L 6 KR 1164/11 NZB

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 14 KR 843/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1164/11 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 26. Mai 2011 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 17,62 EUR festgesetzt. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte berechtigt ist, gegen spätere Forderungen des Klägers aus Arzneimittellieferungen mit einem Rückzahlungsanspruch in Höhe von zweimal 8,81EUR (insgesamt 17,62 EUR) aufzurechnen.

Der Kläger ist Inhaber der N. Apotheke in A., die er als Filialapotheke betreibt. Er belieferte die bei der Beklagten versicherte E. P. zweimal mit dem Arzneimittel Levopar, wobei er an diese jeweils zwei Packungen Levopar mit jeweils 100 Tabletten abgab. Dem zu Grunde lagen ärztliche Verordnungen des Dipl.-Med. J. vom 28. Juni und 20. November 2008 über " 2x Levopar 125MG Hartkapseln, KAP, 100 ST, N3, Hexal AG (1-1-1) (PZN: 189693)". Der Kläger stellte der Beklagten hierfür zweimal einen Betrag in Höhe von 55,40 EUR in Rechnung, den diese zunächst auszahlte. Im März 2009 und Juli 2009 beanstandete die Beklagte jeweils einen Betrag in Höhe von 8,81 EUR unter Hinweis auf eine unwirtschaftliche Abgabe (zum Beispiel Abgabe unwirtschaftlicher Packungsgrößen). Den Einspruch des Klägers wies sie zurück.

Am 5. März 2010 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Klage erhoben mit der Begründung, die Beklagte sei nicht berechtigt, die jeweils retaxierten 8,81 EUR gegen laufende Forderungen zu verrechnen. Aufgrund der ärztlichen Verordnungen seien wirksame Kaufverträge zwischen den Parteien über jeweils zwei Packungen des Arzneimittels mit der PZN 189693 zu Stande gekommen. Der daraus resultierende, richtig berechnete Kaufpreis sei beglichen worden. Nach § 17 Abs. 5 Satz 1 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) müssten die abgegebenen Arzneimittel den Verschreibungen und den damit verbundenen Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Arzneimittelversorgung entsprechen. Im vorliegenden Fall habe der Arzt jeweils eindeutig zweimal eine Packung mit 100 Stück verordnet. Soweit die Apotheken nach § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V zur Abgabe von wirtschaftlichen Einzelmengen "nach Maßgabe des Rahmenvertrages nach Abs. 2 verpflichtet sind", widerspreche die Abgabe von zwei Packungen mit 100 Stück dem nicht, weil der Arzt die Einzelmengen mit 100 Stück zweifelsfrei festgelegt habe. Die therapiegerechte Packungsgröße werde immer noch durch den Arzt bestimmt, was durch § 6 Abs. 1 Satz 2 des seit dem 1. April 2008 geltenden Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V (im Folgenden: Rahmenvertrag) bestätigt werde.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, Grundlage der Beanstandung seien die Ausführungen in dem Arznei- und Hilfsmittellieferungsvertrag Thüringen (ALV Thüringen). Der Vertrag ergänze den Rahmenvertrag nach § 129 SGB V. Die Verordnungen wiesen konkret die ärztlich angegebene Verordnungsmenge von 2 x 100 = 200 Stück Hartkapseln Levopar 125 mg® aus. Die vom Gesetzgeber in § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V normierte Pflicht des Apothekers zur Abgabe wirtschaftlicher Einzelmengen sei auch auf die Belieferung der oben genannten Verordnungen anzuwenden, da hier eine Belieferung mit der im Handel befindlichen wirtschaftlicheren Packungsgröße mit 200 Tabletten hätte erfolgen müssen. Im Übrigen hat sie darauf hingewiesen, dass es sich bei der Packungsgröße 200 Stück Hartkapseln Levopar 125® um eine Bündelpackung zu je 2 × 100 Stück handelt. Dieser Umstand sei der Listung und Bezeichnung der so genannten "Lauer-Taxe" zu entnehmen. Insoweit habe dem ärztlichen Willen nach Belieferung mit 100 Stück-Packungen nachgekommen werden können. Ein Verstoß gegen § 17 Abs. 5 ApBetrO liege nicht vor, weil auch diese auf das gesetzlich normierte Wirtschaftlichkeitsgebot (§§ 12, 70 SGB V) verweise.

Mit Urteil vom 26. Mai 2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, der Kläger habe bei der Belieferung der Versicherten mit dem verordneten Fertigarzneimittel Levopar 125mg Hartkapseln gegen bundeseinheitliche Abgabevorschriften - das in § 129 Abs. 2 SGB V i.V.m. mit dem in § 6 des Rahmenvertrages in der Fassung vom 17. Januar 2008 normierte Wirtschaftlichkeitsverbot - verstoßen, so dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 3. August 2006 - Az.: B 3 KR 7/05 R, nach juris) sein Vergütungsanspruch vollständig entfallen sei.

Am 8. Juli 2011 hat der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung Beschwerde eingelegt. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Er stütze sich auf § 17 Abs. 5 Satz 1 ApBetrO, wonach die abgegebenen Arzneimittel den Verschreibungen und den damit verbundenen Vorschriften des SGB V zur Arzneimittelversorgung entsprechen müssten. Nach § 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB V müssten zwar wirtschaftliche Einzelmengen nach Maßgabe des Rahmenvertrages nach § 129 Abs. 2 SGB V abgegeben werden, es liege jedoch kein Fall der entsprechenden Regelungen in § 6 des Rahmenvertrages vor. Die Rechtsfrage habe über den Einzelfall hinaus Bedeutung, weil sich eine unbestimmte Vielzahl ähnlich liegender Fälle denken lasse, in denen das Mehrfache einer bestimmten Packung eines Arzneimittels - also eines Fertigarzneimittels, das nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 des Arzneimittelgesetzes (AMG) auch durch den Inhalt einer Packung nach Gewicht, Rauminhalt oder Stückzahl gekennzeichnet ist - verordnet wurde und sich diese Verordnung durch eine oder mehrere andere Packungen oder durch eine Kombination anderer Packungen oder mit anderen Packungen ersetzen lasse, die preislich billiger sei als die der Verordnung entsprechende. Durch das Urteil des BSG vom 3. August 2006 - Az.: B 3 KR 7/05 R sei die hier streitige Rechtsfrage nicht geklärt. Der Arzt habe zwar die Kurzbezeichnung N3 verwendet, hierunter seien jedoch Packungen mit 100 und 200 Stück im Handel. Zudem habe er zugleich auch die bestimmte Packung mit 100 Stück und die nur für diese Stückzahl zutreffende Pharmazentralnummer (PZN) angegeben. In diesem Fall eröffne sich keine Auswahl. Eine Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch das Berufungsgericht sei zu erwarten, weil auch kein Fall des § 6 Abs. 3 des Rahmenvertrages vorliege, weil selbst die verordnete Gesamtmenge (im Gegensatz zu Einzelmengen) nicht die größte für das Fertigarzneimittel festgelegte Messzahl (200 Stück) überschreite.

Die Kläger beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichtes Altenburg vom 26. Mai 2011 zuzulassen.

Die Beklagte hat sich zu dem Antrag nicht geäußert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerdeakte sowie der beigezogenen Prozessakte des Sozialgerichts Altenburg (Az.: S 14 KR 843/10) Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.

II.

Die Nichtszulassungsbeschwerde, die auf den Berufungszulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gestützt wird, ist unbegründet.

Nach § 145 Abs. 1 SGG kann die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht durch Beschwerde angefochten werden. Nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes (1) bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Die Berufung bedurfte hier der Zulassung durch das Sozialgericht, weil der Kläger sich gegen die Berechtigung der Beklagten wendet, gegen laufende Forderungen in Höhe von 17,62 EUR aufzurechnen. Das SG hat sie nicht zugelassen.

1. Der Begriff grundsätzliche Bedeutung in § 144 Abs. 1 SGG ist wie in § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG auszulegen. Eine Rechtssache hat über den Einzelfall hinaus nur dann eine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Berufungsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl. BSG, Beschluss vom 3. April 2008 - Az.: B 11b AS 15/07 B m.w.N., nach juris). Ein Individualinteresse genügt nicht. Maßgebend ist nicht die richtige Einzelfallentscheidung; sie ist nur eine Folge der Klärung der grundsätzlichen Rechtsfrage (vgl. Senatsbeschluss vom 24. November 2008 - Az.: L 6 B 128/08 KR NZB).

Eine grundsätzliche Rechtsfrage in diesem Sinn ist nicht ersichtlich. Nach dem Urteil des BSG vom 17. Dezember 2009 - Az.: B 3 KR 13/08 R (nach juris) ist Rechtsgrundlage für den öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruch eines Apothekers bei der Abgabe von Arzneimitteln unmittelbar § 129 SGB V i.V.m. den ergänzenden Verträgen nach § 129 Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). § 129 SGB V regelt den Abschluss von Rahmenverträgen über die Arzneimittelversorgung, und zwar in Absatz 2 bis Absatz 4 auf Bundesebene und in Absatz 5 auf Landesebene. Nach § 129 Abs. 2 SGB V regeln die Spitzenverbände der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker in einem gemeinsamen Rahmenvertrag das Nähere für die Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte. Nach § 129 Abs. 5 SGB V können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene ergänzende Verträge schließen. Der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V hat nach Absatz 3 Rechtswirkung für Apotheken, wenn sie einem Mitgliedsverband der Spitzenorganisation angehören und die Satzung des Verbandes vorsieht, dass von der Spitzenorganisation abgeschlossene Verträge für die dem Verband angehörenden Apotheken Geltung haben, oder wenn sie dem Rahmenvertrag beitreten. Das gilt nach § 129 Abs. 5 Satz 2 SGB V für die Verträge auf Landesebene entsprechend. Die nach § 129 SGB V geschlossenen Verträge regeln vorrangig nicht die Beziehungen zwischen den vertragsschließenden Verbänden, sondern zwischen den einzelnen Krankenkassen und den Apothekern. Sie wirken insoweit normativ. Sie sind wie Rechtsnormen allein nach dem "objektivierten Willen des Gesetzes" auszulegen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Januar 1996 - Az.: 3 RK 26/94, nach juris). Maßgebend sind also § 129 SGB V sowie die ergänzenden Vereinbarungen, der Rahmenvertrag auf Bundesebene nach § 129 Abs. 2 SGB V und der ALV auf Landesebene. Des Weiteren ist zu prüfen, ob keine Verstöße gegen sonstige Abgabebestimmungen vorliegen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, bestehen der Vergütungsanspruch in Höhe des Rechnungsbetrages und kein Grund für einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Die grundsätzlichen Rechtsfragen sind daher geklärt. Die Kläger macht mit seiner Beschwerde geltend, dass der sich aus den hier erfolgten Verordnungen des Arzneimittels Levopar 100 Sück, zweimal, N3 unter Angabe der PZN: 189693, ergebende Sachverhalt nicht unter § 6 des Rahmenvertrages zu subsumieren sei und nach § 17 Abs. 5 ApBetrO die abgegebenen Arzneimittel den Verschreibungen entsprechen müssten. Ob aufgrund des konkreten Sachverhalts kein Verstoß gegen Abgabenbestimmungen vorliegt, ist allein unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen und weder grundsätzlich klärungsfähig noch klärungsbedürftig (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 11. August 2011 - Az.: L 6 KR 693/10 NZB m.w.N.). Soweit die Ausführungen des Klägers darüber hinaus die Frage beinhalten sollte, ob im Falle des Nichtvorliegens der Voraussetzungen nach § 6 des Rahmenvertrages von der Wirtschaftlichkeit der Versorgung auszugehen ist, wäre auch diese Frage bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung beantwortet. In dem Urteil vom 3. August 2006 - Az.: B 3 KR 7/05 hat das BSG hierzu ausgeführt, dass § 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB V das Mindestmaß an wirtschaftlicher Verhaltensweise regelt. Danach wird der vom Gesetzgeber in § 129 Abs. 1 SGB V normierten Pflicht des Apothekers zur Abgabe von wirtschaftlichen Einzelmengen dadurch Rechnung getragen, dass bei unbestimmten Mengenangaben des Arztes sowie in Fällen, in denen die Verordnung des Arztes durch Teilmengen oder in Kombination verschiedener Teilmengen bzw. Packungsgrößen erfüllbar ist, die wirtschaftlichste Alternative eingehalten wird und es dem Apotheker deshalb untersagt ist, die verordnete Mengen in regelmäßig teureren Teilmengen abzugeben, wenn eine geeignetere Packungsgröße zur Verfügung steht. Soweit der Kläger § 17 Abs. 5 ApBetrO anführt, müssen danach die angegebenen Arzneimittel den Verschreibungen und den damit verbundenen Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Arzneimittelversorgung entsprechen. Unabhängig davon, dass die auf Grund § 21 des Gesetzes über das Apothekenwesen - Apothekengesetz - (ApothG) erlassene Apothekenbetriebsordnung keine Ansprüche auf Vergütung begründet (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 15. März 2011 - Az.: L 6 KR 516/10), gehört zu den danach zu berücksichtigenden Vorschriften auch § 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB V (vgl. zu § 17 Abs. 4 ApBetrO, BSG, Urteil vom 3. August 2006 - Az.: B 3 KR 6/06 R, nach juris). Einen Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG hat der Kläger weder dargetan, noch ist ein solcher ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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