Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 14 R 2782/09
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 B 210/09 R
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Al-tenburg vom 28. August 2009 aufgehoben und ihm unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. T., ...,., für die Zeit vom 5. August 2009 bis 24. Februar 2010 und unter Beiordnung von Rechtsanwältin M. Z.,.,., ab dem 25. Februar 2010 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Der Wechsel der Beiord-nung darf nicht zu Mehrkosten für die Staatskasse führen. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des beklagten Rentenversicherungsträgers, An-sprüche der IKK Thüringen (jetzt IKK Classic) gegen den Beschwerdeführer mit dessen Al-tersrente zu verrechnen.
Die IKK Thüringen übersandte an die Beklagte am 15. bzw. 16. Februar 2009 eine Ermächti-gung zur Verrechnung eines Betrags in Höhe von insgesamt 23.820,28 EUR wegen nicht gezahl-ter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und Säumniszuschlägen. Nachdem die Be-klagte mit Bescheid vom 17. Juni 2009 eine Einbehaltung in Höhe von monatlich 356,60 EUR von der Rente des Beschwerdeführers ab dem 1. September 2009 verfügte und ein hiergegen eingelegter Widerspruch keinen Erfolg hatte, hat er am 5. August 2009 Klage erhoben und zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Mit Beschluss vom 28. August 2009 hat das SG den Antrag auf Gewährung von PKH abge-lehnt. Der Verrechnungsbescheid vom 17. Juni 2009 sei rechtmäßig und verletze den Be-schwerdeführer nicht in seinen Rechten. Rechtsgrundlage sei § 52 des Ersten Buches Sozial-gesetzbuch (SGB I). Die IKK Thüringen habe zur Verrechnung der dort bestehenden Forde-rung gegen den Beschwerdeführer in Höhe von 23.820,28 EUR mit dessen Rente ermächtigt. Ausgehend von einem Betrag der Gesamteinkünfte der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.726,50 EUR verbleibe nach Abzug des Verrechnungsbetrages ein Betrag von 567,29 EUR über dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Eine Verrechnung gemäß § 52 SGB I sei während der Wohlverhaltensperiode des Insolvenz-verfahrens nicht analog § 297 Abs. 1 Insolvenzordnung ausgeschlossen.
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer am 28. September 2009 Beschwerde erho-ben. Die zugrunde liegende Forderung der IKK Thüringen bestehe nicht. Es liege nahe, dass eine Doppelveranlagung der Arbeitskräfte vorliege und dass der Firmenwechsel von der IKK nicht berücksichtigt worden sei. Während der Wohlverhaltensphase im Insolvenzverfahren sei eine Verrechnung nicht zulässig. In den letzten zwei Jahren seien Kredite aufgenommen wor-den, um einen Zahnersatz zu bezahlen. Diese Kreditbelastung sei in keinster Weise berück-sichtigt worden. Bei Abzug des Verrechnungsbetrages sei er nicht in der Lage, seinen Kredit-belastungen nachzukommen und damit die Restschuldbefreiung gefährdet.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 28. August 2009 aufzuheben und ihm unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. T., ..., , bzw. Rechtsanwäl-tin M. Z.,., ..., Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.
Die Beklagte hat sich zum PKH-Antrag nicht geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerdeakte sowie der beigezogenen Prozessakte samt PKH-Heft des SG Al-tenburg (Az.: S 14 R 2782/09) Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Be-schwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf Bewilligung von PKH für das Verfahren vor dem SG.
Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessfüh-rung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beab-sichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn bei summa-rischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die beabsichtigte Rechts-verfolgung des Beschwerdeführers zum Erfolg führen kann. Eine beabsichtigte Rechtsverfol-gung bietet dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Standpunkt des Be-schwerdeführers nach dessen Sachdarstellung und den vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweis-führung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für den Eintritt des angestrebten Erfolgs eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht.
Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat die Rechtsverfolgung des Beschwerdeführers hinrei-chende Erfolgsaussichten. Der Verrechnungsbescheid der Beklagten in der Fassung des nach-folgend ergangenen Widerspruchsbescheides begegnet rechtlichen Bedenken.
Materiell-rechtlich setzt die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung mit zukünftig fällig werdenden Rentenzahlungen gemäß §§ 52, 51 SGB I i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) voraus: - das Bestehen der von der IKK Classic gegen den Beschwerdeführer geltend gemach-ten Forderungen sowie eine Verrechnungslage - das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Ermächtigung der Beklagten zur Vornahme der Verrechnung durch den Anspruchsteller - die Pfändbarkeit der Rentenansprüche des Beschwerdeführers - die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 SGB I - die erforderliche Bestimmtheit des Verrechnungsverwaltungsakts sowie die ordnungs-gemäße Ausübung des der Beklagten zustehenden Ermessens.
Zweifel bestehen hier daran, ob die Beklagte ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat. Dies ergibt sich aus folgendem: Die einseitig durch Verwaltungsakt geregelte Verrechnung steht im pflichtgemäßen Ermessen des durchführenden Leistungsträgers. Denn bei dem "Kann" in § 52 Halbsatz 1 und § 51 Abs. 1 Halbsatz 1, Abs. 2 Halbsatz 1 SGB I handelt es sich um ein sogenanntes "Ermessenskann". Mit der Einräumung echten Ermessens steht dem die Verrech-nung durch Verwaltungsakt regelnden Leistungsträger eine breite Handlungsmöglichkeit hin-sichtlich des Ob und des Umfangs einer Verrechnung zur Verfügung, um so die Besonderhei-ten des Einzelfalls und insbesondere die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers angemessen zu berücksichtigen. Dabei ist das Verrechnungsermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und es sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I). Dem entspricht ein Anspruch des Leistungsempfän-gers auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I. In diesem Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle, insbesondere auf Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch (vgl. BSG, Urteil vom 7. Februar 2012 - Az.: B 13 R 85/09 R, zitiert nach Juris).
Ob die Ermessensentscheidung im Bescheid vom 17. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 10. Juli 2009 diesen Anforderungen genügt, ist zweifelhaft. Im Verrech-nungsbescheid vom 17. Juni 2009 hat die Beklagte lediglich ausgeführt, dass Gründe, welche sie berechtigen würden, im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung von der Verrech-nung abzusehen, nicht vorliegen. Des Weiteren hat sie ausgeführt, dass die Verrechnung unter angemessener Berücksichtigung der von den Sozialleistungsträgern zu beachtenden haushalts-rechtlichen Vorgabe, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben, erfolge. Zwar hat die Beklagte damit erkannt, dass ihr bei der zu treffenden Verrechnungsentscheidung Ermessen zusteht. Zweifelhaft ist aber, ob sie das ihr zustehende Ermessen hinsichtlich des Umfangs der Verrechnung erkannt hat. Insoweit hat sie lediglich darauf Bezug genommen, dass die Ver-rechnung bis zur Höhe des halben Rentenbetrages zulässig sei. Damit hat sie lediglich auf die gesetzliche Regelung des § 51 Abs. 2 Satz 1 SGB I abgestellt, wonach eine Verrechnung bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung zulässig ist, wenn der Leistungsberechtigte nicht nach-weist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches wird. Eigene nachvollziehbare Erwägungen zur Höhe des Verrechnungsbetrages hat sie hingegen nicht angestellt. Auch der pauschale Hinweis auf die Verpflichtung der Sozialleistungsträger, Einnahmen vollständig zu erheben, reicht nicht aus. Diese Erwägungen lassen erkennen, dass sich die Beklagte allein auf den Gesichtspunkt des Eintritts der Sozialhilfebedürftigkeit des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau beschränkt hat. Sozialhilferechtliche Freibeträge sind für die Ermessensausübung allein nicht maßgeblich (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2002 - Az.: L 6 RA 82/00, zitiert nach Juris Rn. 32). Damit spricht vieles dafür, dass sie gegen ihre Verpflichtung verstoßen hat, im Rahmen der Ermessensausübung die Interes-sen des Berechtigten bei einer Entscheidung umfassend und sachgemäß einzubeziehen. Denn ein Eingehen auf weitere Zahlungsverpflichtungen lag bereits deshalb nahe, weil der Be-schwerdeführer mit Schreiben vom 27. April 2009 seine derzeitigen Kreditverpflichtungen z.B. gegenüber der Commerzbank mit monatlich 212,03 EUR beziffert hat. Aufgrund dieser An-gaben zur Höhe seiner monatlichen Kreditverpflichtungen wäre die Beklagte gehalten gewe-sen, im Einzelnen nähere Ermittlungen dazu zu treffen, wofür diese Kreditverpflichtungen eingegangen worden sind. So hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdebegründung vom 28. September 2009 ausgeführt, dass er in den letzten zwei Jahren neue Kredite habe aufnehmen müssen, um mit ihrer Hilfe einen Zahnersatz zu finanzieren. Diese Kosten hätte die Beklagte - gegebenenfalls nach weiterer Sachverhaltsaufklärung - in ihre Ermessenserwä-gungen einbeziehen müssen. Erforderlich wäre es gewesen, sich mit möglichen besonderen Bedürfnissen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang wären auch Erwägungen dazu erforderlich gewesen, ob der Beschwerdeführer im Falle einer Ver-rechnung noch in der Lage ist, seinen Kreditbelastungen nachzukommen und welche Auswir-kungen eine Nichterfüllung dieser Kreditbelastungen für die Restschuldbefreiung hat. Auch dem Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2009 lassen sich keine hinreichenden Ermessener-wägungen entnehmen. Dort ist lediglich der pauschale Hinweis enthalten, dass eine Verrech-nung mit der Rentenleistung in Höhe von monatlich 356,60 EUR keine Sozialhilfebedürftigkeit auslösen würde und dieser Betrag damit für eine Verrechnung zur Verfügung stehe.
Angesichts dessen braucht nicht weiter darauf eingegangen zu werden, ob dem Beschwerde-führer nicht bereits deshalb PKH zu bewilligen gewesen wäre, weil zum Zeitpunkt der Ent-scheidung über den PKH-Antrag die Frage, ob eine Verrechnung zu Recht durch Verwal-tungsakt geregelt werden kann, in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt war. Diese Klärung ist vielmehr erst mit dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialge-richts vom 31. August 2011 - Az.: GS 2/10 - erfolgt.
Die in §§ 114ff. ZPO näher geregelten persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen liegen nach den PKH- Unterlagen ebenfalls vor. Der Wechsel der Beiordnung war aufgrund der Mandatsbeendigung zum 24. Februar 2010 (Tod Rechtsanwalt T.) erforderlich.
Kosten sind nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des beklagten Rentenversicherungsträgers, An-sprüche der IKK Thüringen (jetzt IKK Classic) gegen den Beschwerdeführer mit dessen Al-tersrente zu verrechnen.
Die IKK Thüringen übersandte an die Beklagte am 15. bzw. 16. Februar 2009 eine Ermächti-gung zur Verrechnung eines Betrags in Höhe von insgesamt 23.820,28 EUR wegen nicht gezahl-ter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und Säumniszuschlägen. Nachdem die Be-klagte mit Bescheid vom 17. Juni 2009 eine Einbehaltung in Höhe von monatlich 356,60 EUR von der Rente des Beschwerdeführers ab dem 1. September 2009 verfügte und ein hiergegen eingelegter Widerspruch keinen Erfolg hatte, hat er am 5. August 2009 Klage erhoben und zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Mit Beschluss vom 28. August 2009 hat das SG den Antrag auf Gewährung von PKH abge-lehnt. Der Verrechnungsbescheid vom 17. Juni 2009 sei rechtmäßig und verletze den Be-schwerdeführer nicht in seinen Rechten. Rechtsgrundlage sei § 52 des Ersten Buches Sozial-gesetzbuch (SGB I). Die IKK Thüringen habe zur Verrechnung der dort bestehenden Forde-rung gegen den Beschwerdeführer in Höhe von 23.820,28 EUR mit dessen Rente ermächtigt. Ausgehend von einem Betrag der Gesamteinkünfte der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.726,50 EUR verbleibe nach Abzug des Verrechnungsbetrages ein Betrag von 567,29 EUR über dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Eine Verrechnung gemäß § 52 SGB I sei während der Wohlverhaltensperiode des Insolvenz-verfahrens nicht analog § 297 Abs. 1 Insolvenzordnung ausgeschlossen.
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer am 28. September 2009 Beschwerde erho-ben. Die zugrunde liegende Forderung der IKK Thüringen bestehe nicht. Es liege nahe, dass eine Doppelveranlagung der Arbeitskräfte vorliege und dass der Firmenwechsel von der IKK nicht berücksichtigt worden sei. Während der Wohlverhaltensphase im Insolvenzverfahren sei eine Verrechnung nicht zulässig. In den letzten zwei Jahren seien Kredite aufgenommen wor-den, um einen Zahnersatz zu bezahlen. Diese Kreditbelastung sei in keinster Weise berück-sichtigt worden. Bei Abzug des Verrechnungsbetrages sei er nicht in der Lage, seinen Kredit-belastungen nachzukommen und damit die Restschuldbefreiung gefährdet.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 28. August 2009 aufzuheben und ihm unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. T., ..., , bzw. Rechtsanwäl-tin M. Z.,., ..., Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.
Die Beklagte hat sich zum PKH-Antrag nicht geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerdeakte sowie der beigezogenen Prozessakte samt PKH-Heft des SG Al-tenburg (Az.: S 14 R 2782/09) Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Be-schwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf Bewilligung von PKH für das Verfahren vor dem SG.
Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessfüh-rung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beab-sichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn bei summa-rischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die beabsichtigte Rechts-verfolgung des Beschwerdeführers zum Erfolg führen kann. Eine beabsichtigte Rechtsverfol-gung bietet dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Standpunkt des Be-schwerdeführers nach dessen Sachdarstellung und den vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweis-führung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für den Eintritt des angestrebten Erfolgs eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht.
Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat die Rechtsverfolgung des Beschwerdeführers hinrei-chende Erfolgsaussichten. Der Verrechnungsbescheid der Beklagten in der Fassung des nach-folgend ergangenen Widerspruchsbescheides begegnet rechtlichen Bedenken.
Materiell-rechtlich setzt die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung mit zukünftig fällig werdenden Rentenzahlungen gemäß §§ 52, 51 SGB I i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) voraus: - das Bestehen der von der IKK Classic gegen den Beschwerdeführer geltend gemach-ten Forderungen sowie eine Verrechnungslage - das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Ermächtigung der Beklagten zur Vornahme der Verrechnung durch den Anspruchsteller - die Pfändbarkeit der Rentenansprüche des Beschwerdeführers - die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 SGB I - die erforderliche Bestimmtheit des Verrechnungsverwaltungsakts sowie die ordnungs-gemäße Ausübung des der Beklagten zustehenden Ermessens.
Zweifel bestehen hier daran, ob die Beklagte ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat. Dies ergibt sich aus folgendem: Die einseitig durch Verwaltungsakt geregelte Verrechnung steht im pflichtgemäßen Ermessen des durchführenden Leistungsträgers. Denn bei dem "Kann" in § 52 Halbsatz 1 und § 51 Abs. 1 Halbsatz 1, Abs. 2 Halbsatz 1 SGB I handelt es sich um ein sogenanntes "Ermessenskann". Mit der Einräumung echten Ermessens steht dem die Verrech-nung durch Verwaltungsakt regelnden Leistungsträger eine breite Handlungsmöglichkeit hin-sichtlich des Ob und des Umfangs einer Verrechnung zur Verfügung, um so die Besonderhei-ten des Einzelfalls und insbesondere die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers angemessen zu berücksichtigen. Dabei ist das Verrechnungsermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und es sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I). Dem entspricht ein Anspruch des Leistungsempfän-gers auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I. In diesem Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle, insbesondere auf Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch (vgl. BSG, Urteil vom 7. Februar 2012 - Az.: B 13 R 85/09 R, zitiert nach Juris).
Ob die Ermessensentscheidung im Bescheid vom 17. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 10. Juli 2009 diesen Anforderungen genügt, ist zweifelhaft. Im Verrech-nungsbescheid vom 17. Juni 2009 hat die Beklagte lediglich ausgeführt, dass Gründe, welche sie berechtigen würden, im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung von der Verrech-nung abzusehen, nicht vorliegen. Des Weiteren hat sie ausgeführt, dass die Verrechnung unter angemessener Berücksichtigung der von den Sozialleistungsträgern zu beachtenden haushalts-rechtlichen Vorgabe, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben, erfolge. Zwar hat die Beklagte damit erkannt, dass ihr bei der zu treffenden Verrechnungsentscheidung Ermessen zusteht. Zweifelhaft ist aber, ob sie das ihr zustehende Ermessen hinsichtlich des Umfangs der Verrechnung erkannt hat. Insoweit hat sie lediglich darauf Bezug genommen, dass die Ver-rechnung bis zur Höhe des halben Rentenbetrages zulässig sei. Damit hat sie lediglich auf die gesetzliche Regelung des § 51 Abs. 2 Satz 1 SGB I abgestellt, wonach eine Verrechnung bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung zulässig ist, wenn der Leistungsberechtigte nicht nach-weist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches wird. Eigene nachvollziehbare Erwägungen zur Höhe des Verrechnungsbetrages hat sie hingegen nicht angestellt. Auch der pauschale Hinweis auf die Verpflichtung der Sozialleistungsträger, Einnahmen vollständig zu erheben, reicht nicht aus. Diese Erwägungen lassen erkennen, dass sich die Beklagte allein auf den Gesichtspunkt des Eintritts der Sozialhilfebedürftigkeit des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau beschränkt hat. Sozialhilferechtliche Freibeträge sind für die Ermessensausübung allein nicht maßgeblich (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2002 - Az.: L 6 RA 82/00, zitiert nach Juris Rn. 32). Damit spricht vieles dafür, dass sie gegen ihre Verpflichtung verstoßen hat, im Rahmen der Ermessensausübung die Interes-sen des Berechtigten bei einer Entscheidung umfassend und sachgemäß einzubeziehen. Denn ein Eingehen auf weitere Zahlungsverpflichtungen lag bereits deshalb nahe, weil der Be-schwerdeführer mit Schreiben vom 27. April 2009 seine derzeitigen Kreditverpflichtungen z.B. gegenüber der Commerzbank mit monatlich 212,03 EUR beziffert hat. Aufgrund dieser An-gaben zur Höhe seiner monatlichen Kreditverpflichtungen wäre die Beklagte gehalten gewe-sen, im Einzelnen nähere Ermittlungen dazu zu treffen, wofür diese Kreditverpflichtungen eingegangen worden sind. So hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdebegründung vom 28. September 2009 ausgeführt, dass er in den letzten zwei Jahren neue Kredite habe aufnehmen müssen, um mit ihrer Hilfe einen Zahnersatz zu finanzieren. Diese Kosten hätte die Beklagte - gegebenenfalls nach weiterer Sachverhaltsaufklärung - in ihre Ermessenserwä-gungen einbeziehen müssen. Erforderlich wäre es gewesen, sich mit möglichen besonderen Bedürfnissen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang wären auch Erwägungen dazu erforderlich gewesen, ob der Beschwerdeführer im Falle einer Ver-rechnung noch in der Lage ist, seinen Kreditbelastungen nachzukommen und welche Auswir-kungen eine Nichterfüllung dieser Kreditbelastungen für die Restschuldbefreiung hat. Auch dem Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2009 lassen sich keine hinreichenden Ermessener-wägungen entnehmen. Dort ist lediglich der pauschale Hinweis enthalten, dass eine Verrech-nung mit der Rentenleistung in Höhe von monatlich 356,60 EUR keine Sozialhilfebedürftigkeit auslösen würde und dieser Betrag damit für eine Verrechnung zur Verfügung stehe.
Angesichts dessen braucht nicht weiter darauf eingegangen zu werden, ob dem Beschwerde-führer nicht bereits deshalb PKH zu bewilligen gewesen wäre, weil zum Zeitpunkt der Ent-scheidung über den PKH-Antrag die Frage, ob eine Verrechnung zu Recht durch Verwal-tungsakt geregelt werden kann, in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt war. Diese Klärung ist vielmehr erst mit dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialge-richts vom 31. August 2011 - Az.: GS 2/10 - erfolgt.
Die in §§ 114ff. ZPO näher geregelten persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen liegen nach den PKH- Unterlagen ebenfalls vor. Der Wechsel der Beiordnung war aufgrund der Mandatsbeendigung zum 24. Februar 2010 (Tod Rechtsanwalt T.) erforderlich.
Kosten sind nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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