L 6 KR 462/12 B ER

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 4 KR 472/12 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 462/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Al-tenburg vom 2. März 2012 aufgehoben. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechts-schutzes wird abgelehnt. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ge-troffene Feststellung, dass zwischen ihr und dem Beschwerdegegner ab dem 26. August 2010 ein Pflichtversicherungsverhältnis in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung be-steht.

Der 1961 geborene Beschwerdegegner war nach eigenen Angaben bis zum Jahr 2006 selb-ständig tätig. Am 6. Januar 2010 wurde die Funktechnik und Maschinenservice GmbH & Co. KG in das Handelsregister A beim Amtsgericht J. eingetragen; deren persönlich haftender Gesellschafter ist die SH N. Verwaltungs GmbH, Kommanditist der Beschwerdegegner mit einer Einlage von 100 Euro. Bereits mit Beschluss vom 14. Juli 2009 hatte das Amtsgericht Bückeburg (Az. 47 IN 43/09) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der SH N. Verwaltungs GmbH mangels Masse abgelehnt und am 10. September 2009 war beim Handelsregister B des Amtsgerichts St. die Auflösung der Gesellschaft von Amts wegen ein-getragen worden. Am 18. Mai 2011 kündigte das Amtsgericht J. die Löschung der Funktech-nik und Maschinenservice GmbH & Co. KG nach § 31 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) an und veranlasste sie am 7. Dezember 2011.

Vom 1. Dezember 1998 bis 28. Februar 2007 war der Beschwerdegegner bei der Beigelade-nen zu 1. privat krankenversichert. Am 19. März 2008 beantragte er mit Wirkung zum 1. Mai 2008 bei der Beigeladenen zu 2. den Abschluss eines Vertrages über eine private Krankheits-kostenversicherung und gab u.a. an, er sei im Bereich Funktechnik und Maschinenservice selbstständig tätig; die Handelsregistereintragung/Gewerbeanmeldung/Zulassung bestehe seit Juli 2007. Im Oktober 2009 kündigte er den Vertrag weil er die Beiträge nicht mehr zahlen könne. Die Beigeladene zu 2. wies ihn darauf hin, dass er nach §§ 193 Abs. 3, 206 Abs. 6 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zunächst eine andere Versicherung nachweisen müsse, damit die Kündigung wirksam werde. Wegen Nichtzahlung der Versicherungsbeiträge teilte sie ihm mit Schreiben vom 26. Oktober 2009 das Ruhen der Versicherung mit.

Mit Bescheid vom 10. November 2010 bewilligte die Arbeitsgemeinschaft SGB II im Land-kreis Greiz dem Beschwerdegegner ab dem 26. August 2010 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 1. Dezember 2010 teilte ihm die Be-schwerdeführerin mit, er könne ab dem 1. Dezember 2010 nicht Pflichtmitglied werden, weil er unmittelbar vor dem Beginn der Leistungen nach dem SGB II privat krankenversichert war.

Mit Schreiben vom 6. April 2011 erklärte die Beigeladene zu 2. gegenüber dem Beschwerde-gegner die Anfechtung des Krankheitskostenversicherungsvertrages wegen arglistiger Täu-schung nach § 22 VVG i.V.m. § 123 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Die von ihm bei Abschluss des Versicherungsvertrages am 19. März 2008 getätigten Angaben bezüglich der Vorversicherungszeiten bei der IKK Thüringen sowie eine Tätigkeit als Gewerbetreibender hätten nicht der Wahrheit entsprochen. Durch die Anfechtung sei der Vertrag nach § 142 BGB von Anfang an nichtig; es bestehe kein Versicherungsschutz. Hilfsweise erklärte sie den Rücktritt vom Versicherungsvertrag nach §§ 19 ff. VVG und lehnte mit weiterem Schreiben vom 25. Mai 2011 die Weiterversicherung auch im Basistarif grundsätzlich ab.

Im April 2011 beantragte der Betreuer des Beschwerdegegners aufgrund des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversiche-rung (GKV). Unter dem 27. Mai 2011 lehnte die Beschwerdeführerin eine Pflichtversiche-rung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) ab. Nach § 5 Abs. 9 Satz 1 SGB V sei die vorherige private Krankenkasse verpflichtet, den Versicherungsver-trag wieder aufzunehmen, wenn er zuvor mindestens fünf Jahre bestanden habe. Im Oktober 2011 beantragte der Beschwerdegegner erneut die Aufnahme in die gesetzliche Krankenversi-cherung (GKV). Seine Mitgliedschaft habe nach § 186 Abs. 2 a SGB V mit dem Bezug von Arbeitslosengeld II begonnen. Zuvor sei er nicht privat krankenversichert gewesen. Unter dem 16. November 2011 erläuterte die Beschwerdeführerin, dass die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V kraft Gesetzes eintrete, wenn die Voraussetzungen erfüllt sei-en. Dies sei hier nicht der Fall. Seit 1. Januar 2009 bestehe auch für zuletzt nicht gesetzlich Krankenversicherte die Pflicht zum Abschluss eines Versicherungsvertrages bei ihrer letzten (privaten) Krankenkasse. Bestehe eine private Krankenversicherung, könne er ab 26. August 2010 nicht als Bezieher von Arbeitslosengeld II in der GKV versichert werden, weil § 5 Abs. 5a SGB V dagegen spreche; er müsse also privat krankenversichert bleiben.

Am 16. Februar 2012 hat der Beschwerdeführer beim Sozialgericht (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und vorgetragen, er habe seit August 2010 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V i.V.m. § 186 SGB V Anspruch auf eine Krankenversicherung in der GKV. Er sei nicht nach § 5 Abs. 5a, Abs. 9 SGB V ausgeschlossen, weil er nicht unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert gewesen sei. Die Beigeladene zu 2. habe den Versicherungsvertrag vom 1. Mai 2008 wirksam angefochten. Der Antrag auf Ab-schluss eines Versicherungsvertrages bei der Beigeladenen zu 2. enthalte tatsächlich falsche Angaben; ein Versicherungsverhältnis bei der I. Thüringen habe nie bestanden. Wie es zu dieser Angabe gekommen sei, könne er nicht mehr rekonstruieren. Er habe auch keinen An-spruch gegen die Beigeladene zu 1. oder die Beigeladene zu 2. auf Wiederaufnahme des Ver-sicherungsvertrages. Er habe spätestens seit 2009 auch nicht mehr im Sinne des § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V Alt. 2 zum Personenkreis der hauptberuflich Selbstständigen gehört. Den Be-scheid vom 1. Dezember 2010 habe er nicht erhalten. Ein Anordnungsgrund liege vor, denn es sei ihm unzumutbar, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Er leide unter Bluthochdruck und einer psychiatrischen Erkrankung, die - wie sich aus dem forensisch-psychiatrischen Gutachten der Dr. G.-S. vom 10. Mai 2011 ergebe - regelmäßig behandelt werden müsste Er habe sich auch nachweislich um den Abschluss eines privaten Krankheits-kostenvertrages bemüht.

Mit Beschluss vom 2. März 2012 hat das SG im Wege der einstweiligen Anordnung festge-stellt, dass bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache zwischen dem Beschwerdegegner und der Beschwerdeführerin ab dem 26. August 2010 ein Pflichtver-sicherungsverhältnis in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung besteht. Der Be-schwerdegegner sei nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ab dem 1. März 2007 nicht mehr in der privaten Krankenversicherung (PKV) kranken- und pflegeversichert. Seit dem Beginn des tatsächlichen Bezuges von Arbeitslosengeld II am 26. August 2010 be-stehe Versicherungspflicht in der GKV nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V. Die Versicherungs-pflicht sei nicht nach § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V ausgeschlossen, weil der Beschwerdegegner unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II nicht privat, sondern überhaupt nicht krankenversichert gewesen sei und vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II auch nicht haupt-beruflich selbstständig tätig gewesen sei. Diese Ausführungen träfen auch auf die gesetzliche Pflegeversicherung zu.

Im Beschwerdeverfahren vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, der Beschwerdegegner gehöre auch bei Bezug von Leistungen nach dem SGB II zu dem nach § 5 Abs. 5a SGB V der PKV zugewiesenen Personenkreis, weil ein neuer Versicherungspflichttatbestand in der GKV zwischenzeitlich nicht begründet worden sei, wie sich aus einem Beschluss des Landessozial-gerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. August 2010 - Az.: L 16 KR 329/10 B ER ergebe. Zu-dem fehle es am Vorliegen eines Anordnungsgrundes.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 2. März 2012 aufzuheben und den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verweist darauf, dass hier - als in der vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ent-schieden Fallgestaltung - zwischen seiner Aufgabe der freiberuflichen Tätigkeit und dem Be-zug von Arbeitslosengeld II drei Jahre liegen. Er übe zurzeit keine entgeltliche Tätigkeit aus; tatsächlich betreibe sein Vater entgegen bestimmter Pressemitteilungen und Einträge im In-ternet (z.B. http://saalfeld.tlz.de/web/saalfeld/startseite/detail/-/specific/Zukunft-fuer-Kino-in-Bad-Lobenstein.htm) das Kino in B. L ... Er sei krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, seine Versicherungsangelegenheiten zu regeln und habe seit Jahren mehrfach versucht, bei der Arbeitsgemeinschaft SGB II im Landkreis G. Leistungen zu erlangen. Ein Wechsel in den Basistarif sei ihm von der Beigeladenen zu 2. nie angeboten worden. Er leide ausweislich des Entlassungsberichtes des A. Fachklinikums St. vom 7. März 2011 unter einer wahnhaften Störung, die der ständigen Medikation mit einem Neuroleptikum und der ausdrücklichen re-gelmäßigen nervenärztlichen Konsultation bedürfe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2012 hat die Beschwerdeführerin den Widerspruch des Beschwerdegegners gegen den Bescheid vom 27. Mai 2011 zurückgewiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerdeakte, der beigezogenen Gerichtsakte (Az. S 4 KR 891/12) und Verwal-tungsakte der Beschwerdeführerin Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung ge-wesen ist.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nach §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) be-gründet. Die im Wege der einstweiligen Anordnung getroffene Feststellung des SG, dass zwi-schen der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdegegner ein Pflichtversicherungsverhältnis in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung besteht, ist aufzuheben. Bezüglich der Feststellung des Versicherungspflichtverhältnisses in der Pflegeversicherung gilt dies schon deshalb, weil der Beschwerdegegner eine solche Feststellung nicht beantragt hat und die Be-schwerdeführerin für die Durchführung eines Pflegepflichtversicherungsverhältnisses sachlich unzuständig ist.

Nach § 86 b Absatz 2 Satz 2 SGG in der ab dem 2. Januar 2002 gültigen Fassung kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitge-genstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zu-stands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsa-chenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und/oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund bejahen kann. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren streitige materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gege-ben ist. Ein Anordnungsgrund ist zu bejahen, wenn es für den Antragsteller unzumutbar er-scheint, auf den (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens verwiesen zu werden. Insofern besteht keine freie Auswahl, ob das Rechtsschutzbegehren im Eil- oder im Hauptsa-cheverfahren verfolgt wird; einstweiliger Rechtsschutz kommt nur (regelmäßig ergänzend) dann in Betracht, wenn eine Gewährung von Rechtsschutz in der Hauptsache zu spät käme und dadurch der verfassungsrechtliche Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG)) beeinträchtigt würde (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juli 2004 - Az.: L 6 P 458/04 ER m.w.N.). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtli-chen Bedenken, sich bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache zu orientieren. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 2. Mai 2005 - Az.: 1 BvR 569/05, nach juris); die grundrechtli-chen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. November 2007 - Az.: 1 BvR 2496/07, nach juris).

Soweit der Beschwerdegegner vorläufig Krankenversicherungsschutz in der GKV begehrt, fehlt es am Vorliegen eines Anordnungsanspruchs. Er ist durch den Bezug von Leistungen nach dem SGB II nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V in der GKV pflichtversichert.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V sind versicherungspflichtig Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II nach dem SGB II beziehen, soweit sie nicht familienversichert sind, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB II bezogen werden; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist. Nach § 5 Abs. 5a SGB II (eingefügt durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG vom 26. März 2007, BGBl. I Seite 378 mit Wir-kung zum 1. Januar 2009)) ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V nicht versicherungspflichtig, wer unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in § 5 Abs. 5 SGB V oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Satz 1 gilt nicht für Personen, die am 31. Dezember 2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtig waren für die Dauer ihrer Hilfebedürf-tigkeit. Nach § 5 Abs. 5 SGB V ist nach Abs. 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 nicht versicherungspflich-tig, wer hauptberuflich selbstständig erwerbstätig ist.

Grund für die Einführung des § 5 Abs. 5a durch das GKV-WSG war die Neuordnung des Verhältnisses von gesetzlicher und privater Krankenversicherung u.a. mit Einführung der Verpflichtung der PKV, künftig einen bezahlbaren Basistarif im Umfang des Leistungsange-bots der GKV für Personen anzubieten, die privat krankenversichert sind oder sein können. Insofern erschien es dem Gesetzgeber nicht länger erforderlich, Arbeitslosengeld II-Bezieher auch dann in die Versicherungspflicht in der GKV einzubeziehen, wenn sie unmittelbar vor dem Leistungsbezug privat krankenversichert waren. Gleiches gilt für Personen, die unmittel-bar vor dem Leistungsbezug weder gesetzlich noch privat krankenversichert waren und als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige oder als versicherungsfreie Person zu dem Perso-nenkreis gehören, der grundsätzlich der privaten Krankenversicherung zuzuordnen ist (vgl. BT-Drucksache 16/3100 S. 94 f.).

Der Beschwerdegegner war unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II, das ihm mit Bescheid vom 10. November 2010 ab dem 26. August 2010 bewilligt wurde, seit dem 1. Mai 2008 privat krankenversichert (§ 5 Abs. 5a SGB V). Mit Schreiben vom 26. Oktober 2009 hat die Beigeladene zu 2. lediglich das Ruhen der Leistungen, nicht die Beendigung der Krank-heitskostenvollversicherung, wegen eines Beitragsrückstands mit mehr als einem Monatsbei-trag festgestellt und den Beschwerdegegner darauf hingewiesen, dass unter bestimmten Vor-aussetzungen die Möglichkeit besteht, dass er bei eintretender Hilfebedürftigkeit einen Zu-schuss zu den Beiträgen der privaten Kranken- oder Pflegeversicherung erhalten könne.

Die im Nachhinein mit Schreiben vom 6. April 2011 erfolgte Anfechtung des bestehenden Versicherungsvertrages nach § 22 VVG in Verbindung mit § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung ändert die Zuordnung des Beschwerdegegners zur PKV nicht. Abzustellen ist al-lein auf den Zeitraum vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II. Vor der Anfechtung des Ver-trages über die Krankheitskostenvollversicherung durch die Beigeladene zu 2. war der Ver-trag gültig. Der Kläger hätte bei Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II, gegebenen-falls nach Umstellung in den Basistarif, nach § 26 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1 c Satz 5 und 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) einen Anspruch auf Zuschusszahlung zu seinen privaten Krankenversicherungsbeiträgen gehabt. Soweit eine wirksame Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB zivilrechtlich die Rechtswirkungen des Vertrages zwischen den Ver-tragsschließenden rückwirkend von Anfang an beseitigt, ändert dies nichts daran, dass ihm aufgrund der privaten Krankenversicherung unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II der Zugang zur GKV nicht offen stand.

Der Beschwerdegegner ist auch nicht nach dem Zugang der Anfechtungserklärung der Beige-ladene zu 2. nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (eingefügt mit Wirkung zum 1. April 2007 durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. cc i.d.F. des GKV-WSG, a.a.O) gesetzlich krankenversi-chert. Danach sind Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und (a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder (b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in § 5 Abs. 5 SGB V oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten. Der Beschwerdegegner war im Falle der wirksamen Anfechtung des Krankheitskostenvollversicherungsvertrages durch die Beigeladene zu 2. - was gegebenenfalls in einem Zivilrechtsstreit zu klären wäre - zuletzt vor der absicherungungslosen Zeit ab dem 1. März 2007 nicht in der GKV sondern in der PKV versichert. Eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V tritt dann ein, wenn keine anderweitige Absicherung vorliegt und die letzte Krankenversicherung eine solche in der GKV gewesen ist, ohne dass es darauf ankommt, wieweit der letzte Zeitraum zurückliegt, in dem die betreffende Person "krankenversichert" war. Die Vorschrift ist so auszulegen, dass bei einer zu einem beliebigen früheren Zeitpunkt bestehenden Absicherung in der GKV oder PKV innerhalb dieser Alternative die letzte Sicherung in der GKV erfolgt sein muss (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12. Januar 2011 - Az.: B 12 KR 11/09 R m.w.N., nach juris). Der Beschwerdegegner war zuletzt, wie bereits ausgeführt, nicht in der GKV krankenversichert. Insoweit ist er nach § 193 Abs. 3 VVG verpflichtet, bei einem privaten Versicherungsunternehmen eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen und diese auf-rechtzuerhalten. Dem entsprechend besteht ein zeitlich unbegrenzter Kontrahierungszwang nach § 193 Abs. 5 VVG des privaten Versicherungsunternehmens. Lediglich die Beigeladene zu 2. ist nach § 193 Abs. 5 Satz 4 VVG jedenfalls zurzeit berechtigt, einen Vertragsschluss mit dem Beschwerdegegner abzulehnen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten wer-den (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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