L 10 AL 434/10 ER

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 7 AL 599/06
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 434/10 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Das Begehren der Antragstellerin richtet sich darauf, der Antragsgegnerin bis zur Entscheidung über den Überprüfungsantrag Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus dem Bescheid vom 27 Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2003 zu untersagen.

Streitig ist im Klage- bzw. Berufungsverfahren die Aufhebung und Erstattung von Arbeitslosenhilfe sowie die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 5. September 2000 bis zum 22. Oktober 2000, für die Zeit vom 23. April bis 30. April 2002, für die Zeit vom 1. September bis zum 17. September 2002 sowie für die Zeit vom 1. November 2002 bis zum 18. September 2003.

Die 1962 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten unter dem 24. August 2000 die Zahlung von Arbeitslosenhilfe und verneinte in diesem Zusammenhang wie auch bei den Folgeanträgen die Frage, ob Vermögen vorhanden sei.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin für die vorgenannten Zeiträume Arbeitslosenhilfe (Bescheid vom 11. September 2000).

Im Zusammenhang mit einem Datenabgleich zwischen der Beklagten und dem Bundesamt für Finanzen teilte die Postbank M. der Beklagten unter dem 4. April 2003 (vgl. Bl. 363 der Verwaltungsakte) mit, dass die Klägerin über folgendes Geldguthaben verfüge: 5. September 2000 DM 24.885,76, 23. April 2002 EUR 11.523,22, 1. September 2002 EUR 11.523,22, 1. November 2002 EUR 11.523,22.

Die Zinseinnahmen hätten im Jahre 1999 16,04 DM und im Jahr 2001 651,68 DM betragen.

Die Sparkasse K.-L. teilte der Beklagten unter dem 1. April 2003 mit, dass die Klägerin auf verschiedenen Konten folgendes Vermögen gehabt habe: am 5. September 2000 13.319,20 DM, am 23. April 2002 19.993,86 EUR, am 1. September 2002 und am 1. November 2002 jeweils 22.793,95 EUR (vgl. Bl. 366 der Verwaltungsakte).

Weiter teilte die D. Bank AG (L.) mit Schreiben vom 2. April 2003 mit, dass die Klägerin am 5. September 2000 über ein Vermögen in Höhe von 4.035,52 DM sowie am 23. April 2002, am 1. September 2002 und am 1. November 2002 über 65,23 EUR verfügt habe (bgl. Bl. 367 der Verwaltungsakte).

Die Volksbank S. e.G. K. teilte der Beklagten mit Schreiben vom 1. April 2003 mit, dass die Klägerin am 5. September 2000 über ein Vermögen in Höhe von 1.999,82 DM, am 23. Juli 2002 über ein solches in Höhe von 1.886,35 EUR, am 1. September 2002 über ein Vermögen in Höhe von 810,35 EUR sowie am 1. November 2002 über ein solches in Höhe von 710,35 EUR verfügt habe (vgl. Bl. 369 der Verwaltungsakte).

Daraufhin hörte die Beklagte die Klägerin dazu (vgl. Blatt 377 der Verwaltungsakte), dass ihr in der Zeit vom 5. September 2000 bis zum 22. Oktober 2001 (1107,34 EUR), vom 23. April 2002 bis zum 30. April 2002 (189,84 EUR), vom 1. September 2002 bis zum 17. September 2002 (403,41 EUR) und vom 1. November 2001 bis 18. Februar 2003 (2602,95 EUR) zu Unrecht bezogen habe (vgl. auch Blatt 378 der Verwaltungsakte).

Die Klägerin erklärte unter dem 9. Mai 2003, dass der aufgeführte Sachverhalt nicht zutreffe (vgl. Blatt 381 der Verwaltungsakte).

Die Beklagte hob die Bewilligungen der Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 5. September 2000 bis zum 22. Oktober 2000, für die Zeit vom 23. April 2000 bis zum 30. April 2000 sowie für die Zeit vom 1. September 2002 bis zum 17. September 2002 und für die Zeit vom 1. November 2002 bis zum 18. Februar 2003 unter Hinweis auf die §§ 45, 50 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) und § 335 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) auf und verlangte von der Klägerin insgesamt einen Betrag von 5.475,03 EUR (Bescheid vom 27. Mai 2003, vgl. Bl. 385 und 386 der Verwaltungsakte).

Die Klägerin hat hiergegen unter dem 28. Mai 2003 Widerspruch eingelegt (vgl. Bl. 389 der Verwaltungsakte).

Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 27. Mai 2003 bezüglich der Rücknahme bzw. Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe einschließlich überzahlter Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wies die Beklagte als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 11. August 2003, vgl. Bl. 422 ff. der Verwaltungsakte).

Die Klägerin teilte der Beklagte unter dem 23. August 2003 mit, dass sie gegen den Widerspruchsbescheid vom 11. August 2003 Widerspruch einlege (vgl. Bl. 438 der Verwaltungsakte).

Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit, dass das Widerspruchsverfahren durch den Widerspruchsbescheid abgeschlossen sei und auf die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides verwiesen werde, soweit die Klägerin mit dem Inhalt des Widerspruchsbescheides nicht einverstanden sei (vgl. Bl. 439 der Verwaltungsakte).

Im Zusammenhang mit dem Vergleich zwischen der Klägerin und der Beklagten im Verfahren zum Aktenzeichen S 7 AL 2945/04 verpflichtete sich die Beklagte, den Bescheid vom 27. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2003 zu überprüfen und der Klägerin einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erteilen (vgl. Bl. 630 und 631 der Verwaltungsakte, Band III).

Die Beklagte lehnte unter dem 1. November 2005 den Überprüfungsantrag ab (vgl. Bescheid vom 1. November 2005, Bl. 632 der Verwaltungsakte, Band III).

Den Widerspruch hiergegen (vgl. Bl. 633 der Verwaltungsakte) wies die Beklagte als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 23. November 2005, vgl. Bl. 635 der Verwaltungsakte, Band III).

Die Klägerin hat hiergegen mit Schreiben vom 19. Dezember 2005 Klage erhoben (vgl. L 7AL 599/06).

Das Sozialgericht hat die Klage mit dem Antrag, den Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 1. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2005 sowie den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2003 aufzuheben, abgewiesen (Urteil vom 30. Oktober 2007, der Klägerin am 8. Februar 2008 zugestellt).

Die Klägerin hat hiergegen unter dem 3. März 2008, beim Sozialgericht Altenburg am 6. März 2008 eingegangen, Berufung eingelegt (L 10 AL 253/08).

Sie habe Außenstände von der Agentur für Arbeit seit 1990. Das sei der Agentur für Arbeit bekannt. Unterlagen würden dort vorliegen. Für den Zeitraum vom 5. September 2000 bis zum 22. Oktober 2000 stehe ihr Arbeitslosengeld zu, welches von der Agentur für Arbeit noch nicht beglichen worden sei (unter Hinweis auf Gerichtssache: K., Aktenzeichen 7 Ca 2461/97, Arbeitsgericht G.).

Für den Zeitraum vom 23. bis zum 30. April 2002 sei die Gerichtssache mit der Vereinten Versicherung nicht einbezogen worden. Der Zeitpunkt des Endes der Arbeit und die Bezüge seien geändert worden. Bezüglich der Zeit vom 1. September bis zum 17. September 2002 hat die Klägerin auf eine Gerichtssache mit der DBV-Versicherung hingewiesen. Die Bezüge seien geändert worden. Bezüglich des Zeitraums vom 1. November 2002 bis zum 18. Februar 2003 laufe dort augenblicklich ein Gerichtsverfahren gegen die HZ-Gebäudereinigung sowie ein Strafverfahren gegen Herrn Z ...

Sie habe die falschen Formulare erhalten. Sie habe Formulare für Arbeitslosengeld verlangt und keine Formulare für Arbeitslosenhilfe.

Die Klägerin hat unter dem 11. Januar 2010 mit Blick auf eine Vollstreckungsankündigung der Beklagten beantragt, die Vollstreckung - dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid - auszusetzen (vgl. Bl. 62 der Gerichtsakte).

Die Gegenseite mache falsche Angaben. Es stünden seit 1990 Forderungen auf Arbeitslosengeld aus. Demnach seien alle folgenden Bescheide falsch und diese müssten berichtigt werden. Sie habe der Bundesagentur für Arbeit nichts verschwiegen. Sie habe nach wie vor Stornohaftungszeiten aus einer früheren Beschäftigung. Dies sei der Mitarbeiterin der Beklagten Uhlich auch seit Juni 1990 bekannt. Frau Uhlich mache ihren Vorgesetzten gegenüber bewusst falsche Angaben. Die Beklagte enthalte ihr zustehende Leistungen seit 1990 mit Zins und Zinseszins vor. Sie verlange von der Beklagten, dass ihr alle zustehenden Leistungen gezahlt würden, dass alle Bescheide geändert würden und die ihr entstandenen Schäden beglichen würden. Sie verlange, dass die Krankenversicherungsbeiträge erstattet würden, denn der Nachweis sei verweigert worden.

Mit Verfügung vom 12. Mai 2010 hat der Berichterstatter der Antragstellerin mitgeteilt, dass derzeit nicht erkennbar sei, was einer möglichen Zwangsvollstreckung entgegenstehe. Sollte sie im Hauptsacheverfahren erfolgreich sein, würde sie das Geld zurück erhalten. Unter dem 17. Juni 2010 ist die Antragstellerin daran erinnert worden, dass die Verfügung vom 12. Mai 2010 bisher unbeantwortet geblieben sei. Auch die Erinnerung vom 11. August 2010 blieb unbeantwortet.

Zur Ergänzung der Gründe zu I. wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakte zum Aktenzeichen L 10 AL 253/08 sowie die Gerichtsakte zum Verfahren L 10 AL 434/10 ER.

II.

Der so verstandene Antrag ist unbegründet.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrundes (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet. Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. § 86b Rn. 16b).

In Fällen, in denen - wie hier - ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen eines laufenden Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X gestellt wird, sind allerdings besonders strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrunds zu stellen. Ansprüche in so genannten Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X betreffen nämlich bestandskräftige Bescheide, die bis zu ihrer Aufhebung in einem solchen Verfahren für alle Beteiligten bindend sind. Soll ein bestandskräftiger Bescheid in einem solchen Verfahren abgeändert werden, ist es einem Antragsteller im Regelfall zuzumuten, die Entscheidung im Verwaltungs- und ggf. in einem anschließenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren abzuwarten (vgl. LSG Sachsen-Anhalt vom 24. Januar 2008, L 2 B 96/07 AS ER; LSG Niedersachsen-Bremen vom 9. Februar 2006, L 7 AS 384/05 ER, jeweils recherchiert über Juris). Wegen der besonders strengen Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes ist es erforderlich, dass massive Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz mit erheblichen Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse dargelegt werden (LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O.).

Der Antragstellerin ist ein Abwarten der Hauptsache zuzumuten. Das Begehren der Antragstellerin ist auf die Unterlassung weiterer Vollstreckungsmaßnahmen gerichtet, damit le- diglich auf die Wahrung von Vermögensinteressen. Damit wird aber kein Recht der Antragstellerin unzumutbar beeinträchtigt. Eventuelle Einkommens- oder Vermögenseinbußen durch eine später eventuell festzustellende Rechtswidrigkeit einer Zwangsvollstreckung können von der Antragsgegnerin auch nach deren Durchführung später wieder ausgeglichen werden. Unzumutbare Beeinträchtigungen, die einen Anordnungsgrund rechtfertigen würden, sind darin nicht zu erkennen.

Die Antragstellerin ist vielmehr durch die Pfändungsfreigrenzen der Zivilprozessordnung - ZPO - hinreichend geschützt.

Die Antragstellerin hat sich im Übrigen auch nach dem Hinweis des Berichterstatters, es sei nicht erkennbar, was einer möglichen Zwangsvollstreckung entgegenstehe, die Gelder würden im Falle eines Obsiegen im Hauptsacheverfahren wieder zurückerstattet, nicht geäußert.

Die Kostenentscheidung und auf der entsprechenden Anwendung der Vorschrift des § 193 Abs. 1 SGG.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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