskunft der gleichen Behörde stellt eine Nutzung zu Dauerwohnzwecken zudem eine Ordnungswidrigkeit dar. Eine Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Förderung eines solchen mit Bestimmungen des öffentlichen Rechts nicht in Einklang zu bringenden und außerdem die Voraussetzung einer Ordnungswidrigkeit erfüllenden Wohnens dürfte nicht bestehen. Die Leistungsgewährung dürfte in diesem Fall schon allein im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung verfehlt sein, weil anderenfalls ein die öffentliche Ordnung und Sicherheit zuwiderlaufender Zustand gerade durch die Gewährung öffentlicher Mittel aufrechterhalten würde (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Oktober 2007 - Az.: L 19 B 1700/07 AS ER, nach juris). Dagegen wird in Teilen der Literatur im Bereich des SGB II ein weiter Wohnraumbegriff vertreten (vgl. Berlit in Münder, Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, 2. Auflage 2006, § 22 Rdnr. 13 m.w.N.). Danach soll eine bauordnungsrechtliche Illegalität grundsätzlich unbeachtlich sein. Ob letztgenannter Ansicht tatsächlich gefolgt werden kann, muss der Senat im vorliegenden Fall nicht entscheiden. Jedenfalls fehlt es an dem für den Erlass der begehrten Anordnung (auch) notwendigen Anordnungsgrund.
Maßgebend für die Prüfung, ist in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Zeitpunkt in dem das Gericht entscheidet; bei einer Beschwerde mithin der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Dies erklärt sich daraus, dass in dem Erfordernis des Anordnungsgrundes ein besonderes Dringlichkeitselement enthalten ist, das grundsätzlich nur Wirkung für die Zukunft entfalten soll. Dagegen scheidet eine rückwirkende Feststellung - betreffend einen abgelaufenen Zeitraum - grundsätzlich aus. Ein Anordnungsgrund lässt sich dann in der Regel nicht mehr bejahen. Dies folgt aus der prozessualen Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes. Sie soll - entsprechend der Intention des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) - in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz ermöglichen und ihn in den Fällen gewähren, in denen eine Entscheidung im grundsätzlich vorrangigen Hauptsacheverfahren zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare Nachteile entstehen würden, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr auszugleichen wären. Hieraus folgt zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und damit verbunden die Bejahung des Anordnungsgrundes in der Regel ausscheidet, wenn sie nur vor dem Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung vorgelegen hat; dann ist die besondere Dringlichkeit durch Zeitablauf überholt. Dem Rechtsschutzsuchenden ist es in diesem Fall grundsätzlich zumutbar, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten.
Anderes kann im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG ausnahmsweise dann gelten, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht mehr erlangt werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen werden, die irreparabel sind oder sich durch die Hauptsache nicht mehr rückgängig machen lassen (vgl. den Beschluss des erkennenden Senats vom 17. Januar 2008 -Az.: L 9 AS 1049/07 ER, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Juli 2007 - Az.: L 28 B 1040/07 AS ER und VG München, Beschluss vom 22. Januar 2007 - Az.: M 15 E 06.4471, beide nach juris).
Gemessen daran könnte mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nur eine vorläufige Zahlung bis 5. Februar 2008 und damit vor dem Zeitpunkt der Senatsentscheidung erreicht werden. Der hier streitige Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung für den Bungalow hat sich für die Zeit ab 5. Februar 2008 - zeitnah zu der Verfügung des Landratsamtes Kyffhäuserkreis - Bauverwaltungsamt - durch die Aufgabe der Nutzung des Bungalows zu Dauerwohnzwecken und das Beziehen der Unterkunft in der H.strasse in U. erledigt. Die Beschwerdegegnerin hat auch nicht vorgetragen, dass sie durch ein Zuwarten bis zu einer Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren schwere und unzumutbare Nachteile erleidet. Anhaltspunkte nach Aktenlage sind für den Senat nicht ersichtlich. Es verhält sich vielmehr so, dass die Beschwerdeführerin im Falle des Obsiegens der Beschwerdegegnerin in einem etwaigen Hauptsacheverfahren die Zahlung der Kosten für die Unterkunft und Heizung für die Zeit bis zum 5. Februar 2008 problemlos vornehmen kann. Im Hinblick auf den Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 12. Oktober 2007 (a.a.O.) ist ein Obsiegen für den Senat allerdings unwahrscheinlich. Im Übrigen fehlte es auch schon im Zeitpunkt der Antragstellung an der erforderlichen Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes. Die von der Beschwerdegegnerin vorgelegte eidesstattliche Versicherung war zur Glaubhaftmachung unzureichend. Der Vortrag, die Geldmittel seien "ausgereizt" und es bestehe zu befürchten, dass der Kreditvertrag gekündigt und sie dann obdachlos werde, war unkonkret und durch keinerlei Urkunden oder sonstige Dokumente belegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Eilverfahrens über die Bewilligung von Kosten für die Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1961 geborene Beschwerdegegnerin ist Eigentümer eines Bungalows mit einer Wohnfläche von 120,00 Quadratmetern. Das Grundstück gehört zur Bungalowgemeinschaft B. e.V. und ist baurechtlich als Erholungsgebiet bzw. Wochenendhausgebiet eingestuft. Nach ihren Angaben benutzte sie den Bungalow seit dem Jahre 2003 zum dauerhaften Wohnen. Die polizeilich gemeldete Adresse S.strasse in B. sei lediglich eine Postanschrift, weil in der Bungalowsiedlung keine Post zugestellt werde.
Am 20. August 2007 beantragte sie - kurz vor dem Ende des Anspruchs auf Arbeitslosengeld - Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). In der Folge veranlasste die Beschwerdeführerin unter anderem eine Außenrevision in dem Bungalow. Mit Bescheid vom 12. November 2007 bewilligte sie für den September 2007 - unter Berücksichtigung von Einkommen aus dem Bezug von Arbeitslosengeld - Leistungen in Höhe von 199,57 Euro und für die Monate Oktober 2007 bis Februar 2008 Leistungen in Höhe des vollen Regelsatzes von 347,00 Euro. Dagegen lehnte sie die Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung ab. Bei der Unterkunft handele es sich um ein Wochenendhaus in einer Bungalowsiedlung.
Die Beschwerdegegnerin hat am 26. November 2007 Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt und am gleichen Tag beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Mit Beschluss vom 6. Dezember 2007 hat das Sozialgericht die Beschwerdeführerin verpflichtet, der Beschwerdegegnerin ab November 2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Die Beschwerdegegnerin habe den Anordnungsgrund mit ihrer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht. Gleiches gelte für den Anordnungsanspruch. Inwieweit das dauerhafte Wohnen in der Bungalowsiedlung im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften zu bringen sei, berühre den Anspruch auf Übernahme der Unterkunftskosten nach dem SGB II nicht.
Gegen den am 13. Dezember 2007 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2007 - beim Sozialgericht am 20. Dezember 2007 eingegangen - Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 20. November 2007 (richtig: 20. Dezember 2007) hat das Sozialgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Thüringer Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sei ein Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es sei zweifelhaft, ob die Beschwerdegegnerin in ihrem Wochenendhaus einen dauerhaften Wohnsitz begründet habe und sich dort ihr tatsächlicher Lebensmittelpunkt befinde. Aus dem Akteninhalt folge, dass sie sehr oft ortsabwesend sei. Die Übernahme von Schuldzinsen für Grundeigentum, das nicht dauerhaft zu Wohnzwecken diene bzw. dienen könne, sei nicht möglich. Ein Wochenendhaus unterfalle nicht dem Vermögensschutz des § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II. Ein Erhalt desselben durch die Übernahme der angemessenen Schuldzinsen stehe somit nicht in der Zielrichtung des SGB II. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, welche schweren und unzumutbaren Nachteile bei Abwarten der Hauptsache entstehen sollten. Wohne die Beschwerdegegnerin tatsächlich dauerhaft in dem Bungalow, werde ihr diese Art der Nutzung baurechtlich untersagt. Wohne sie dort nicht dauerhaft, werde sie angehalten ihr Vermögen in der Form des Bungalows zu verwerten.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 6. Dezember 2007 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Mit Verfügung vom 1. Februar 2008 hat das Landratsamt Kyffhäuserkreis - Bauverwaltung- der Beschwerdegegnerin die Nutzung ihres Bungalows zu Dauerwohnzwecken unter Androhen eines Zwangsgeldes untersagt. Mit Schreiben vom 26. Februar 2008 hat der Prozessbevollmächtigter der Beschwerdegegnerin in dem Verfahren gegen das Landratsamt Kyffhäuserkreis -Bauverwaltung den Widerspruch gegen die Nutzungsuntersagung vom 1. Februar 2008 zurückgenommen und mitgeteilt, die Beschwerdegegnerin wohne ab 5. Februar 2008 unter der Anschrift H.strasse in U.
Der Senat hat Nachweise über die Betriebskosten für den Bungalow angefordert und eine Auskunft des Landratsamtes Kyffhäuserkreis - Bauverwaltung- vom 17. März 2008 eingeholt. Danach verstößt das dauerhafte Wohnen in dem Bungalow ohne entsprechende Baugenehmigung gegen baurechtliche Bestimmungen und stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Eine Baugenehmigung hinsichtlich eines dauerhaften Wohnens könne im vorliegenden Fall nicht erteilt werde.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und derjenigen der Beschwerdeführerin verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht stattgegeben. Die Beschwerdegegnerin hat im Rahmen des Eilverfahrens keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung für das Wochenendhaus bei der Bungalowgemeinschaft B. e. V.
Nach § 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall von § 86 b Abs. 1 SGG - wie hier - nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn anders die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Nach § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Das Gericht entscheidet durch Beschluss (§ 86 b Abs. 4 SGG).
Der Antrag ist dann begründet, wenn das Gericht auf Grund hinreichender Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und bzw. oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch bejahen kann. Ein solcher Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Darüber hinaus muss in Abwägung der für die Verwirklichung des Rechts bestehenden Gefahr einerseits und der Notwendigkeit einer Regelung andererseits ein Anordnungsgrund zu bejahen sein.
Der Senat hat schon erhebliche Zweifel, ob ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist. Nach § 22 Abs. 1 SGB werden die Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit diese angemessen sind. Die Kosten werden grundsätzlich nur für eine einzige Unterkunft anerkannt, selbst wenn der Hilfebedürftige über mehrere Unterkünfte verfügen kann. Abzustellen ist dann auf die vorrangig tatsächlich genutzte Unterkunft (vgl. Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juni 2006 -Az.: L 10 B 488/06 AS ER und Hessisches LSG, Beschluss vom 8. Oktober 2007 -Az.: L 7 AS 249/07 ER, nach juris). Unter Beachtung des Vortrages der Beschwerdegegnerin hat der Senat Bedenken, dass der Bungalow seit 2003 tatsächlich die vorrangig genutzte Unterkunft ist bzw. bis zum 5. Februar 2008 war (dazu s.u.).
Gegen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs spricht folgender Umstand: Ausweislich der bestandskräftigen Verfügung des Landratsamtes Kyffhäuser - Bauverwaltungsamt - vom 1. Februar 2008 verstößt ein dauerhaftes Wohnen in dem Bungalow gegen baurechtliche Bestimmungen. Nach der Auskunft der gleichen Behörde stellt eine Nutzung zu Dauerwohnzwecken zudem eine Ordnungswidrigkeit dar. Eine Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Förderung eines solchen mit Bestimmungen des öffentlichen Rechts nicht in Einklang zu bringenden und außerdem die Voraussetzung einer Ordnungswidrigkeit erfüllenden Wohnens dürfte nicht bestehen. Die Leistungsgewährung dürfte in diesem Fall schon allein im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung verfehlt sein, weil anderenfalls ein die öffentliche Ordnung und Sicherheit zuwiderlaufender Zustand gerade durch die Gewährung öffentlicher Mittel aufrechterhalten würde (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Oktober 2007 - Az.: L 19 B 1700/07 AS ER, nach juris). Dagegen wird in Teilen der Literatur im Bereich des SGB II ein weiter Wohnraumbegriff vertreten (vgl. Berlit in Münder, Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, 2. Auflage 2006, § 22 Rdnr. 13 m.w.N.). Danach soll eine bauordnungsrechtliche Illegalität grundsätzlich unbeachtlich sein. Ob letztgenannter Ansicht tatsächlich gefolgt werden kann, muss der Senat im vorliegenden Fall nicht entscheiden. Jedenfalls fehlt es an dem für den Erlass der begehrten Anordnung (auch) notwendigen Anordnungsgrund.
Maßgebend für die Prüfung, ist in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Zeitpunkt in dem das Gericht entscheidet; bei einer Beschwerde mithin der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Dies erklärt sich daraus, dass in dem Erfordernis des Anordnungsgrundes ein besonderes Dringlichkeitselement enthalten ist, das grundsätzlich nur Wirkung für die Zukunft entfalten soll. Dagegen scheidet eine rückwirkende Feststellung - betreffend einen abgelaufenen Zeitraum - grundsätzlich aus. Ein Anordnungsgrund lässt sich dann in der Regel nicht mehr bejahen. Dies folgt aus der prozessualen Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes. Sie soll - entsprechend der Intention des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) - in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz ermöglichen und ihn in den Fällen gewähren, in denen eine Entscheidung im grundsätzlich vorrangigen Hauptsacheverfahren zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare Nachteile entstehen würden, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr auszugleichen wären. Hieraus folgt zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und damit verbunden die Bejahung des Anordnungsgrundes in der Regel ausscheidet, wenn sie nur vor dem Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung vorgelegen hat; dann ist die besondere Dringlichkeit durch Zeitablauf überholt. Dem Rechtsschutzsuchenden ist es in diesem Fall grundsätzlich zumutbar, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten.
Anderes kann im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG ausnahmsweise dann gelten, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht mehr erlangt werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen werden, die irreparabel sind oder sich durch die Hauptsache nicht mehr rückgängig machen lassen (vgl. den Beschluss des erkennenden Senats vom 17. Januar 2008 -Az.: L 9 AS 1049/07 ER, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Juli 2007 - Az.: L 28 B 1040/07 AS ER und VG München, Beschluss vom 22. Januar 2007 - Az.: M 15 E 06.4471, beide nach juris).
Gemessen daran könnte mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nur eine vorläufige Zahlung bis 5. Februar 2008 und damit vor dem Zeitpunkt der Senatsentscheidung erreicht werden. Der hier streitige Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung für den Bungalow hat sich für die Zeit ab 5. Februar 2008 - zeitnah zu der Verfügung des Landratsamtes Kyffhäuserkreis - Bauverwaltungsamt - durch die Aufgabe der Nutzung des Bungalows zu Dauerwohnzwecken und das Beziehen der Unterkunft in der H.strasse in U. erledigt. Die Beschwerdegegnerin hat auch nicht vorgetragen, dass sie durch ein Zuwarten bis zu einer Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren schwere und unzumutbare Nachteile erleidet. Anhaltspunkte nach Aktenlage sind für den Senat nicht ersichtlich. Es verhält sich vielmehr so, dass die Beschwerdeführerin im Falle des Obsiegens der Beschwerdegegnerin in einem etwaigen Hauptsacheverfahren die Zahlung der Kosten für die Unterkunft und Heizung für die Zeit bis zum 5. Februar 2008 problemlos vornehmen kann. Im Hinblick auf den Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 12. Oktober 2007 (a.a.O.) ist ein Obsiegen für den Senat allerdings unwahrscheinlich. Im Übrigen fehlte es auch schon im Zeitpunkt der Antragstellung an der erforderlichen Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes. Die von der Beschwerdegegnerin vorgelegte eidesstattliche Versicherung war zur Glaubhaftmachung unzureichend. Der Vortrag, die Geldmittel seien "ausgereizt" und es bestehe zu befürchten, dass der Kreditvertrag gekündigt und sie dann obdachlos werde, war unkonkret und durch keinerlei Urkunden oder sonstige Dokumente belegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
FST
Saved