L 6 R 160/06

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 10 RA 2814/03
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 160/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der VEB Ingenieurbüro für Bauwesen Erfurt war am 30. Juni 1990 kein Konstruktionsbüro, das nach § 1 der 2. SB z. ZAVO-techInt einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens versorgungsrechtlich gleichgestellt war.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 12. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

T a t b e s t a n d:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungesetz (AAÜG) nach § 8 AAÜG Beschäftigungszeiten vom 1. Juni 1973 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.

Die 1941 geborene Klägerin erwarb mit dem erfolgreichen Besuch der Ingenieurschule für Bauwesen G. das Recht, die Berufsbezeichnung Ingenieurökonom zu führen (Urkunde vom 6. Juni 1973). Vom 1. Juli 1970 bis 30. Dezember 1990 war sie bei dem VEB Ingenieurbüro für Bauwesen E. (im Folgenden: VEB IBE), zuletzt seit Juli 1983 als ökonomischer Leiter, beschäftigt.

Die Gründung des VEB IBE wurde am 18. November 1969 durch den Rat des Bezirkes Erfurt beschlossen. Unter Punkt 5 des Beschlusses heißt es: "Die Direktoren der Kombinate, Betriebe und Einrichtungen des bezirklichen Bauwesens werden verpflichtet, aus ihren wissenschaftlich-technischen Bereichen erfahrene und entwicklungsfähige Kader auf Anforderungen des Bezirksbaudirektors umzusetzen. Der VEB Ingenieurbüro ist bis Ende 1970 mit mindestens 35 AK zu besetzen. Das Ingenieurbüro ist zur Erfüllung der Aufgaben auf dem Gebiet der Erzeugnis- und Verfahrensrationalisierung im Perspektivezeitraum auf eine Sollstärke von ca. 150 Mitarbeiter zu entwickeln." Die Eintragung des VEB IBE in das Register der volkseigenen Wirtschaft erfolgte am 13. Januar 1970. Unmittelbar übergeordnetes Organ war der Rat des Bezirkes Erfurt, hier das Bezirksbauamt. Laut Geschäftsbericht für das Jahr 1989 hat der VEB IBE als juristisch und wirtschaftlich selbstständiger Betrieb in der Vergangenheit insbesondere daran gearbeitet, Produktionsprozesse in den Betrieben des örtlichen Bauwesens zu rationalisieren und für die Schwerpunkte des Industriezweiges Projekte der komplexen Rationalisierung und Automatisierung auszuarbeiten. Ein angegliederter Fertigungsbereich in L. hat den Betrieb in die Lage versetzt, Funktionsmuster für Maschinen und Geräte herzustellen, die aus Entwicklungsleistungen des Hauses hervorgehen. Neben diesen Projektierungs- und Fertigungsaufgaben, die von einem Stamm an Entwicklungsingenieuren und Facharbeitern gelöst wurden, waren durch das Ingenieurbüro ebenfalls eine Reihe administrativer Aufgaben zu lösen. In diesen Bereichen waren 55 Arbeitskräfte eingesetzt. Der VEB IBE bestand u.a. aus den Bereichen Konstruktion und Fertigung, Elektrotechnik, konstruktiver Ingenieurbau und HLS, Information, Standardisierung und Rechentechnik und dem Bereich L. Am 25. Juni 1990 wurde die Umwandlung des VEB IBE auf der Grundlage der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften vom 1. März 1990 (GBl. I Nr. 14, S. 107) in eine GmbH, die Ingenieurbüro für Bauwesen E. GmbH, notariell beglaubigt. Diese wurde am 28. Februar 1991 in das Handelsregister eingetragen.

Eine Versorgungszusage erhielt die Klägerin vor Schließung der Versorgungssysteme nicht. Seit dem 1. Oktober 1979 zahlte sie Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR).

Ihren Antrag vom 30. Januar 2001 auf Feststellung der Beschäftigungszeiten vom 1. Juni 1973 bis 30. Juni 1990 als Zugehörigkeitszeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2003 mit der Begründung ab, sie sei zwar berechtigt gewesen, den Titel eines Ingenieurs bzw. Ingenieurökonoms zu führen, sei jedoch nicht als Ingenieur, sondern als ökonomischer Direktor beschäftigt gewesen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30. September 2003).

Im Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, bei dem VEB IBE habe es sich um ein Konstruktionsbüro gehandelt. In dem Zeitraum vom 1. Januar 1971 bis 30. Juni 1983 sei sie dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin, danach als ökonomischer Direktor bzw. ökonomischer Leiter tätig gewesen. Hierbei sei sie für die Koordination, Leitung und Ausarbeitung des Gesamtplanes des Betriebes und für die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Planungsprozesse zuständig gewesen. Diese Tätigkeit sei mit einer ingenieurtechnischen Tätigkeit vergleichbar.

Mit Urteil vom 12. Januar 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Bei dem VEB IBE habe es sich weder um einen volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens noch um einen gleichgestellten Betrieb nach § 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (nachfolgend 2. DB ZAVO-techInt, GBl. der DDR Nr. 62 S. 487) gehandelt.

Mit ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, bei dem VEB IBE habe es sich eindeutig um ein Konstruktionsbüro gehandelt. Aufgabenstellung sei die "Realisierung der vom Bezirksbaudirektor bestätigten Objekt- beziehungsweise Themenliste der wissenschaftlich-technischen Schwerpunktaufgaben einschließlich Musterbau" gewesen. Der Musterbau sei ein selbstständiger Betriebsteil gewesen, in dem entwickelte technische Neuheiten als Muster gefertigt wurden. Im Konstruktionsbüro seien Konstruktionsunterlagen für Aufträge z. B. technische Ausrüstungen für die Bauindustrie, Formen für die Plattenbauweise, Sondermaschinen und Fördertechnik bearbeitet worden. Bauaufsichtsmaßnahmen oder Projektierungsleistungen seien nicht erfolgt. Der Geschäftsbericht 1989 gebe eindeutig Auskunft über die tatsächlichen Aufgaben des VEB IBE und mache klar, dass das Wort "Projektierungsleistungen" für Aufgaben im Bereich Konstruktion verwendet worden sei. Unter der Bezeichnung Ratiomittel seien im VEB IBE Konstruktionen und Geräte geplant, entworfen, entwickelt, konstruiert, gefertigt und erprobt worden, die eigentlich im Ausland schon vorhanden waren, jedoch nicht genutzt werden konnten, weil keine Devisen für Lizenzen zur Verfügung standen. Bis zum Jahr 2004 habe die Beklagte den VEB IBE als VEB-Betrieb bzw. Konstruktionsbüro anerkannt. Dies ergebe sich aus dem Bescheid vom 18. März 2003.

Die Klägerin beantragt

das Urteil des Sozialgerichts Gotha 12. Januar 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. März 1973 bis zum 30. Juni 1990 als Zugehörigkeitszeit zu dem Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie die während dessen erzielten Arbeitsentgelte im Sinne des AAÜG festzustellen und dem Rentenversicherungsträger mitzuteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass unter "Konstruktion" der Entwurf und die Berechnung von Einzelteilen, Baugruppen und Erzeugnissen zu verstehen sei. In der DDR sei zwischen einem Konstruktionsbetrieb als einem zentralen Entwicklungs- und Konstruktionsbetrieb einerseits und einem Konstruktionsbüro als Abteilung oder Einrichtung eines Betriebes bzw. eines Kombinates andererseits unterschieden worden. Aufgabe einer solchen Konstruktionseinrichtung sei es danach gewesen, im Prozess der Vorbereitung der Produktion die Erzeugnisse zu gestalten, die Konstruktionszeichnungen anzufertigen, die Stücklisten aufzustellen und die Funktion des Erzeugnisses zu erproben. Zu den Konstruktionsunterlagen habe die Gesamtheit der Dokumentation für zu bauende oder zu fertigende für den Absatz oder die eigene Verwendung bestimmter Gegenstände, insbesondere Entwürfe, Zeichnungen, Berechnungen und Stücklisten gezählt. Demgegenüber habe die darüber hinausgehende Umsetzung im Rahmen einer weiter gehenden Gesamtkonzeption zum Bereich der Projektierung gehört. Ein Betrieb der mit solchen Projektierungsaufgaben beschäftigt gewesen sei, sei damit kein Konstruktionsbüro. Die Unterschiedlichkeit von Konstruktion und Projektierung folge auch unmittelbar aus der Anordnung über die allgemeinen Bedingungen für Entwurfs- und Konstruktionsleistungen vom 1. Februar 1958 (GBl. II S. 14). In § 2 der Anlage 1 zu dieser Verordnung würden Konstruktionsleistungen von bautechnischen Projektierungen ausdrücklich unterschieden. Es stehe nicht mehr in Frage, ob die Klägerin als Ingenieurökonomin entsprechend ihrer Berufsbezeichnung beschäftigt gewesen sei. Die sachliche Voraussetzung liege in Ansehung der Entscheidung des BSG vom 7. September 2006 - Az.: B 4 RA 47/05 nunmehr vor.

Der Senat hat verschiedene Unterlagen aus einem anderen beim Thüringer Landessozialgericht anhängigen Verfahren beigezogen und den Beteiligten zur Kenntnis übersandt, darunter den Beschluss des Rates des Bezirkes Erfurt vom 18. November 1969, die Umwandlungserklärung vom 25. Juni 1990, den Gesellschaftsvertrag der Ingenieurbüro E. GmbH sowie eine Sitzungsniederschrift vom 14. Juli 2005. Der ehemalige Betriebsdirektor des VEB IBE Dr. G. G. wurde im Erörterungstermin am 27. November 2006 als Zeuge vernommen. Bezüglich dessen Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Gründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Beschäftigungszeit vom 1. Juni 1973 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einschließlich der in diesem Zeitraum nachgewiesenen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte nach § 8 Abs. 2 und 3 AAÜG feststellt. Das AAÜG ist auf sie nicht anwendbar.

Vom persönlichen Anwendungsbereich nach der maßgeblichen Norm des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG werden die Versorgungsberechtigungen (Ansprüche oder Anwartschaften) erfasst, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deshalb eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten.

Die Klägerin erfüllt beide Voraussetzungen nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht. Sie war bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht Inhaberin einer Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihr eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden war, liegt nicht vor. Sie hatte keine positive Statusentscheidung der Beklagten oder eine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrags (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakts erhalten. Sie war auch nicht auf Grund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen worden.

Sie war am 1. August 1991 auch nicht Inhaberin einer fingierten Versorgungsanwartschaft, wie sie sich aus der vom 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG herleitet. Danach ist bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht in einem Versorgungssystem einbezogen waren und die nachfolgend auch nicht aufgrund originären Bundesrechts (z. B. Art. 17 EV) einbezogen wurden, zu prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 9. April 2002 - Az.: B 4 RA 31/01 R, Az.: B 4 RA 41/01, Az.: B 4 RA 3/02 R, BSG, Urteil vom 10. April 2002 - Az.: B 4 RA 34/01 R - Az.: B 4 RA 10/02 R, nach juris).

Die Klägerin hat am 1. August 1991 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (nachfolgend ZAVO-techInt, GBl. der DDR Nr. 93 S. 844) nicht erfüllt. Dies ist nur dann der Fall, wenn nach § 1 ZAVO-techInt i.V.m. § 1 Abs. 1 der 2. DB z. ZAVO-techInt drei Voraussetzungen erfüllt sind: Der "Versorgungsberechtigte" muss am 30. Juni 1990 eine bestimmte Berufsbezeichnung (persönlichen Voraussetzung) und eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und die Tätigkeit oder Beschäftigung muss am 30. Juni 1990 bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb verrichtet worden sein (betriebliche Voraussetzung – BSG, Urteile vom 29. Juli 2004 – Az.: B 4 RA 4/04 R, 18. Juni 2003 - Az.: B 4 RA 1/03 R; ebenso z.B.: BSG, Urteile vom 9. April 2002 –Az.: B 4 RA 32/01 R und vom 10. April 2002 – Az.: B 4 RA 10/02 R, alle nach juris).

Mit Erwerb des Ingenieurtitels am 6. Juni 1973 erfüllte die Klägerin die persönliche Voraussetzung. Es kann auch unterstellt werden, dass sie als ökonomische Leiterin eine ihrer Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtet hat (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - Az.: B 4 RS 17/07 R, nach juris)

Es fehlt jedoch am 30. Juni 1990 an der betrieblichen Voraussetzung.

Sie war am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt, weil der Hauptzweck des VEB IBE nicht in der industriellen Fertigung von Sachgütern oder Bauwerken bestand. Die Zuordnung eines VEB zur industriellen Produktion bzw. zum Bauwesen hängt entscheidend davon ab, welche Aufgabe ihm das Gepräge gegeben hat. Der verfolgte Hauptzweck (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – Az.: B 4 RA 18/03 R, nach juris) des VEB muss nach dem Urteil des BSG vom 9. April 2002 (Az.: B 4 RA 41/01 R, nach juris) auf die industrielle, massenhafte und standardisierte Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern oder Bauleistungen ausgerichtet gewesen sein. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der VEB IBE einen solchen Zweck verfolgte.

Die Klägerin war auch nicht in einem Konstruktionsbüro beschäftigt, das nach § 1 Abs. 2 der 2. DB z. ZAVO-techInt einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens versorgungsrechtlich gleichgestellt wurde.

Die Auslegung der abstrakt-generellen Regelungen des Versorgungsrechts hat sich strikt am Wortlaut zu orientieren. Da das Recht der Versorgungssysteme auf Lebenssachverhalte abstellt, die in der DDR verwirklicht worden waren, bestimmt sich das Verständnis dort verwandter Ausdrücke rechtlich nach dem staatlichen Sprachverständnis am Ende der DDR (2. Oktober 1990), faktisch jedoch im Regelfall nach demjenigen, das bei Schließung der Systeme am 30. Juni 1990 in staatlichen Regelungen verlautbart war (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2006 - Az.: B 4 RA 39/05, m.w.N., nach juris). Zu der Unterscheidung zwischen einem Konstruktions- und Projektierungsbüro führt das BSG in dieser Entscheidung aus:

"Nach dem Sprachverständnis der DDR wurde (seit 1949 und damit auch noch) am Stichtag des 30. Juni 1990 entsprechend den unterschiedlichen Aufgabenbereichen zwischen Konstruktions- und Projektierungsbüros unterschieden. Einer der Ausgangspunkte für die Feststellung der am 30. Juni 1990 maßgeblichen Sprachverständnisses der DDR ist der - kurz vor Gründung der DDR ergangene - "Beschluss über die Einrichtung eines technischen Projektierungs- und Konstruktionsbüros der Energiewirtschaft" vom 29. Juli 1949 (ZVOBl 1949 Teil I Nr 59 (S 1)). Danach wurde für die Aufgabenbereiche der Projektierung und Konstruktion zwar nur ein Büro errichtet, dennoch deutlich zwischen den beiden Funktionen unterschieden. Die Projektierungsaufgabe bestand darin, in allen Kraftanlagen alle Teile, Anlagenteile und Anlagen zu "bearbeiten", also die "Projektierung der Verteilung, die Erweiterungen und die Neuanlagen einschließlich der Verbesserungsvorschläge" vorzunehmen, dagegen betraf die Konstruktion "die Herstellung und den Betrieb der Teile, Anlagenteile und Anlagen". Schon diese Ausführungen verdeutlichen, dass Konstruktionsarbeiten Fragen der technischen Herstellung (Produktion) von Einzelteilen oder auch ganzer Anlagen und ihres betrieblichen Einsatzes (bzw. Einsetzbarkeit) zu beantworten hatten; Projektierung befasste sich dagegen nicht mit der Lösung derartiger Probleme, sondern setzte sie voraus, um ein technisches (Gesamt-) Konzept zu erstellen, dass die optimale Realisierung des Unternehmenszwecks gewährleistete; dies zeigt die Formulierung "Projektierung der Verteilungen, der Erweiterungen und der Neuanlagen" in jenem Beschluss.

Diese im Vergleich zu Konstruktion "übergeordnete Funktion" der Projektierung spiegelt sich auch in der Begriffsbestimmung der Projektierungsleistungen in der "Verordnung über das Projektierungswesen - Projektierungsverordnung -" vom 20. November 1964 (GBl der DDR 1964 Teil II Nr 115 (S 909)) wider. Danach gehörten zu den Projektierungsleistungen ua die Ausarbeitung von Aufgabenstellungen, von Projekten, Teilprojekten und Projektteilen, die Koordinierung von kooperierten Projektierungsleistungen, die Ausarbeitung von Studien- und Variantenuntersuchungen. Entscheidend ist, dass auch die "Anordnung über die Einführung der Rahmenrichtlinien für die Neugliederung der Beschäftigten der Industrie und des Bauwesens" vom 10. Dezember 1984 (GBl der DDR 1984 Teil I Nr 1 (S 1)), die am 30. Juni 1990 maßgeblich war, zwischen Konstruktion und Projektierung (vgl. Nr 32 und 33 aaO) unterschieden.

An dieses sich aus den genannten abstrakt-generellen Regelungen der DDR ergebende staatliche Sprachverständnis knüpfen die Definitionen im "Ökonomischen Lexikon" der DDR (3. Auflage 1979) an. Danach waren Gegenstand von Konstruktionsarbeiten die Gestaltung der Erzeugnisse im Prozess der Vorbereitung der Produktion, die Anfertigung von Konstruktionszeichnungen, die Aufstellung von Stücklisten und die Funktionserprobung des Erzeugnisses (siehe Stichwort: Konstruktionsbüro). Projektierung im weiteren Sinn waren danach alle Leistungen, die von Projektierungseinrichtungen insbesondere für die Lösung von Investitionsausgaben erbracht wurden. Ihr Ergebnis waren Dokumentationen unterschiedlicher Art. Die Leistungen der Projektierung waren Bestandteil der materiellen Produktionssphäre der Volkswirtschaft. Sie umfassten im Wesentlichen die Mitwirkung an "grundfondswirtschaftlichen" Untersuchungen (Studien, Variantenuntersuchungen), Aufgabenstellungen für die Vorbereitung von Investitionen, die Ausarbeitung von Dokumentationen zur Vorbereitung von Investitionsentscheidungen, die Erarbeitung der Ausführungsobjekte, die Lösung von Aufgaben des "Planes Wissenschaft und Technik", die Vorbereitung von Reparaturen und die Koordinierung von kooperierten Projektierungsleistungen. In einem engeren Sinn wurde unter Projektierung die Ausarbeitung des Investitionsprojekts (Ausführungsobjekts) verstanden (siehe Stichwort: Projektierungseinrichtung). Beide Definitionen zeigen deutlich die abgegrenzten Funktionsbereiche auf."

Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an.

Bei dem VEB IBE handelte es sich nach den Feststellungen des Senats nicht um ein (reines) Konstruktionsbüro. Vielmehr hatte der VEB IBE (noch) andere Aufgaben wahrzunehmen und war im Rahmen der angestrebten Privatisierung bereits konzeptionell auf ein erweitertes Angebot von Leistungen ausgerichtet. Dies ergibt sich zunächst aus dem Geschäftsbericht für das Jahr 1989. Danach hat der VEB IBE in der Vergangenheit insbesondere daran gearbeitet, "Produktionsprozesse in den Betrieben des örtlichen Bauwesens zu rationalisieren und für die Schwerpunkte des Industriezweiges Projekte der komplexen Rationalisierung und Automatisierung auszuarbeiten". Daneben waren eine Reihe administrativer Aufgaben zu lösen u.a. konzeptionelle Aufgaben für das kreisgeleitete Bauwesen, Leitfunktion und Rechentechnik für das kreisgeleitete Bauwesen, Leitstelle für Standardisierung und Information, Realisierung von Planungs- und Abrechnungsaufgaben im Auftrag des Bezirksbauamtes, Koordinierung der Baukapazitäten in Berlin, die durch den Bezirk Erfurt bereitgestellt wurden sowie Erzeugnisgruppentätigkeit für die Gewerke Fliesen und Fußböden. Im Jahr 1989 waren in diesem Bereich noch 55 Arbeitskräfte tätig. Bis zum 31. Dezember 1989 wurden im Rahmen einer Rationalisierungskonzeption der Aufbaustab Berlin sowie die Gruppe Kreise aus dem Ingenieurbüro ausgegliedert. Zugleich wurde damit begonnen, Mitarbeiter, die ausschließlich Aufgaben des Bezirksbauamtes Erfurt erfüllten, in den Rat des Bezirks Erfurt überzuleiten. Dies führte in diesem Bereich zu einer Reduzierung der Zahl der Arbeitskräfte um 21 Personen. Die inhaltliche Richtigkeit dieses Geschäftsberichts hat der Zeuge Dr. G. in seiner Vernehmung am 27. November 2006 bestätigt.

Wird die technisch-ökonomische Konzeption für das Jahr 1990 zugrunde gelegt, zeigt es sich, dass die Aufgaben der unterschiedlichen Bereiche des VEB IBE über reine Konstruktionsleistungen hinausgingen. Danach übernimmt der Bereich Konstruktion und Fertigung im Auftrag von Betrieben des Bauwesens und anderer Industriezweige komplexe Projektierungsleistungen zur Rationalisierung der Produktionsprozesse. Weiterhin bietet der Betrieb seine Leistungen zur Koordinierung des Gesamtvorhabens in der Phase der Ausführung bis zur schlüsselfertigen Übergabe der Anlagen an. Der Bereich Planung erstellt Planungen kompletter Anlagen oder Anlagenteile der unterschiedlichen Industriebranchen unter Nutzung spezifischer verfahrenstechnischer Zuarbeiten, Planungen für den Um- und Ausbau mittelständischer Unternehmen, Planungen für den Um- und Ausbau von Handwerksbetrieben sowie die Planung von Umweltschutzmaßnahmen. Der Bereich Konstruktion - Stahlbau - erstellt die Konstruktion von technologischem Stahlbau wie Gerüsten, Bühnen, Unterstützungskonstruktionen einschließlich Berechnung, die Konstruktion von Stahlbau für Fördereinrichtungen und speziellen Hebezeugen einschließlich Berechnung und Prüfung. Der Bereich allgemeiner Maschinenbau konstruiert Sondermaschinen und Verkettungseinrichtungen für die unterschiedlichsten Branchen, einschließlich Kraft- und Sicherungstechnik sowie die Projektierung von Hydraulik- und Pneumatikanlagen maschinengebunden oder einzeln. Der Bereich Koordinierungsleistungen erstellt vorbereitende Untersuchungen zur Planung wie Studien, Konzeptionen etc. als Entscheidungshilfe, übernimmt die Vorbereitungsmaßnahmen bei Investitionen und Erweiterungen, übernimmt die Koordinationsfunktion bei Vorbereitung, Durchführung und Übergabe von Investitionen im Sinne eines Generalauftragnehmers und erbringt Dienstleistungen im Sinne des Vertriebes für ausgewählte Unternehmen.

Der Hauptzweck des VEB IBE beschränkte sich am 30. Juni 1990 nicht auf die Erbringung von Konstruktionsleistungen nach den oben genannten Kriterien, sondern umfasste daneben die oben beschriebenen Projektierungsleistungen sowie weitere Leistungen. Insoweit kann der Einschätzung des Zeugen Dr. G., man müsse die Leistungen insgesamt richtigerweise als Konstruktionsleistungen bezeichnen, nicht gefolgt werden. Entscheidend ist die Umschreibung des Tätigkeitsfeldes des VEB IBE mit Projektierungs- Konstruktions- und sonstigen Leistungen, nicht die rechtliche Beurteilung des Zeugen.

Dass diese Konzeption bis zum Erlöschen des VEB IBE verfolgt wurde, ist auch aus § 2 des Gesellschaftsvertrages des Nachfolgebetriebes des VEB IBE - der Ingenieurbüro für Bauwesen E. GmbH -, der der Umwandlungserklärung vom 25. Juni 1990 beigefügt war, zu entnehmen. Gegenstand des Unternehmens war danach die bautechnische und haustechnische Planung für Wohn- Gesellschafts- und Industriebauten sowie Ingenieurbauten, Planungsleistungen für Stark- und Schwachstromanlagen, Entwicklung, Konstruktion und Fertigung von Sondermaschinen und Ausrüstungen, der Vertrieb und Service von Baumaschinen, die Information, Soft- und Hardwarevertrieb sowie Bürotechnikvertrieb und Vervielfältigungsleistungen.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) liegt gegenüber denjenigen, die in das Zusatzversorgungssystem einbezogen wurden, nicht vor. Denn der Einigungsvertragsgesetzgeber war nicht gehalten, bereits in den Versorgungsordnungen angelegte Ungleichbehandlungen nachträglich zu korrigieren (vgl. BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 – Az.: B 4 RA 21/02 R, nach juris). Er durfte an die am 2. Oktober 1990 vorliegenden Versorgungsordnungen im Rahmen der Rentenüberleitung anknüpfen (vgl. BVerfG in BVerfGE 100, S. 138, 193 f.).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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