L 6 R 367/05

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 12 RA 2853/04
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 367/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 31. März 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte es als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme nach der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) zu Recht abgelehnt hat, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. April 1969 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG (Zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz) und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Der 1943 geborene Kläger schloss den Besuch der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik Z. am 8. April 1969 als Techniker ab. Am 22. Juni 1971 wurde ihm nach Abschluss des Fachschulstudiums an der Ingenieurschule für Maschinenbau B. das Recht verliehen, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Bereits seit dem 1. November 1959 war er bei der R. Karosseriefabrik, zunächst als Karosseriebauerlehrling, seit dem 1. September 1961 als Karosseriebauer und seit dem 1. Januar 1972 als Ingenieur tätig. Ab dem 1. Januar 1973 arbeitete der Kläger bei dem VEB Karosseriewerk E. als Ingenieur, ab dem 1. Januar 1976 als Produktionsleiter und ab Januar 1978 bei dem VEB Karosserie-Instandsetzung F. (im Folgenden: VEB KAI F.) als Produktionsleiter. Mit Wirkung zum 1. August 1989 wurde er zum Betriebsdirektor des VEB KAI F. berufen. Am 15. Juni 1990 schloss er mit dem Volkseigenen (VE) Verkehrskombinat L. einen Aufhebungsvertrag zum 30. Juni 1990 bezüglich des bestehenden Arbeitsvertrages als Betriebsdirektor des VEB KAI F. im Zusammenhang mit der Umwandlung des Betriebes in eine Kapitalgesellschaft.

Die Eintragung des VEB KAI F. in das Register der volkseigenen Wirtschaft erfolgte am 13. Juli 1972. Übergeordnetes Organ war der Rat des Bezirkes Leipzig. Der VEB KAI F. war Kombinatsbetrieb des VE Verkehrskombinates Leipzig. Nach § 1 Abs. 2 des Statutes des VE Verkehrskombinates Leipzig richten sich die Aufgaben der Kombinatsbetriebe nach den geltenden Rechtsvorschriften und nach den Bestimmungen dieses Statutes. Nach § 3 des Statutes umfasst die wirtschaftliche Tätigkeit des Kombinates die einheitliche Leitung, Planung, Bilanzierung und Abrechnung der Entwicklung und die Durchführung der Prozesse im öffentlichen Straßenpersonenverkehr und im öffentlichen Straßengütertransport sowie in der Kraftfahrzeuginstandhaltung bei Sicherung eines effektiven Einsatzes aller Produktionskapazitäten (Absatz 1). Im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit ist das Kombinat u. a. für die Durchführung von Leistungen der Kraftfahrzeuginstandhaltung für die Bevölkerung und gesellschaftlichen Bedarfsträger gemäß den in den staatlichen Plänen festgelegten Plankennziffern verantwortlich (Absatz 2). Nach § 6 des Statutes obliegen dem VEB Kraftfahrzeuginstandhaltung insbesondere die Ausführung von Kfz-Instandhaltungsleistungen sowie die Durchführung von Dienstleistungen auf dem Gebiet des KFZ-Hilfsdienstes sowie der KFZ-Verwertung (Absatz 1 Nr. 2). In dem Geschäftsbericht vom 23. Mai 1990 für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. April 1990 führte der Betriebsdirektor - damals der Kläger - u. a. aus, dass die Warenproduktion unverändert im Wesentlichen aus Grundinstandsetzungen von W50-Fahrerhäusern und KOM-Ikarus 255 bestand. Außerdem wurden Instandsetzungen am PKW Lada sowie die Produktion von Plasterzeugnissen aus GUP (GFK) für den Karosserieaufbau von NKW durchgeführt. Da zukünftig die Grundinstandsetzungen von NKW ersetzt würden, gelte es, ab dem 1. Mai 1990 das Produktionsprogramm der Firma neu zu profilieren. Der VEB KAI F. war in der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR der Wirtschaftsgruppe 15489 (Reparatur- und Montagebetriebe) zugeordnet. Rechtsnachfolger des VEB KAI F. war die KAI F. AG - Kraftfahrzeugservice -. Der Gründungsbericht datiert vom 21. Juni 1990, die notarielle Umwandlungserklärung vom 28. Juni 1990. Laut § 2 Abs. 1 der Satzung vom 28. Juni 1990 waren Gegenstand des Unternehmens der Kraftfahrzeug-Service, die Entwicklung, die Herstellung, der Vertrieb, der Import und Export von Kraftfahrzeugen, Baugruppen und Ersatzteilen einschließlich von Plasteteilen für Kraftfahrzeuge und sonstige Bedarfsträger. Die KAI F. AG - Kraftfahrzeug-Service wurde am 4. September 1990 in das Handelsregister eingetragen. Die Rechtsfähigkeit des VEB KAI F. erlosch nach der Registerakte mit Wirkung vom 4. September 1990. Im September 1990 stimmte der Rat des Bezirkes einer Reprivatisierung des Betriebsteiles E. zu.

Eine Versorgungszusage erhielt der Kläger vor Schließung der Versorgungssysteme nicht. Seit dem 1. Februar 1984 bis zum 30. Juni 1990 zahlte er Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR).

Seinen Antrag vom 1. Februar 2002 auf Feststellung der Beschäftigungszeiten vom 1. April 1969 bis zum 30. Juni 1990 als Zugehörigkeitszeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. September 2002 ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2003 zurück.

Hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht Altenburg Klage erhoben. Nach Anregung des Gerichts, die außerhalb der Klagefrist erhobene Klage als Antrag auf Überprüfung nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) des Bescheides vom 12. Februar 2003 zu werten, hat der Kläger sie am 20. Februar 2004 zurückgenommen.

Im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X hat er vorgetragen, Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit des VEB KAI F. sei die Herstellung von Ersatzteilen für Omnibusse der Marke Ikarus und LkW der Marke W50 gewesen. Der VEB KAI F. habe seinen Hauptsitz in F. gehabt und eine Betriebsstätte in E. unterhalten. In dem Zeitraum von 1978 bis Juni 1990 seien durchgehend ca. 130 Arbeitnehmer verteilt auf die beiden Standorte beschäftigt gewesen. Der VEB KAI F. habe sich in die Bereiche Ersatzteilproduktion, Instandsetzung von Bussen und Lastkraftwagen sowie Verwaltung/Lager und Logistik untergliedert. Die Abteilung Ersatzteilproduktion sei in vier Abteilungen - Sitzproduktion/Sattlerei, Produktion Ersatzteile W50, Produktion Ersatzteile Bus und Produktion Ersatzteile Volvo - untergliedert gewesen. Die Ersatzteile seien teilweise für den eigenen Instandhaltungsbereich, teilweise für Drittfirmen bestimmt gewesen. In diesen Abteilungen seien ca. 60 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Schließlich habe es sich bei den im VEB KAI F. durchgeführten Instandsetzungsarbeiten um die Neuherstellung von Bussen und damit um Produktionsarbeiten gehandelt. Die angelieferten Busse seien nämlich nicht mehr fahrbereit gewesen; sie seien komplett demontiert und unter Verwendung neuer Teile zusammengesetzt worden.

Mit Bescheid vom 13. Mai 2004 hat die Beklagte eine Aufhebung des Bescheides vom 23. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2002 abgelehnt und den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2004 zurückgewiesen.

Im Klageverfahren hat der Kläger über die Begründung im Widerspruchsverfahren hinaus im Wesentlichen geltend gemacht, der Gesamtbetrieb sei ausschließlich auf Produktion ausgerichtet gewesen. Die angelieferten Busse seien komplett demontiert und unter Verwendung neuer Teile zusammengesetzt worden. Es sei lediglich von untergeordneter Bedeutung, dass auch Altteile von Schrottfahrzeugen hierbei verwendet worden seien. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die angelieferten Altfahrzeuge/Ersatzteilbestände aufwändig demontiert und wieder aufbereitet werden mussten, um Teile für die neu aufzubauenden LKW und Busse zu gewinnen. Die Ersatzteilproduktion habe mit über 60 v.H. der betrieblichen Tätigkeit, dem VEB KAI F. das Gepräge gegeben. Über 50 v.H. der Produktion seien an Drittfirmen verkauft worden.

Mit Urteil vom 31. März 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei dem VEB KAI F. habe sich nicht um einen Produktionsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehandelt, weil in diesem bereits hergestellte, also vorhandene Lastkraftwagen und Busse aufgearbeitet wurden. Die Ersatzteilproduktion habe bei summarischer Betrachtung insgesamt überwiegend der Instandsetzung der Busse und Lastkraftwagen gedient.

Im Berufungsverfahren hat der Kläger die Niederschrift des Sozialgerichts Altenburg vom 31. März 2005 in einem Parallelverfahren - Az.: S 12 RA 1956/03 vorgelegt, in dem der dortige Kläger erklärt hat, selbst die Profilrahmen der Busse seien so überarbeitet worden, dass sie hinterher neuwertig gewesen seien. Jährlich seien auf diese Weise ca. 40 Busse hergestellt worden. Die Motoren, Achsen und Getriebe seien ausgebaut und in einen Betrieb in Leipzig verbracht worden. Von dort seien baugleiche Motoren zurückgekommen, die er seinerzeit für neuwertig gehalten habe.

Der Kläger trägt vor, für den LKW W50 seien Kotflügel und Luftleiteinrichtungen aus glasfaserungsgesättigten Polyestern (GUP), das auf Ballen angeliefert wurde, hergestellt worden. Aufgabe der Arbeitnehmer in der Abteilung - Produktion Ersatzteile W50 - sei gewesen, die Filzmatten in Formen zu legen, in denen dann das GUP nach Hinzufügen von Härtern und sogenannten Beschleunigern in Wärmekammern aushärtete. Im Betriebsteil E. seien Kotflügel, Kofferraumklappen, Bustüren und Karosserie-Seitenteile für den Bus der Marke Ikarus hergestellt worden. Die Art und Weise der Herstellung sei entsprechend der Herstellung der Ersatzteile für den Lastkraftwagen W50 erfolgt. Die Abteilung Sitzproduktion in E. habe neue Sitze für Busse der Marke Ikarus, unter Einsatz von Maschinen in mehreren Arbeitsschritten, in einer sogenannten Fertigungsstraße hergestellt. Die Herstellung der Ersatzteile für PKW der Marke Volvo sei analog zur Herstellung der Ersatzteile für den LKW W50 und den Ikarus erfolgt. Die Ersatzteile seien überwiegend an andere Betriebe bzw. an den Großhandel verkauft worden. Im Bereich Instandsetzung seien in der Abteilung Gerippebau die angelieferten Busse zunächst komplett demontiert worden, danach seien die Fahrzeuggerippe, d.h. die Profilrahmen, komplett neu hergestellt worden. Erhalten geblieben sei lediglich die Plakette mit der Seriennummer. In der Abteilung Elektrik sei die komplette Buselektrik, die von anderen Betrieben angeliefert wurde, zusammen- und eingebaut worden. In der Endmontage seien die Busse unter Verwendung von Neuteilen, die entweder von anderen Firmen angeliefert wurden oder aus der Ersatzteilproduktion stammten, montiert worden. Auch die Motoren, Achsen und Getriebe seien als Neuware eingekauft und in die Busse eingebaut worden. Nach der Endmontage seien die Lackierung sowie die anschließende Auslieferung der Busse erfolgt. Die Betriebsteile - Instandsetzung und Ersatzteilproduktion - hätten jeweils einen eigenen Betriebszweck gehabt. Der Bereich Instandsetzung habe die Aufgabe gehabt, die Betriebe und die Bevölkerung, insbesondere die Verkehrskombinate, mit Fahrzeugen zu versorgen, der Bereich Ersatzteilproduktion den Zweck, die Betriebe und die Bevölkerung mit Ersatzteilen zu versorgen. Es sei nicht ihre Aufgabe gewesen, den Bereich Instandsetzung mit Ersatzteilen zu versorgen. Die Produktionsmenge habe sich nach dem Gesamtbedarf der DDR und nicht nach dem Bedarf des Bereiches Instandsetzung gerichtet. Die Produktionsabläufe seien nicht aufeinander abgestimmt gewesen. Soweit die Produktion am Bedarf des Bereiches Instandsetzung ausgerichtet gewesen sei, sie ihm also "diente" sei sie diesem Bereich zugeordnet gewesen. Dies gelte vor allem für die Abteilung Gerippebau und die Abteilung Elektrik. Ab Ende Februar 1990 habe der VEB KAI F. neue Busse der Marke "Neoplan-Transliner" aufgrund einer Vereinbarung mit der Firma Neoplan aus der Bundesrepublik hergestellt. Das Statut des VE Verkehrskombinates Leipzig enthalte keine Aussagen dazu, welches Gepräge der VEB KAI F. hatte.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 31. März 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2004 zu verpflichten, den Bescheid vom 23. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2004 aufzuheben und die Zeit vom 1. April 1969 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG (Zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz) sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihr Vorbringen in der ersten Instanz sowie die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Aus den vorliegenden Unterlagen sei eine Zuordnung des VEB KAI F. zur industriellen Produktion nicht zu entnehmen. Vorherrschender Betriebszweck sei nicht die Produktion von Waren und Gütern, sondern die Ausführung von Dienstleistungen gewesen. Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen unterfielen nicht dem Produktionsbegriff. Ergänzend vertritt sie die Ansicht, der Kläger sei am 30. Juni 1990 nicht mehr in einem volkseigenen Betrieb, sondern bei der KAI F. AG - Kraftfahrzeug-Service - (Vorgesellschaft) tätig gewesen. Der VEB KAI F. sei durch den Übergang der Betriebsmittel (Fonds) auf die in Gründung befindendliche KAI F. AG - Kraftfahrzeug-Service - per Bilanzbrücke zum 1. Mai 1990 vermögenslos geworden. Das Vermögen des Betriebes - einschließlich der Forderungen und Verbindlichkeiten entsprechend der Abschlussbilanz - sei in vollständiger Höhe in das Rechnungswesen der Kapitalgesellschaft übernommen worden. Weil die Produktionsaufgaben und die wirtschaftliche Tätigkeit bereits von und für Rechnung der Vorgesellschaft, der KAI F. AG - Kraftfahrzeug-Service -, wahrgenommen wurden, habe der VEB KAI F. am Stichtag nur noch als "leere Hülle" ohne Rechte und Pflichten bestanden.

Der Senat hat die Registerakte des Amtsgerichts Jena 110-13-1212 - VEB KAI F. und Unterlagen, die bei der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben archiviert sind, beigezogen und Auskünfte der Neoplan Bus GmbH vom 24. Mai und 28. August 2007 eingeholt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakte des Sozialgerichts Altenburg (Az.: S 12 RA 2698/03) und der beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Beschäftigungszeit vom 1. April 1969 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einschließlich der in diesem Zeitraum nachgewiesenen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte nach § 8 Abs. 2 und 3 AAÜG feststellt. Das AAÜG ist auf ihn nicht anwendbar. Insoweit liegen die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Bescheides vom 20. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2003 nach § 44 SGB X nicht vor.

Vom persönlichen Anwendungsbereich nach der maßgeblichen Norm des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG werden die Versorgungsberechtigungen (Ansprüche oder Anwartschaften) erfasst, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deshalb eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten.

Der Kläger erfüllt beide Voraussetzungen nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht. Er war bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden war, liegt nicht vor. Er hatte keine positive Statusentscheidung der Beklagten und oder eine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrags (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakts erhalten. Er war auch nicht auf Grund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen worden.

Er war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft, wie sie sich aus der vom 4. Senat des Bundessozialgerichts vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG herleitet. Danach ist bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht in einem Versorgungssystem einbezogen waren und die nachfolgend auch nicht aufgrund originären Bundesrechts (z. B. Art. 17 EV) einbezogen wurden, zu prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 9. April 2002 - Az.: B 4 RA 31/01 R, Az.: B 4 RA 41/01, Az.: B 4 RA 3/02 R, BSG, Urteil vom 10. April 2002 - Az.: B 4 RA 34/01 R - Az.: B 4 RA 10/02 R, nach juris).

Der Kläger hat am 1. August 1991 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (nachfolgend ZAVO-techInt, GBl. der DDR Nr. 93 (S. 844)) nicht erfüllt. Dies ist nur dann der Fall, wenn nach § 1 ZAVO-techInt i.V.m. § 1 Abs. 1 der 2. DB z. ZAVO-techInt drei Voraussetzungen erfüllt sind: Der "Versorgungsberechtigte" muss am 30. Juni 1990 eine bestimmte Berufsbezeichnung (persönlichen Voraussetzung) und eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und die Tätigkeit oder Beschäftigung muss am 30. Juni 1990 bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens verrichtet worden sein (betriebliche Voraussetzung – BSG, Urteile vom 29. Juli 2004 – Az.: B 4 RA 4/04 R, 18. Juni 2003 - Az.: B 4 RA 1/03 R; ebenso z.B.: BSG, Urteil vom 9. April 2002 –Az.: B 4 RA 32/01 R und vom 10. April 2002 – Az.: B 4 RA 10/02 R, alle nach juris).

Mit Erwerb des Ingenieurtitels am 22. Juni 1972 erfüllte der Kläger ab diesem Zeitpunkt die persönliche Voraussetzung. Es kann auch unterstellt werden, dass er als Ingenieur und Produktionsleiter eine seiner Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtete (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - Az.: B 4 RS 17/07 R). Soweit er zuletzt als Betriebsdirektor tätig war, gehörte er ebenfalls zum Kreis der dem Grunde nach Versorgungsberechtigten.

Er war jedoch am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens tätig, weil der Hauptzweck des VEB KAI F. nicht in der industriellen Fertigung von Sachgütern bestand. Insoweit bedarf es hier keiner Entscheidung darüber, ob bereits mit der Umwandlungserklärung vom 28. Juni 1990 eine endgültige Übertragung des Vermögens des VEB KAI F. aus der bisherigen Fondsinhaberschaft auf die KAI F. AG - Kraftfahrzeug-Service - (Vorgesellschaft) mit Stichtag vom 1. Mai 1990 erfolgt ist und deshalb ein Produktionsbetrieb bereits aus diesem Grund tatsächlich nicht mehr bestand.

Die Zuordnung eines VEB zur industriellen Produktion (bzw. zum hier nicht in Betracht kommenden Bauwesen) hängt entscheidend davon ab, welche Aufgabe ihm das Gepräge gegeben hat. Der verfolgte Hauptzweck (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – Az.: B 4 RA 18/03 R, nach juris) des VEB muss auf die industrielle, massenhafte und standardisierte Fertigung, Fabrikation, Herstellung beziehungsweise Produktion (sog. fordistisches Produktions¬modell) von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein. Die Auslegung der Versorgungsordnung durch die Staatsorgane und deren Verwaltungspraxis in der DDR spielt dagegen bei der heutigen Auslegung keine Rolle (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2002 – Az.: B 4 RA 41/01 R, nach juris). Aus diesem Grund ist allein die Tätigkeit in einem solchen Massenproduktionsbetrieb von besonderer volkswirtschaftlicher Bedeutung gewesen und hat die durch die ZAVO-techInt bezweckte Privilegierung der technischen Intelligenz in solchen Betrieben gerechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juni 2004 - Az.: B 4 RA 57/03 R, nach juris). Der Massenausstoß standardisierter Produkte sollte hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft ermöglichen. Dagegen unterfällt die Fertigung von Gütern unter Verwendung von Altteilen nicht dem fordistischen Produktionsbegriff (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2008 - Az.: B 4 RS 31/07 R, nach juris). Das fordistische Produktionsmodell ist nach dem Unternehmer Henry Ford (1863 - 1947) benannt, der Anfang des 20. Jahrhunderts die Fließbandfertigung in seinen Automobilwerken einführte. Dabei hatte jeder Arbeiter nur eine kleine immer gleiche Aufgabe auszuführen, z.B. musste er eine einzige Schraube in wenigen Sekunden montieren. Typisch für diese Produktionsmethode sind am Fließband das Ineinandergreifen aller Teile eines "Baukastensystems" und die strikte Trennung von Kopf- und Handarbeit (vgl. Ahlfeldt/Becker, Henry Ford und die Massenproduktion, Revolution in der Automobilindustrie, www.uni-kl.de/FB-SoWi/FG-Soziologie/download/seminararbeiten).

In dem VEB KAI F. erfolgte keine Herstellung nach dem "fordistischen Produktionsmodell", dem eine stark standardisierte Massenproduktion von Gütern mit Hilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen zugrunde liegt (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 - Az. B 4 RS 3/06 R, nach juris).

Nach dem Statut des VE Verkehrskombinates Leipzig sowie dem Geschäftsbericht vom 23. Mai 1990 ist daraus nicht ersichtlich, dass Hauptzweck des VEB KAI F. die Massenproduktion standardisierter Güter war. Das Statut des VE Verkehrskombinates Leipzig ist deshalb heranzuziehen, weil der VEB KAI F. ein Kombinatsbetrieb war und in § 6 des Statuts die Aufgaben der Kombinatsbetriebe festgelegt wurden. Danach obliegen dem VEB Kraftfahrzeuginstandhaltung insbesondere die Ausführung von Kfz- Instandhaltungsleistungen sowie die Durchführung von Dienstleistungen auf dem Gebiet des KFZ-Hilfsdienstes sowie der KFZ-Verwertung (Absatz 1 Nr. 2). Auch in dem Geschäftsbericht für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. April 1990 findet sich kein Hinweis darauf, dass die Massenproduktion von Gütern Gegenstand der Geschäftstätigkeit war. Vielmehr führt der Betriebsdirektor u.a. aus, dass die Warenproduktion unverändert im Wesentlichen aus Grundinstandsetzungen von W50-Fahrerhäusern und KOM-Ikarus 255 bestand. Außerdem wurden Instandsetzungen am PKW Lada sowie die Produktion von Plasterzeugnissen aus GUP (GFK) für den Karosserieaufbau von NKW durchgeführt.

Auch aus dem Vortrag des Klägers im sozialgerichtlichen Verfahren lässt sich keine tatsächliche serienmäßige Massenproduktion von Gütern entnehmen. Nach seiner zu den Akten gereichten Auflistung wurden im Jahr ca. 3.500 Zubehörteile gefertigt. Hierbei handelte es sich um ca. 500 Lufteinrichtungen W50, ca. 500 Kotflügel W50, ca. 600 Fensterstegverkleidungen, ca. 100 Türen Ikarus, ca. 200 Kotflügel Ikarus, ca. 1000 Seitenteile Ikarus, ca. 500 Sitze Ikarus, ca. 100 Türen Ikarus und ca. 200 Kotflügel Ikarus, die zudem teilweise für den Instandsetzungsbereich bestimmt waren. Betrachtet man die Anzahl der Einzelteile, ist bei keinem der hergestellten Produkte von einer Massenfertigung im Sinne des fordistischen Produktionsmodells auszugehen. Betrachtet man die Anzahl der hergestellten Teile insgesamt, wurden am Tag (bei ca. 250 Arbeitstagen jährlich) ca. 14 Teile hergestellt, auch dies entspricht keinesfalls einer standardisierten Massenfertigung im Sinne des fordistischen Produktionsmodells. Zudem fehlt es an einer Serienfertigung unter Zuhilfenahme hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen. Selbst nach dem Vortrag des Klägers wurden lediglich die Sitze für die Busse unter Einsatz von Maschinen in einer so genannten Fertigungsstraße hergestellt. Die Anfertigung der Karosserieteile erforderten dagegen Spezialwerkzeuge, insbesondere Formwerkzeuge und ein hohes Maß an Spezialisierung der Arbeitnehmer.

Unabhängig davon, ob die Instandsetzung der Busse und LKW-Fahrerhäuser überhaupt unter den Produktionsbegriff zu subsumieren wäre (verneinend BSG, Urteil vom 24. April 2008, a.a.O., Senatsurteil vom 31. März 2009 - Az.: L 6 RA 532/04), fehlt es jedenfalls auch insoweit an einer standardisierten Massenproduktion. Nach dem Vortrag des (dortigen) Klägers in dem Parallelverfahren beim Sozialgericht Altenburg (Az.: S 12 RA 1956/03), wurden jährlich lediglich ca. 40 Busse im Betriebsteil E. hergestellt. Nach Angaben des Klägers wurden ca. 670 LKW W50-Fahrerhäuser jährlich in Stand gesetzt. Eine Umstellung der Betriebstätigkeit auf eine Massenproduktion in diesem Sinne war auch bis zum 30. Juni 1990 aufgrund der Kooperation des VEB KAI F. mit der Rechtsvorgängerin der Neoplan Bus GmbH, der Gottlob Auwärter GmbH & Co. KG, nach der Überzeugung des Senats nicht erfolgt, wobei es an dieser Stelle keiner Entscheidung darüber bedarf, ob eine solche noch dem VEB KAI F. zuzurechnen wäre. Nach der Auskunft der Neoplan Bus GmbH wurden bis einschließlich 30. Juni 1990 ca. 15 Busse des Typs Transliner hergestellt. Nach Angaben des Klägers wurden diese in sogenannter Taktfertigung (Nestfertigung) hergestellt, eine Fließbandfertigung erfolgte nicht.

Des Weiteren liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei dem VEB um einen gleichgestellten Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. DB z. ZAVO-techInt handelte. Dies wurde auch vom Kläger nicht geltend gemacht.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) liegt gegenüber denjenigen, die in das Zusatzversorgungssystem einbezogen wurden, nicht vor. Denn der Einigungsvertragsgesetzgeber war nicht gehalten, bereits in den Versorgungsordnungen angelegte Ungleichbehandlungen nachträglich zu korrigieren (vgl. BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 – Az.: B 4 RA 21/02 R, nach juris). Er durfte an die am 2. Oktober 1990 vorliegenden Versorgungsordnungen im Rahmen der Rentenüberleitung anknüpfen (vgl. BVerfG in BVerfGE 100, S. 138, 193 f.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved