L 6 P 364/08

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 16 P 1801/07
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 P 364/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 28. Februar 2008 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten für den Berufungsrechts-zug zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der der Klägerin durch die Beklagte zu erstattenden Kosten anwaltlicher Vertretung im Widerspruchsverfahren streitig.

Die 1928 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin stellte im November 2005 erst-mals einen Antrag auf Gewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen e.V. (MDK) vom Dezember 2005 (Grundpflegebedarf 11 Minuten täglich) lehnte die Beklagte den An-trag mit Bescheid vom 3. Januar 2006 ab.

Im Laufe des anschließenden Widerspruchsverfahrens zeigte der Bevollmächtigte der Kläge-rin gegenüber der Beklagten am 3. April 2006 seine Bevollmächtigung an und beantragte Ak-teneinsicht. Diese übersandte ihm daraufhin das MDK-Gutachten vom Dezember 2005. Im Mai 2006 wurde die Klägerin erneut durch den MDK begutachtet, welcher nunmehr einen Grundpflegebedarf von 26 Minuten täglich feststellte. Nach Übersendung dieses Gutachtens setzte sich der Bevollmächtigte der Klägerin mit beiden MDK-Gutachten im Schriftsatz vom 29. Mai 2006 in über sieben Seiten auseinander und legte ein Privatgutachten der S. GmbH - Senioren- und Behinderten-Informationsservice vom 28. März 2006 vor, wonach sich ein Grundpflegebedarf von 84 Minuten ergibt. Am 8. August 2006 wurde die Klägerin nochmals durch den MDK begutachtet. Er stellt nunmehr einen Grundpflegebedarf von 48 Minuten fest und empfahl die Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe I ab Juni 2006. Daraufhin erteilte die Beklagte der Klägerin am 22. August 2006 einen Teilabhilfe-bescheid über die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe I ab 24. Juni 2006. Das Teilan-erkenntnis nahm ihr Bevollmächtigter mit Schriftsatz vom 6. September 2006 unter Erledigungser-klärung im Übrigen an und übersandte gleichzeitig seine Kostennote über insgesamt 1.229,60 EUR, wonach sich die Gebühren wie folgt zusammensetzten:

Geschäftsgebühr Nr. 2500 VV 520,00 EUR Erledigungsgebühr Nr. 1005 VV, 1002 VV 520,00 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV 20,00 EUR 16% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV 169,60 EUR Gesamtbetrag 1.229,60 EUR

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2006 teilte die Beklagte mit, sie erstatte die notwendigen Aufwen-dungen zu 1/3. Zeitgleich wies sie 143,07 EUR an.

Mit seinem Widerspruch vom 25. Oktober 2006 wandte sich der Bevollmächtigte der Kläge-rin gegen die Bestimmung einer Verteilungsquote. Die Beklagte wies ihn mit Widerspruchs-bescheid vom 19. April 2007 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass eine Geschäftsgebühr in Höhe von ¼ über der Mittelgebühr, mithin 350 EUR, gerechtfertigt sei. Die Quotelung ergebe sich aus dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens der Klägerin.

Hiergegen hat sich die am 16. Mai 2007 vor dem Sozialgericht Gotha (SG) erhobene Klage ge-richtet, mit der die Klägerin die Erstattung weiterer 1.086,53 EUR begehrt und zur Begründung im Wesentlichen die Auffassung geäußert hat, der Ansatz der Höchstgebühr sei gerechtfer-tigt, da die Sache überdurchschnittliche Bedeutung für sie habe. Darüber hinaus seien drei medizinische Gutachten zu untersuchen und zu analysieren gewesen. Schließlich sei auch die Erledigungsgebühr angefallen, weil es sich um eine Erledigung durch Teilanerkenntnis gehandelt habe. Eine Kostenquotelung sei nicht vorzunehmen. Angesichts ihres Verzichts auf die Leistung für die Zeit von November 2005 bis Mai 2006 und der Dauerbewilligung bis zu ihrem Lebensende sei eine Kostenquotelung unzulässig.

Nachdem die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hat-ten, hat das SG die Beklagte mit Urteil vom 28. Februar 2008 unter Abänderung des Be-scheids vom 5. Oktober 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 2007 ver-urteilt, der Klägerin weitere Kosten in Höhe von 608,61 EUR zu erstatten, im Übrigen die Klage abgewiesen und der Beklagten 6/10 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt. Zur Be-gründung hat es ausgeführt, im vorliegenden Falle sei der Ansatz einer erhöhten Mittelgebühr sach-gerecht. Anhaltspunkte für eine überdurchschnittliche, insbesondere wirtschaftliche Bedeutung für die Klägerin seien nicht ersichtlich. Die begehrten Leistungen nach der Pflegestufe I stellten nicht die alleinige Lebensgrundlage der Klägerin dar. Dagegen rechtfertige die umfangreiche anwaltliche Tä-tigkeit den Ansatz der erhöhten Mittelgebühr. Auch seien die Voraussetzungen der Nr. 1005 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG) erfüllt, denn die Rechts-sache habe sich durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Der Gebührentatbestand verlange im Widerspruchsverfahren regelmäßig eine Tätigkeit des Rechtsanwalts, die über die bloße Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehe. Vorliegend habe der Bevollmächtigte der Kläge-rin den bereits eingelegten Widerspruch unter Berücksichtigung der Ergebnisse eines einge-holten Privatgutachtens und unter Auswertung der MDK-Gutachten begründet. Dies sei mit Schriftsatz vom 29. Mai 2006 erfolgt und habe im Ergebnis zu einer erneuten Begutachtung der Klägerin durch den MDK geführt, welcher nunmehr die Empfehlung für die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe I ab Juni 2006 ausgesprochen habe. Damit sei eine einver-nehmlichen Beilegung des Streites und insbesondere ein darauf gerichtetes anwaltliches Tä-tigwerden gegeben, welches darin bestehe, den Streit im Verwaltungsverfahren entweder durch gegenseitiges Nachgeben oder durch Annahme eines Teilanerkenntnisses beizulegen, ohne ein weiteres gerichtliches Verfahren einzuleiten. Nicht zu beanstanden sei des Weiteren die grundsätzliche Quotelung der Kosten. § 63 Abs. l Satz l des Zehnten Buches Sozialge-setzbuch (SGB X) stelle hinsichtlich der Kostengrundentscheidung der Behörde darauf ab, inwieweit der Widerspruch erfolgreich gewesen sei. Habe der Widerspruchsführer nur zum Teil obsiegt, sei eine angemessene teilweise Erstattung der Kosten (Kostenquotelung) ange-zeigt. Die Kammer halte es allerdings für sachgerecht, die Kosten im Verhältnis 1/10 zu 9/10 zu teilen, da die Klägerin im Widerspruchsverfahren für acht Monate unterlegen sei, hinge-gen eine Dauerbewilligung von Leistungen der Pflegestufe I ab Juni 2006 erlangt habe. Da-mit ergebe sich folgende Kostenerstattung: Geschäftsgebühr Nr. 2500 VV RVG 350,00 EUR Erledigungsgebühr Nr. 1005 VV RVG 350,00 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR 16 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 115,20 EUR Gesamtbetrag 835,20 EUR davon 9/10 751,68 EUR

Da die Beklagte bereits 143,07 EUR erstattet habe, verbleibe ein Restvergütungsanspruch in Höhe von 608,61 EUR.

Gegen das ihr am 11. März 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11. April 2008 Beru-fung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die Quotenbildung bei einer zeitlichen Ver-schiebung des Beginns einer Dauerleistung hänge davon ab, welcher Gesamtzeitraum sowie welcher Antragsinhalt Streitgegenstand sei. Sie gehe davon aus, dass mit dem Antrag die Ein-stufung in die Pflegestufe I ab dem 22. November 2005 begehrt wurde. Der maßgebliche Zeit-raum beginne daher im Dezember 2005 und ende mit dem Erlass des Teilabhilfebescheids am 22. August 2006 rückwirkend zum 24. Juni 2006. Danach habe die Klägerin für die Monate Juni bis August 2006 obsiegt und sei für die Monate Dezember 2005 bis Mai 2006 unterlegen. Obwohl es sich hier um einen gesundheitlichen Dauerzustand handele, spreche vieles dafür, von einer geringeren zeitlichen Reichweite der begehrten Entscheidung auszugehen, da sich Gesundheitszustände verändern könnten und neue Anträge und Entscheidungen laufend mög-lich seien. Die in Ansatz gebrachte Erledigungsgebühr sei schon dem Grunde nach nicht ent-standen, die Widerspruchsbegründung des Bevollmächtigten der Klägerin vom 29. Mai 2006 habe nämlich nicht zur Teilabhilfe geführt. Die Einholung eines erneuten Gutachtens des MDK vom 18. August 2006, in dem dieser einen höheren Hilfebedarf als im Ausgangsgutach-ten festgestellt habe, stehe nicht im Zusammenhang mit dem klägerischen Vortrag. Vielmehr habe diese erläutert, dass die im vorgelegten Privatgutachten als notwendig angegebenen Hil-festellungen nur bedingt objektivierbar seien und der demonstrierte Hilfebedarf weder zum Zeitpunkt der Erst- noch der Wiederholungsbegutachtung im Mai 2006 plausibel nachvoll-ziehbar sei, sondern erst nach der Knie-TEP vom 22. Mai 2006. Auch die Teilrücknahme des Widerspruchs stelle keine herausragende Tätigkeit dar, die über die normale Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahrens hinaus gehe, und löse deshalb keine weitere Ge-bühr neben der Geschäftsgebühr aus. Schließlich sei die Bemessung der Höhe der Erledi-gungsgebühr nicht nachvollziehbar. Die bloße Übernahme der Höhe der Geschäftsgebühr sei nicht zulässig. Vielmehr seien "stets zwei sorgfältige Prüfungen erforderlich". Der Rechtsan-walt müsse in seiner Ermessensentscheidung ausführlich darlegen, warum die jeweilige Rah-mengebühr in der geltend gemachten Höhe begründet sei. Der Ansatz der Höchstgebühr ent-spreche nicht der Billigkeit.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 28. Februar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie an, dass die vom SG vorgenommene Quotelung zwar akzeptabel, jedoch im Grundsatz nicht zutreffend sei, da ihr Unterliegen letztlich als unbeachtlich zu be-werten sei. Die Erledigungsgebühr sei angefallen, da das Teilanerkenntnis nach Diskussion der Vor- und Nachteile akzeptiert und der Rechtsstreit auf dieser Basis erledigt worden sei. Die Erledigungsgebühr sei ebenso wie die Geschäftsgebühr nach der Höchstgebühr zu bemes-sen, da die Bedeutung der Angelegenheit überdurchschnittlich und ein erhöhter Arbeitsanfall durch die Untersuchung und Analysierung dreier medizinischer Gutachten festzustellen ge-wesen sei. Zudem sei bereits das Merkmal der Dauerleistung als ausreichend zu erachten, die Gebührenhöhe mit der Höchstgebühr zu bemessen.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 14. Juni 2012 auf die Durchführung einer münd-lichen Verhandlung verzichtet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündli-chen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialge-richtsgesetzes (SGG) im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ent-scheiden konnte, ist nicht begründet und war daher zurückzuweisen.

§ 144 Abs. 4 SGG steht der Statthaftigkeit der Berufung nicht entgegen, da vorliegend in der Hauptsache über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens (vgl hier §§ 78 ff SGG) und nicht um Kosten des Verfahrens i.S.d. § 144 Abs. 4 SGG gestritten wird.

Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage der Klägerin ist jedenfalls in dem vom Sozialgericht ausgeurteilten und allein von der Beklagten angefochtenen Umfang begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 5. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 2007 ist rechtswidrig. Für noch zusätzliche Reduzierung der der Klägerin zu erstattenden Kosten gibt es keine rechtliche Grundlage.

Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Wider-spruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Nach Ab-satz 2 sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfä-hig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Die Behörde, die die Kos-tenentscheidung getroffen hat, setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest (Absatz 3 S. 1 Halbs. 1). Gebühren und Auslagen i.S. von § 63 Abs. 2 SGB X sind die gesetzlichen Gebühren. Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sind grundsätzlich auch die Gebühren und Auslagen, die ein Rechtsanwalt seinem Mandanten, hier der Klägerin, in Rechnung stellt. Diese Vergütung bemisst sich nach dem RVG, sowie dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG.

Ein Anspruch auf Kostenerstattung besteht also in dem Umfang, in dem der Widerspruch er-folgreich ist. Hat der Widerspruch nur teilweise Erfolg, findet auch eine nur teilweise Kosten-erstattung im Sinne einer Quotelung statt, wobei der Umfang der Kostenerstattung von dem Verhältnis des Erfolges des Widerspruches zu seinem Misserfolg abhängt. Es ist unerheblich, ob der Erfolg des Widerspruches bereits durch eine Abhilfe der Behörde eintritt oder erst durch einen das Vorverfahren abschließenden Widerspruchsbescheid (vgl. Diering in Die-ring/Timme/Waschull, Sozialgesetzbuch X, Lehr- und Praxiskommentar, § 63 Rdnr. 5 ff.).

Der Senat teilt bereits nicht die Auffassung der Beklagten, dass die vom SG gebildete Quote weder nachvollziehbar noch sachgerecht ist. Deren Ansicht, bei der Quotenbildung sei nur den Zeitraum zwischen dem von der Klägerin begehrten Beginn der Gewährung von Pflege-sachleistungen nach der Pflegestufe I und dem Monat der (Teil-)Abhilfeentscheidung zu be-rücksichtigen, ist schlechterdings nicht nachvollziehbar. Wie in dem von der Beklagten in diesem Zusammenhang zitierten Beschluss des Bayerischen LSG vom 10. Oktober 1996 (Az.: L 5 B 198/95 Ar in Breithaupt 1998, S. 454 ff.) zu Recht ausgeführt wird, richtet sich die Kostenerstattungsquote gerade nicht nach dem Verfahrenszeitraum, sondern danach, für wel-che Teile des geltend gemachten Anspruchszeitraums sich der Widerspruch als begründet erweist. Macht die Klägerin, wie hier, eine wiederkehrende Leistung geltend, erstreckt sich der geltend gemachte Anspruch vom beantragten Beginn hin über die zu erwartende Laufzeit der Leistung. Bei Leistungen der sozialen Pflegeversicherung ist das der Zeitraum vom An-tragsmonat bis zum Lebensende des jeweiligen Antragstellers. Dass er grundsätzlich nach-träglich Änderungen unterliegen kann (etwa in der gesundheitlichen Situation, sowohl zum Besseren als auch zum Schlechteren bis hin zum Ableben), ist für die Bildung der Kostener-stattungsquote ohne Belang, es sei denn, es liegen bereits hinreichend konkrete Anhaltspunkte vor, dass und wann diese eintreten werden. Solche vermag der Senat im Falle der Klägerin nicht erkennen; die Beklagte beschränkt sich in ihren Ausführungen insoweit auf reine Speku-lationen.

Für die von der Beklagten unter Berufung auf den Beschluss des Bayerischen LSG vom 10. Oktober 1996 (a.a.O., S. 466) vorgenommene Kürzung des voraussichtlichen Leistungszeit-raums aus Billigkeitsgesichtspunkten sieht der Senat keinen Anlass. Soweit sie diese für all-fällige Änderungen, wie Rück- oder Höherstufungen, und ohne konkrete Anhaltspunkte in Betracht zieht, ist auf das oben Gesagte zu verweisen. Der Unterstellung im Beschluss des Bayerischen LSG (Anschluss an LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. März 1996 - Az.: L 18 SJ 7/95 in Breithaupt 1996, 777 ff.), dass es vor dem Ende des Leistungszeitraumes ohnehin irgendwann zu einer Leistungsbewilligung gekommen wäre, weshalb es angemessen erscheine, die dem "Anspruchszeitraum entsprechende Quotelung je nach den Umständen des einzelnen Falles zu Gunsten des SV- Trägers zu modifizieren", kann sich der Senat nicht an-schließen. Ohne konkrete Anhaltspunkt für hypothetischen Verläufe ist es nicht billig, diese in die Bemessung des Umfangs der Kostentragung einfließen zu lassen, zumal nicht klar ist, in welchem Umfange dies sachgerecht zu erfolgen hätte.

Bei der Bemessung des Verhältnisses des Umfangs des Unterliegens der zum damaligen Zeit-punkt 78-jährigen Klägerin zum Umfang ihres Obsiegens erachtet der Senat die voraussichtli-che Dauer der zuerkannten Pflegeleistungen als derart überwiegend, dass ihr Unterliegen im zeitlichen Umfang von etwa sechs Monaten dahinter zurück tritt. Da er jedoch durch das Ver-schlechterungsverbot daran gehindert ist, der allein berufungsführenden Beklagten entgegen der erstinstanzlichen Quotelung die volle Kostentragung aufzuerlegen, verbleibt es bei der erstinstanzlich ausgeurteilten Kostentragungsquote der Beklagten von 9/10 der außergerichtli-chen Kosten der Klägerin.

Der Senat hat keine Veranlassung, zuungunsten der Klägerin die von der Vorinstanz zuer-kannte Geschäfts- (Nr. 2500 VV-RVG) und Erledigungsgebühr (Nr. 1005 VV RVG) zu bean-standen. Beide stehen der Klägerin sowohl dem Grunde nach als auch zumindest in der von der Vorinstanz zuerkannten Höhe zu.

Gegen die Bemessung der auch dem Grunde nach unstreitigen Geschäftsgebühr nach Nr. 2500 VV RVG hat sich die Beklagte nicht gewandt. Tatsächlich kommt unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG jedenfalls keine geringere als die vom SG zuerkannte erhöhte Mittelgebühr in Höhe von 350,00 EUR in Betracht. Es kann dahingestellt bleiben, ob das zusätzliche Einkommen nicht sogar eine höhere wirtschaftliche Bedeutung und damit eine höhere Gebühr be-gründen könnte.

Der Senat teilt nicht die Bedenken der Beklagten hinsichtlich der Erledigungsgebühr Nr. 1005 VV-RVG i.V.m. Nr. 1002 VV-RVG. Danach erhält der Rechtsanwalt eine Erledigungsgebühr für die Einigung oder Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtli-chen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG). Betragsrahmengebühren sind in sozialgerichtlichen Verfahren vorgesehen, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist (§ 3 Abs 1 Satz 1 RVG). Absatz 1 gilt entsprechend für eine Tätigkeit außer-halb eines gerichtlichen Verfahrens (§ 3 Abs 2 RVG). Ginge es vorliegend um ein gerichtli-ches Verfahren, entstünden Betragsrahmengebühren, denn die Klägerin macht Leistungsan-sprüche der sozialen Pflegeversicherung nach dem SGB XI geltend. Verfahren, die in dieser Eigenschaft vor den Gerichten geführt werden, sind (gerichts-)kostenfrei. Die Erledigungsge-bühr entsteht dabei für die Einigung oder Erledigung der Rechtssache und umfasst einen Be-tragsrahmen von 40,00 EUR bis 520,00 EUR.

Die Erledigung liegt vor, nachdem die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben und die Klä-gerin auf die Anerkennung des vollen von ihr begehrten Anspruchszeitraumes verzichtet hat. Die von der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur geforderte qualifi-zierte anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2010 - Az.: B 13 R 63/09 R; BSG, Urteil vom 2. Oktober 2008 - Az.: B 9/9a SB 5/07 R mit Anmerkung F. Keller in jurisPR-SozR 10/2009 Anm. 5; BSG, Urteil vom 21. März 2007 - Az.: B 11a AL 53/06 R; BSG, Urteile vom 7. November 2006 - Az.: B 1 KR 22/06 R, Az.: B 1 KR 23/06 R, B 1 KR 13/06 R; BFH, Beschluss vom 12. Februar 2007 - Az.: II B 140/06, alle nach juris; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, VV 1002 Rdnr. 38 ff., Mayer/Kroiß, RVG, 4. Auflage 2009, Nr. 1002 VV Rn. 17 f., Hartmann, Kostengesetze, RVG, 40. Auflage 2010, VV 1002 Rn. 9) ist im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft. Sie wird dann bejaht, wenn über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende eine besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts vorliegt, die ursächlich für die (unstreitige) Erledigung des Vorverfahrens war.

Eine solche Tätigkeit lag bereits in der unaufgeforderten Einreichung des Privatgutachtens der SEBIS GmbH - Senioren- und Behinderten-Informationsservice vom 28. März 2008 mit Schriftsatz vom 29. Mai 2006. Damit hat der Prozessbevollmächtigte den Rahmen der seinem Mandanten obliegenden Mitwirkung nach § 21 Abs. 2 S. 1, S. 2 SGB X, § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB I) überschritten. Die Tätigkeit führte zur Neubegutachtung durch den MDK und dar-aufhin zum Erlass des Teilabhilfebescheids vom 22. August 2006.

Überdies hat der auf Prozessbevollmächtigter auf die Klägerin eingewirkt, sich mit dem Teil-anerkenntnis zufrieden zu geben. Dies ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung ausrei-chend (vgl. Beschlüsse vom 24. November 2010 - Az.: L 6 SF 653/10 B, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF, 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF). Entgegen der Ansicht der Be-klagten, die Teilrücknahme des Widerspruchs stelle keine herausragende Tätigkeit dar, die über die normale Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren hinausgehe, liegt gerade hierin ein auf die Erledigung gerichtetes ursächliches Tätigwerden, das über die reine Begründung des Widerspruchs hinausgeht und eine damit gerichtliche Auseinandersetzung vermeidet.

So liegt es hier: Wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in seinem an die Beklagte ge-richteten Schriftsatz vom 6. September 2006 "nach abschließender Rücksprache" mit der Klä-gerin mitteilte, sei diese grundsätzlich bereit , "die Angelegenheit aufgrund ( ) Teilabhilfe-bescheides vom 22.08.2006 als erledigt zu betrachten". Insofern kommt es nicht darauf an, dass, wie die Beklagte meint, die Widerspruchsbegründung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht zur Teilabhilfe geführt habe, denn durch die Teilabhilfe alleine wurde das Wi-derspruchsverfahren nicht (vollständig) erledigt. Die Erledigungsgebühr könnte nur dann ver-sagt werden, wenn der Sachverhalt einen Anlass für die Vermutung gäbe, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts für die Annahme des Teilanerkenntnisses und die Erledigung im Übrigen nicht ursächlich war (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, VV 1002 Rdnr. 56). Das ist vorliegend nicht der Fall.

Die Höhe der vom Sozialgericht von ursprünglich geforderten 520,00 EUR auf 350,00 EUR reduzier-ten Erledigungsgebühr ist - zumindest von Seiten der Beklagten - nicht zu beanstanden. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Ver-mögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu erset-zen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbil-lig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranz-grenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2006 – Az.: VI ZR 261/05, nach juris; Senatsbeschluss vom 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF). Ein genereller Auf-schlag in dieser Höhe wäre allerdings unzulässig, denn dann fehlt es an der individuellen Er-messensausübung. Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 24. November 2010 - Az.: L 6 SF 653/10 B m.w.N.; LSG Schles-wig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006 – Az.: L 1 B 320/05 SF SK, nach juris). Dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren. Der Beklagten ist dabei insofern zuzustimmen, als die bloße Übernahme der Höhe der Geschäftsgebühr für die sonstigen Gebühren, hier also für die Erledigungsgebühr ohne gesonderte Prüfung der Ange-messenheit nicht zulässig ist (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF).

Der Senat erachtet im vorliegenden Falle die vom SG angesetzte erhöhte Mittelgebühr zu-mindest für angemessen. Insoweit kommt es im Berufungsverfahren auf die bei den Beteilig-ten weiterhin umstrittene Billigkeit der von der Klägerin ursprünglich begehrten Höchstge-bühr nicht mehr an. Die (wirtschaftliche) Bedeutung des Verzichts der Klägerin auf sechs Monate Leistungen der sozialen Pflegeversicherung ist, zumal für die Vergangenheit, unter-durchschnittlich. Auch ein besonderes Haftungsrisiko des Prozessbevollmächtigten ist nicht ersichtlich. Jedoch ist, ausgehend von dem in der Gebührenziffer beschriebenen Tätigkeitsfeld (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R, nach juris), der Umfang der an-waltlichen Tätigkeit als deutlich überdurchschnittlich zu werten. Für die sachgerechte Bera-tung der Klägerin im Hinblick auf die Frage eines Verzichts auf den durch das Teilanerkennt-nis nicht umfassten Zeitraum bedurfte es zudem der Auswertung des MDK-Gutachtens vom 8. August 2006 im Vergleich mit dem vorgelegten Privatgutachten vom 28. März 2006 sowie den MDK-Gutachten vom 28. Dezember 2005 und vom 10. Mai 2006 auf der anderen Seite. Die Auseinandersetzung mit medizinischen Fachgutachten ist grundsätzlich und auch hier im konkreten Fall überdurchschnittlich schwierig (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R, nach juris). Insofern begegnet die Bemessung der Erledigungsgebühr mit 350,00 EUR, entsprechend der Bemessung der Höhe der Geschäftsgebühr durch die Beklagte, keinen durchgreifenden Einwänden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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