L 6 R 979/07

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 19 R 3363/04
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 979/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der VEB KIM Schweinezucht- und Mastkombinat Neustadt/Orla ist kein Produktionsbetrieb der Industrie. Sein Hauptzweck war nicht auf die industrielle, massenhafte und standadisierte Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern oder Bauleistungen ausgerichtet. Er ist auch kein gleichgestellter Betrieb. 2. Die Herstellung nach dem "fordistischen Produktionsmodell" (vgl. BSG, Urteil vom 23.August 2007 - Az. B 4 RS 3/06 R) erfordert ein Zusammensetzen von Baugruppen und Einzelteilen zu einem neuen Sachgut und eine Fließbandfertigung. 3. Eine Serienfertigung von schlachtreifen Tieren ist nicht möglich.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 31. Mai 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) nach § 8 AAÜG die Beschäftigungszeiten vom 12. August 1964 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.

Der 1943 geborene Kläger erwarb mit dem erfolgreichen Besuch der Ingenieurschule für Bau-und Straßenwesen C. das Recht, die Berufsbezeichnung Bauingenieur zu führen (Urkunde vom 31. Juli 1964). Seit dem 12. August 1964 bis zum 23. April 1972 war er in der Produktionsgenossenschaft des Bauhauptgewerbes "Aufbau" P. als Bauingenieur, vom 24. April 1972 bis zum 9. September 1975 als Bauingenieur bei dem VEB (K) Hoch- und Tiefbau und seit dem 16. September 1975 als Bauleiter Invest bei dem VEB Industrielle Mast Aufbauleitung SMZK, seit 1977 bei dem VEB Kombinat Industrielle Mast N., seit 1978 bis zum 30. Juni 1990 bei dem VEB KIM Schweinezucht- und Mastkombinat N. tätig.

Der VEB KIM Schweinezucht- und Mastkombinat (SZMK) N. wurde am 14. März 1978 in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen. Übergeordnetes Organ war die VVB Industrielle Tierproduktion, zuständiges Staatsorgan das Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft. Laut Eintragung vom 17. März 1983 erfolgte eine Umbenennung in VEB Schweinezucht und -mast N. Übergeordnetes Organ war das VE Kombinat Industrielle Tierproduktion B ... Der VEB wurde am 27. Juli 1990 von Amts wegen nach § 7 der Umwandlungsverordnung vom 1. März 1990 (GBl. I Nr. 14) gelöscht. Rechtsnachfolger war die Schweinezucht und -mast GmbH.

Eine Versorgungszusage erhielt der Kläger vor Schließung der Versorgungssysteme nicht. Vom 1. Mai 1985 bis 30. Juni 1990 entrichtete er Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR).

Im November 2003 beantragte er bei der Beklagten die Feststellung seiner Beschäftigungszeiten von August 1964 bis Juni 1990 als Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Mit Bescheid vom 8. April 2004 lehnte die Beklagte dies mit der Begründung ab, der Kläger habe am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung in einem volkseigenen oder gleichgestellten Betrieb ausgeübt. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2004 wies sie den Widerspruch zurück.

In der Sitzung des Sozialgerichts am 26. Februar 2007 hat der Kläger vorgetragen, im VEB habe eine Reproduktion des Tierbestandes stattgefunden. In 12 Stalllinien, die rund um die Uhr mit Arbeitskräften besetzt gewesen seien, sei die Ferkelzucht erfolgt. Von den insgesamt 900 Beschäftigten des Betriebes seien ca. 500 Mitarbeiter in der Tierproduktion tätig gewesen, davon in der Reproduktion ca. 2/3. Das weitere Drittel sei in der Mast der reproduzierten Ferkel eingesetzt gewesen. Die Mast sei in fünf Stalllinien mit jeweils ca. 8.000 Schweinen erfolgt. Insgesamt hätten sich ca. 100.000 Tiere in der Anlage befunden. Sie sei die größte derartige Anlage in der DDR gewesen. Die technischen Anlagen seien von 200 Arbeitskräften instand gehalten worden. Darüber hinaus habe es die Bereiche Verwaltung und Sozialbereich (ca. 100 Arbeitnehmer), Technik mit Heizwerk, Ratiomittelabteilung, Fuhrpark (ca. 200 Arbeitnehmer einschließlich Elektriker und Schlosser) sowie Bau und Invest (ca. 60 Arbeitnehmer) gegeben.

Mit Urteil vom 31. Mai 2007 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 8. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Dezember 2004 abgeändert und die Beklagte verurteilt, die Beschäftigungszeit vom 12. August 1964 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der faktischen Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung der technischen Intelligenz anzuerkennen, die während dessen erzielten Arbeitsentgelte und sonstigen Sachverhalte im Sinne des AAÜG zu ermitteln, durch Bescheid festzustellen und dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zu übermitteln. Der Kläger habe seit dem 31. Juli 1964 die Berechtigung besessen, den Ingenieurtitel zu führen und sei zuletzt als Bauleiter entsprechend seiner Ausbildung tätig gewesen. Sein Beschäftigungsbetrieb sei durch die industriell organisierte Schweinezucht (Reproduktion) und Schweinemast geprägt gewesen. Diese seien nach der Beschreibung des Klägers und dem vorgelegten Bildmaterial in industriellem Maßstab betrieben worden. Die arbeitsteilig durchorganisierte Reproduktion und Mast habe dazu geführt, dass das Lebendvieh in gleicher Weise zur Sache geworden sei, wie die Ausgangsstoffe einer industriellen Güterfertigung, sodass dem Umstand, dass hier Lebewesen gezüchtet und Lebendfleisch durch die Aufzucht hergestellt wurde, keine Bedeutung beizumessen ist, weil es auf die arbeitsteilige Produktionsorganisation ankomme. Für die Annahme der industriellen Produktion könne es letztendlich keinen Unterschied machen, ob das Produkt ein lebender Organismus oder leblose Materie sei. Entscheidend seien auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Organisationsform des Arbeitsprozesses und damit die für diesen Bereich möglichen Produktivitätsgewinne.

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger erfülle nicht die betrieblichen Voraussetzungen des Versorgungssystems. Der VEB Schweinezucht und -mast N. sei weder ein Industriebetrieb noch ein Betrieb des Bauwesens gewesen, sondern ein Betrieb der Landwirtschaft, was durch die Zuordnung der Wirtschaftsgruppe 31320 in die Systematik der Volkswirtschaftszweige dokumentiert sei. Eine Produktion im Sinne des fordistischen Produktionsmodells liege nicht vor. Allein eine Massenaufzucht lasse die Tiere nicht zum industriellen Sachgut werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 31. Mai 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung beruft er sich in der Hauptsache auf das Urteil der Vorinstanz. Ergänzend weist der Kläger darauf hin, dass in dem VEB bis zu 180.000 Schweine untergebracht waren. Die Stallungen hätten sich dabei als komplexe Tierreproduktionsanlage auf einer Fläche von 65 Hektar befunden. Diese habe auch Nebeneinrichtungen zur Wärme-, Warmwasser- und Energieversorgung, Be- und Entwässerung, dreistufigen Gülleaufbereitung sowie soziale Einrichtungen zur Versorgung und Betreuung der Beschäftigten gehabt. Weiterhin hätten sich dort ein umfangreicher Fuhrpark für den Personen- und Güterverkehr, Elektro- und Schlosserwerkstätten sowie eine funktionierende Materialversorgung, eine starke Berufsausbildung, eigene Bauabteilungen mit nahezu allen Gewerken sowie eine Kindertagesstätte, ein Arzt und eine Zahnarztpraxis befunden. Darüber hinaus sei der Betrieb am Bau von Wohnungen und Einfamilienhäusern, von Fernwasserleitungen und anderen Einrichtungen für umliegende Ortschaften beteiligt gewesen. Die industrielle Produktion zeige sich auch anhand der unterschiedlichen Fütterungstechnologien sowie dem fehlenden Anbau von Fütterungsmitteln. Die Sach- und Güterfertigung habe in der industriellen Mast und Schweinezucht bestanden, deren Produkt sei industriell erzeugtes schlachtreifes Vieh gewesen sei. Er überreicht die Veröffentlichung der Autoren Prof. Dr. P. und R. P. "VEB Schweinezucht und -mast N. (SZM) - eine agrarhistorische Datensicherung für einen Betrieb der industriemäßigen Schweineproduktion".

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Beschäftigungszeit vom 12. August 1964 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einschließlich der in diesem Zeitraum nachgewiesenen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte nach § 8 Abs. 2 und 3 AAÜG feststellt. Das AAÜG ist auf ihn nicht anwendbar.

Vom persönlichen Anwendungsbereich nach der maßgeblichen Norm des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG werden die Versorgungsberechtigungen (Ansprüche oder Anwartschaften) erfasst, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deshalb eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten.

Der Kläger erfüllt beide Voraussetzungen nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht. Er war bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden war, liegt nicht vor. Er hatte keine positive Statusentscheidung der Beklagten und oder eine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrags (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakts erhalten. Er war auch nicht auf Grund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen worden.

Er war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft, wie sie sich aus der vom 4. Senat des Bundessozialgerichts vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG herleitet. Danach ist bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht in einem Versorgungssystem einbezogen waren und die nachfolgend auch nicht aufgrund originären Bundesrechts (z. B. Art. 17 EV) einbezogen wurden, zu prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 9. April 2002 - Az.: B 4 RA 31/01 R, Az.: B 4 RA 41/01, Az.: B 4 RA 3/02 R, BSG, Urteil vom 10. April 2002 - Az.: B 4 RA 34/01 R - Az.: B 4 RA 10/02 R, nach juris).

Der Kläger hat am 1. August 1991 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (nachfolgend ZAVO-techInt, GBl. der DDR Nr. 93 (S. 844)) nicht erfüllt. Dies ist nur dann der Fall, wenn nach § 1 ZAVO-techInt i.V.m. § 1 Abs. 1 der 2. DB z. ZAVO-techInt drei Voraussetzungen erfüllt sind: Der "Versorgungsberechtigte" muss am 30. Juni 1990 eine bestimmte Berufsbezeichnung (persönliche Voraussetzung) und eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und die Tätigkeit oder Beschäftigung muss am 30. Juni 1990 bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens verrichtet worden sein (betriebliche Voraussetzung – BSG, Urteile vom 29. Juli 2004 – Az.: B 4 RA 4/04 R, 18. Juni 2003 - Az.: B 4 RA 1/03 R; ebenso z.B.: BSG, Urteil vom 9. April 2002 –Az.: B 4 RA 32/01 R und vom 10. April 2002 – Az.: B 4 RA 10/02 R, alle nach juris).

Mit Erwerb des Ingenieurtitels am 31. Juli 1964 erfüllte der Kläger ab diesem Zeitpunkt die persönliche Voraussetzung. Es kann auch unterstellt werden, dass er als Bauleiter eine seiner Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtet hat (vgl. hierzu, BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - Az.: B 4 RS 17/07 R).

Er war jedoch am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens tätig, weil der Hauptzweck des VEB Schweinezucht und -mast N. nicht in der industriellen Fertigung von Sachgütern bestand (vgl. zu einem Rindermastbetrieb Senatsentscheidung vom 3. März 2009 - Az.: L 6 R 344/07, nach juris). Die Zuordnung eines VEB zur industriellen Produktion (bzw. zum hier nicht in Betracht kommenden Bauwesen) hängt entscheidend davon ab, welche Aufgabe ihm das Gepräge gegeben hat. Der verfolgte Hauptzweck (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – Az.: B 4 RA 18/03 R, nach juris) des VEB muss nach dem Urteil des BSG vom 9. April 2002 (Az.: B 4 RA 41/01 R, nach juris) auf die industrielle, massenhafte und standardisierte Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern oder Bauleistungen ausgerichtet gewesen sein. Dort hat das BSG u.a. ausgeführt: "Diese Begrenzung auf industrielle Produktionsbetriebe erklärt sich zum Zeitpunkt des Erlasses der VO-AVItech und der 2. DB in den Jahren 1950/51 aus der besonderen Bedeutung, die dieser Sektor der Volkswirtschaft für den Aufbau einer zentralen Planwirtschaft nach Ende des 2. Weltkrieges in der sowjetischen Besatzungszone bzw der späteren DDR hatte. Eine solche Planwirtschaft setzte voraus, dass sich zumindest die Grundindustrien in staatlicher Hand befanden. Denn die sozialistische Wirtschaft wurde vor allem als Industriewirtschaft verstanden. Die Erhöhung des Anteils der Industrieproduktion am Nationaleinkommen war eines der erklärten Ziele. Angestrebt wurde die Herstellung der Erzeugnisse auf der Basis industrieller Massenproduktion entsprechend dem fordistischen Produktionsmodell. Der Massenausstoß standardisierter Produkte schien in besonderem Maße den Bedingungen der sozialistischen Planwirtschaft zu entsprechen und hohe Produktivitätsgewinne zu garantieren. Diesem Ziel diente von Anfang an nach der Kapitulation die Enteignungsgesetzgebung, insbesondere in der Industrie. Sie schaffte den benötigten staatlichen Sektor, der die Durchführung planmäßiger Leitungsmaßnahmen ermöglichen sollte (vgl hierzu: Ziesche, Die Rechtsstellung des VEB in der DDR seit 1945, aaO, S 4 ff; Roesler, Wirtschafts- und Industriepolitik, in: Herbst/Stephan/Winkler (Hrsg), Die SED - Geschichte, Organisation, Politik -, Dietz Verlag, Berlin 1997, S 277, 279 ff). Die überragende Bedeutung, die dem volkseigenen Sektor der Industrie beigemessen wurde, erklärt somit, warum gerade in diesem Bereich den qualifizierten Fachkräften ein besonderer Beschäftigungsanreiz ua durch Errichtung eines Zusatzversorgungssystems geboten wurde (zum Anreiz durch Lohnerhöhung vgl Senatsurteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 18/01 R, zur Veröffentlichung vorgesehen)."

Der Begriff Produktion in der Versorgungsordnung bestimmt sich also vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der Versorgungsordnung, durch versorgungsrechtliche Privilegierung bestimmter Personengruppen in bestimmten Bereichen der DDR-Volkswirtschaft abgegrenzte Teile der Wirtschaft, nämlich die industrielle Produktion, zu fördern (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 21. Juni 2007 - Az.: L 30 R 28/06 und 29. August 2006 - Az.: L 21 RA 231/03, beide nach juris). Von der Versorgungsordnung wurden nur ausgewählte Betriebe im Bereich des Wirtschaftslebens der ehemaligen DDR erfasst. Zur Produktion gehört nur die engere industrielle Produktion zur Herstellung standardisierter Massenprodukte. Dies ergibt sich aus § 22 Abs. 1 S. 1 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Produktionsbetriebe vom 9. Februar 1967 (GBl. II Nr. 21 S. 121), wonach ein Produktionsbetrieb im Rahmen der Festlegungen des übergeordneten Organs und mit dessen Unterstützung seine Produktionsstruktur so zu gestalten hatte, dass eine rationelle Produktion besonders der Haupterzeugnisse mit hoher Qualität, in großen Serien und nach modernen Fertigungsprinzipien erfolgte.

An einer solchen Produktion fehlt es hier. Bei einer Tierzucht und -mast liegt weder die notwendige "Herstellung" noch eine "Serienfertigung" vor. Die Hauptaufgabe des Betriebes bestand in der Aufzucht und Mast von Schweinen (ca. 100.000 Tiere) bis zur Schlachtreife. Die Tiere wurden gefüttert und getränkt, mit Medikamenten versorgt; die Exkremente wurden entsorgt. Die zu mästenden Tiere wurden nicht "hergestellt", also zusammengesetzt oder geformt, sondern aufgezogen. Erst recht erfolgte keine Herstellung nach dem "fordistischen Produktionsmodell", dem eine stark standardisierte Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen zugrunde liegt (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 - Az. B 4 RS 3/06 R, nach juris). Dieses Modell ist nach dem Unternehmer Henry Ford (1863 - 1947) benannt, der Anfang des 20. Jahrhunderts die Fließbandfertigung in seinen Automobilwerken einführte. Dabei hatte jeder Arbeiter nur eine kleine immer gleiche Aufgabe auszuführen, z.B. musste er eine einzige Schraube in wenigen Sekunden montieren. Typisch für diese Produktionsmethode sind am Fließband das Ineinandergreifen aller Teile eines "Baukastensystems" und die strikte Trennung von Kopf- und Handarbeit (vgl. Ahlfeldt / Becker, Henry Ford und die Massenproduktion, Revolution in der Automobilindustrie www.uni-kl.de/FB-SoWi/FG-Soziologie/download/seminararbeiten).

Wie die Beklagte zur Recht vorträgt, erfordert das "fordistische Produktionsmodell" zum einen ein Zusammensetzen von Baugruppen und Einzelteilen zu einem neuen Sachgut, zum anderen eine Fließbandfertigung, ungeachtet der genauen Ausgestaltung. An beidem fehlt es hier, denn die Aufzucht von Tieren selbst mit größtmöglichem Technikeinsatz, die die Vorinstanz aufgrund der Angaben des Klägers angenommen hat, beinhaltet weder ein Zusammensetzen von Teilen noch eine irgendwie geartete Fließbandproduktion.

Im Übrigen fehlt es an der Serienfertigung von schlachtreifen Tieren. Serienfertigung ist eine Art der industriellen Fertigung, bei der eine bestimmte Anzahl gleichartiger Erzeugnisse (Serie) gleichzeitig oder nacheinander hergestellt wird (vgl. lexikon.meyers.de/wissen/Serienfertigung). Eine bestimmte Anzahl gleichartiger schlachtreifer Tiere können nicht hergestellt werden.

Der VEB Schweinezucht und -mast N. war auch kein den Produktionsbetrieben gleichgestellter Betrieb nach § 1 Abs. 2 der 2. DB z. ZAVO-techInt, weil dort Tiermastbetriebe nicht ausdrücklich genannt werden. Die Liste der aufgezählten gleichgestellten Einrichtungen ist abschließend (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – Az.: B 4 RA 23/04 R, nach juris).

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) liegt gegenüber denjenigen, die in das Zusatzversorgungssystem einbezogen wurden, nicht vor. Denn der Einigungsvertragsgesetzgeber war nicht gehalten, bereits in den Versorgungsordnungen angelegte Ungleichbehandlungen nachträglich zu korrigieren (vgl. BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 – Az.: B 4 RA 21/02 R, nach juris). Er durfte an die am 2. Oktober 1990 vorliegenden Versorgungsordnungen im Rahmen der Rentenüberleitung anknüpfen (vgl. BVerfG in BVerfGE 100, S. 138, 193 f.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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