L 6 SF 930/11 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 24 SF 51/09 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 930/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die anwaltliche Mitwirkung nach Nr. 1002 VV-RVG setzt regelmäßig eine qualifizierte besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus. Sie liegt weder bei einer bloßen Rücknahme eines eingelegten Rechtsbehelfs vor noch bei einer vollständigen Abhilfe der Behörde ohne besondere anwaltliche Aktivität (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - Az.: B 1 KR 23/06; BAG, Beschluss vom 29. März 2006 - Az.: 3 AZB 69/05).
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 10. Februar 2011 wird zurückgewiesen. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Altenburg streitig (Az.: S 24 AS 405/07, S 24 AS 2438/08).

Mit Bescheid vom 18. Januar 2007 gewährte die Beklagte, eine ARGE SGB II, der Klägerin und ihrem Sohn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 745,66 Euro, änderte auf den Widerspruch die Leistungen mit Bescheid vom 18. Januar 2007 ab (1. bis 31. Januar 2007: 803,43 Euro; 1. Februar bis 30. Juni 2007: 839,66 Euro) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Mit ihrer am 15. Februar 2007 erhobenen Klage (Az.: S 24 AS 405/07) wandte sich die Klägerin gegen den Abzug von 35 v.H. des täglichen Regelbedarfs wegen ersparter persönlicher Verpflegungsaufwendungen während der stationären Behandlung ihres Sohnes in der Zeit vom 1. bis 31. Januar 2007 (insgesamt 36,23 Euro). Mit Beschluss vom 18. Juni 2007 gewährte ihr das Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdeführerin ab 15. Februar 2007 und ordnete mit Beschluss vom 11. Oktober 2007 das Ruhen des Verfahrens wegen eines beim Bundessozialgericht (BSG) anhängigen Verfahrens mit gleicher Rechtsproblematik (Az.: B 14 AS 22/07 R) an.

Auf den Hinweis des Kammervorsitzenden vom 18. Juni 2008 zum entsprechenden Urteil des BSG übersandte die Beklagte ihren abgeänderten Bescheid vom 10. Juli 2008 und erklärte sich zur Übernahme der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach bereit. Das Sozialgericht nahm daraufhin das Klageverfahren wieder auf (Az.: 24 AS 2438/08). Unter dem 2. September 2009 nahm die Beschwerdeführerin für die Klägerin das Anerkenntnis an und erklärte die Hauptsache für erledigt.

In ihrer Kostenrechnung vom 21. Januar 2009 begehrte die Beschwerdeführerin die Festsetzung folgender Gebühren und ihre Erstattung aus der Staatskasse:

Verfahrensgebühr Nr. 3102-VV-RVG 250,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Erledigungsgebühr Nr. 1005, 1006-VV RVG 190,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV-RVG 5,00 Euro Zwischensumme 665,00 Euro Mehrwertsteuer 126,35 Euro Gesamtbetrag 791,35 Euro abzüglich erhaltene Zahlung 422,45 Euro zu zahlender Betrag 368,90 Euro

Die Beklagte wandte sich gegen die Höhe der Terminsgebühr und die Erledigungsgebühr. Mit Beschluss vom 2. März 2009 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der "Landeskasse" (richtig: Staatskasse) zu zahlende Vergütung wie folgt fest:

Verfahrensgebühr Nr. 3102-VV-RVG 250,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV-RVG 5,00 Euro Mehrwertsteuer 90,25 Euro Insgesamt 565,25 Euro noch zu zahlen 238,00 Euro

Diesen Betrag forderte sie bei der Beklagten an.

Gegen den Beschluss haben die Beschwerdeführerin, die Beklagte und der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt. Die Beschwerdeführerin hat unter Hinweis auf den Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 30. Juli 2008 - Az.: L 6 B 337/08 AS-KO vorgetragen, die Erledigungsgebühr nach den Nrn. 1006, 1005, 1002 VV-RVG erfordere kein besonderes Bemühen des Rechtsanwalts. Zudem habe das Thüringer LSG entschieden, dass die Erledigungserklärung des Rechtsanwalts bereits die Voraussetzungen des anwaltlichen Mitwirkens erfülle (vgl. Beschluss vom 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF). Die Beklagte hat gerügt, die UKB habe bei ihrer Anforderung nicht beachtet, dass sie bereits 95,20 Euro an die Beschwerdeführerin ausgezahlt habe; eine teilweise doppelte Erstattung komme nicht in Betracht. Die fiktive Terminsgebühr könne zudem nicht mit der Mittelgebühr honoriert werden. Angesichts des geringen hypothetischen Aufwands sei bei angenommenem Anerkenntnis die angemessene Gebühr von 90,00 Euro nochmals auf zwei Drittel des voraussichtlich angefallenen Betrages (= 60,00 Euro) zu korrigieren. Gleichwohl habe sie schon ein Anerkenntnis über 80,00 abgegeben. Der Beschwerdegegner hat ohne Begründung eine auf die Hälfte der Mittelgebühr gekürzte fiktive Terminsgebühr für angemessen erachtet.

Mit Beschluss vom 10. Februar 2011 hat das Sozialgericht Altenburg die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 446,25 Euro und die von der Beklagten zu erstattenden Kosten auf 446,25 Euro abzüglich bereits erstatteter 95,20 Euro festgesetzt, im Übrigen die Erinnerungen der Beschwerdeführerin und der Beklagten zurückgewiesen und die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Für die Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG sei die Mittelgebühr (250,00 Euro) angemessen. Umfang und Schwierigkeit der Anwaltstätigkeit seien als durchschnittlich, die Bedeutung des ersparten Verpflegungsaufwands für den Sohn angesichts des eingeschränkten Zeitraums und vergleichsweise geringen Betrags als gering unterdurchschnittlich einzuschätzen. Damit würden die weit unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht kompensiert. Ein besonderes Haftungsrisiko sei nicht ersichtlich. Für die fiktive Terminsgebühr sei angesichts des unterdurchschnittlichen Umfangs und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der gering unterdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit und der deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse ein Ansatz von 100,00 Euro angemessen. Nicht anzusetzen sei die Erledigungsgebühr Nr. 1006, 1005, 1002 VV-RVG, denn es fehle an einem besonderen kausalen (vgl. SG Berlin, Beschluss vom 6. März 2009 - Az.: S 164 SF 118/09) Bemühen der Beschwerdeführerin an einer unstreitigen Verfahrenserledigung. Dies sei nach dem Wortlaut und der Regelungssystematik des VV-RVG aber erforderlich.

Gegen den ihr am 17. Februar 2011 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 28. Februar 2011 Beschwerde eingelegt und sich zur Begründung auf den Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 30. Juli 2008 - Az.: L 6 B 337/08 AS-KO und den Senatsbeschluss vom 19. Juli 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF bezogen.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 10. Februar 2011 aufzuheben und die Vergütung auf 791,35 Euro festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Erinnerungsverfahren und den Beschluss des Sozialgerichts.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 5. Juli 2011) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt. Mit Beschluss vom 11. August 2011 hat der Senatsvorsitzende das Verfahren dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.

II.

Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B; 26. Januar 2009 - Az.: L 6 B 256/08 SF; 16. Januar 2009 - Az.: L 6 B 255/08 SF, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Der Klägerin wurde PKH gewährt. Sie war auch kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG).

Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs. 12 S. 1 RVG). Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF, 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF, 14. März 2001 - Az.: L 6 B 3/01 SF; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 73a Rdnr. 13 f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 RVG Rdnr. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006 – Az.: L 1 B 320/05 SF SK, nach juris); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

1. Der Senat hat keine Bedenken gegen die Ausführungen der Vorinstanz zur Festsetzung der Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG in Höhe der beantragten Mittelgebühr (250,00 Euro).

Beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist vor allem der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt im Vergleich mit den übrigen beim Sozialgericht anhängigen Verfahren (nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II) tatsächlich in der Sache betrieben hat und objektiv auf die Sache verwenden musste (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr 15). Mit acht teilweise sehr kurzen Schriftsätzen lag er im oberen Bereich eines durchschnittlichen Verfahrens. Der Senat stimmt der Vorinstanz auch zu, dass die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit allenfalls durchschnittlich und die Bedeutung des ersparten Verpflegungsaufwands angesichts der Höhe (36,23 Euro) für einen sehr eingeschränkten Zeitraum vom 1. bis 15. Januar 2007 als gering unterdurchschnittlich eingeschätzt wird. Hinsichtlich den deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und dem fehlenden besonderen Haftungsrisiko schließt sich der Senat den Ausführungen der Vorinstanz an. Einwendungen hat die Beschwerdeführerin insoweit nicht erhoben.

2. Bei der getrennt zu prüfenden Terminsgebühr (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 3. April 2009 - Az.: L 6 B 261/08 SF m.w.N.) beträgt der Betragsrahmen nach Nr. 3106 VV RVG 20,00 bis 380,00 Euro. Die von der Vorinstanz zuerkannte Gebühr von 100,00 Euro ist angesichts der Umstände durchaus angemessen. Insoweit übersteigen die beantragten Gebühren in der Höhe die tatsächlich zustehenden Gebühren um mehr als 20 v.H. Bei der fiktiven Terminsgebühr ist allerdings nicht darauf abzustellen, welchen Aufwand die mündliche Verhandlung hypothetisch verursacht hätte (so Bayerisches LSG, Beschluss vom 20. August 2010 - Az.: L 15 B 1007/08 SF; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 17. Juli 2008 - L 1 B 127/08 SK; SG Lüneburg, Beschluss vom 12. Mai 2009 - Az.: S 12 SF 56/09 E, alle nach juris), denn die voraussichtliche Dauer einer mündlichen Verhandlung ist in den meisten Fällen spekulativ (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Januar 2011 - Az.: L 6 SF 727/10 B). Die Praxis zeigt immer wieder Fälle, in denen die erwartete Dauer einer mündlichen Verhandlung nicht eingehalten werden kann. Dieses Problem kann nur dadurch vertretbar gelöst werden, dass bei der fiktiven Terminsgebühr der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit unberücksichtigt bleibt (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Januar 2011 - Az.: L 6 SF 727/10 B; SG Berlin, Beschluss vom 10. September 2007 - Az.: S 48 SB 2223/05, nach juris).

Der Senat stimmt der Vorinstanz zu, dass die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit (Annahme eines vollen Anerkenntnisses) weit unterdurchschnittlich war. Hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin, ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse und des Haftungsrisikos wird auf die Ausführungen zur Verhandlungsgebühr (1.) verwiesen.

3. Eine Erledigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 1006, 1005, 1002 VV-RVG kommt nicht in Betracht, denn der Rechtsstreit hat sich nicht "durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt", wie sie in der Erläuterung zu Nr. 1002 VV-RVG gefordert wird.

Die anwaltliche Mitwirkung nach Nr. 1002 VV-RVG setzt regelmäßig eine qualifizierte besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus (vgl. Senatsbeschluss vom 24. November 2010 - Az.: L 6 SF 653/10 B), denn Ziel der Einigungsgebühr ist es, die streitvermeidende oder -beendete Tätigkeit des Rechtanwalts zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken (BT-Drucks. 15/1971 S. 204). Sie liegt weder bei einer bloßen Rücknahme eines eingelegten Rechtsbehelfs vor noch bei einer vollständigen Abhilfe der Behörde ohne besondere anwaltliche Aktivität (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - Az.: B 1 KR 23/06; BAG, Beschluss vom 29. März 2006 - Az.: 3 AZB 69/05, beide nach juris). In seinem Urteil vom 7. November 2006 - Az.: B 1 KR 23/06 führt das BSG u.a. aus: "Die anwaltliche Mitwirkung muss vielmehr gerade kausal für die Erledigung der Rechtssache gewesen sein (so auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Februar 2006 - 2 O 223/05, juris RdNr 5; FG des Saarlandes, Beschluss vom 14. November 2005 - 2 S 335/05, juris RdNr 15 ). Bereits das Wort "Mitwirkung" bedeutet nach dem Sprachgebrauch in diesem Zusammenhang mehr als die bloße "Anwesenheit", "Einschaltung" oder "Hinzuziehung" eines Rechtsanwalts ( ähnlich: Hartmann, aaO, 1002 VV RVG RdNr 11 ) und erfordert deshalb ein auf die Erledigung der Rechtssache gerichtetes Tätigwerden, das über die reine Widerspruchseinlegung und -begründung hinausgeht. Nur in diese Auslegung fügt sich auch der Wortlaut der inhaltlich neuen Erläuterung zu Nr 1002 (Satz 2) VV RVG ein, die den unter Geltung der BRAGO noch nicht ausdrücklich geregelten Fall betrifft, dass sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt (Verpflichtungswiderspruch). Die Worte "Das Gleiche gilt" stellen klar, dass es für das Entstehen einer Erledigungsgebühr sowohl in einer Anfechtungssituation als auch bei einem Verpflichtungsrechtsbehelf auf die auf Erledigung gerichtete Mitwirkung des Anwalts ankommt. Nichts anderes kann für eine Verwaltungsentscheidung gelten, die einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) vorgelagert ist. bb) Die Regelungssystematik des VV RVG bestätigt das Erfordernis einer qualifizierten erledigungsgerichteten Mitwirkung des Rechtsanwalts. Die Erledigungsgebühr der Nr 1002 VV RVG befindet sich nämlich als dritter geregelter Fall der "allgemeinen Gebühren", die neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren stehen, in einem engen Regelungszusammenhang mit der Einigungsgebühr (Nr 1000 VV RVG) und der Aussöhnungsgebühr (Nr 1001 VV RVG). Die Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung des Anwalts beim Abschluss eines (streitbeendenden) Vergleichsvertrages vgl dazu zB BAG, Beschluss vom 29. März 2006 - 3 AZB 69/05, NJW 2006, 1997 ), die Aussöhnungsgebühr dann, wenn die anwaltliche Tätigkeit dazu geführt hat, dass sich scheidungswillige Eheleute aussöhnen und die eheliche Lebensgemeinschaft fortsetzen oder wieder aufnehmen. Auch in diesen anderen Fällen ist der Rechtsanwalt in einer Weise tätig geworden, die über die allgemeine Wahrnehmung verfahrensmäßiger bzw rechtlicher Interessen für seinen Mandanten hinausgeht und damit eine Entstehung neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren rechtfertigt. Für die Auslegung der Nr 1002 VV RVG und damit insoweit auch der Nr 1005 VV RVG hat dann Gleiches zu gelten. Auch der systematische Zusammenhang von Nr 1005 mit Nr 1006 VV RVG entsprechend dem von Nr 1002 VV RVG mit der Nr 1003 VV RVG zeigt, dass die anwaltliche Mitwirkung gerade auf die Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung gerichtet sein muss; denn sofern bereits ein gerichtliches Verfahren über eine Rechtssache anhängig ist, verringert sich danach die Gebühr nach Nr 1005 VV RVG. Die Erledigungsgebühr entsteht andererseits überhaupt nur dann, wenn es der an sich vom Rechtsuchenden begehrten streitigen Entscheidung des zuständigen Gerichts nicht bedarf. Trotz der Unterschiede zwischen gerichtlichem Verfahren und Widerspruchsverfahren kann daraus jedenfalls entnommen werden, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts primär auf eine nichtstreitige Erledigung gerichtet sein muss, um zu einer zusätzlichen Gebühr nach Nr 1005 VV RVG zu führen. Von einer solchen Form der Erledigung kann indessen nicht stets schon dann die Rede sein, wenn die Abhilfeentscheidung in erster Linie auf einen alsbaldigen Erkenntnisgewinn der Behörde im Rahmen ihrer gesetzlichen Pflicht zur Überprüfung der Sach- und Rechtslage (§ 78 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 SGG) zurückzuführen ist. cc) Sinn und Zweck von Nr 1005 VV RVG entspricht es ebenfalls allein, vom Rechtsanwalt eine besondere Mitwirkung bei der Erledigung der Rechtssache zu verlangen. Die Gebührentatbestände der Nr 1000 ff VV RVG sollen nämlich durch die erfolgende zusätzliche Honorierung die streitvermeidende Tätigkeit des Rechtsanwalts fördern und damit eine gerichtsentlastende Wirkung herbeiführen (vgl Entwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, BT-Drucks 15/1971 S 204 zu Nr 1002 VV; BAG NJW 2006, 1997, 1998 ). Nr 1005 VV RVG zielt vor diesem Hintergrund nicht schon darauf ab, Behörden durch das bloße Einschalten und Tätigwerden eines Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren zu einer Abhilfe-Entscheidung zu bewegen. Das erstmalige Auftreten eines Rechtsanwalts für den Widerspruchsführer wird in diesem Verfahrensstadium bereits durch die Gebühr nach Nr 2500 VV RVG abgegolten, das bloße Einlegen eines Widerspruchs bei vorrangegangener Tätigkeit im Verwaltungsverfahren durch die Gebühr nach Nr 2501 VV RVG. Dem Ziel der kostenmäßigen Begünstigung eines anwaltlichen Bemühens um die gütliche Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Behörde und Bürger wird regelmäßig ebenfalls nicht bereits dadurch genügt, dass der Widerspruch mit einer kurzen Begründung versehen ist. Abgesehen davon, dass der Rechtsanwalt seinem Mandanten gegenüber verpflichtet ist, ein Verfahren in jedem Stadium mit der gebotenen Sorgfalt zu betreiben (vgl Straßfeld, SGb 2005, 154, 158), lässt sich bei Einlegung und Begründung des Widerspruchs in der Regel noch nicht hinreichend überschauen, ob und in welcher Weise die Behörde vorgetragene Argumente aufnehmen und darauf reagieren wird."

Der Senat folgt dieser Ansicht, der sich im Übrigen weitere Senate des BSG (vgl. Urteile vom 9. Oktober 2010 - Az.: B 13 R 63/09 R, 5. Mai 2009 - Az.: B 13 R 137/08 R, 21. März 2007 - Az.: B 11a AL 53/06 R, nach juris) angeschlossen haben. Sie entspricht der Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschluss vom 12. Februar 2007 - Az.: III B 140/06, nach juris) und der überwiegenden Meinung in der Literatur (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, VV-RVG 1002 Rdnr. 38; Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 4. Auflage 2009, Nr. 1002 VV Rdnr. 17; Hartmann in Kostengesetze, 40. Auflage 2010, VV 1002 Rdnr. 9).

Fehl geht der Hinweis der Beschwerdeführerin auf den Senatsbeschluss vom 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF. Dort hatte der Senat eine besondere anwaltliche Mitwirkung bejaht, weil der Prozessbevollmächtigte auf den Kläger einwirkte, einen Vergleichsvorschlag anzunehmen und den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. In diesem Fall hat er also tatsächlich eine für die Erledigung ursächliche qualifizierte anwaltliche Tätigkeit bejaht. Die rein formelle Annahme eines Anerkenntnisses führt dagegen zwar zur Erledigung des Rechtsstreits, beinhaltet aber nicht die über die normale Prozessführung hinaus gehende qualifizierte Mitwirkung an der Erledigung (ebenso Bayerisches LSG, Beschluss vom 26. Januar 2011 - Az.: L 15 SF 169/10 B E; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. August 2010 - Az.: L 3 SF 6/09 E; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 5. Mai 2010 - Az.: 1 O 27/10; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - Az.: 12 E 1120/08, alle nach juris; Hartmann, Kostengesetze, 40. Auflage 2010, VV 1002 Rdnr. 14 "Erledigtanzeige").

Soweit das Sächsische Landessozialgericht in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Beschluss vom 30. Juli 2008 (Az.: L 6 B 337/08 AS-KO) für Nr. 1006, 1005 VV-RVG die Notwendigkeit einer qualifizierten Mitwirkung verneint, folgt der Senat dem nicht. Nr. 1005 VV-RVG verweist hinsichtlich der Definitionen ausdrücklich auf Nr. 1000 VV-RVG bzw. Nr. 1002 VV-RVG (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 26. Januar 2011 - Az.: L 15 SF 169/10 B E, nach juris). Dann kommt eine unterschiedliche Auslegung nicht in Betracht. Zu Recht verweist die Vorinstanz (unter Hinweis auf SG Berlin, Beschluss vom 6. März 2009 - Az.: S 164 SF 118/09, nach juris) darauf, dass es dann sowohl bei einem Anfechtungs- (Nr. 1002 VV-RVG Erläuterungen Satz 1) wie bei einem Verpflichtungsrechtsbehelf (Nr. 1002 VV-RVG Erläuterungen Satz 2) und konsequent auch bei der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage auf die qualifizierte Mitwirkung ankommt. Dass diese trotzdem auf das Widerspruchsverfahren zugeschnitten und nur dort, nicht aber im Klageverfahren erforderlich sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Schwierigkeiten bei der Feststellung der Mitwirkung können diese Auslegung nicht begründen und dürften im Übrigen in beiden Verfahren auftreten.

4. Keine Bedenken bestehen gegen die Auslagen- und Dokumentenpauschale (Nr. 7002 VV-RVG und 7000 VV-RVG). Zu erstatten ist auch die Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG).

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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