L 6 SF 929/11 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 24 SF 125/09 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 929/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Bei zwei Schriftsätzen liegt der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit deutlich unter dem Durchschnitt.

2. Die anwaltliche Mitwirkung nach Nr. 1005, 1002 VV-RVG setzt regelmäßig eine qualifizierte besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus (vgl. Thüringer LSG, Beschlüsse vom 16. August 2011 - Az.: L 6 SF 930/11 B und 24. November 2010 - Az.: L 6 SF 653/10 B). Sie liegt weder bei einer bloßen Rücknahme eines eingelegten Rechtsbehelfs vor noch bei einer vollständigen Abhilfe der Behörde ohne besondere anwaltliche Aktivität (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - Az.: B 1 KR 23/06 R; BAG, Beschluss vom 29. März 2006 - Az.: 3 AZB 69/05).
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 6. April 2011 wird zurückgewiesen. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Altenburg streitig (Az.: S 24 AS 4762/08).

Mit Bescheid vom 2. Oktober 2008 gewährte die Beklagte, eine ARGE SGB II, dem Kläger für die Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 2008 vorläufig Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen eines stationären Aufenthalts und wies nach Erlass eines Änderungsbescheides vom 26. November 2008 den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2008 zurück. Mit seiner am 18. Dezember 2008 erhobenen Klage wandte sich der von dem Beschwerdeführer vertretene Kläger gegen den Abzug von 35 v.H. des täglichen Regelbedarfs wegen ersparter persönlicher Verpflegungsaufwendungen und beantragte die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers. Mit Beschluss vom 20. Januar 2009 gewährte ihm das Sozialgericht Prozesskostenhilfe und ordnete Rechtsanwalt Dr. P.G. ab 22. Dezember 2008 bei. Mit Bescheid vom 14. Januar 2009 korrigierte die Beklagte die Einkommensanrechnung. Am 13. Februar 2009 nahm der Beschwerdeführer das Anerkenntnis der Beklagten an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.

Am 16. März 2009 reichte er seine Kostenrechnung vom 10. März 2009 ein und begehrte die Festsetzung folgender Gebühren und deren Überweisung:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 250,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 270,00 Euro Mehrwertsteuer 51,30 Euro Gesamtbetrag 321,30 Euro

Am 27. März 2009 nahm er den Antrag zurück und reichte seinen korrigierten Antrag vom 26. März 2009 ein:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 250,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 660,00 Euro Mehrwertsteuer 125,40 Euro Gesamtbetrag 785,40 Euro

Mit Beschluss vom 15. April 2009 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die aus der "Landeskasse" (richtig: Staatskasse) zu zahlende Vergütung auf 321,30 Euro fest. Zur Begründung gab sie an, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien unterdurchschnittlich, die Bedeutung der Angelegenheit durchschnittlich gewesen. Insofern sei eine Verfahrensgebühr mit 150,00 Euro angemessen. Unter Berücksichtigung des geringen Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit, der geringeren Schwierigkeit des Sachverhalts und der übrigen Bemessungskriterien sei die Terminsgebühr auf 100,00 Euro festzusetzen. Eine Einigungsgebühr komme mangels qualifizierter Mitwirkung nicht in Betracht.

Am 19. Mai 2010 hat der Beschwerdeführer "sofortige Beschwerde" eingelegt und ausgeführt, die Einigungsgebühr sei festzusetzen, weil er das Anerkenntnis der Beklagten mit dem Kläger besprochen habe und dieser ihm dann zugestimmt habe. Bei der fiktiven Terminsgebühr sei immer von der Mittelgebühr auszugehen. Der Beschwerdegegner hat unter dem 21. Juli 2009 beantragt, die Vergütung des nicht beigeordneten Beschwerdeführers auf 0,00 Euro festzusetzen; bei einer Abtretung des Anspruchs an den Beschwerdeführer verweise er auf die Ausführungen der UKB. Am 21. März 2011 hat der Beschwerdeführer eine Abtretungserklärung eingereicht, nach der Rechtsanwalt Dr. G. ihm seine Honorarforderung "in Höhe von 785,40 Euro" abtritt.

Mit Beschluss vom 6. April 2011 hat das Sozialgericht Altenburg die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 321,30 Euro festgesetzt und die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Verfahrensgebühr sei angesichts des unterdurchschnittlichen Umfangs und der allenfalls durchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der durchschnittlichen Bedeutung für den Auftraggeber, seiner unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und des fehlenden besonderen Haftungsrisikos auf 3/5 der Mittelgebühr (150,00 Euro) festzusetzen. Die Terminsgebühr betrage bei unterdurchschnittlichem anwaltlichen Aufwand und Schwierigkeit, durchschnittlicher Bedeutung für den Auftraggeber, unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und allenfalls durchschnittlichem Haftungsrisikos 100,00 Euro. Zu Recht sei die Erledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005, 1002 VV-RVG abgesetzt worden, denn es fehle an einem besonderen kausalen Bemühen der Beschwerdeführerin an einer unstreitigen Verfahrenserledigung. Bereits das Wort "Mitwirkung" bedeute nach dem Sprachgebrauch mehr als die bloße "Anwesenheit", "Einschaltung" oder "Hinzuziehung" des Rechtsanwalts und insofern ein Tätigwerden, das über die Klageeinreichung und -begründung hinausgehe. Die Regelungssystematik des RVG bestätige das Erfordernis der qualifizierten Mitwirkung des Rechtsanwalts. Die Annahme des Anerkenntnisses beinhalte kein besonderes Bemühen. Vielmehr sei die Tätigkeit der Beschwerdeführerin mit der fiktiven Terminsgebühr abgegolten. Damit ergebe sich folgende Berechnung:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 150,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 100,00 Euro Auslagenpauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV-RVG 51,30 Euro Gesamtbetrag 321,30 Euro

Gegen den am 15. April 2011 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 28. April 2011 "hinsichtlich der Erledigungsgebühr" Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, Mitwirkung bedeute ein Tätigwerden des Rechtsanwalts in Richtung auf den später erzielten Erfolg. Er habe nach Zugang des Anerkenntnisses eine Beratung mit dem Kläger gehabt, der dann nach ausführlicher Erörterung dem Anerkenntnis zugestimmt habe.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 6. April 2011 aufzuheben und die Vergütung auf 785,40 Euro festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf den Beschluss des Sozialgerichts, seinen Antrag vom 21. Juli 2009 und die Festsetzung vom 15. April 2009.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 5. Juli 2011) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt. Der Senatsvorsitzende hat das Verfahren am 31. August 2011 dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.

II.

Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B; 26. Januar 2009 - Az.: L 6 B 256/08 SF; 16. Januar 2009 - Az.: L 6 B 255/08 SF, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro und die Frist des §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 3 RVG ist gewahrt.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Dem Kläger wurde PKH gewährt. Er war auch kostenprivilegierter Beteiligter i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG).

Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs. 12 S. 1 RVG). Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF, 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF, 14. März 2001 - Az.: L 6 B 3/01 SF; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 73a Rdnr. 13 f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 RVG Rdnr. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006 – Az.: L 1 B 320/05 SF SK, nach juris); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Hier hat der Beschwerdeführer bei der Verfahrens- und Terminsgebühr die Toleranzgrenze überschritten; eine Einigungsgebühr steht ihm nicht zu.

1. Der Senat hat im Ergebnis keine Bedenken gegen die Festsetzung der Verfahrensgebühr § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 3102 VV-RVG durch die Vorinstanz in Höhe von 3/5 der Mittelgebühr (150,00 Euro). Der Beschwerdeführer hat insoweit auch keine Bedenken mehr geltend gemacht. Beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist vor allem der zeitliche Aufwand im Verfahren (auch vor der Beiordnung, vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 6. Juni 2011 - Az.: L 6 SF 159/11 B und 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B; ebenso Bayerisches LSG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - Az.: L 15 SF 303/09 B E; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. September 2008 - Az.: L 19 B 21/08 AS, beide nach juris) zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt im Vergleich mit den übrigen beim Sozialgericht anhängigen Verfahren (nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II) tatsächlich in der Sache betrieben hat und objektiv auf die Sache verwenden musste (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. August 2011 - Az.: L 6 SF 872/11 B und 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr 15). Mit zwei Schriftsätzen lag die anwaltliche Tätigkeit deutlich unter dem Durchschnitt. Deren Schwierigkeit war allenfalls durchschnittlich, die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II war durchschnittlich. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind deutlich unterdurchschnittlich und können nicht kompensiert werden. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich.

2. Bei der getrennt zu prüfenden Terminsgebühr (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 16. August 2011 - Az.: L 6 SF 930/11 B und 3. April 2009 - Az.: L 6 B 261/08 SF m.w.N.) beträgt der Betragsrahmen nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 3106 VV RVG 20,00 bis 380,00 Euro. Die von Rechtsanwalt Dr. G. an den Beschwerdeführer abgetretene Gebühr von 200,00 Euro ist angesichts der Umstände deutlich überhöht. Unter Berücksichtigung aller Umstände war allenfalls die zuerkannte Vergütung in Höhe von 100,00 Euro angemessen.

Abzustellen ist bei der fiktiven Terminsgebühr nach der Senatsrechtsprechung nicht auf den hypothetischen Verlauf, denn die voraussichtliche Dauer einer mündlichen Verhandlung ist in den meisten Fällen spekulativ und die Praxis zeigt immer wieder Fälle, in denen die erwartete Dauer einer mündlichen Verhandlung nicht eingehalten werden kann. Deshalb muss der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit unberücksichtigt bleiben (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. August 2011 - Az.: L 6 SF 930/11 B und 3. Januar 2011 - Az.: L 6 SF 727/10 B; SG Berlin, Beschluss vom 10. September 2007 - Az.: S 48 SB 2223/05, nach juris). Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit (Annahme eines vollen Anerkenntnisses) war hier weit unterdurchschnittlich, denn es musste nur die unproblematische Annahme eines vollen Anerkenntnisses überprüft werden. Hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse und das Haftungsrisikos wird auf die Ausführungen zur Verfahrensgebühr (1.) verwiesen.

3. Eine Erledigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 1006, 1005, 1002 VV-RVG kommt nicht in Betracht, denn der Rechtsstreit hat sich nicht "durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt", wie sie in der Erläuterung zu Nr. 1002 VV-RVG gefordert wird. Dies ist beim Anerkenntnis nicht möglich.

Die anwaltliche Mitwirkung nach Nr. 1002 VV-RVG setzt regelmäßig eine qualifizierte besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. August 2011 - Az.: L 6 SF 930/11 B und 24. November 2010 - Az.: L 6 SF 653/10 B), denn Ziel der Einigungsgebühr ist es, die streitvermeidende oder -beendete Tätigkeit des Rechtanwalts zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken (BT-Drucks. 15/1971 S. 204). Sie liegt weder bei einer bloßen Rücknahme eines eingelegten Rechtsbehelfs vor noch bei einer vollständigen Abhilfe der Behörde ohne besondere anwaltliche Aktivität (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - Az.: B 1 KR 23/06; BAG, Beschluss vom 29. März 2006 - Az.: 3 AZB 69/05, beide nach juris). In seinem Urteil vom 7. November 2006 - Az.: B 1 KR 23/06 führt das BSG u.a. aus:

"Die anwaltliche Mitwirkung muss vielmehr gerade kausal für die Erledigung der Rechtssache gewesen sein (so auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Februar 2006 - 2 O 223/05, juris RdNr 5; FG des Saarlandes, Beschluss vom 14. November 2005 - 2 S 335/05, juris RdNr 15 ). Bereits das Wort "Mitwirkung" bedeutet nach dem Sprachgebrauch in diesem Zusammenhang mehr als die bloße "Anwesenheit", "Einschaltung" oder "Hinzuziehung" eines Rechtsanwalts ( ähnlich: Hartmann, aaO, 1002 VV RVG RdNr 11 ) und erfordert deshalb ein auf die Erledigung der Rechtssache gerichtetes Tätigwerden, das über die reine Widerspruchseinlegung und -begründung hinausgeht. Nur in diese Auslegung fügt sich auch der Wortlaut der inhaltlich neuen Erläuterung zu Nr 1002 (Satz 2) VV RVG ein, die den unter Geltung der BRAGO noch nicht ausdrücklich geregelten Fall betrifft, dass sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt (Verpflichtungswiderspruch). Die Worte "Das Gleiche gilt" stellen klar, dass es für das Entstehen einer Erledigungsgebühr sowohl in einer Anfechtungssituation als auch bei einem Verpflichtungsrechtsbehelf auf die auf Erledigung gerichtete Mitwirkung des Anwalts ankommt. Nichts anderes kann für eine Verwaltungsentscheidung gelten, die einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) vorgelagert ist. bb) Die Regelungssystematik des VV RVG bestätigt das Erfordernis einer qualifizierten erledigungsgerichteten Mitwirkung des Rechtsanwalts. Die Erledigungsgebühr der Nr 1002 VV RVG befindet sich nämlich als dritter geregelter Fall der "allgemeinen Gebühren", die neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren stehen, in einem engen Regelungszusammenhang mit der Einigungsgebühr (Nr 1000 VV RVG) und der Aussöhnungsgebühr (Nr 1001 VV RVG). Die Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung des Anwalts beim Abschluss eines (streitbeendenden) Vergleichsvertrages vgl dazu zB BAG, Beschluss vom 29. März 2006 - 3 AZB 69/05, NJW 2006, 1997 ), die Aussöhnungsgebühr dann, wenn die anwaltliche Tätigkeit dazu geführt hat, dass sich scheidungswillige Eheleute aussöhnen und die eheliche Lebensgemeinschaft fortsetzen oder wieder aufnehmen. Auch in diesen anderen Fällen ist der Rechtsanwalt in einer Weise tätig geworden, die über die allgemeine Wahrnehmung verfahrensmäßiger bzw rechtlicher Interessen für seinen Mandanten hinausgeht und damit eine Entstehung neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren rechtfertigt. Für die Auslegung der Nr 1002 VV RVG und damit insoweit auch der Nr 1005 VV RVG hat dann Gleiches zu gelten. Auch der systematische Zusammenhang von Nr 1005 mit Nr 1006 VV RVG entsprechend dem von Nr 1002 VV RVG mit der Nr 1003 VV RVG zeigt, dass die anwaltliche Mitwirkung gerade auf die Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung gerichtet sein muss; denn sofern bereits ein gerichtliches Verfahren über eine Rechtssache anhängig ist, verringert sich danach die Gebühr nach Nr 1005 VV RVG. Die Erledigungsgebühr entsteht andererseits überhaupt nur dann, wenn es der an sich vom Rechtsuchenden begehrten streitigen Entscheidung des zuständigen Gerichts nicht bedarf. Trotz der Unterschiede zwischen gerichtlichem Verfahren und Widerspruchsverfahren kann daraus jedenfalls entnommen werden, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts primär auf eine nichtstreitige Erledigung gerichtet sein muss, um zu einer zusätzlichen Gebühr nach Nr 1005 VV RVG zu führen. Von einer solchen Form der Erledigung kann indessen nicht stets schon dann die Rede sein, wenn die Abhilfeentscheidung in erster Linie auf einen alsbaldigen Erkenntnisgewinn der Behörde im Rahmen ihrer gesetzlichen Pflicht zur Überprüfung der Sach- und Rechtslage (§ 78 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 SGG) zurückzuführen ist. cc) Sinn und Zweck von Nr 1005 VV RVG entspricht es ebenfalls allein, vom Rechtsanwalt eine besondere Mitwirkung bei der Erledigung der Rechtssache zu verlangen. Die Gebührentatbestände der Nr 1000 ff VV RVG sollen nämlich durch die erfolgende zusätzliche Honorierung die streitvermeidende Tätigkeit des Rechtsanwalts fördern und damit eine gerichtsentlastende Wirkung herbeiführen (vgl Entwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, BT-Drucks 15/1971 S 204 zu Nr 1002 VV; BAG NJW 2006, 1997, 1998 ). Nr 1005 VV RVG zielt vor diesem Hintergrund nicht schon darauf ab, Behörden durch das bloße Einschalten und Tätigwerden eines Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren zu einer Abhilfe-Entscheidung zu bewegen. Das erstmalige Auftreten eines Rechtsanwalts für den Widerspruchsführer wird in diesem Verfahrensstadium bereits durch die Gebühr nach Nr 2500 VV RVG abgegolten, das bloße Einlegen eines Widerspruchs bei vorrangegangener Tätigkeit im Verwaltungsverfahren durch die Gebühr nach Nr 2501 VV RVG. Dem Ziel der kostenmäßigen Begünstigung eines anwaltlichen Bemühens um die gütliche Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Behörde und Bürger wird regelmäßig ebenfalls nicht bereits dadurch genügt, dass der Widerspruch mit einer kurzen Begründung versehen ist. Abgesehen davon, dass der Rechtsanwalt seinem Mandanten gegenüber verpflichtet ist, ein Verfahren in jedem Stadium mit der gebotenen Sorgfalt zu betreiben (vgl Straßfeld, SGb 2005, 154, 158), lässt sich bei Einlegung und Begründung des Widerspruchs in der Regel noch nicht hinreichend überschauen, ob und in welcher Weise die Behörde vorgetragene Argumente aufnehmen und darauf reagieren wird."

Der Senat hat sich dieser Ansicht wie auch weitere Senate des BSG (vgl. Urteile vom 9. Oktober 2010 - Az.: B 13 R 63/09 R, 5. Mai 2009 - Az.: B 13 R 137/08 R, 21. März 2007 - Az.: B 11a AL 53/06 R, nach juris) bereits angeschlossen (vgl. Beschlüsse vom 19. August 2011 - Az.: L 6 SF 872/11 b und vom 16. August 2011 - Az.: L 6 SF 930/11 B) und hält daran fest. Sie entspricht zudem der Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschluss vom 12. Februar 2007 - Az.: III B 140/06, nach juris) und der überwiegenden Meinung in der Literatur (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, VV-RVG 1002 Rdnr. 38; Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 4. Auflage 2009, Nr. 1002 VV Rdnr. 17; Hartmann in Kostengesetze, 40. Auflage 2010, VV 1002 Rdnr. 9). Dem steht auch nicht der Senatsbeschluss vom 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF entgegen, wo der der Senat eine besondere anwaltliche Mitwirkung bejaht hatte, weil der Prozessbevollmächtigte auf den Kläger einwirkte, einen Vergleichsvorschlag anzunehmen und den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. In diesem Fall lag tatsächlich eine für die Erledigung ursächliche qualifizierte anwaltliche Tätigkeit vor. Die rein formelle Annahme eines Anerkenntnisses führt dagegen zwar zur Erledigung des Rechtsstreits, beinhaltet aber nicht die über die normale Prozessführung hinaus gehende qualifizierte Mitwirkung an der Erledigung (ebenso Bayerisches LSG, Beschluss vom 26. Januar 2011 - Az.: L 15 SF 169/10 B E; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. August 2010 - Az.: L 3 SF 6/09 E; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 5. Mai 2010 - Az.: 1 O 27/10; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - Az.: 12 E 1120/08, alle nach juris; Hartmann, Kostengesetze, 40. Auflage 2010, VV 1002 Rdnr. 14 "Erledigtanzeige"). Soweit das Sächsische Landessozialgericht in seinem Beschluss vom 30. Juli 2008 (Az.: L 6 B 337/08 AS-KO) für Nr. 1006, 1005 VV-RVG die Notwendigkeit einer qualifizierten Mitwirkung verneint, folgt der Senat dem nicht. Nr. 1005 VV-RVG verweist hinsichtlich der Definitionen ausdrücklich auf Nr. 1000 VV-RVG bzw. Nr. 1002 VV-RVG (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 26. Januar 2011 - Az.: L 15 SF 169/10 B E, nach juris). Dann kommt eine unterschiedliche Auslegung nicht in Betracht.

4. Keine Bedenken bestehen gegen die Auslagen- und Dokumentenpauschale (Nr. 7002 VV-RVG und 7000 VV-RVG). Zu erstatten ist die Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG).

Damit errechnet sich die Vergütung wie folgt:

Verfahrensgebühr Nr. 3102-VV-RVG 150,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 100,00 Euro Auslagenpauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Summe 270,00 Euro Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV-RVG 51,30 Euro Gesamtbetrag 321,30 Euro

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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