Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 3 KR 147/05
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1202/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 25. September 2007 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Pflicht der Beklagten zur Versorgung der Klägerin mit einem Therapiefahrrad einschließlich Zubehör streitig.
Die im Jahr 1987 geborene Klägerin leidet an einer komplexen Mehrfachbehinderung in Folge einer Hämophilus-Meningitis, an einer schweren Intelligenzminderung vom Grad einer geistigen Behinderung, an einer symptomatischen Epilepsie sowie an Adipositas.
Im März 2004 beantragte die Mutter der Klägerin als deren gesetzliche Vertreterin bei der Beklagten die Versorgung mit einem Dreirad-Tandem "Duo-Novum", 26 Zoll, der W. GmbH G. nebst Zubehör (Rückenlehne, Fußstütze mit Fixierung). Dem Antrag war eine entsprechende ärztliche Verordnung von Dr. B. vom 17. Februar 2004 und ein Kostenvoranschlag der J. Orthopädie KG über 3.571,52 Euro beigefügt.
Mit Bescheid vom 6. April 2004 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass eine Hilfsmittelversorgung mit Fahr- oder Dreirädern für Jugendliche ab dem vollendeten 15. Lebensjahr und für Erwachsene nicht in Betracht komme, da hier die Spezialräder primär der Fortbewegung dienten, ohne dass derartige Hilfsmittel die hohen therapeutischen Anforderungen wie bei einem Kind erfüllten. Die frühkindliche Entwicklung der Klägerin sei bereits abgeschlossen und zur Therapie der Erkrankung stünden "andere zielgerichtetere und wirtschaftlichere Behandlungs¬maßnahmen zur Verfügung (z.B. Maßnahmen der physikalischen oder Ergo -Therapie)".
Den Widerspruch vom 15. Mai 2004 begründete die gesetzliche Vertreterin der Klägerin im Wesentlichen damit, dass das beantragte Rad zur körperlichen Bewegung benutzt werden soll. Dies sei als Vorbeugemaßnahme "hinsichtlich eines möglichen Herz-Kreislaufleidens" förderlich für die Gesundheit der Klägerin. Der gewünschte Effekt, Gewicht und Körperfülle zu verlieren, sei bislang noch nicht eingetreten. Eine alleinige Ernährungsumstellung könne im Falle der Klägerin nicht zum Erfolg führen. Mit Schreiben vom 25. Mai 2004 bat Dr. B. die Beklagte um eine Ausnahmeregelung, da die Klägerin zu dem Personenkreis gehöre, für die das Therapiedreirad der Vergrößerung ihres Aktionsraumes diene und die Möglichkeit eröffne, auch räumliche Erfahrungen und weitere Sinneseindrücke zu sammeln. Vor allem biete es die Chance, die als träge einzuschätzende Klägerin zu motivieren, sich körperlich über die begleitenden Therapiemaßnahmen hinaus zu aktivieren, und einer weiteren Adipositasentwicklung mit den daraus resultierenden Folgeerkrankungen entgegen zu wirken.
Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung e.V. (MDK) vom 2. Juli 2004 ein. Dort wurde eingeschätzt, dass ein Therapiedreirad kein geeignetes Mittel sei, um eine psychomotorische Antriebsminderung einerseits und das Übergewicht andererseits wirksam beeinflussen zu können. Alternativ könne ein wirklicher Therapieansatz nur in Form der medikamentösen Behandlung des Anfallsleidens mit geringeren oder keinen Auswirkungen auf den psychomotorischen Antrieb und/oder einer Antrieb steigernden medikamentösen Behandlung bestehen. Eine Gewichtsreduktion bzw. Verhinderung einer weiteren Gewichtszunahme könne nur unter konsequent fortgesetzter und kontrollierter Diät und regelmäßiger Ernährungsberatung von Erfolg sein. Mit Bescheid vom 20. Juli 2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme erneut unter Bezugnahme auf das eingeholte MDK-Gutachten ab.
Auch gegen diesen Bescheid legte die gesetzliche Vertreterin der Klägerin mit Schreiben vom 1. August 2004 Widerspruch ein, den sie u.a. damit begründete, eine Medikamentenumstellung sei nicht möglich.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2004 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Klägerin sei 17 Jahre alt und habe somit - ebenso wie ein Erwachsener - keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Th-rapiefahrrad. Das Radfahren sei bei Jugendlichen im Alter von 17 Jahren nicht mehr erforder-lich, um in den Kreis Gleichaltriger integriert zu werden.
Mit der am 17. Januar 2005 vor dem Sozialgericht Gotha (SG) erhobenen Klage hat die Mutter und nunmehrige Betreuerin der Klägerin geltend gemacht, die Klägerin sei zwar vom Alter her als Erwachsene anzusehen, leide aber unter einer schweren geistigen Behinderung und sei daher nach wie vor einem Kind gleich zu stellen. Das beantragte Spezialrad diene nicht primär der Fortbewegung, sondern in erster Linie der Bewegungsentwicklung und der Unterstützung der krankengymnastischen Behandlung. In der Vergangenheit sei der Klägerin ein Therapierad zur Probe zur Verfügung gestellt worden. Unter Aufsicht habe sie motiviert werden können, das Therapierad zu nutzen. Es könnten räumliche Erfahrungen und Sinneseindrücke gesammelt werden, außerdem könne damit zu körperlicher Aktivität motiviert werden, was Folgeerkrankungen entgegenwirke.
Dem ist die Beklagte entgegengetreten und hat die Auffassung geäußert, dass alternative Methoden zur Gewichtsabnahme existierten. Die Bereitstellung eines kostenintensiven Therapiefahrrades übersteige das Maß des Notwendigen, zumal beim Fahrradfahren offensichtlich weniger Kalorien verbraucht würden als beim Gehen. Darüber hinaus sei das Radfahren nur in einem begrenzten Umfeld möglich und die ständige Anwesenheit einer Begleitperson sei notwendig. Unter diesen Gesichtspunkten seien regelmäßige Spaziergänge effizienter als Radfahren.
Das SG hat einen Befundbericht von Dr. B. vom 7. Juni 2005 eingeholt, dem mehrere Epikrisen der H. Klinik E. des Epilepsiezentrums Kork, des M. A., der FSU J. sowie der Reha-Entlassungsbericht der Klinik B. Z. vom 8. Oktober 2004 beigefügt waren. Außerdem hat das SG Dr. M. mit der Erstellung eines neurologischen Gutachtens beauftragt. Er hat in seinem Gutachten vom 16. April 2007 bei der Klägerin einen Zustand nach einer entzündlichen Erkrankung des Gehirns diagnostiziert, wobei infolge dieser Erkrankung sowohl die Fähigkeiten des Gehirns, intellektuelle Leistungen zu vollbringen als auch motorisch koordinativ zu handeln, deutlich eingeschränkt seien. Zusätzlich bestehe eine Anfallserkrankung mit kleinen und großen Anfällen, wobei die großen Anfälle in den letzten Monaten nicht mehr auftreten würden. Hinsichtlich der Steuerung der Nahrungsaufnahme sei nur durch äußere Zwänge eine ausreichende Steuerung der Kalorienzufuhr zu erreichen. Dies sei im Zusammenhang mit der zerebralen Funktionsstörung als Einschränkung des Sättigungsgefühls und der Fähigkeit, sich im sozialen Kontext auch in Bezug auf die eigene Gesundheitssituation reflektierend zu verhalten, zu sehen. Es sei mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln der Adipositasentwicklung entgegenzuwirken. Allein durch ernährungstechnische Maßnahmen sei dies nicht zu erreichen. Sinnvoll seien begleitende Maßnahmen, insbesondere auch physische Belastungssituationen, die mit dem angestrebten Therapiefahrrad deutlich aktiviert werden könnten.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25. September 2007 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Therapierad sei nicht erforderlich, um eine Behinderung auszugleichen. Die Klägerin sei in der Lage, zu Fuß zu gehen. Sie könne sich in der Wohnung bewegen und diese auch z.B. für Spaziergänge verlassen. Zur Teilnahme an Aktivitäten anderen Jugendlicher und damit zur Integration in die Gruppe Gleichaltriger sei das Therapierad nicht geeignet. Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen sei die Klägerin lediglich in der Lage, mit einer Begleitperson in einem beschränkten Umfeld oder überschaubaren Bereich und nicht im öffentlichen Verkehr auf einem Therapierad zu agieren. Das Dreirad sei der Klägerin vor allem deshalb ärztlich verordnet worden, um der Adipositasentwicklung entgegen zu wirken. Damit überschreite das Therapierad das Maß des Notwendigen und sei nicht wirtschaftlich. Zwar sei nach den Feststellungen des Sachverständigen eine Gewichtsreduktion durch ernährungstechnische Maßnahmen allein nicht zu erreichen. Sinnvoll seien vielmehr begleitende Maßnahmen, insbesondere auch physische Belastungssituationen, die auch mit dem angestrebten Therapierad aktiviert werden könnten. Jedoch sei ein vergleichbarer therapeutischer Erfolg auch durch andere ärztliche oder krankengymnastische Behandlungsmaßnahmen sowie durch Spazierengehen kostengünstiger zu erreichen. Die Klägerin sei augrund ihrer gesundheitlichen Situation nicht in der Lage allein und schnell mit dem Fahrrad zu fahren. Der Kalorienverbrauch beim langsamen Radfahren sei aber niedriger als beim Gehen. Es gebe zudem verschiedene sportliche Betätigungen, wie Schwimmen, Wassergymnastik oder auch die Übungen der Physiotherapie, die mehr Kalorien verbrauchten als das Radfahren.
Gegen das dem Bevollmächtigten der Klägerin am 25. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat die Betreuerin der Klägerin am 1. November 2007 Berufung einlegen und zur Begründung über das im Verwaltungs- und im erstinstanzlichen Verfahren Geltendgemachte hinaus im Wesentlichen vortragen lassen, dass beim Fahrradfahren mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h, die "auch für einen völlig ungeübten Fahrer ohne weiteres erreichbar" sei, mehr Kalorien verbraucht würden, als beim Gehen. Der Bevollmächtigte hat außerdem eine Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. vom 1. Juli 2008 übersandt, wonach das Therapierad als Motivationshilfe diene, damit sich die Klägerin freiwillig bewege. Eine Physiotherapie sei dazu im Vergleich weniger geeignet. Zudem könne die Klägerin mit dem Therapierad ihre sozialen Phobien beüben. Außerdem trage dieses zur weiteren Stabilisierung der Koordination der Bewegung bei und trainiere die Ausdauer. Schließlich hat der Bevollmächtigte auf ein Verfahren vor dem Sozialgericht Meiningen verwiesen, das mit einer Verurteilung der dort beklagten Krankenkasse zur Versorgung ihres klagenden Versicherten mit einem Therapiedreirad endete.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 25. September 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 6. April und vom 20. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2004 zu verurteilen, sie mit einem Therapiedreirad-Tandem "Duo-Novum", 26 Zoll, der W. GmbH G. nebst Zubehör (Rückenlehne, Fußstütze mit Fixierung) zu versorgen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung stützt sie sich auf das angefochtene Urteil und verweist auf die ergänzende Stellungnahme des Dr. M. vom 10. März 2008, dem eindeutig zu entnehmen sei, dass andere Behandlungsmaßnahmen in Bezug auf den Kalorienverbrauch besser geeignet seien, der Adipositas entgegen zu wirken. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; z.B. Beschluss vom 27. Juli 2006 - Az.: B 3 KR 11/06 B sowie Urteile vom 21. November 2002 - Az.: B 3 KR 8/02 R und vom 5. Oktober 2010 - Az.: B 3 KR 5/10 R) gelte der Grundsatz, dass eine fachgerechte Krankengymnastik in der Regel nicht nur ausreichend sei, sondern sogar gezielter und vielseitiger die angestrebten Verbesserungen der körperlichen und seelischen Verfassung des Behinderten, einschließlich der Stärkung von Muskulatur, Herz-Kreislauf-System, Lungenfunktion, Körperkoordination und Balancegefühl erreiche. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz lasse das BSG nur dann zu, wenn ein vergleichbarer therapeutischer Erfolg weder durch ärztliche oder krankengymnastische Behandlungsmaßnahmen, noch durch ein anderes Gerät günstiger zu erreichen sei. Soweit die Klägerin beabsichtige, das Therapierad für kürzere, im Nahbereich ihrer Wohnung liegende Strecken zu benutzen, scheitere der Anspruch an der fehlenden Erforderlichkeit der Versorgung, da die Klägerin ausweislich des Gutachtens des Dr. M. ausreichend gehfähig sei. Im Übrigen sei das Radfahren als spezielle Art der Fortbewegung mit den damit verbundenen Effekten hinsichtlich Geschwindigkeit und sportlicher Betätigung nicht als Grundbedürfnis anerkannt. Außerdem sei zu bezweifeln, dass das Radfahren eine sichere Alternative sei, da Dr. M. darauf hinweise, dass die Fähigkeit der Klägerin, selbständig zu gehen oder mit Angehörigen Spaziergänge zu unternehmen, reduziert sei, zumal auch ein Anfallsleiden und somit die Gefahr von plötzlich auftretenden Bewusstseinsstörungen bestünde. Zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung sei das Therapierad ebenfalls nicht geeignet, da es nicht ausreiche, dass aus einer vorhandenen Krankheit irgendwann in der Zukunft möglicherweise eine Behinderung entstehe oder sich verschlimmere. Zudem fehle es der beabsichtigten Benutzung des Therapierades im Falle der Klägerin an einem spezifischen Bezug zur ärztlich verordneten Krankenbehandlung. Schließlich sei der vom Sozialgericht Meinigen entschiedene Fall mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, da die Klägerin hier nur mit einer Begleitperson agieren könne.
In zwei ergänzenden Stellungnahmen vom 10. März und vom 29. Oktober 2008 hat der erstinstanzlich beauftragte Sachverständige Dr. M. ausgeführt, dass bei der Klägerin ausreichend Eigeninitiative nicht zu erreichen sei, sondern des äußeren Anstoßes und der Führung bedürfe. Das Gehen sei für die Klägerin deutlich schwerer zu realisieren, als die Nutzung eines Therapierades. "Natürlich" seien "andere Behandlungsmaßnahmen in Bezug auf den Verbrauch von Energie besser geeignet, der Adipositas entgegen zu wirken". Zu berücksichtigen bleibe aber die spezielle individuelle Situation der Klägerin, weshalb hier Maßnahmen zum Einsatz kommen müssten, die über die Regelbehandlung hinausgingen. Eine solche Behandlungsmaßnahme könne der Einsatz eines Therapierades darstellen, weshalb dies aus nervenärztlicher Sicht dringend erforderlich erscheine. Das Therapierad sei letztlich nicht allein Instrument der Aktivitätsanregung zur Minderung der Adipositas, sondern diene gleichzeitig als Instrument zu einer, wenn auch beschränkten Teilhabe an gesellschaftlichen, im familiären Rahmen durchzuführenden Aktivitäten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet, denn ihre Klage ist unbegründet und damit abzuweisen. Sie hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit dem begehrten Therapiedreirad.
Maßgebende Vorschrift für die behauptete Leistungspflicht der Beklagten im Bereich der Hilfsmittelversorgung ist § 33 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung im Hinblick auf "die Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen. Dagegen ist weder die vertragsärztliche Verordnung (§ 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V) des begehrten Hilfsmittels noch seine Listung im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) Voraussetzung für die Leistungspflicht der beklagten Krankenkasse (ständige Rspr. des Bundessozialgerichts &61500; BSG&61502;, vgl. zuletzt Urteile vom 18. Mai 2011 - Az.: B 3 KR 12/10 R und B 3 KR 7/10 R, jeweils nach juris und m.w.N.).
In Anwendung dieser Grundsätze besteht ein gegen die Beklagte gerichteter Anspruch auf Versorgung mit einem Therapiedreirad als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung weder unter dem Gesichtspunkt des Behinderungsausgleichs (vgl. unter b), noch der Vorbeugung einer drohenden Behinderung (s.u. c), noch der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (dazu unter a).
Einem Therapiedreirad kann in Bezug auf erwachsene Versicherte allerdings nicht bereits die Eigenschaft als Hilfsmittel i.S. von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V abgesprochen werden. Die dort genannten und oben zitierten Voraussetzungen erfüllt das Therapiedreirad grundsätzlich, denn die Hilfsmitteleigenschaft wird allein nach objektiven Kriterien bestimmt. Personenbezogene Merkmale, wie z.B. das Alter des Versicherten, sind hierfür nicht maßgebend (vgl. BSG, Urteile vom 18. Mai 2011, a.a.O.). Fraglich ist im vorliegenden Fall indes, ob das Therapiedreirad-Tandem nicht bereits deshalb als Hilfsmittel ausscheidet, weil es als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen sein könnte, der dem Versicherten eine Mobilität ermöglicht, die über den durch Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleistenden Bereich der medizinischen Rehabilitation hinausgeht.
a) Jedenfalls aber ist das von der Klägerin begehrte Therapiedreirad als Hilfsmittel zum einen nicht zur Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB V) erforderlich.
Der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung dient ein sächliches Mittel, soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Dabei kommt nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation ein Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung i.S. von § 27 SGB V zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung i.S. der Behandlungsziele des § 27 SGB V als erforderlich anzusehen sind. Diese Voraussetzungen liegen bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung vor, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat und die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 - Az.: B 3 KR 7/10 R, nach juris).
Im Falle der Klägerin fehlt der Versorgung mit dem Therapiedreirad-Tandem bereits der erforderliche Bezug zu einer ärztlich verantworteten Krankenbehandlung, da die Verordnung nicht in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer steht und für die gezielte Versorgung i.S. der Behandlungsziele des § 27 SGB V als erforderlich anzusehen ist. Die Verordnung des Therapiedreirad-Tandems steht gerade nicht in einem solchen engen Zusammenhang zur Behandlung des bestehenden Zustands der Klägerin nach einer entzündlichen Erkrankung ihres Gehirns im Sinne einer deutlichen Einschränkung der Fähigkeiten, intellektuelle Leistungen zu vollbringen und auch motorisch koordinativ zu handeln. Sie soll nach entsprechender Auskunft des verschreibenden Arztes vielmehr neben der Vergrößerung des Aktionsraumes und der Eröffnung der Möglichkeit, räumliche Erfahrungen und weitere Sinneseindrücke zu sammeln, der Verhinderung der weiteren Adipositasentwicklung mit den daraus resultierenden Folgeerkrankungen dienen.
Damit soll das verordnete Hilfsmittel einer weiteren Erkrankung vorbeugen, nicht aber eine vorhandene Erkrankung behandeln helfen. Lediglich ergänzend ist hier anzumerken, dass in Übereinstimmung mit der Beklagten selbst die mit dem Therapiedreirad-Tandem bezweckte Vorbeugung fraglich ist. Ob die durch die Klägerin bei dem einmaligen Probegebrauch eines Therapiedreirades gezeigte Motivation sich zu bewegen, nachhaltig ist, oder nach mehrmaligem Gebrauch infolge Gewöhnung wieder schwindet, ist völlig offen. Aber selbst wenn die Motivation nachhaltig sein sollte, so stellt sich angesichts der Witterungsabhängigkeit des Gebrauchs des Therapiedreirad-Tandems die weitere Frage der Wirksamkeit im Sinne des bezweckten Aufhaltens der Adipositasentwicklung. Nach Überzeugung des Senats kann in der begehrten Nutzung des Therapiedreirad-Tandems allenfalls ein – untergeordneter – Beitrag zu dem Bemühen gesehen werden, die weitere Adipositasentwicklung mit den daraus resultierenden Folgeerkrankungen zu verhindern. Dem Einwand der Klägerseite, dass beim Fahrradfahren mehr Kalorien verbraucht würden, als beim Gehen, kann der Senat nicht in der Allgemeingültigkeit zustimmen. Dies hängt in erster Linie von der Intensität der Nutzung des Fahrrades ab. Bei der Klägerin ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass sie das Therapiedreirad-Tandem nicht allein, sondern nur unter Aufsicht nutzen kann, so dass bei einer Begleitung auf dem Tandem der Trainingseffekt und auch der Kalorienverbrauch bei der Klägerin wesentlich vom körperlichen Einsatz der Begleit- bzw. Aufsichtsperson abhängt. Der Senat verweist in diesem Zusammenhang zudem auf die Einschätzung des Sachverständigen Dr. M., wonach "natürlich ( ) andere Behandlungsmaßnahmen in Bezug auf den Verbrauch von Energie besser geeignet (seien), der Adipositas entgegen zu wirken". Letztlich steht die (bessere) Eignung des Therapiedreirad-Tandems in Übereinstimmung mit der Beklagten auch deshalb in Frage, weil, wie Dr. M. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. März 2008 betont, aufgrund des Anfallsleidens der Klägerin "natürlich die Gefahr von plötzlich auftretenden Bewusstseinsstörungen" bestehe. Ob dieser Gefahr und den hieraus zu befürchtenden Folgen bei einer intensiven Nutzung des Therapiedreirad-Tandems adäquat begegnet werden kann, bezweifelt der Senat. Dass das Therapiedreirad-Tandem, wie die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. in ihrem Schreiben vom 1. Juli 2008 meint, zur weiteren Stabilisierung der Koordination der Bewegung beitrage, die Ausdauer trainiere und die sozialen Phobien der Klägerin beüben helfe, ist hier nicht von Belang, da dies allenfalls Nebenfolgen einer Nutzung des Hilfsmittels sind, nicht aber den Hauptzweck dessen Verordnung darstellen.
b) Des Weiteren ist das begehrte Therapiedreirad auch nicht zum Ausgleich einer Behinderung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 SGB V) erforderlich.
Der Behinderungsausgleich hat grundsätzlich zwei Zielrichtungen: Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen. Im Rahmen dieses sog. mittelbaren Behinderungsausgleichs geht es nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den Möglichkeiten eines nicht behinderten Menschen, da Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation ist (vgl. § 1 SGB V, § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Nr. 1 und 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch &61500;SGB IX&61502;), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist daher von der gesetzlichen Krankenversicherung nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens, wie z.B. das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, betrifft (ständige Rspr. des BSG, zuletzt: Urteile vom Urteile vom 18. Mai 2011, a.a.O., und vom 10. März 2011 - Az.: B 3 KR 9/10 R, jeweils m.w.N.).
In Anwendung dieser Grundsätze könnte es sich bei der von der Klägerin begehrten Versorgung mit dem Therapiedreirad-Tandem nur um eine Maßnahme des mittelbaren Behinderungsausgleichs handeln. Jedoch ist die Klägerin nach sämtlichen vorliegenden medizinischen Stellungnahmen, insbesondere dem Sachverständigengutachten des Dr. M., "ausreichend gehfähig", weshalb das Therapiedreirad-Tandem auch hauptsächlich dazu dienen soll, die Klägerin zu körperlichen Aktivitäten zu motivieren. Damit betrifft die Versorgung der Klägerin mit dem Therapiedreirad-Tandem aber ersichtlich kein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens im oben genannten Sinne, da das Gehen bzw. das Erschließen eines gewissen körperlichen Freiraums bei der Klägerin nicht unmittelbar durch ihre Behinderung in entscheidungserheblichem Maße eingeschränkt, sondern im Wesentlichen davon beeinflusst wird, wie sie hierzu motiviert werden kann. Soweit von Klägerseite darüber hinaus vorgetragen wird, dass das Therapiedreirad-Tandem außerdem die Möglichkeit eröffne, räumliche Erfahrungen und neue Sinneseindrücke zu sammeln, sowie gleichzeitig als Instrument zu einer, wenn auch beschränkten Teilhabe an gesellschaftlichen, im familiären Rahmen durchzuführenden Aktivitäten diene, gilt auch hierfür das oben Gesagt entsprechend, denn auch diese Bedürfnisse, soweit man sie überhaupt zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens zählen will, werden nicht durch die Behinderung der Klägerin, sondern von deren Motivationsfähigkeit limitiert.
c) Schließlich dient das begehrte Therapiedreirad nicht der Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung (2. Alternative des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Es reicht zur Erfüllung der Voraussetzungen dieser Alternative nämlich nicht aus, dass eine vorhandene Krankheit irgendwann einmal in der Zukunft zu einer Behinderung führen, sich also ein abstrakt-theoretisches Behinderungsrisiko verwirklichen könnte. Vielmehr muss hierbei ein konkretes Behinderungsrisiko bestehen. Dies setzt voraus, dass nicht irgendeine Form einer Behinderung denkbar erscheint, sondern eine ganz bestimmte Art der Behinderung zu erwarten ist, die bei einer bestimmten Erkrankung typischerweise als Folge eintreten kann (sachliche Komponente). Diese Folge muss auch "drohen" (zeitliche Komponente). Eine Behinderung "droht" erst, wenn ein bestimmtes Krankheitsbild bei natürlichem Verlauf in absehbarer Zeit unter den Gegebenheiten des Einzelfalls mit einiger Wahrscheinlichkeit zu einem Dauerzustand in Form einer sonst nicht mehr behebbaren konkreten Funktionseinschränkung führen kann. Ärztliche Maßnahmen jeder Art, die diesen natürlichen Verlauf verhindern können, dienen der Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung. (vgl. BSG, Urteil vom 22. April 2009 - Az.: B 3 KR 11/07 R).
Im Falle der Klägerin droht nach Überzeugung des Senats keine Behinderung in dem genannten Sinne, der durch das Therapiedreirad-Tandem vorgebeugt werden könnte. So ist der Beklagten zuzustimmen, dass derzeit konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt einer Behinderung durch die bestehende Adipositas der Klägerin in absehbarer Zeit nicht ersichtlich sind. Zwar teilt der Senat die Auffassung des verordnenden Arztes Dr. B., dass der Adipositasentwicklung bei der Klägerin mit den daraus resultierenden Folgeerkrankungen entgegen gewirkt werden muss. Doch zum einen steht noch gar nicht fest, welche Folgeerkrankungen bei der Klägerin dann tatsächlich eintreten und wann dies der Fall sein wird. Außerdem ist es für den Senat fraglich, ob das begehrte Therapiedreirad-Tandem das geeignete Mittel für diesen Zweck darstellt. Insoweit wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen oben unter a) und b) Bezug genommen.
Letztlich verhilft auch der mit der Berufung erfolgte Verweis auf ein Verfahren vor dem Sozialgericht Meiningen, das mit einer Verurteilung der dort beklagten Krankenkasse zur Versorgung ihres klagenden Versicherten mit einem Therapiedreirad endete, nicht zum Erfolg der Berufung der Klägerin, da die Frage der Erforderlichkeit der Hilfsmittelversorgung von der jeweiligen konkreten Situation des Versicherten abhängt. Allein die Vergleichbarkeit des Hilfsmittels in beiden Fällen begründet noch nicht die Notwendigkeit der Versorgung hiermit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr.1, 2 SGG).
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Pflicht der Beklagten zur Versorgung der Klägerin mit einem Therapiefahrrad einschließlich Zubehör streitig.
Die im Jahr 1987 geborene Klägerin leidet an einer komplexen Mehrfachbehinderung in Folge einer Hämophilus-Meningitis, an einer schweren Intelligenzminderung vom Grad einer geistigen Behinderung, an einer symptomatischen Epilepsie sowie an Adipositas.
Im März 2004 beantragte die Mutter der Klägerin als deren gesetzliche Vertreterin bei der Beklagten die Versorgung mit einem Dreirad-Tandem "Duo-Novum", 26 Zoll, der W. GmbH G. nebst Zubehör (Rückenlehne, Fußstütze mit Fixierung). Dem Antrag war eine entsprechende ärztliche Verordnung von Dr. B. vom 17. Februar 2004 und ein Kostenvoranschlag der J. Orthopädie KG über 3.571,52 Euro beigefügt.
Mit Bescheid vom 6. April 2004 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass eine Hilfsmittelversorgung mit Fahr- oder Dreirädern für Jugendliche ab dem vollendeten 15. Lebensjahr und für Erwachsene nicht in Betracht komme, da hier die Spezialräder primär der Fortbewegung dienten, ohne dass derartige Hilfsmittel die hohen therapeutischen Anforderungen wie bei einem Kind erfüllten. Die frühkindliche Entwicklung der Klägerin sei bereits abgeschlossen und zur Therapie der Erkrankung stünden "andere zielgerichtetere und wirtschaftlichere Behandlungs¬maßnahmen zur Verfügung (z.B. Maßnahmen der physikalischen oder Ergo -Therapie)".
Den Widerspruch vom 15. Mai 2004 begründete die gesetzliche Vertreterin der Klägerin im Wesentlichen damit, dass das beantragte Rad zur körperlichen Bewegung benutzt werden soll. Dies sei als Vorbeugemaßnahme "hinsichtlich eines möglichen Herz-Kreislaufleidens" förderlich für die Gesundheit der Klägerin. Der gewünschte Effekt, Gewicht und Körperfülle zu verlieren, sei bislang noch nicht eingetreten. Eine alleinige Ernährungsumstellung könne im Falle der Klägerin nicht zum Erfolg führen. Mit Schreiben vom 25. Mai 2004 bat Dr. B. die Beklagte um eine Ausnahmeregelung, da die Klägerin zu dem Personenkreis gehöre, für die das Therapiedreirad der Vergrößerung ihres Aktionsraumes diene und die Möglichkeit eröffne, auch räumliche Erfahrungen und weitere Sinneseindrücke zu sammeln. Vor allem biete es die Chance, die als träge einzuschätzende Klägerin zu motivieren, sich körperlich über die begleitenden Therapiemaßnahmen hinaus zu aktivieren, und einer weiteren Adipositasentwicklung mit den daraus resultierenden Folgeerkrankungen entgegen zu wirken.
Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung e.V. (MDK) vom 2. Juli 2004 ein. Dort wurde eingeschätzt, dass ein Therapiedreirad kein geeignetes Mittel sei, um eine psychomotorische Antriebsminderung einerseits und das Übergewicht andererseits wirksam beeinflussen zu können. Alternativ könne ein wirklicher Therapieansatz nur in Form der medikamentösen Behandlung des Anfallsleidens mit geringeren oder keinen Auswirkungen auf den psychomotorischen Antrieb und/oder einer Antrieb steigernden medikamentösen Behandlung bestehen. Eine Gewichtsreduktion bzw. Verhinderung einer weiteren Gewichtszunahme könne nur unter konsequent fortgesetzter und kontrollierter Diät und regelmäßiger Ernährungsberatung von Erfolg sein. Mit Bescheid vom 20. Juli 2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme erneut unter Bezugnahme auf das eingeholte MDK-Gutachten ab.
Auch gegen diesen Bescheid legte die gesetzliche Vertreterin der Klägerin mit Schreiben vom 1. August 2004 Widerspruch ein, den sie u.a. damit begründete, eine Medikamentenumstellung sei nicht möglich.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2004 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Klägerin sei 17 Jahre alt und habe somit - ebenso wie ein Erwachsener - keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Th-rapiefahrrad. Das Radfahren sei bei Jugendlichen im Alter von 17 Jahren nicht mehr erforder-lich, um in den Kreis Gleichaltriger integriert zu werden.
Mit der am 17. Januar 2005 vor dem Sozialgericht Gotha (SG) erhobenen Klage hat die Mutter und nunmehrige Betreuerin der Klägerin geltend gemacht, die Klägerin sei zwar vom Alter her als Erwachsene anzusehen, leide aber unter einer schweren geistigen Behinderung und sei daher nach wie vor einem Kind gleich zu stellen. Das beantragte Spezialrad diene nicht primär der Fortbewegung, sondern in erster Linie der Bewegungsentwicklung und der Unterstützung der krankengymnastischen Behandlung. In der Vergangenheit sei der Klägerin ein Therapierad zur Probe zur Verfügung gestellt worden. Unter Aufsicht habe sie motiviert werden können, das Therapierad zu nutzen. Es könnten räumliche Erfahrungen und Sinneseindrücke gesammelt werden, außerdem könne damit zu körperlicher Aktivität motiviert werden, was Folgeerkrankungen entgegenwirke.
Dem ist die Beklagte entgegengetreten und hat die Auffassung geäußert, dass alternative Methoden zur Gewichtsabnahme existierten. Die Bereitstellung eines kostenintensiven Therapiefahrrades übersteige das Maß des Notwendigen, zumal beim Fahrradfahren offensichtlich weniger Kalorien verbraucht würden als beim Gehen. Darüber hinaus sei das Radfahren nur in einem begrenzten Umfeld möglich und die ständige Anwesenheit einer Begleitperson sei notwendig. Unter diesen Gesichtspunkten seien regelmäßige Spaziergänge effizienter als Radfahren.
Das SG hat einen Befundbericht von Dr. B. vom 7. Juni 2005 eingeholt, dem mehrere Epikrisen der H. Klinik E. des Epilepsiezentrums Kork, des M. A., der FSU J. sowie der Reha-Entlassungsbericht der Klinik B. Z. vom 8. Oktober 2004 beigefügt waren. Außerdem hat das SG Dr. M. mit der Erstellung eines neurologischen Gutachtens beauftragt. Er hat in seinem Gutachten vom 16. April 2007 bei der Klägerin einen Zustand nach einer entzündlichen Erkrankung des Gehirns diagnostiziert, wobei infolge dieser Erkrankung sowohl die Fähigkeiten des Gehirns, intellektuelle Leistungen zu vollbringen als auch motorisch koordinativ zu handeln, deutlich eingeschränkt seien. Zusätzlich bestehe eine Anfallserkrankung mit kleinen und großen Anfällen, wobei die großen Anfälle in den letzten Monaten nicht mehr auftreten würden. Hinsichtlich der Steuerung der Nahrungsaufnahme sei nur durch äußere Zwänge eine ausreichende Steuerung der Kalorienzufuhr zu erreichen. Dies sei im Zusammenhang mit der zerebralen Funktionsstörung als Einschränkung des Sättigungsgefühls und der Fähigkeit, sich im sozialen Kontext auch in Bezug auf die eigene Gesundheitssituation reflektierend zu verhalten, zu sehen. Es sei mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln der Adipositasentwicklung entgegenzuwirken. Allein durch ernährungstechnische Maßnahmen sei dies nicht zu erreichen. Sinnvoll seien begleitende Maßnahmen, insbesondere auch physische Belastungssituationen, die mit dem angestrebten Therapiefahrrad deutlich aktiviert werden könnten.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25. September 2007 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Therapierad sei nicht erforderlich, um eine Behinderung auszugleichen. Die Klägerin sei in der Lage, zu Fuß zu gehen. Sie könne sich in der Wohnung bewegen und diese auch z.B. für Spaziergänge verlassen. Zur Teilnahme an Aktivitäten anderen Jugendlicher und damit zur Integration in die Gruppe Gleichaltriger sei das Therapierad nicht geeignet. Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen sei die Klägerin lediglich in der Lage, mit einer Begleitperson in einem beschränkten Umfeld oder überschaubaren Bereich und nicht im öffentlichen Verkehr auf einem Therapierad zu agieren. Das Dreirad sei der Klägerin vor allem deshalb ärztlich verordnet worden, um der Adipositasentwicklung entgegen zu wirken. Damit überschreite das Therapierad das Maß des Notwendigen und sei nicht wirtschaftlich. Zwar sei nach den Feststellungen des Sachverständigen eine Gewichtsreduktion durch ernährungstechnische Maßnahmen allein nicht zu erreichen. Sinnvoll seien vielmehr begleitende Maßnahmen, insbesondere auch physische Belastungssituationen, die auch mit dem angestrebten Therapierad aktiviert werden könnten. Jedoch sei ein vergleichbarer therapeutischer Erfolg auch durch andere ärztliche oder krankengymnastische Behandlungsmaßnahmen sowie durch Spazierengehen kostengünstiger zu erreichen. Die Klägerin sei augrund ihrer gesundheitlichen Situation nicht in der Lage allein und schnell mit dem Fahrrad zu fahren. Der Kalorienverbrauch beim langsamen Radfahren sei aber niedriger als beim Gehen. Es gebe zudem verschiedene sportliche Betätigungen, wie Schwimmen, Wassergymnastik oder auch die Übungen der Physiotherapie, die mehr Kalorien verbrauchten als das Radfahren.
Gegen das dem Bevollmächtigten der Klägerin am 25. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat die Betreuerin der Klägerin am 1. November 2007 Berufung einlegen und zur Begründung über das im Verwaltungs- und im erstinstanzlichen Verfahren Geltendgemachte hinaus im Wesentlichen vortragen lassen, dass beim Fahrradfahren mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h, die "auch für einen völlig ungeübten Fahrer ohne weiteres erreichbar" sei, mehr Kalorien verbraucht würden, als beim Gehen. Der Bevollmächtigte hat außerdem eine Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. vom 1. Juli 2008 übersandt, wonach das Therapierad als Motivationshilfe diene, damit sich die Klägerin freiwillig bewege. Eine Physiotherapie sei dazu im Vergleich weniger geeignet. Zudem könne die Klägerin mit dem Therapierad ihre sozialen Phobien beüben. Außerdem trage dieses zur weiteren Stabilisierung der Koordination der Bewegung bei und trainiere die Ausdauer. Schließlich hat der Bevollmächtigte auf ein Verfahren vor dem Sozialgericht Meiningen verwiesen, das mit einer Verurteilung der dort beklagten Krankenkasse zur Versorgung ihres klagenden Versicherten mit einem Therapiedreirad endete.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 25. September 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 6. April und vom 20. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2004 zu verurteilen, sie mit einem Therapiedreirad-Tandem "Duo-Novum", 26 Zoll, der W. GmbH G. nebst Zubehör (Rückenlehne, Fußstütze mit Fixierung) zu versorgen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung stützt sie sich auf das angefochtene Urteil und verweist auf die ergänzende Stellungnahme des Dr. M. vom 10. März 2008, dem eindeutig zu entnehmen sei, dass andere Behandlungsmaßnahmen in Bezug auf den Kalorienverbrauch besser geeignet seien, der Adipositas entgegen zu wirken. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; z.B. Beschluss vom 27. Juli 2006 - Az.: B 3 KR 11/06 B sowie Urteile vom 21. November 2002 - Az.: B 3 KR 8/02 R und vom 5. Oktober 2010 - Az.: B 3 KR 5/10 R) gelte der Grundsatz, dass eine fachgerechte Krankengymnastik in der Regel nicht nur ausreichend sei, sondern sogar gezielter und vielseitiger die angestrebten Verbesserungen der körperlichen und seelischen Verfassung des Behinderten, einschließlich der Stärkung von Muskulatur, Herz-Kreislauf-System, Lungenfunktion, Körperkoordination und Balancegefühl erreiche. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz lasse das BSG nur dann zu, wenn ein vergleichbarer therapeutischer Erfolg weder durch ärztliche oder krankengymnastische Behandlungsmaßnahmen, noch durch ein anderes Gerät günstiger zu erreichen sei. Soweit die Klägerin beabsichtige, das Therapierad für kürzere, im Nahbereich ihrer Wohnung liegende Strecken zu benutzen, scheitere der Anspruch an der fehlenden Erforderlichkeit der Versorgung, da die Klägerin ausweislich des Gutachtens des Dr. M. ausreichend gehfähig sei. Im Übrigen sei das Radfahren als spezielle Art der Fortbewegung mit den damit verbundenen Effekten hinsichtlich Geschwindigkeit und sportlicher Betätigung nicht als Grundbedürfnis anerkannt. Außerdem sei zu bezweifeln, dass das Radfahren eine sichere Alternative sei, da Dr. M. darauf hinweise, dass die Fähigkeit der Klägerin, selbständig zu gehen oder mit Angehörigen Spaziergänge zu unternehmen, reduziert sei, zumal auch ein Anfallsleiden und somit die Gefahr von plötzlich auftretenden Bewusstseinsstörungen bestünde. Zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung sei das Therapierad ebenfalls nicht geeignet, da es nicht ausreiche, dass aus einer vorhandenen Krankheit irgendwann in der Zukunft möglicherweise eine Behinderung entstehe oder sich verschlimmere. Zudem fehle es der beabsichtigten Benutzung des Therapierades im Falle der Klägerin an einem spezifischen Bezug zur ärztlich verordneten Krankenbehandlung. Schließlich sei der vom Sozialgericht Meinigen entschiedene Fall mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, da die Klägerin hier nur mit einer Begleitperson agieren könne.
In zwei ergänzenden Stellungnahmen vom 10. März und vom 29. Oktober 2008 hat der erstinstanzlich beauftragte Sachverständige Dr. M. ausgeführt, dass bei der Klägerin ausreichend Eigeninitiative nicht zu erreichen sei, sondern des äußeren Anstoßes und der Führung bedürfe. Das Gehen sei für die Klägerin deutlich schwerer zu realisieren, als die Nutzung eines Therapierades. "Natürlich" seien "andere Behandlungsmaßnahmen in Bezug auf den Verbrauch von Energie besser geeignet, der Adipositas entgegen zu wirken". Zu berücksichtigen bleibe aber die spezielle individuelle Situation der Klägerin, weshalb hier Maßnahmen zum Einsatz kommen müssten, die über die Regelbehandlung hinausgingen. Eine solche Behandlungsmaßnahme könne der Einsatz eines Therapierades darstellen, weshalb dies aus nervenärztlicher Sicht dringend erforderlich erscheine. Das Therapierad sei letztlich nicht allein Instrument der Aktivitätsanregung zur Minderung der Adipositas, sondern diene gleichzeitig als Instrument zu einer, wenn auch beschränkten Teilhabe an gesellschaftlichen, im familiären Rahmen durchzuführenden Aktivitäten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet, denn ihre Klage ist unbegründet und damit abzuweisen. Sie hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit dem begehrten Therapiedreirad.
Maßgebende Vorschrift für die behauptete Leistungspflicht der Beklagten im Bereich der Hilfsmittelversorgung ist § 33 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung im Hinblick auf "die Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen. Dagegen ist weder die vertragsärztliche Verordnung (§ 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V) des begehrten Hilfsmittels noch seine Listung im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) Voraussetzung für die Leistungspflicht der beklagten Krankenkasse (ständige Rspr. des Bundessozialgerichts &61500; BSG&61502;, vgl. zuletzt Urteile vom 18. Mai 2011 - Az.: B 3 KR 12/10 R und B 3 KR 7/10 R, jeweils nach juris und m.w.N.).
In Anwendung dieser Grundsätze besteht ein gegen die Beklagte gerichteter Anspruch auf Versorgung mit einem Therapiedreirad als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung weder unter dem Gesichtspunkt des Behinderungsausgleichs (vgl. unter b), noch der Vorbeugung einer drohenden Behinderung (s.u. c), noch der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (dazu unter a).
Einem Therapiedreirad kann in Bezug auf erwachsene Versicherte allerdings nicht bereits die Eigenschaft als Hilfsmittel i.S. von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V abgesprochen werden. Die dort genannten und oben zitierten Voraussetzungen erfüllt das Therapiedreirad grundsätzlich, denn die Hilfsmitteleigenschaft wird allein nach objektiven Kriterien bestimmt. Personenbezogene Merkmale, wie z.B. das Alter des Versicherten, sind hierfür nicht maßgebend (vgl. BSG, Urteile vom 18. Mai 2011, a.a.O.). Fraglich ist im vorliegenden Fall indes, ob das Therapiedreirad-Tandem nicht bereits deshalb als Hilfsmittel ausscheidet, weil es als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen sein könnte, der dem Versicherten eine Mobilität ermöglicht, die über den durch Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleistenden Bereich der medizinischen Rehabilitation hinausgeht.
a) Jedenfalls aber ist das von der Klägerin begehrte Therapiedreirad als Hilfsmittel zum einen nicht zur Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB V) erforderlich.
Der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung dient ein sächliches Mittel, soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Dabei kommt nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation ein Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung i.S. von § 27 SGB V zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung i.S. der Behandlungsziele des § 27 SGB V als erforderlich anzusehen sind. Diese Voraussetzungen liegen bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung vor, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat und die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 - Az.: B 3 KR 7/10 R, nach juris).
Im Falle der Klägerin fehlt der Versorgung mit dem Therapiedreirad-Tandem bereits der erforderliche Bezug zu einer ärztlich verantworteten Krankenbehandlung, da die Verordnung nicht in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer steht und für die gezielte Versorgung i.S. der Behandlungsziele des § 27 SGB V als erforderlich anzusehen ist. Die Verordnung des Therapiedreirad-Tandems steht gerade nicht in einem solchen engen Zusammenhang zur Behandlung des bestehenden Zustands der Klägerin nach einer entzündlichen Erkrankung ihres Gehirns im Sinne einer deutlichen Einschränkung der Fähigkeiten, intellektuelle Leistungen zu vollbringen und auch motorisch koordinativ zu handeln. Sie soll nach entsprechender Auskunft des verschreibenden Arztes vielmehr neben der Vergrößerung des Aktionsraumes und der Eröffnung der Möglichkeit, räumliche Erfahrungen und weitere Sinneseindrücke zu sammeln, der Verhinderung der weiteren Adipositasentwicklung mit den daraus resultierenden Folgeerkrankungen dienen.
Damit soll das verordnete Hilfsmittel einer weiteren Erkrankung vorbeugen, nicht aber eine vorhandene Erkrankung behandeln helfen. Lediglich ergänzend ist hier anzumerken, dass in Übereinstimmung mit der Beklagten selbst die mit dem Therapiedreirad-Tandem bezweckte Vorbeugung fraglich ist. Ob die durch die Klägerin bei dem einmaligen Probegebrauch eines Therapiedreirades gezeigte Motivation sich zu bewegen, nachhaltig ist, oder nach mehrmaligem Gebrauch infolge Gewöhnung wieder schwindet, ist völlig offen. Aber selbst wenn die Motivation nachhaltig sein sollte, so stellt sich angesichts der Witterungsabhängigkeit des Gebrauchs des Therapiedreirad-Tandems die weitere Frage der Wirksamkeit im Sinne des bezweckten Aufhaltens der Adipositasentwicklung. Nach Überzeugung des Senats kann in der begehrten Nutzung des Therapiedreirad-Tandems allenfalls ein – untergeordneter – Beitrag zu dem Bemühen gesehen werden, die weitere Adipositasentwicklung mit den daraus resultierenden Folgeerkrankungen zu verhindern. Dem Einwand der Klägerseite, dass beim Fahrradfahren mehr Kalorien verbraucht würden, als beim Gehen, kann der Senat nicht in der Allgemeingültigkeit zustimmen. Dies hängt in erster Linie von der Intensität der Nutzung des Fahrrades ab. Bei der Klägerin ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass sie das Therapiedreirad-Tandem nicht allein, sondern nur unter Aufsicht nutzen kann, so dass bei einer Begleitung auf dem Tandem der Trainingseffekt und auch der Kalorienverbrauch bei der Klägerin wesentlich vom körperlichen Einsatz der Begleit- bzw. Aufsichtsperson abhängt. Der Senat verweist in diesem Zusammenhang zudem auf die Einschätzung des Sachverständigen Dr. M., wonach "natürlich ( ) andere Behandlungsmaßnahmen in Bezug auf den Verbrauch von Energie besser geeignet (seien), der Adipositas entgegen zu wirken". Letztlich steht die (bessere) Eignung des Therapiedreirad-Tandems in Übereinstimmung mit der Beklagten auch deshalb in Frage, weil, wie Dr. M. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. März 2008 betont, aufgrund des Anfallsleidens der Klägerin "natürlich die Gefahr von plötzlich auftretenden Bewusstseinsstörungen" bestehe. Ob dieser Gefahr und den hieraus zu befürchtenden Folgen bei einer intensiven Nutzung des Therapiedreirad-Tandems adäquat begegnet werden kann, bezweifelt der Senat. Dass das Therapiedreirad-Tandem, wie die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. in ihrem Schreiben vom 1. Juli 2008 meint, zur weiteren Stabilisierung der Koordination der Bewegung beitrage, die Ausdauer trainiere und die sozialen Phobien der Klägerin beüben helfe, ist hier nicht von Belang, da dies allenfalls Nebenfolgen einer Nutzung des Hilfsmittels sind, nicht aber den Hauptzweck dessen Verordnung darstellen.
b) Des Weiteren ist das begehrte Therapiedreirad auch nicht zum Ausgleich einer Behinderung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 SGB V) erforderlich.
Der Behinderungsausgleich hat grundsätzlich zwei Zielrichtungen: Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen. Im Rahmen dieses sog. mittelbaren Behinderungsausgleichs geht es nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den Möglichkeiten eines nicht behinderten Menschen, da Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation ist (vgl. § 1 SGB V, § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Nr. 1 und 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch &61500;SGB IX&61502;), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist daher von der gesetzlichen Krankenversicherung nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens, wie z.B. das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, betrifft (ständige Rspr. des BSG, zuletzt: Urteile vom Urteile vom 18. Mai 2011, a.a.O., und vom 10. März 2011 - Az.: B 3 KR 9/10 R, jeweils m.w.N.).
In Anwendung dieser Grundsätze könnte es sich bei der von der Klägerin begehrten Versorgung mit dem Therapiedreirad-Tandem nur um eine Maßnahme des mittelbaren Behinderungsausgleichs handeln. Jedoch ist die Klägerin nach sämtlichen vorliegenden medizinischen Stellungnahmen, insbesondere dem Sachverständigengutachten des Dr. M., "ausreichend gehfähig", weshalb das Therapiedreirad-Tandem auch hauptsächlich dazu dienen soll, die Klägerin zu körperlichen Aktivitäten zu motivieren. Damit betrifft die Versorgung der Klägerin mit dem Therapiedreirad-Tandem aber ersichtlich kein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens im oben genannten Sinne, da das Gehen bzw. das Erschließen eines gewissen körperlichen Freiraums bei der Klägerin nicht unmittelbar durch ihre Behinderung in entscheidungserheblichem Maße eingeschränkt, sondern im Wesentlichen davon beeinflusst wird, wie sie hierzu motiviert werden kann. Soweit von Klägerseite darüber hinaus vorgetragen wird, dass das Therapiedreirad-Tandem außerdem die Möglichkeit eröffne, räumliche Erfahrungen und neue Sinneseindrücke zu sammeln, sowie gleichzeitig als Instrument zu einer, wenn auch beschränkten Teilhabe an gesellschaftlichen, im familiären Rahmen durchzuführenden Aktivitäten diene, gilt auch hierfür das oben Gesagt entsprechend, denn auch diese Bedürfnisse, soweit man sie überhaupt zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens zählen will, werden nicht durch die Behinderung der Klägerin, sondern von deren Motivationsfähigkeit limitiert.
c) Schließlich dient das begehrte Therapiedreirad nicht der Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung (2. Alternative des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Es reicht zur Erfüllung der Voraussetzungen dieser Alternative nämlich nicht aus, dass eine vorhandene Krankheit irgendwann einmal in der Zukunft zu einer Behinderung führen, sich also ein abstrakt-theoretisches Behinderungsrisiko verwirklichen könnte. Vielmehr muss hierbei ein konkretes Behinderungsrisiko bestehen. Dies setzt voraus, dass nicht irgendeine Form einer Behinderung denkbar erscheint, sondern eine ganz bestimmte Art der Behinderung zu erwarten ist, die bei einer bestimmten Erkrankung typischerweise als Folge eintreten kann (sachliche Komponente). Diese Folge muss auch "drohen" (zeitliche Komponente). Eine Behinderung "droht" erst, wenn ein bestimmtes Krankheitsbild bei natürlichem Verlauf in absehbarer Zeit unter den Gegebenheiten des Einzelfalls mit einiger Wahrscheinlichkeit zu einem Dauerzustand in Form einer sonst nicht mehr behebbaren konkreten Funktionseinschränkung führen kann. Ärztliche Maßnahmen jeder Art, die diesen natürlichen Verlauf verhindern können, dienen der Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung. (vgl. BSG, Urteil vom 22. April 2009 - Az.: B 3 KR 11/07 R).
Im Falle der Klägerin droht nach Überzeugung des Senats keine Behinderung in dem genannten Sinne, der durch das Therapiedreirad-Tandem vorgebeugt werden könnte. So ist der Beklagten zuzustimmen, dass derzeit konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt einer Behinderung durch die bestehende Adipositas der Klägerin in absehbarer Zeit nicht ersichtlich sind. Zwar teilt der Senat die Auffassung des verordnenden Arztes Dr. B., dass der Adipositasentwicklung bei der Klägerin mit den daraus resultierenden Folgeerkrankungen entgegen gewirkt werden muss. Doch zum einen steht noch gar nicht fest, welche Folgeerkrankungen bei der Klägerin dann tatsächlich eintreten und wann dies der Fall sein wird. Außerdem ist es für den Senat fraglich, ob das begehrte Therapiedreirad-Tandem das geeignete Mittel für diesen Zweck darstellt. Insoweit wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen oben unter a) und b) Bezug genommen.
Letztlich verhilft auch der mit der Berufung erfolgte Verweis auf ein Verfahren vor dem Sozialgericht Meiningen, das mit einer Verurteilung der dort beklagten Krankenkasse zur Versorgung ihres klagenden Versicherten mit einem Therapiedreirad endete, nicht zum Erfolg der Berufung der Klägerin, da die Frage der Erforderlichkeit der Hilfsmittelversorgung von der jeweiligen konkreten Situation des Versicherten abhängt. Allein die Vergleichbarkeit des Hilfsmittels in beiden Fällen begründet noch nicht die Notwendigkeit der Versorgung hiermit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr.1, 2 SGG).
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