Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 27 R 3877/06 -
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 R 1007/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 294/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 30. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die rentensteigernde Berücksichtigung von persönlichen Entgeltpunkten anstelle von persönlichen Entgeltpunkten (Ost) und des aktuellen Rentenwertes anstelle des aktuellen Rentenwertes (Ost).
Die 1942 geborene Klägerin verbrachte ihr Erwerbsleben im Beitrittsgebiet. Sie bezog seit dem 1. Dezember 1986 eine Invalidenrente, die mit Bescheid vom 2. Dezember 1991 auf der Grundlage der maschinell verfügbaren Daten -vorläufig- umgewertet wurde und ab dem 1. Januar 1992 als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit geleistet wurde. Mit Bescheid vom 6. November 1998 nahm die Beklagte den Umwertungsbescheid zurück und wertete die Rente neu um. Die Klägerin erhielt eine Nachzahlung für die Zeit ab dem 1. Januar 1994. Bei der Berechnung der Rente legte die Beklagte Entgeltpunkte (Ost) und den aktuellen Rentenwert (Ost) zugrunde. Für die Zeit ab dem 1. Juli 1998 berücksichtigte die Beklagte die durch das Rentenreformgesetz 1999 geänderte Bewertung von Kindererziehungszeiten.
Am 8. März 2004 beantragte die Klägerin die Anpassung ihrer Rente zum 1. Juli 2004 und die Berücksichtigung von Entgeltpunkten statt Entgeltpunkten (Ost) bei der Berechnung ihrer Rente. Den Antrag auf Rentenanpassung lehnte die Beklagte ab. Ihr Widerspruch blieb erfolglos. Die dagegen erhobene Klage beim Sozialgericht Gotha wurde zum Ruhen gebracht.
In dem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht Gotha am 3. August 2006 bekräftigte die Klägerin aber ihr Anliegen, dass bei ihrer Rentenberechnung nicht der Rentenwert (Ost) zu berücksichtigen sei. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 5. Oktober 2006 diesen Antrag ab. Nach § 254 d des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) seien für die Klägerin, die ausschließlich Zeiten im Beitrittsgebiet zurückgelegt habe, Entgeltpunkte (Ost) und ein aktueller Rentenwert (Ost) zugrunde zu legen. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Das Grundgesetz (GG) gelte für alle Deutschen gleichermaßen. Artikel 3 GG sage aus, dass alle Menschen in Deutschland vor dem Gesetz gleich seien und auch so behandelt werden müssten. 40 Jahre hätte sie als ehemalige DDR-Bürgerin Entbehrungen hinnehmen müssen. Nunmehr sei sie gleichberechtigt in einem Volk, einem Staat. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Aus den gesetzlichen Vorschriften folge, dass für die im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten besondere Entgeltpunkte einzustellen seien. Dies habe sie bei der Rentenberechnung der Klägerin berücksichtigt. Insoweit sei dieser Bescheid nicht zurückzunehmen.
Mit ihrer Klage dagegen hat die Klägerin sich erneut auf das Grundgesetz berufen. Die Höhe der Ost-Renten sei niedriger als die der West-Renten. Weil die Einkommensverhältnisse bei gleicher Tätigkeit in den alten Bundesländern bedeutend höher gewesen seien, würden auch heute noch verfassungswidrig die Renten der neuen Bundesländer mit einem niedrigeren Umrechnungsfaktor multipliziert.
Das Sozialgericht Gotha hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. Juli 2007 abgewiesen. Die Beklagte habe die Rente der Klägerin entsprechend den gesetzlichen Vorschriften berechnet. Ein Grundrechtsverstoß sei nicht zu erkennen. Eine Differenzierung rechtfertige sich insbesondere aus den weiterhin unterschiedlichen Einkommensverhältnissen, denen der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bei der Angleichung der Rentensysteme Rechnung getragen habe, ohne damit gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 GG zu verstoßen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des aktuellen Rentenwertes (Ost) gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Daran ändere auch die Entscheidung des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 14. März 2006 (Az.: B 4 RA 41/04 R) nichts. 17 Jahre nach der vermeintlichen Wiedervereinigung müsse es endlich Gleichheit für alle Bürger Deutschlands geben. Man habe für den Lebensunterhalt im Osten bei weitem nicht so viel Geld benötigt wie heute. Folglich seien Löhne und Renten an die Lebensbedürfnisse angeglichen gewesen. Wenn man nunmehr die Einkommensverhältnisse der Ostdeutschen der Berechnung der heute gezahlten Rente zu Grunde lege, sei das eiskalter, wohl berechneter Betrug. Der Einigungsvertrag (EV) habe eindeutig anderes vorgesehen. Die Überleitung sollte von der Zielsetzung bestimmt sein, mit der Angleichung der Löhne und Gehälter auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen. Spätestens ab dem 1. Januar 1996 müsse ihre Rente genauso hoch ausfallen, wie die eines Rentners auf dem Gebiet der alten Bundesländer.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 30. Juli 2007 und die ablehnende Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 5. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihre Rente unter Berücksichtigung von persönlichen Entgeltpunkten anstelle von persönlichen Entgeltpunkten (Ost) und des aktuellen Rentenwertes anstelle des aktuellen Rentenwertes (Ost) neu festzustellen und entsprechend höhere Geldbeträge zu zahlen,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, für Bezugszeiten ab dem 1. Januar 1996 einen höheren Wert des Rechts auf Erwerbsunfähigkeitsrente unter Zugrundelegung von persönlichen Entgeltpunkten anstelle von persönlichen Entgeltpunkten (Ost) und des aktuellen Rentenwertes anstelle des aktuellen Rentenwertes (Ost) neu festzustellen und entsprechend höhere Geldbeträge zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend. Die von der Klägerin genannten Vorschriften seien verfassungsgemäß.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und Beklagtenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen; es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Rücknahmeanspruch aus § 44 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Bescheid vom 5. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2006 abgelehnt hat. Sie hat mit bindendem Bescheid vom 6. November 1998 über die Umwertung und die Anpassung der Rente ab dem 1. Januar 1992 sowohl für den Zeitraum vor dem 1. Januar 1996 wie auch für den hilfsweise ab diesem Zeitraum geltend gemachten Bezugszeitraum zutreffend die Sonderbewertungsvorschriften (Ost) angewandt.
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 und 2 SGB X, der Anspruchsgrundlage für einen Anspruch auf Rücknahme der früheren bindenden Regelung, sind nicht erfüllt, weil die Festsetzungen des Geldwertes des Stammrechts auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig waren. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Die Klägerin begehrt die Rücknahme der Entscheidung der Beklagten über die Rentenhöhe. Sie behauptet nicht, dass die Beklagte dabei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Sie stellt ausdrücklich nicht in Frage, dass die Beklagte die einfach gesetzlichen Vorschriften richtig angewandt hat. Sie hält vielmehr das Gesetz (SGB VI) für verfassungswidrig. Darin ist ihr aus den Gründen der Entscheidung des BSG vom 14. März 2006 (Az.: B 4 RA 41/04 R) nicht zu folgen.
Der Wert des Rechts auf Rente bei Rentenbeginn bestimmt sich nach der Rentenformel der §§ 63 Abs. 6, 64 SGB VI als Produkt der Summe der Entgeltpunkte, dem Zugangsfaktor, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert, jeweils mit ihrem Wert bei Rentenbeginn. Von den drei Berechnungsfaktoren ändert sich nur der aktuelle Rentenwert durch Zeitablauf. Diese Rentenformel gilt seit der Überleitung des SGB VI zum 1. Januar 1992 auch im Beitrittsgebiet. Hier sind nach den übergangsrechtlichen Sonderbewertungsvorschriften "Ost" besondere Entgeltpunkte (Ost) und ein besonderer aktueller Rentenwert (Ost) einzustellen. Demgemäß hat die Beklagte für die von der Klägerin im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten und beitragsgeminderten Zeiten insgesamt 25,3676 Entgeltpunkte (Ost) unter Berücksichtigung von 0,7693 durchschnittlichen Entgeltpunkten und dem Zuschlag für ein Kind ermittelt (vgl. Anlagen 1 und 16 des Bescheides vom 6. November 1998). Ab dem 1. Juli 1998 hat sie 25,4673 Entgeltpunkte berücksichtigt. Diesen Vorleistungswert hat sie mit dem Rentenartfaktor für die Erwerbsunfähigkeitsrente von 1,0 sowie dem jeweiligen auf der Grundlage des § 255 b Abs. 1 SGB VI festgelegten "aktuellen Rentenwert (Ost)" vervielfältigt. Dieser betrug vom 1. Juli 1998 bis zum 30. Juni 1999 40,87 DM (vgl. Anlage 1 des Bescheides).
Die von der Beklagte beachteten gesetzlichen Vorgaben sind - auch zu dem hier entscheidungserheblichen Zeitraum - nicht verfassungswidrig und verstoßen nicht gegen das Angleichungsgebot des EV (Artikel 30 Abs. 5 Satz 3 EV). Der Rangwert (gleich Summe der Entgeltpunkte) gibt die bis zum Eintritt des Versicherungsfalles konkret erbrachte Vorleistung und damit die individuell erworbene Teilhabe zur Berechtigung wieder.
Für Zeiten, in denen das Versicherungsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger auf Vorleistungen im Beitrittsgebiet beruht, modifiziert § 254 b Abs. 1 SGB VI die Rentenformel hinsichtlich der wirtschaftlichen Voraussetzungen der in sie einfließenden Werte. Bis zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse in Deutschland werden danach "persönliche Entgeltpunkte (Ost)" und ein "aktueller Rentenwert (Ost)" gebildet. Die Entgeltpunkte (Ost) legen den Vorleistungswert von Beschäftigungen oder Tätigkeiten in der DDR, die gleichgestellt wurden, sowie von seit dem 3. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet versicherten Beschäftigungen oder Tätigkeiten gemessen am dort versicherten Arbeitsentgelt fest. § 256 a SGB VI legt als Sonderregelung zu § 70 SGB VI fest, welche Arbeitsentgelte und -einkommen als versicherte Arbeitsentgelte oder -einkommen Vorleistungen im Sinne des Bundesrechts sind. Dabei wird zur Ermittlung der Entgeltpunkte der im Beitrittsgebiet erzielte Verdienst des Einzelnen nach Hochwertung auf West-Niveau durch Vervielfältigung mit den Werten der Anlage 10 zum SGB VI bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze je Kalenderjahr dem versicherten Durchschnittsentgelt aller in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten gegenübergestellt. Weil im Beitrittsgebiet aber ein wesentlich niedrigeres Lohnniveau bestand, sind die dort erzielten versicherten Verdienste zunächst mit den Werten der Anlage 10 zum SGB VI zu vervielfältigen, das heißt hoch zu werten, um ihre Vergleichbarkeit mit den höheren West-Durchschnittsentgelten herzustellen. Damit werden die im Beitrittsgebiet versicherten Arbeitsentgelte gerade auf das Niveau hoch gewertet, dass im übrigen Bundesgebiet bestand.
Durch den "aktuellen Rentenwert (Ost)" (§ 255 a SGB VI) wird der Geldwert des Rechts auf Rente bei Rentenbeginn bestimmt und seine Anpassung an die Lohn- und Gehaltsentwicklung der aktiven Beschäftigten angebunden. Dabei richtet sich der Rentenwert und dessen Anpassung nach den Einkommensverhältnissen im Beitrittsgebiet und deren Veränderung (§§ 254 b, 254 c, 255 a SGB VI). Anfänglich (1992) wurde er in Abhängigkeit vom aktuellen Rentenwert (§ 68 Abs. 1 SGB VI) für das "alte Bundesgebiet" festgesetzt.
Es liegt keine Verletzung des Rechts auf Gleichheit vor dem Gesetz aus Artikel 3 Abs. 1 GG vor. Es liegt zwar eine ungleiche Ausgestaltung der subjektiven Rechte der Versicherten und Rentner vor, wegen einer niedrigeren Beitragsbemessungsgrenze im Beitrittsgebiet und deswegen, dass durch das Rentnerlohnprinzip auf das im Beitrittsgebiet niedrigere Niveau der Entgelte der aktiven Versicherten abgestellt wird. Diese Ungleichbehandlung ist aber (noch) gerechtfertigt. Die Ungleichbehandlung beruht auf einem vernünftigen Grund von hinreichendem Gewicht. Die Sonderregelungen für Entgeltpunkte aus im Beitrittsgebiet erbrachten Vorleistungen und diejenigen für das Rentnerlohnprinzip im Beitrittsgebiet sind im Hinblick auf den Gleichheitssatz durch die unterschiedlichen Roherträge der Wirtschaft im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet gerechtfertigt. Die gesetzlichen Unterschiede sind auf die besondere Ausnahmesituation nach der Wiedervereinigung (vor dem Hintergrund des Staatsbankrotts der DDR) und der damit - auch im Bereich der Rentenversicherung zu bewältigenden Gesamtaufgaben des Staates zurückzuführen. Maßgeblich für die übergangsrechtliche Sonderbewertung ist bis zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet die Überlegung, dass der Geldwert von Renten im Beitrittsgebiet auch bei bundesgesetzlich durch Aufwertung und Hochrechnung auf "West-Niveau" gleichgestellter Vorleistungen dem im übrigen Bundesgebiet geltenden Geldwert erst dann entsprechen soll, wenn auch die Lohn- und Gehaltssituation im Beitrittsgebiet an dem übrigen Bundesgebiet anglichen ist. Dadurch wird zum einen eine Überlastung der Arbeitgeber und der aktiven Versicherten verhindert und zum anderen gesichert, dass die Rentner "Ost" auch bis zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse an der Entwicklung der Löhne und Gehälter der aktiven Versicherten im Beitrittsgebiet nach dem Alterslohnprinzip teilhaben (BSG a.a.O.).
Bislang gibt es noch keine einheitlichen Lebens- und Einkommensverhältnisse. Im Jahr 2007 betrug das Bruttodurchschnittsentgelt (VGR = volkswirtschaftliche Gesamtrechnung) in den Altbundesländern 27.994 EUR/Jahr; in den neuen Ländern betrug der durchschnittliche Bruttojahresverdienst 21.680 EUR (Differenz von 29 vom Hundert -v.H.-). Die Differenz zwischen den Durchschnittsentgelten der Rentenversicherung (Nach Anlage 1 zum SGB VI) sank bis 2007 auf rund 18 v.H. (vgl. www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik, Johannes Steffen "Angleichung der Ost-Renten").
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SSG nicht vorliegen. Insbesondere ist die Rechtslage nach der zitierten Entscheidung des BSG geklärt.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die rentensteigernde Berücksichtigung von persönlichen Entgeltpunkten anstelle von persönlichen Entgeltpunkten (Ost) und des aktuellen Rentenwertes anstelle des aktuellen Rentenwertes (Ost).
Die 1942 geborene Klägerin verbrachte ihr Erwerbsleben im Beitrittsgebiet. Sie bezog seit dem 1. Dezember 1986 eine Invalidenrente, die mit Bescheid vom 2. Dezember 1991 auf der Grundlage der maschinell verfügbaren Daten -vorläufig- umgewertet wurde und ab dem 1. Januar 1992 als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit geleistet wurde. Mit Bescheid vom 6. November 1998 nahm die Beklagte den Umwertungsbescheid zurück und wertete die Rente neu um. Die Klägerin erhielt eine Nachzahlung für die Zeit ab dem 1. Januar 1994. Bei der Berechnung der Rente legte die Beklagte Entgeltpunkte (Ost) und den aktuellen Rentenwert (Ost) zugrunde. Für die Zeit ab dem 1. Juli 1998 berücksichtigte die Beklagte die durch das Rentenreformgesetz 1999 geänderte Bewertung von Kindererziehungszeiten.
Am 8. März 2004 beantragte die Klägerin die Anpassung ihrer Rente zum 1. Juli 2004 und die Berücksichtigung von Entgeltpunkten statt Entgeltpunkten (Ost) bei der Berechnung ihrer Rente. Den Antrag auf Rentenanpassung lehnte die Beklagte ab. Ihr Widerspruch blieb erfolglos. Die dagegen erhobene Klage beim Sozialgericht Gotha wurde zum Ruhen gebracht.
In dem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht Gotha am 3. August 2006 bekräftigte die Klägerin aber ihr Anliegen, dass bei ihrer Rentenberechnung nicht der Rentenwert (Ost) zu berücksichtigen sei. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 5. Oktober 2006 diesen Antrag ab. Nach § 254 d des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) seien für die Klägerin, die ausschließlich Zeiten im Beitrittsgebiet zurückgelegt habe, Entgeltpunkte (Ost) und ein aktueller Rentenwert (Ost) zugrunde zu legen. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Das Grundgesetz (GG) gelte für alle Deutschen gleichermaßen. Artikel 3 GG sage aus, dass alle Menschen in Deutschland vor dem Gesetz gleich seien und auch so behandelt werden müssten. 40 Jahre hätte sie als ehemalige DDR-Bürgerin Entbehrungen hinnehmen müssen. Nunmehr sei sie gleichberechtigt in einem Volk, einem Staat. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Aus den gesetzlichen Vorschriften folge, dass für die im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten besondere Entgeltpunkte einzustellen seien. Dies habe sie bei der Rentenberechnung der Klägerin berücksichtigt. Insoweit sei dieser Bescheid nicht zurückzunehmen.
Mit ihrer Klage dagegen hat die Klägerin sich erneut auf das Grundgesetz berufen. Die Höhe der Ost-Renten sei niedriger als die der West-Renten. Weil die Einkommensverhältnisse bei gleicher Tätigkeit in den alten Bundesländern bedeutend höher gewesen seien, würden auch heute noch verfassungswidrig die Renten der neuen Bundesländer mit einem niedrigeren Umrechnungsfaktor multipliziert.
Das Sozialgericht Gotha hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. Juli 2007 abgewiesen. Die Beklagte habe die Rente der Klägerin entsprechend den gesetzlichen Vorschriften berechnet. Ein Grundrechtsverstoß sei nicht zu erkennen. Eine Differenzierung rechtfertige sich insbesondere aus den weiterhin unterschiedlichen Einkommensverhältnissen, denen der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bei der Angleichung der Rentensysteme Rechnung getragen habe, ohne damit gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 GG zu verstoßen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des aktuellen Rentenwertes (Ost) gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Daran ändere auch die Entscheidung des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 14. März 2006 (Az.: B 4 RA 41/04 R) nichts. 17 Jahre nach der vermeintlichen Wiedervereinigung müsse es endlich Gleichheit für alle Bürger Deutschlands geben. Man habe für den Lebensunterhalt im Osten bei weitem nicht so viel Geld benötigt wie heute. Folglich seien Löhne und Renten an die Lebensbedürfnisse angeglichen gewesen. Wenn man nunmehr die Einkommensverhältnisse der Ostdeutschen der Berechnung der heute gezahlten Rente zu Grunde lege, sei das eiskalter, wohl berechneter Betrug. Der Einigungsvertrag (EV) habe eindeutig anderes vorgesehen. Die Überleitung sollte von der Zielsetzung bestimmt sein, mit der Angleichung der Löhne und Gehälter auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen. Spätestens ab dem 1. Januar 1996 müsse ihre Rente genauso hoch ausfallen, wie die eines Rentners auf dem Gebiet der alten Bundesländer.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 30. Juli 2007 und die ablehnende Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 5. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihre Rente unter Berücksichtigung von persönlichen Entgeltpunkten anstelle von persönlichen Entgeltpunkten (Ost) und des aktuellen Rentenwertes anstelle des aktuellen Rentenwertes (Ost) neu festzustellen und entsprechend höhere Geldbeträge zu zahlen,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, für Bezugszeiten ab dem 1. Januar 1996 einen höheren Wert des Rechts auf Erwerbsunfähigkeitsrente unter Zugrundelegung von persönlichen Entgeltpunkten anstelle von persönlichen Entgeltpunkten (Ost) und des aktuellen Rentenwertes anstelle des aktuellen Rentenwertes (Ost) neu festzustellen und entsprechend höhere Geldbeträge zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend. Die von der Klägerin genannten Vorschriften seien verfassungsgemäß.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und Beklagtenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen; es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Rücknahmeanspruch aus § 44 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Bescheid vom 5. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2006 abgelehnt hat. Sie hat mit bindendem Bescheid vom 6. November 1998 über die Umwertung und die Anpassung der Rente ab dem 1. Januar 1992 sowohl für den Zeitraum vor dem 1. Januar 1996 wie auch für den hilfsweise ab diesem Zeitraum geltend gemachten Bezugszeitraum zutreffend die Sonderbewertungsvorschriften (Ost) angewandt.
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 und 2 SGB X, der Anspruchsgrundlage für einen Anspruch auf Rücknahme der früheren bindenden Regelung, sind nicht erfüllt, weil die Festsetzungen des Geldwertes des Stammrechts auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig waren. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Die Klägerin begehrt die Rücknahme der Entscheidung der Beklagten über die Rentenhöhe. Sie behauptet nicht, dass die Beklagte dabei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Sie stellt ausdrücklich nicht in Frage, dass die Beklagte die einfach gesetzlichen Vorschriften richtig angewandt hat. Sie hält vielmehr das Gesetz (SGB VI) für verfassungswidrig. Darin ist ihr aus den Gründen der Entscheidung des BSG vom 14. März 2006 (Az.: B 4 RA 41/04 R) nicht zu folgen.
Der Wert des Rechts auf Rente bei Rentenbeginn bestimmt sich nach der Rentenformel der §§ 63 Abs. 6, 64 SGB VI als Produkt der Summe der Entgeltpunkte, dem Zugangsfaktor, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert, jeweils mit ihrem Wert bei Rentenbeginn. Von den drei Berechnungsfaktoren ändert sich nur der aktuelle Rentenwert durch Zeitablauf. Diese Rentenformel gilt seit der Überleitung des SGB VI zum 1. Januar 1992 auch im Beitrittsgebiet. Hier sind nach den übergangsrechtlichen Sonderbewertungsvorschriften "Ost" besondere Entgeltpunkte (Ost) und ein besonderer aktueller Rentenwert (Ost) einzustellen. Demgemäß hat die Beklagte für die von der Klägerin im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten und beitragsgeminderten Zeiten insgesamt 25,3676 Entgeltpunkte (Ost) unter Berücksichtigung von 0,7693 durchschnittlichen Entgeltpunkten und dem Zuschlag für ein Kind ermittelt (vgl. Anlagen 1 und 16 des Bescheides vom 6. November 1998). Ab dem 1. Juli 1998 hat sie 25,4673 Entgeltpunkte berücksichtigt. Diesen Vorleistungswert hat sie mit dem Rentenartfaktor für die Erwerbsunfähigkeitsrente von 1,0 sowie dem jeweiligen auf der Grundlage des § 255 b Abs. 1 SGB VI festgelegten "aktuellen Rentenwert (Ost)" vervielfältigt. Dieser betrug vom 1. Juli 1998 bis zum 30. Juni 1999 40,87 DM (vgl. Anlage 1 des Bescheides).
Die von der Beklagte beachteten gesetzlichen Vorgaben sind - auch zu dem hier entscheidungserheblichen Zeitraum - nicht verfassungswidrig und verstoßen nicht gegen das Angleichungsgebot des EV (Artikel 30 Abs. 5 Satz 3 EV). Der Rangwert (gleich Summe der Entgeltpunkte) gibt die bis zum Eintritt des Versicherungsfalles konkret erbrachte Vorleistung und damit die individuell erworbene Teilhabe zur Berechtigung wieder.
Für Zeiten, in denen das Versicherungsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger auf Vorleistungen im Beitrittsgebiet beruht, modifiziert § 254 b Abs. 1 SGB VI die Rentenformel hinsichtlich der wirtschaftlichen Voraussetzungen der in sie einfließenden Werte. Bis zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse in Deutschland werden danach "persönliche Entgeltpunkte (Ost)" und ein "aktueller Rentenwert (Ost)" gebildet. Die Entgeltpunkte (Ost) legen den Vorleistungswert von Beschäftigungen oder Tätigkeiten in der DDR, die gleichgestellt wurden, sowie von seit dem 3. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet versicherten Beschäftigungen oder Tätigkeiten gemessen am dort versicherten Arbeitsentgelt fest. § 256 a SGB VI legt als Sonderregelung zu § 70 SGB VI fest, welche Arbeitsentgelte und -einkommen als versicherte Arbeitsentgelte oder -einkommen Vorleistungen im Sinne des Bundesrechts sind. Dabei wird zur Ermittlung der Entgeltpunkte der im Beitrittsgebiet erzielte Verdienst des Einzelnen nach Hochwertung auf West-Niveau durch Vervielfältigung mit den Werten der Anlage 10 zum SGB VI bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze je Kalenderjahr dem versicherten Durchschnittsentgelt aller in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten gegenübergestellt. Weil im Beitrittsgebiet aber ein wesentlich niedrigeres Lohnniveau bestand, sind die dort erzielten versicherten Verdienste zunächst mit den Werten der Anlage 10 zum SGB VI zu vervielfältigen, das heißt hoch zu werten, um ihre Vergleichbarkeit mit den höheren West-Durchschnittsentgelten herzustellen. Damit werden die im Beitrittsgebiet versicherten Arbeitsentgelte gerade auf das Niveau hoch gewertet, dass im übrigen Bundesgebiet bestand.
Durch den "aktuellen Rentenwert (Ost)" (§ 255 a SGB VI) wird der Geldwert des Rechts auf Rente bei Rentenbeginn bestimmt und seine Anpassung an die Lohn- und Gehaltsentwicklung der aktiven Beschäftigten angebunden. Dabei richtet sich der Rentenwert und dessen Anpassung nach den Einkommensverhältnissen im Beitrittsgebiet und deren Veränderung (§§ 254 b, 254 c, 255 a SGB VI). Anfänglich (1992) wurde er in Abhängigkeit vom aktuellen Rentenwert (§ 68 Abs. 1 SGB VI) für das "alte Bundesgebiet" festgesetzt.
Es liegt keine Verletzung des Rechts auf Gleichheit vor dem Gesetz aus Artikel 3 Abs. 1 GG vor. Es liegt zwar eine ungleiche Ausgestaltung der subjektiven Rechte der Versicherten und Rentner vor, wegen einer niedrigeren Beitragsbemessungsgrenze im Beitrittsgebiet und deswegen, dass durch das Rentnerlohnprinzip auf das im Beitrittsgebiet niedrigere Niveau der Entgelte der aktiven Versicherten abgestellt wird. Diese Ungleichbehandlung ist aber (noch) gerechtfertigt. Die Ungleichbehandlung beruht auf einem vernünftigen Grund von hinreichendem Gewicht. Die Sonderregelungen für Entgeltpunkte aus im Beitrittsgebiet erbrachten Vorleistungen und diejenigen für das Rentnerlohnprinzip im Beitrittsgebiet sind im Hinblick auf den Gleichheitssatz durch die unterschiedlichen Roherträge der Wirtschaft im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet gerechtfertigt. Die gesetzlichen Unterschiede sind auf die besondere Ausnahmesituation nach der Wiedervereinigung (vor dem Hintergrund des Staatsbankrotts der DDR) und der damit - auch im Bereich der Rentenversicherung zu bewältigenden Gesamtaufgaben des Staates zurückzuführen. Maßgeblich für die übergangsrechtliche Sonderbewertung ist bis zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet die Überlegung, dass der Geldwert von Renten im Beitrittsgebiet auch bei bundesgesetzlich durch Aufwertung und Hochrechnung auf "West-Niveau" gleichgestellter Vorleistungen dem im übrigen Bundesgebiet geltenden Geldwert erst dann entsprechen soll, wenn auch die Lohn- und Gehaltssituation im Beitrittsgebiet an dem übrigen Bundesgebiet anglichen ist. Dadurch wird zum einen eine Überlastung der Arbeitgeber und der aktiven Versicherten verhindert und zum anderen gesichert, dass die Rentner "Ost" auch bis zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse an der Entwicklung der Löhne und Gehälter der aktiven Versicherten im Beitrittsgebiet nach dem Alterslohnprinzip teilhaben (BSG a.a.O.).
Bislang gibt es noch keine einheitlichen Lebens- und Einkommensverhältnisse. Im Jahr 2007 betrug das Bruttodurchschnittsentgelt (VGR = volkswirtschaftliche Gesamtrechnung) in den Altbundesländern 27.994 EUR/Jahr; in den neuen Ländern betrug der durchschnittliche Bruttojahresverdienst 21.680 EUR (Differenz von 29 vom Hundert -v.H.-). Die Differenz zwischen den Durchschnittsentgelten der Rentenversicherung (Nach Anlage 1 zum SGB VI) sank bis 2007 auf rund 18 v.H. (vgl. www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik, Johannes Steffen "Angleichung der Ost-Renten").
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SSG nicht vorliegen. Insbesondere ist die Rechtslage nach der zitierten Entscheidung des BSG geklärt.
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