Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 27 RA 3682/04
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 1341/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der VEB Geräte- und Reglerwerk Leipzig war kein volkseigener Produktionsbetrieb der industriellen Produktion, weil sein Hauptzweck nicht auf die massenhafte und standardisierte Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion (sog. fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern ausgerichtet war.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 27. September 2007 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte den Zeitraum vom 1. Juli 1972 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) nach Anlage 1 Nr. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.
Der 1943 geborene Kläger erwarb mit Ingenieururkunde vom 10. Juli 1972 den Ingenieurtitel in der Fachrichtung Betriebsmess-, Steuerungs- und Regelungstechnik an der Friedrich-Schiller-Universität J. und war im streitgegenständlichen Zeitraum zunächst als Abteilungsleiter der technischen Kontrollorganisation und später als Leiter der technischen Kontrollorganisation im VEB Geräte- und Reglerwerk L. beschäftigt. Eine Versorgungszusage erhielt er vor Schließung der Versorgungssysteme nicht. Er zahlte Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) seit dem 1. Januar 1977 bis 1.200,00 Mark im Monat.
Seinen Antrag vom 16. Dezember 2003, der im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens gestellt wurde, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Juli 2004 ab. Hiergegen legte der Kläger am 30. Juli 2004 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2004 zurückgewiesen wurde.
Mit seiner vor dem Sozialgericht Gotha erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe bis zum 30. Juli 1990 in einem Produktionsbetrieb gearbeitet. Die Voraussetzungen zur Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der AVItech seien erfüllt. Das Sozialgericht hat u.a. folgende Unterlagen beigezogen: Auszüge aus dem Register der Volkseigenen Wirtschaft nebst Gründungsstatut und Umwandlungserklärung zum VEB Geräte- und Reglerwerk Leipzig sowie Handelsregister betreffend des Rechtsnachfolgers Gebäude- und Prozessautomatisation E. GmbH, Anweisung zur Gründung des VEB Geräte- und Reglerwerk L. vom 18. Oktober 1983, Auszug aus den Unterlagen der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR, Gründungsbericht zur Gründung der Geräte- und Reglerwerk L. GmbH mit der Darstellung des Geschäftsverlaufs 1989/1988, Information über den VEB Geräte- und Reglerwerk T. vom 30. November 1972, Statut des Kombinat VEB Geräte- und Reglerwerke Teltow und eine Festschrift zum 25jährigen Bestehen des VEB Geräte- und Reglerwerk L ...
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. September 2007 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger sei eine Versorgungszusage nicht in Form eines bindend gewordenen Verwaltungsaktes erteilt worden. Er erfülle auch nicht die Voraussetzungen eines fiktiven bundesrechtlichen Anspruchs auf Erteilung einer Zusage gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts insbesondere sei die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt, weil der Kläger weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen sei. Er sei am 23. Mai 1990 und damit auch am 30. Juli 1990 bei der Vor-GmbH beschäftigt gewesen, sodass er zum Stichtag 30. Juni 1990 nicht mehr bei einem volkseigenen Betrieb beschäftigt gewesen sei. Darüber hinaus sei nicht nachgewiesen, dass es sich bei dem VEB Geräte- und Reglerwerk L. um einen Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung gehandelt habe.
Mit seiner am 2. Dezember 2007 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, der VEB Geräte- und Reglerwerk L. sei ein Produktionsbetrieb gewesen. Er habe fünf Berufe und auch nach 1990 eine Reihe exponierter Qualifikationen nachzuweisen. Er erhalte nur 720,00 EUR Netto-Rente, was seiner Stellung im Betrieb nicht gerecht werde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 27. September 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. Juli 1972 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, der VEB Geräte- und Reglerwerk L. habe nicht zu den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben im Sinne der Versorgungsordnung gehört. Hierfür spreche die Einordnung des Betriebes in die Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR. Der VEB Geräte- und Reglerwerk L. sei auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne der Zweiten Durchführungsbestimmung zur AVItech.
Der Kläger hat die Gründungsurkunde des Gebäude- und Prozessautomation Erfurt GmbH vorgelegt und eine eidesstattliche Erklärung des H.-J. K. vom 7. April 2005 eingereicht. Die Berichterstatterin des Senats hat in den Erörterungsterminen vom 7. September 2009 und 18. Januar 2010 die Zeugen Horst Schubert und H.-J. K. vernommen. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Niederschriften (Bl. 278 ff., Blatt 301 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Beschäftigungszeiten vom 1. Juli 1972 bis 30. Juli 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einschließlich der in diesem Zeitraum nachgewiesenen tatsächlich erzielten Entgelte feststellt. Das AAÜG ist auf ihn nicht anwendbar.
Vom persönlichen Anwendungsbereich nach der maßgeblichen Norm des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG werden die Versorgungsberechtigungen (Ansprüche oder Anwartschaften) erfasst, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deshalb eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten.
Der Kläger erfüllt jedoch beide Voraussetzungen nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht. Er war bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungs¬anwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden war, liegt nicht vor. Er hatte weder eine Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrags (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakts erhalten noch ist er auf Grund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der AVItech einbezogen worden. Auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG ist nicht erfüllt. Ein Anwendungsfall einer gesetzlich fingierten Anwartschaft ist nicht schon dann gegeben, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund einer Beschäftigung in der DDR zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 30. Juni 1990 die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt hatte; vielmehr muss der Betroffene nach den Regeln des Versorgungs¬systems tatsächlich einbezogen worden und nach erfolgter Einbeziehung später ausgeschieden sein (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 – Az.: B 4 RA 12/04 R, nach juris). Nach § 3 Abs. 5 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl. der DDR Nr. 62 (S. 487)) erfolgte die Erteilung einer Versorgungszusage ausschließlich durch Aushändigung eines "Dokuments über die zusätzliche Altersversorgung". Eine solche Urkunde ist dem Kläger nicht ausgehändigt worden. Mangels Einbeziehung konnte er nicht aus einem Versorgungssystem in diesem Sinne ausscheiden.
Der Kläger war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten Versorgungs¬anwartschaft, wie sie sich aus der vom 4. Senat des Bundessozialgerichts vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG herleitet. Danach ist bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht in einem Versorgungssystem einbezogen waren und die nachfolgend auch nicht aufgrund originären Bundesrechts (z. B. Art. 17 EV) einbezogen wurden, zu prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungs¬zusage gehabt hätten (vgl. BSG, Urteile vom 9. April 2002 – Az.: B 4 RA 31/01 R, Az.: B 4 RA 41/01 R, Az.: B 4 RA 3/02 R, BSG, Urteile vom 10. April 2002 - Az.: B 4 RA 34/01 R und Az.: B 4 RA 10/02 R, nach juris).
Er erfüllte am 1. August 1991 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. der DDR Nr. 93 (S. 844)) nicht. Dies ist nur dann der Fall, wenn nach § 1 AVItech i. V. m. § 1 Abs. 1 der 2. DB zur AVItech drei Voraussetzungen erfüllt sind: Der "Versorgungsberechtigte" muss am 30. Juni 1990 eine bestimmte Berufsbezeichnung geführt (persönlichen Voraussetzung) und eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und die Tätigkeit oder Beschäftigung muss am 30. Juni 1990 bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens verrichtet worden sein (betriebliche Voraussetzung – BSG, Urteile vom 29. Juli 2004 – Az.: B 4 RA 4/04 R, 18. Juni 2003 – Az.: B 4 RA 1/03 R; ebenso z. B.: BSG, Urteil vom 9. April 2002 – Az.: B 4 RA 32/01 R und vom 10. April 2002 – Az.: B 4 RA 10/02 R, alle nach juris).
Mit Erwerb des Ingenieurtitels im Juli 1972 ist die persönliche Voraussetzung gegeben. Ob der Kläger mit seiner Tätigkeit als Leiter bzw. Abteilungsleiter der technischen Kontrollorganisation die sachliche Voraussetzung erfüllt, kann dahingestellt bleiben, weil jedenfalls die betriebliche Voraussetzung nicht gegeben ist. Er war nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie und des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb im Sinne der Versorgungsordnung beschäftigt.
Die Zuordnung eines VEB zur industriellen Produktion (bzw. zum hier nicht in Betracht kommenden Bauwesen) hängt entscheidend davon ab, welche Aufgabe ihm das Gepräge gegeben hat. Der verfolgte Hauptzweck (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – Az.: B 4 RA 18/03 R, nach juris) des VEB muss auf die industrielle, massenhafte und standardisierte Fertigung, Fabrikation, Herstellung beziehungsweise Produktion (sog. fordistisches Produktions¬modell) von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein. Aus diesem Grund ist allein die Tätigkeit in einem solchen Massenproduktionsbetrieb von besonderer volkswirtschaftlicher Bedeutung gewesen und hat die durch die AVItech bezweckte Privilegierung der technischen Intelligenz in solchen Betrieben gerechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juni 2004 – Az.: B 4 RA 57/03 R, nach juris).
Unter Berücksichtigung dieser vom BSG aufgestellten Grundsätze und der Auswertung sämtlicher vorliegender Unterlagen war Gegenstand des VEB Geräte und Reglerwerk L. nicht, zumindest nicht überwiegend, die Massenproduktion von Sachgütern.
Sein Hauptzweck bzw. die Hauptproduktion bestand nicht in der Massenproduktion von Sachgütern, sondern in der Projektierung, Konstruktion und Montage von BMSR-Anlagen, vorwiegend für die chemische Industrie und den Bezirken L., H., E. und S ...
Der VEB Geräte- und Reglerwerk L. war seit 1. Januar 1984 bis zu seiner Löschung ein eigenständiger und rechtlich selbständiger Betrieb innerhalb des Kombinatsbetriebs Kombinat Automatisierungsanlagenbau Berlin. Maßgeblich für die Einordnung und Bewertung, ob die betriebliche Voraussetzung gegeben ist, ist der verfolgte Hauptzweck des verselbständigten Betriebes VEB Geräte- und Reglerwerk L ...
Nach der Eintragung im Register der volkseigenen Wirtschaft vom 5. Dezember 1983 wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1984 der VEB Geräte- und Reglerwerk L. gegründet. Dies erfolgte durch eine Ausgliederung der Betriebsteile L., P. und den Außenstellen D., E. und K.-M.-St. aus dem VEB Geräte- und Reglerwerk T ... Später kam nach der Zeugenerklärung des Betriebsdirektors H.-J. K. noch der Betriebsteil K. hinzu. Laut Löschungsverfügung vom 11. August 1990 wurde schließlich in der Spalte 6 vermerkt "von Amts wegen gelöscht" sowie in Spalte 5 unter Buschstabe a "die Rechtsfähigkeit des VEB Geräte- und Reglerwerk L. Sitz: 7027 L. erlischt mit Wirkung vom 6. August 1990" und unter Buchstabe c "Rechtsnachfolge Geräte- und Reglerwerk L. GmbH". Die Geräte- und Reglerwerk L. GmbH wurde am 7. August 1990 in das Handelsregister eingetragen. Hieraus wurde dann mit Gesellschaftsvertrag vom 5. Oktober 1990 die Gebäude- und Prozessautomation E. GmbH ausgegliedert. Der Kläger war im gesamten streitigen Zeitraum im VEB Geräte- und Reglerwerk L., Betriebsteil E., beschäftigt. Nach der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR war er als Reparatur- und Montagebetrieb der Mess-, Steuer- und Regelungstechnik und damit nicht als Produktionsbetrieb eingeordnet.
Entsprechend dem Statut des Kombinates VEB Geräte- und Reglerwerk T. von 1973 oblagen dem VEB Geräte- und Reglerwerk L. mit seinem Betriebsteil E. insbesondere: - die Entwicklung, Projektierung, Lieferung, Montage, Inbetriebnahme und Übergabe von Automatisierungsanlagen, entsprechend den Festlegungen über die Fachbereichsspezialisierung und territoriale Zuständigkeit, - die Entwicklung und Produktion von Geräten für Automatisierungsanlagen und Direktverkauf, - die Realisierung der bilanzierten Importe von Projektierungsleistungen und für Montageleistungen, - die Vorbereitung und den Abschluss sowie Koordinierung und Realisierung von Verträgen für den Import von Automatisierungsanlagen und - die Durchführung des Kundendienstes sowie die Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Konsumgütern.
Dieser Betriebszweck änderte sich auch nach der Verselbständigung im Jahr 1984 nicht wesentlich. Nach der Festschrift zum 25jährigen Bestehen des VEB Geräte- und Reglerwerk L. aus dem Jahr 1989 waren zu diesem Zeitpunkt neben dem allgemeinen Automatisierungsanlagenbau die Gebäudeautomation, der Gewächshausautomatisierung, Lagerhallenregelung, Verkehrssteuerung und industrielle Flammenüberwachung Produkte des Betriebes. Daneben stellte der Betrieb im Rahmen der Konsumgüterproduktion Stereo-Verstärker und Qualitätsgartengeräte her.
Nach dem Gründungsbericht zur Gründung des Geräte- und Reglerwerkes L. GmbH vom Mai 1990 wurde die Hauptproduktion zu diesem Zeitpunkt mit dem Anlagenbau im Bereich der chemischen Industrie, Kraftwerke und andere Bereiche bezeichnet. Daneben gab es den Komplex Gebäudeautomation, die Produktionslinie Verkehrsleitsysteme sowie Verkehrssteuerungen. Fortgeführt wurde ebenso die Konsumgüterproduktion im Bereich von Hifi-Verstärkern und Gartengeräten. Nach dem Lagebericht für das Geschäftsjahr 1989 des VEB Geräte- und Reglerwerk L. war die Chemieindustrie mit zirka 50 v.H. Auslastung der Kapazitäten des Betriebes der Hauptpartner.
Der Zeuge K. hat diese Einschätzung am 18. Januar 2010 bestätigt. Danach waren für die Entwicklung und den Bau der BMSR-Anlagen ungefähr 40 v.H. der Mitarbeiter des Betriebes tätig. Der Umsatz des Betriebes belief sich er bei einem Gesamtumsatzvolumen von 350 bis 400 Millionen Mark im Jahr auf ca. 200 bis 250 Millionen Mark.
Eine überwiegende Produktion im Sinne eines fordistischen Produktionsmodells lag damit nicht vor. Bei den BMSR-Anlagen handelte es sich um hoch komplexe, auf die speziellen Kundenwünsche abgestellte Anlagen. Eine serienmäßige Fertigung erfolgte nicht. Zwar wurden serienmäßig hergestellte Einzelteile, wie Schaltschränke und Leiterplatten verwendet; auch gab es typisierte Schaltschränke, die je nach Bedarf und Kundenwunsch zu einer komplexen Anlage zusammengesetzt wurden. Das Endprodukt des Betriebes, die Automatisierungsanlage, war jedoch eine spezielle, am Kundenwunsch orientierte und von Monteuren des Betriebes aufgestellte Anlage. Wegen ihrer Komplexität konnten sie nicht in hoher Stückzahl gefertigt werden.
Bei den Bereichen Gebäudeautomation, Herstellung von Gewächshausanlagen und Herstellung von Verkehrsleitsystemen handelte es sich ebenfalls nicht um eine Produktion im Sinne eines fordistischen Produktionsmodells. Nach der Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Betriebes war die Gebäudeautomation speziell für verschiedene Großanlagen wie Hotels und Krankenhäusern angelegt. Für sie musste zunächst eine Planung bzw. Projektierung erfolgen. Nach den Angaben des Zeugen K. erfolgte diese Projektierung durch einen anderen Betrieb, der dann die entsprechenden Schaltschränke angefordert hat. Eine serienmäßige Produktion von Automatisierungsanlagen war nicht möglich. Der Senat verkennt nicht, dass durch die eigene Herstellung der erforderlichen Bestandteile der Schaltschränke eine gewisse serienmäßige Vorproduktion erforderlich war. Das eigentliche Endprodukt war jedoch die komplexe Gebäudeautomation, die individuell angefertigt wurde.
Hinsichtlich der Herstellung von Gewächshausanlagen beziehungsweise -automationen sind nach den Angaben des Zeugen K. nur zirka 60 dieser Anlagen im Jahr gebaut und verkauft worden. Hierbei handelt es sich ebenfalls um Großanlagen, die auf spezielle Bestellung hergestellt wurden. Die Flammenüberwachung für Kraftwerke machte nach seiner Zeugenaussage einen geringen Teil der Produktion aus. Es wurden nur zirka 200 Stück pro Jahr hergestellt. Bereits diese geringen Stückzahlen zeigen, dass es sich ebenfalls nicht um eine Produktion im Sinne des fordistischen Produktionsmodells handelte.
Die Verkehrsleitsysteme wurden auf spezielle Anforderung nach der Projektierung entwickelt und hergestellt und zwar nach den Angaben des Zeugen K. in der Größenordnung von ca. 200 Systemen im Jahr. Die notwendigen Bestandteile wurden selbst hergestellt. Die Art der Herstellung und die Stückzahl schließen die erforderliche Massenproduktion aus.
Die Verteilung der Arbeitskräfte spricht ebenfalls gegen eine überwiegende Produktion in diesem Sinn. Nach den schriftlichen Angaben des Zeugen K. vom 1. Februar 1007 in einem gleichgelagerten Verfahren vor dem Sächsischen Landessozialgerichts verteilten sich die Mitarbeiterzahlen wie folgt: Betriebsteil E. mit 309 Mitarbeitern, Betriebsteil K.-M.-St. mit 226 Mitarbeitern, Betriebsteil B. K. mit 348 Mitarbeitern, Betriebsteil P. mit zirka 140 Mitarbeitern, Betriebsteil D. mit zirka 200 Mitarbeitern. Die restlichen Mitarbeiter waren im Hauptwerk in L. beschäftigt. Dort unterstanden dem Direktor für Produktion und Materialwirtschaft zirka 1.000 Mitarbeiter. Nach den Angaben des Zeugen K. im Erörterungstermin vom 18. Januar 2010 produzierten davon im fordistischen Produktionsmodell zirka 300 Mitarbeiter, vielleicht auch 350 Mitarbeiter. Hinzu kommen die Mitarbeiter des Betriebsteils B. K., wo ausschließlich Schaltschränke und Gartengeräte serienmäßig produziert wurden. Insgesamt stellten also zirka 700 von insgesamt ca. 3.500 Mitarbeitern im Sinne eines fordistischen Produktionsmodells Produkte her.
Im Betriebsteil E. fand nach den Angaben des Zeugen H. Sch. keine fordistische Produktion statt. Er beschäftigte sich überwiegend mit dem Anlagenbau im Sinne einer Projektierung, Entwicklung und Aufstellung von großen Automatisierungsanlagen. Ebenso verhält es sich in den Betriebsteilen D. und K.-M.-St ... Im Betreibsteil P. wurde überwiegend nur projektiert.
Soweit der Zeuge Kästner behauptet, der Betrieb habe zu ca. 60 v.H. "produziert", legt er hierbei einen anderen, für den Senat nicht relevanten, Produktionsbegriff zugrunde. Im Hinblick auf die in der Präambel zur AVItech zum Ausdruck gekommene Zielsetzung des Versorgungssystems war allein die Beschäftigung in einem Betrieb, der die Massenproduktion im Bereich der Industrie oder des Bauwesens zum Gegenstand hatte, von Bedeutung für die Einbeziehung in die Versorgung. Dem lag das so genannte fordistische Produktionsmodell zu Grunde, das auf stark standardisierter Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen basierte. Der Massenausstoß standardisierter Produkte sollte hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft ermöglichen (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 - Az. B 4 RS 3/06 R, nach juris). Diesem Produktionsbegriff wird die beschriebene Art der Herstellung der einzelnen Produkte im VEB Geräte- und Reglerwerk nicht gerecht.
Insofern ist es bedeutungslos, dass es sich bei den Endprodukten des Betriebes um zum Teil hoch spezialisierte Ingenieurleistungen handelte. Die Versorgungsordnung der AVItech stammt aus dem Jahre 1950. Zum Zeitpunkt ihrer Entstehung kam es im Wesentlichen auf die Aufnahme und das Fortbestehen einer dauerhaften Massenproduktion der Industrie und im Bauwesen in der DDR an. Danach wurde sie nicht fortentwickelt, so dass neue Schwerpunkte in der Industrie auf besondere Ingenieurleistungen sich in der Versorgungsordnung nicht widerspiegeln. Ihre Auslegung durch die Staatsorgane und deren Verwaltungspraxis in der DDR spielt keine Rolle (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2002 – Az.: B 4 RA 41/01 R, nach juris).
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Artikels 3 des Grundgesetzes liegt gegenüber denjenigen, die in das Zusatzversorgungssystem einbezogen wurden, nicht vor. Soweit die Beklagte in der Vergangenheit entsprechende Einbeziehungen aufgrund eines vermeintlichen Anspruchs durch die Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundessozialgerichts vorgenommen hat, erfolgten diese zu Unrecht. Daraus kann jedoch der Kläger selbst keinen Anspruch auf eine ebenfalls rechtwidrige Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der AVItech herleiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte den Zeitraum vom 1. Juli 1972 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) nach Anlage 1 Nr. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.
Der 1943 geborene Kläger erwarb mit Ingenieururkunde vom 10. Juli 1972 den Ingenieurtitel in der Fachrichtung Betriebsmess-, Steuerungs- und Regelungstechnik an der Friedrich-Schiller-Universität J. und war im streitgegenständlichen Zeitraum zunächst als Abteilungsleiter der technischen Kontrollorganisation und später als Leiter der technischen Kontrollorganisation im VEB Geräte- und Reglerwerk L. beschäftigt. Eine Versorgungszusage erhielt er vor Schließung der Versorgungssysteme nicht. Er zahlte Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) seit dem 1. Januar 1977 bis 1.200,00 Mark im Monat.
Seinen Antrag vom 16. Dezember 2003, der im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens gestellt wurde, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Juli 2004 ab. Hiergegen legte der Kläger am 30. Juli 2004 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2004 zurückgewiesen wurde.
Mit seiner vor dem Sozialgericht Gotha erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe bis zum 30. Juli 1990 in einem Produktionsbetrieb gearbeitet. Die Voraussetzungen zur Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der AVItech seien erfüllt. Das Sozialgericht hat u.a. folgende Unterlagen beigezogen: Auszüge aus dem Register der Volkseigenen Wirtschaft nebst Gründungsstatut und Umwandlungserklärung zum VEB Geräte- und Reglerwerk Leipzig sowie Handelsregister betreffend des Rechtsnachfolgers Gebäude- und Prozessautomatisation E. GmbH, Anweisung zur Gründung des VEB Geräte- und Reglerwerk L. vom 18. Oktober 1983, Auszug aus den Unterlagen der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR, Gründungsbericht zur Gründung der Geräte- und Reglerwerk L. GmbH mit der Darstellung des Geschäftsverlaufs 1989/1988, Information über den VEB Geräte- und Reglerwerk T. vom 30. November 1972, Statut des Kombinat VEB Geräte- und Reglerwerke Teltow und eine Festschrift zum 25jährigen Bestehen des VEB Geräte- und Reglerwerk L ...
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. September 2007 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger sei eine Versorgungszusage nicht in Form eines bindend gewordenen Verwaltungsaktes erteilt worden. Er erfülle auch nicht die Voraussetzungen eines fiktiven bundesrechtlichen Anspruchs auf Erteilung einer Zusage gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts insbesondere sei die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt, weil der Kläger weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen sei. Er sei am 23. Mai 1990 und damit auch am 30. Juli 1990 bei der Vor-GmbH beschäftigt gewesen, sodass er zum Stichtag 30. Juni 1990 nicht mehr bei einem volkseigenen Betrieb beschäftigt gewesen sei. Darüber hinaus sei nicht nachgewiesen, dass es sich bei dem VEB Geräte- und Reglerwerk L. um einen Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung gehandelt habe.
Mit seiner am 2. Dezember 2007 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, der VEB Geräte- und Reglerwerk L. sei ein Produktionsbetrieb gewesen. Er habe fünf Berufe und auch nach 1990 eine Reihe exponierter Qualifikationen nachzuweisen. Er erhalte nur 720,00 EUR Netto-Rente, was seiner Stellung im Betrieb nicht gerecht werde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 27. September 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. Juli 1972 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, der VEB Geräte- und Reglerwerk L. habe nicht zu den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben im Sinne der Versorgungsordnung gehört. Hierfür spreche die Einordnung des Betriebes in die Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR. Der VEB Geräte- und Reglerwerk L. sei auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne der Zweiten Durchführungsbestimmung zur AVItech.
Der Kläger hat die Gründungsurkunde des Gebäude- und Prozessautomation Erfurt GmbH vorgelegt und eine eidesstattliche Erklärung des H.-J. K. vom 7. April 2005 eingereicht. Die Berichterstatterin des Senats hat in den Erörterungsterminen vom 7. September 2009 und 18. Januar 2010 die Zeugen Horst Schubert und H.-J. K. vernommen. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Niederschriften (Bl. 278 ff., Blatt 301 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Beschäftigungszeiten vom 1. Juli 1972 bis 30. Juli 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einschließlich der in diesem Zeitraum nachgewiesenen tatsächlich erzielten Entgelte feststellt. Das AAÜG ist auf ihn nicht anwendbar.
Vom persönlichen Anwendungsbereich nach der maßgeblichen Norm des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG werden die Versorgungsberechtigungen (Ansprüche oder Anwartschaften) erfasst, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deshalb eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten.
Der Kläger erfüllt jedoch beide Voraussetzungen nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht. Er war bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungs¬anwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden war, liegt nicht vor. Er hatte weder eine Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrags (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakts erhalten noch ist er auf Grund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der AVItech einbezogen worden. Auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG ist nicht erfüllt. Ein Anwendungsfall einer gesetzlich fingierten Anwartschaft ist nicht schon dann gegeben, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund einer Beschäftigung in der DDR zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 30. Juni 1990 die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt hatte; vielmehr muss der Betroffene nach den Regeln des Versorgungs¬systems tatsächlich einbezogen worden und nach erfolgter Einbeziehung später ausgeschieden sein (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 – Az.: B 4 RA 12/04 R, nach juris). Nach § 3 Abs. 5 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl. der DDR Nr. 62 (S. 487)) erfolgte die Erteilung einer Versorgungszusage ausschließlich durch Aushändigung eines "Dokuments über die zusätzliche Altersversorgung". Eine solche Urkunde ist dem Kläger nicht ausgehändigt worden. Mangels Einbeziehung konnte er nicht aus einem Versorgungssystem in diesem Sinne ausscheiden.
Der Kläger war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten Versorgungs¬anwartschaft, wie sie sich aus der vom 4. Senat des Bundessozialgerichts vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG herleitet. Danach ist bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht in einem Versorgungssystem einbezogen waren und die nachfolgend auch nicht aufgrund originären Bundesrechts (z. B. Art. 17 EV) einbezogen wurden, zu prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungs¬zusage gehabt hätten (vgl. BSG, Urteile vom 9. April 2002 – Az.: B 4 RA 31/01 R, Az.: B 4 RA 41/01 R, Az.: B 4 RA 3/02 R, BSG, Urteile vom 10. April 2002 - Az.: B 4 RA 34/01 R und Az.: B 4 RA 10/02 R, nach juris).
Er erfüllte am 1. August 1991 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. der DDR Nr. 93 (S. 844)) nicht. Dies ist nur dann der Fall, wenn nach § 1 AVItech i. V. m. § 1 Abs. 1 der 2. DB zur AVItech drei Voraussetzungen erfüllt sind: Der "Versorgungsberechtigte" muss am 30. Juni 1990 eine bestimmte Berufsbezeichnung geführt (persönlichen Voraussetzung) und eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und die Tätigkeit oder Beschäftigung muss am 30. Juni 1990 bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens verrichtet worden sein (betriebliche Voraussetzung – BSG, Urteile vom 29. Juli 2004 – Az.: B 4 RA 4/04 R, 18. Juni 2003 – Az.: B 4 RA 1/03 R; ebenso z. B.: BSG, Urteil vom 9. April 2002 – Az.: B 4 RA 32/01 R und vom 10. April 2002 – Az.: B 4 RA 10/02 R, alle nach juris).
Mit Erwerb des Ingenieurtitels im Juli 1972 ist die persönliche Voraussetzung gegeben. Ob der Kläger mit seiner Tätigkeit als Leiter bzw. Abteilungsleiter der technischen Kontrollorganisation die sachliche Voraussetzung erfüllt, kann dahingestellt bleiben, weil jedenfalls die betriebliche Voraussetzung nicht gegeben ist. Er war nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie und des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb im Sinne der Versorgungsordnung beschäftigt.
Die Zuordnung eines VEB zur industriellen Produktion (bzw. zum hier nicht in Betracht kommenden Bauwesen) hängt entscheidend davon ab, welche Aufgabe ihm das Gepräge gegeben hat. Der verfolgte Hauptzweck (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – Az.: B 4 RA 18/03 R, nach juris) des VEB muss auf die industrielle, massenhafte und standardisierte Fertigung, Fabrikation, Herstellung beziehungsweise Produktion (sog. fordistisches Produktions¬modell) von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein. Aus diesem Grund ist allein die Tätigkeit in einem solchen Massenproduktionsbetrieb von besonderer volkswirtschaftlicher Bedeutung gewesen und hat die durch die AVItech bezweckte Privilegierung der technischen Intelligenz in solchen Betrieben gerechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juni 2004 – Az.: B 4 RA 57/03 R, nach juris).
Unter Berücksichtigung dieser vom BSG aufgestellten Grundsätze und der Auswertung sämtlicher vorliegender Unterlagen war Gegenstand des VEB Geräte und Reglerwerk L. nicht, zumindest nicht überwiegend, die Massenproduktion von Sachgütern.
Sein Hauptzweck bzw. die Hauptproduktion bestand nicht in der Massenproduktion von Sachgütern, sondern in der Projektierung, Konstruktion und Montage von BMSR-Anlagen, vorwiegend für die chemische Industrie und den Bezirken L., H., E. und S ...
Der VEB Geräte- und Reglerwerk L. war seit 1. Januar 1984 bis zu seiner Löschung ein eigenständiger und rechtlich selbständiger Betrieb innerhalb des Kombinatsbetriebs Kombinat Automatisierungsanlagenbau Berlin. Maßgeblich für die Einordnung und Bewertung, ob die betriebliche Voraussetzung gegeben ist, ist der verfolgte Hauptzweck des verselbständigten Betriebes VEB Geräte- und Reglerwerk L ...
Nach der Eintragung im Register der volkseigenen Wirtschaft vom 5. Dezember 1983 wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1984 der VEB Geräte- und Reglerwerk L. gegründet. Dies erfolgte durch eine Ausgliederung der Betriebsteile L., P. und den Außenstellen D., E. und K.-M.-St. aus dem VEB Geräte- und Reglerwerk T ... Später kam nach der Zeugenerklärung des Betriebsdirektors H.-J. K. noch der Betriebsteil K. hinzu. Laut Löschungsverfügung vom 11. August 1990 wurde schließlich in der Spalte 6 vermerkt "von Amts wegen gelöscht" sowie in Spalte 5 unter Buschstabe a "die Rechtsfähigkeit des VEB Geräte- und Reglerwerk L. Sitz: 7027 L. erlischt mit Wirkung vom 6. August 1990" und unter Buchstabe c "Rechtsnachfolge Geräte- und Reglerwerk L. GmbH". Die Geräte- und Reglerwerk L. GmbH wurde am 7. August 1990 in das Handelsregister eingetragen. Hieraus wurde dann mit Gesellschaftsvertrag vom 5. Oktober 1990 die Gebäude- und Prozessautomation E. GmbH ausgegliedert. Der Kläger war im gesamten streitigen Zeitraum im VEB Geräte- und Reglerwerk L., Betriebsteil E., beschäftigt. Nach der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR war er als Reparatur- und Montagebetrieb der Mess-, Steuer- und Regelungstechnik und damit nicht als Produktionsbetrieb eingeordnet.
Entsprechend dem Statut des Kombinates VEB Geräte- und Reglerwerk T. von 1973 oblagen dem VEB Geräte- und Reglerwerk L. mit seinem Betriebsteil E. insbesondere: - die Entwicklung, Projektierung, Lieferung, Montage, Inbetriebnahme und Übergabe von Automatisierungsanlagen, entsprechend den Festlegungen über die Fachbereichsspezialisierung und territoriale Zuständigkeit, - die Entwicklung und Produktion von Geräten für Automatisierungsanlagen und Direktverkauf, - die Realisierung der bilanzierten Importe von Projektierungsleistungen und für Montageleistungen, - die Vorbereitung und den Abschluss sowie Koordinierung und Realisierung von Verträgen für den Import von Automatisierungsanlagen und - die Durchführung des Kundendienstes sowie die Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Konsumgütern.
Dieser Betriebszweck änderte sich auch nach der Verselbständigung im Jahr 1984 nicht wesentlich. Nach der Festschrift zum 25jährigen Bestehen des VEB Geräte- und Reglerwerk L. aus dem Jahr 1989 waren zu diesem Zeitpunkt neben dem allgemeinen Automatisierungsanlagenbau die Gebäudeautomation, der Gewächshausautomatisierung, Lagerhallenregelung, Verkehrssteuerung und industrielle Flammenüberwachung Produkte des Betriebes. Daneben stellte der Betrieb im Rahmen der Konsumgüterproduktion Stereo-Verstärker und Qualitätsgartengeräte her.
Nach dem Gründungsbericht zur Gründung des Geräte- und Reglerwerkes L. GmbH vom Mai 1990 wurde die Hauptproduktion zu diesem Zeitpunkt mit dem Anlagenbau im Bereich der chemischen Industrie, Kraftwerke und andere Bereiche bezeichnet. Daneben gab es den Komplex Gebäudeautomation, die Produktionslinie Verkehrsleitsysteme sowie Verkehrssteuerungen. Fortgeführt wurde ebenso die Konsumgüterproduktion im Bereich von Hifi-Verstärkern und Gartengeräten. Nach dem Lagebericht für das Geschäftsjahr 1989 des VEB Geräte- und Reglerwerk L. war die Chemieindustrie mit zirka 50 v.H. Auslastung der Kapazitäten des Betriebes der Hauptpartner.
Der Zeuge K. hat diese Einschätzung am 18. Januar 2010 bestätigt. Danach waren für die Entwicklung und den Bau der BMSR-Anlagen ungefähr 40 v.H. der Mitarbeiter des Betriebes tätig. Der Umsatz des Betriebes belief sich er bei einem Gesamtumsatzvolumen von 350 bis 400 Millionen Mark im Jahr auf ca. 200 bis 250 Millionen Mark.
Eine überwiegende Produktion im Sinne eines fordistischen Produktionsmodells lag damit nicht vor. Bei den BMSR-Anlagen handelte es sich um hoch komplexe, auf die speziellen Kundenwünsche abgestellte Anlagen. Eine serienmäßige Fertigung erfolgte nicht. Zwar wurden serienmäßig hergestellte Einzelteile, wie Schaltschränke und Leiterplatten verwendet; auch gab es typisierte Schaltschränke, die je nach Bedarf und Kundenwunsch zu einer komplexen Anlage zusammengesetzt wurden. Das Endprodukt des Betriebes, die Automatisierungsanlage, war jedoch eine spezielle, am Kundenwunsch orientierte und von Monteuren des Betriebes aufgestellte Anlage. Wegen ihrer Komplexität konnten sie nicht in hoher Stückzahl gefertigt werden.
Bei den Bereichen Gebäudeautomation, Herstellung von Gewächshausanlagen und Herstellung von Verkehrsleitsystemen handelte es sich ebenfalls nicht um eine Produktion im Sinne eines fordistischen Produktionsmodells. Nach der Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Betriebes war die Gebäudeautomation speziell für verschiedene Großanlagen wie Hotels und Krankenhäusern angelegt. Für sie musste zunächst eine Planung bzw. Projektierung erfolgen. Nach den Angaben des Zeugen K. erfolgte diese Projektierung durch einen anderen Betrieb, der dann die entsprechenden Schaltschränke angefordert hat. Eine serienmäßige Produktion von Automatisierungsanlagen war nicht möglich. Der Senat verkennt nicht, dass durch die eigene Herstellung der erforderlichen Bestandteile der Schaltschränke eine gewisse serienmäßige Vorproduktion erforderlich war. Das eigentliche Endprodukt war jedoch die komplexe Gebäudeautomation, die individuell angefertigt wurde.
Hinsichtlich der Herstellung von Gewächshausanlagen beziehungsweise -automationen sind nach den Angaben des Zeugen K. nur zirka 60 dieser Anlagen im Jahr gebaut und verkauft worden. Hierbei handelt es sich ebenfalls um Großanlagen, die auf spezielle Bestellung hergestellt wurden. Die Flammenüberwachung für Kraftwerke machte nach seiner Zeugenaussage einen geringen Teil der Produktion aus. Es wurden nur zirka 200 Stück pro Jahr hergestellt. Bereits diese geringen Stückzahlen zeigen, dass es sich ebenfalls nicht um eine Produktion im Sinne des fordistischen Produktionsmodells handelte.
Die Verkehrsleitsysteme wurden auf spezielle Anforderung nach der Projektierung entwickelt und hergestellt und zwar nach den Angaben des Zeugen K. in der Größenordnung von ca. 200 Systemen im Jahr. Die notwendigen Bestandteile wurden selbst hergestellt. Die Art der Herstellung und die Stückzahl schließen die erforderliche Massenproduktion aus.
Die Verteilung der Arbeitskräfte spricht ebenfalls gegen eine überwiegende Produktion in diesem Sinn. Nach den schriftlichen Angaben des Zeugen K. vom 1. Februar 1007 in einem gleichgelagerten Verfahren vor dem Sächsischen Landessozialgerichts verteilten sich die Mitarbeiterzahlen wie folgt: Betriebsteil E. mit 309 Mitarbeitern, Betriebsteil K.-M.-St. mit 226 Mitarbeitern, Betriebsteil B. K. mit 348 Mitarbeitern, Betriebsteil P. mit zirka 140 Mitarbeitern, Betriebsteil D. mit zirka 200 Mitarbeitern. Die restlichen Mitarbeiter waren im Hauptwerk in L. beschäftigt. Dort unterstanden dem Direktor für Produktion und Materialwirtschaft zirka 1.000 Mitarbeiter. Nach den Angaben des Zeugen K. im Erörterungstermin vom 18. Januar 2010 produzierten davon im fordistischen Produktionsmodell zirka 300 Mitarbeiter, vielleicht auch 350 Mitarbeiter. Hinzu kommen die Mitarbeiter des Betriebsteils B. K., wo ausschließlich Schaltschränke und Gartengeräte serienmäßig produziert wurden. Insgesamt stellten also zirka 700 von insgesamt ca. 3.500 Mitarbeitern im Sinne eines fordistischen Produktionsmodells Produkte her.
Im Betriebsteil E. fand nach den Angaben des Zeugen H. Sch. keine fordistische Produktion statt. Er beschäftigte sich überwiegend mit dem Anlagenbau im Sinne einer Projektierung, Entwicklung und Aufstellung von großen Automatisierungsanlagen. Ebenso verhält es sich in den Betriebsteilen D. und K.-M.-St ... Im Betreibsteil P. wurde überwiegend nur projektiert.
Soweit der Zeuge Kästner behauptet, der Betrieb habe zu ca. 60 v.H. "produziert", legt er hierbei einen anderen, für den Senat nicht relevanten, Produktionsbegriff zugrunde. Im Hinblick auf die in der Präambel zur AVItech zum Ausdruck gekommene Zielsetzung des Versorgungssystems war allein die Beschäftigung in einem Betrieb, der die Massenproduktion im Bereich der Industrie oder des Bauwesens zum Gegenstand hatte, von Bedeutung für die Einbeziehung in die Versorgung. Dem lag das so genannte fordistische Produktionsmodell zu Grunde, das auf stark standardisierter Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen basierte. Der Massenausstoß standardisierter Produkte sollte hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft ermöglichen (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 - Az. B 4 RS 3/06 R, nach juris). Diesem Produktionsbegriff wird die beschriebene Art der Herstellung der einzelnen Produkte im VEB Geräte- und Reglerwerk nicht gerecht.
Insofern ist es bedeutungslos, dass es sich bei den Endprodukten des Betriebes um zum Teil hoch spezialisierte Ingenieurleistungen handelte. Die Versorgungsordnung der AVItech stammt aus dem Jahre 1950. Zum Zeitpunkt ihrer Entstehung kam es im Wesentlichen auf die Aufnahme und das Fortbestehen einer dauerhaften Massenproduktion der Industrie und im Bauwesen in der DDR an. Danach wurde sie nicht fortentwickelt, so dass neue Schwerpunkte in der Industrie auf besondere Ingenieurleistungen sich in der Versorgungsordnung nicht widerspiegeln. Ihre Auslegung durch die Staatsorgane und deren Verwaltungspraxis in der DDR spielt keine Rolle (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2002 – Az.: B 4 RA 41/01 R, nach juris).
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Artikels 3 des Grundgesetzes liegt gegenüber denjenigen, die in das Zusatzversorgungssystem einbezogen wurden, nicht vor. Soweit die Beklagte in der Vergangenheit entsprechende Einbeziehungen aufgrund eines vermeintlichen Anspruchs durch die Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundessozialgerichts vorgenommen hat, erfolgten diese zu Unrecht. Daraus kann jedoch der Kläger selbst keinen Anspruch auf eine ebenfalls rechtwidrige Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der AVItech herleiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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