L 2 R 194/06

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 15 RJ 2767/03
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 2 R 194/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 10. Januar 2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2002 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 14. Juli 2003 sowie des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2003 und des Änderungsbescheides vom 13. Februar 2004 aufgehoben. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 511,50 EUR festgesetzt. Der Streitwert für das Klageverfahren erster Instanz wird auf 522,50 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der klagende Freistaat zu Säumniszuschlägen im Rahmen eines Verfahrens über die Nachversicherung einer Rechtsreferendarin herangezogen werden darf. Die 1970 geborene U. U., im Folgenden Versicherte, stand in der Zeit vom 4. Januar 1999 bis 14. Februar 2001 als Rechtsreferendarin in einem Beamtenverhältnis zum Kläger. Der Kläger zahlte für diesen Zeitraum am 3. April 2002 Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 4.787,45 EUR. Den Fragebogen zur Nachversicherung sandte die Versicherte im Juli 2010 an den Kläger zurück. Darin informierte sie darüber, dass sie eine versicherungspflichtige Tätigkeit aufgenommen habe. Mit Schreiben vom 14. Februar 2002, welches am 18. Februar 2002 beim Kläger einging, teilte die Versicherte mit, dass sie beabsichtige, sich als Rechtsanwältin niederzulassen, und fragte an, ob eine Nachversicherung beim zuständigen Versorgungswerk auch noch nach mehr als einem Jahr möglich sei. Das verneinte der Kläger mit Schreiben vom 21. Februar 2002. Mit Bescheid vom 15. Mai 2002 erhob die Beklagte zunächst Säumniszuschläge in Höhe von 269,23 EUR auf verspätet gezahlte Nachversicherungsbeiträge. Dagegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt. Mit Änderungsbescheid vom 14. Juli 2003 korrigierte die Beklagte die Höhe des Säumniszuschläge auf 522,50 EUR. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2003 als unbegründet zurück. Während des anschließenden Klageverfahrens setzte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Februar 2004 die Summe der Säumniszuschläge auf nunmehr 511,50 EUR fest. Die Beklagte ist dabei unter Berücksichtigung einer Bearbeitungszeit von drei Monaten ab dem Ausscheiden des Beamten aus der versicherungsfreien Beschäftigung von einer Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge am 15. Februar 2001 und einer schuldhaften Säumnis ab dem 15. Mai 2001 ausgegangen. Mit Urteil vom 10. Januar 2006 hat das Sozialgericht Gotha die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) seien erfüllt. Die Nachversicherungsbeiträge seien im Zeitpunkt des unversorgten Ausscheidens der Versicherten fällig geworden, der Zahlungsfrist habe auch kein Aufschubgrund entgegen gestanden. Mit der im vorliegenden Fall angenommenen dreimonatigen Prüffrist habe die Beklagte dem Kläger ausreichend Zeit gelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er vertritt die Ansicht, dass keine schuldhafte Säumnis vorliegen könne, solange der ausgeschiedene Beamte das Recht hat, die Zahlung der Nachversicherungsbeiträge an eine berufsständige Versorgungseinrichtung zu beantragen. Da die Versicherte nach § 186 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) das Recht hatte, diese Nachversicherung innerhalb eines Jahres nach dem Eintritt der Voraussetzung für die Nachversicherung zu stellen, könne auch der Zahlungspflichtige erst nach Ablauf dieser Frist verpflichtet sein, die Nachversicherungsbeiträge zu entrichten. Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 10. Januar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2002 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 14. Juli 2003 und des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2003 sowie des Änderungsbescheides vom 13. Februar 2004 aufzuheben. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und verweist darauf, dass der zuständige Versicherungsträger zur Erhebung von Säumniszuschlägen verpflichtet sei, wenn der Beitragszahler mit der Entrichtung fälliger Beiträge im Rückstand ist. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Verwaltungsakte der Beklagten, die Verwaltungsakte des Klägers und die Gerichtsakte lagen vor und waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben. Die Berufung ist zulässig (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung steht dem nicht entgegen, weil es sich nicht um eine Erstattungsstreitigkeit im Sinne dieser Vorschrift handelt) und begründet. Die Bescheide der Beklagten, mit denen die Säumniszuschläge gegenüber dem Kläger geltend gemacht werden, sind rechtswidrig. Dabei hat die Beklagte für die Geltendmachung der von ihr geforderten Säumniszuschläge zu Recht die Form eines Verwaltungsaktes gewählt. Für die Vollziehung der Nachversicherung ist der Rentenversicherungsträge zuständig und hierbei auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern befugt, die Nachentrichtung der Beiträge durch Verwaltungsakt einzufordern. Öffentlich-rechtliche Arbeitgeber nehmen im Nachversicherungsverfahren grundsätzlich keine Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch wahr (BSG vom 1. September 1988, SozR-2400, § 124 Nr. 6 S. 18). Damit können auch im Nachversicherungsverfahren anfallende Säumniszuschläge gleichermaßen durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden (BSG vom 29. November 2007, Az.: B 13 R 48/06 R, Rz. 14, zitiert nach juris). Die Bescheide sind jedoch rechtswidrig. Dabei kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, dass die Beklagte den Kläger vor Erlass des ersten Bescheides am 15. Mai 2002 nicht nach § 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) angehört hat. Der Anhörungsmangel ist durch die späteren Anhörungen sowie die ausführlichen Äußerungen beider Seiten im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nach § 41 Abs. 1 Ziffer 3 SGB X geheilt. Die Voraussetzungen für die Erhebung des Säumniszuschlages sind jedoch in diesem konkreten Fall nicht erfüllt. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen, auf 50,00 EUR nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Zusätzlich ist § 184 SGB VI zu beachten, der bestimmt, dass § 24 SGB IV mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass die Säumnis drei Monate nach Eintritt der Fälligkeit beginnt und für die Ermittlung des rückständigen Betrages die zu diesem Zeitraum geltenden Rechengrößen anzuwenden sind. Der Fälligkeitszeitpunkt der Nachversicherungsbeiträge für die Versicherte war nicht, wie im angefochtenen Bescheid angenommen der 15. Februar 2001, sondern erst der 15. Februar 2002. Nach § 184 Abs. 1 SGB VI sind Nachversicherungsbeiträge zu zahlen, wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind und besondere Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung nicht gegeben sind. Die Voraussetzungen für die Nachversicherung sind einen Tag nach dem Ausscheiden der Versicherten aus dem Beamtenverhältnis - also am 15. Februar 2001 - eingetreten. Es ist jedoch im konkreten Fall ein Aufschubgrund zu beachten. Nach § 186 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI können Nachzuversichernde beantragen, dass die Arbeitgeber die Beiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung zahlen, wenn sie innerhalb eines Jahres nach dem Eintritt der Voraussetzungen für die Nachversicherung auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied dieser Einrichtung werden. Dieser Antrag kann nur innerhalb eines Jahres nach dem Eintritt der Voraussetzungen für die Nachversicherung gestellt werden (§ 186 Abs. 3 SGB VI). Aus dieser Regelung ergibt sich, außerhalb des § 184 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, ein weiterer Aufschubgrund für die Zahlung der Nachversicherungsbeiträge und damit eine Verschiebung der Fälligkeit der Beiträge, so lange der Nachzuversichernde noch einen Antrag auf Zahlung der Beiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung stellen kann (BSG vom 29. November 2007, Az.: B 13 R 48/06 R, Rz. 21, zitiert nach juris). Ein solcher Aufschub der Nachversicherung gilt jedenfalls so lange, wie der zu Versichernde noch die Möglichkeit hat, die Aufnahme einer Beschäftigung oder Tätigkeit, aus der im Sinne des § 186 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI die Pflichtmitgliedschaft in einer berusfständischen Versorgungseinrichtung folgt, zu beantragen. Er endet dann, wenn der Versicherte einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Diese Auslegung des § 186 SGB VI als Aufschubgrund ist zumindest in den Fällen geboten, in denen es darum geht, ob der Versicherungsträger Säumniszuschläge erheben kann. Würde man in diesem Zusammenhang keinen Aufschubgrund in § 186 SGB VI sehen, könnte es zu dem Ergebnis führen, dass der Rentenversicherungsträger von dem nachversicherungspflichtigen Arbeitgeber Säumniszuschläge verlangen müssten, obwohl sich der Nachzuversichernde innerhalb der Jahresfrist nach § 186 Abs. 3 SGB VI für die Nachversicherung bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung entscheidet. Auf dieser Grundlage war die Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge für die Versicherte am 15. Februar 2002 eingetreten: Die Nachversicherungsbeiträge entstehen grundsätzlich am Folgetag des unversorgten Ausscheidens des Nachzuversicherten, hier also am 15. Februar 2001. Die Fälligkeit war jedoch gemäß § 186 SGB VI jedenfalls für die Jahresfrist aufgeschoben, in der die Versicherte nach § 186 Abs. 3 SGB VI den Antrag auf Zahlung der Beiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung stellen konnte, das heißt längstens bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt der Voraussetzungen für die Nachversicherung oder vorher bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein Antrag auf Nachversicherung in einem Versorgungswerk gestellt wird. Damit aber stehen der Beklagten nicht bereits deshalb Säumniszuschläge für den Zeitraum ab dem 15. Februar 2002 zu. Dies ergibt sich nicht nur aus der mittlerweile in § 184 Abs. 1 Satz 2 SGB VI getroffenen Regelungen, dass § 24 SGB IV mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass Säumnis drei Monate nach Eintritt der Fälligkeit beginnt und für die Ermittlungen des rückständigen Betrages die zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechengrößen anzuwenden sind. Auch vor Einführung dieser Regelung wurde hier, wie es die Beklagte auch getan hat, davon ausgegangen, dass ab Fälligkeit drei Monate notwendig sind, um die Nachversicherung zu bearbeiten. Diese drei Monate wurden als unverschuldete Säumnis im Sinn von § 24 Abs. 2 SGB IV angesehen. Im Ergebnis hätte die Beklagte somit ab dem 15. Mai 2002 einen Säumniszuschlag erheben können. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger aber bereits gezahlt. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3, § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
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