L 6 KR 295/11

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 14 KR 4888/08
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 295/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 13. Januar 2011 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 5.477,41 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 5.477,41 Euro streitig.

Die bei der Beklagten versicherte L. R. (geb. am 12. Oktober 1921 - im Folgenden: Versicherte) war in der Zeit vom 25. August bis zum 17. September 2005 in einem von der Klägerin betriebenen und in den Krankenhausplan des Freistaats Thüringen aufgenommenen Krankenhaus vollstationär untergebracht. Vorher war die Versicherte vom 4. August bis 25. August 2005 im Kreiskrankenhaus A. aufgrund eines Hirninfarkts stationär behandelt worden. Von dort wurde sie in das Krankenhaus der Klägerin planmäßig verlegt und am 17. September 2005 um 9.00 Uhr nach Hause entlassen. Um 13.50 Uhr des gleichen Tages wurde die Versicherte nach einem Sturz mit einer Fraktur des rechten Oberschenkels ins Kreiskrankenhaus Altenburg aufgenommen. Am 19. September 2005 erfolgte planmäßig eine Verlegung zur Operation in die Orthopädische K. E. und von dort am 5. Oktober 2005 in das Krankenhaus der Klägerin zur rehabilitativen Behandlung (Zustand nach operativer Versorgung einer Fraktur des rechten Oberschenkels). Am 3. November 2005 wurde sie nach Hause entlassen. Für den Aufenthalt vom 25. August bis 17. September 2005 stellte die Klägerin der Beklagten am 22. November 2005 4.693,65 Euro (Fallpauschale G-DRG B 44Z, geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Nervensystems) und einen Tag später für den Aufenthalt vom 5. Oktober bis 3. November 2005 5.477,41 Euro (Fallpauschale G-DRG I 41Z, geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen am Muskelskelettsystem und Bindegewebe) in Rechnung.

Die Beklagte glich am 14. Dezember 2005 nur die Rechnung über 5.477,41 Euro vorläufig aus. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 verlangte sie eine Neueinstufung in eine Fallpauschale gemäß § 3 Abs. 3 der Fallpauschalenverordnung (FPV) in Verbindung mit § 2 Abs. 4 Satz 1 - 5 FPV, forderte eine neue Rechnung an und teilte mit, den bereits gezahlten Betrag von einer der nächsten Rechnungen einzubehalten. Dies geschah in der Folgezeit.

Am 29. Dezember 2008 hat die Klägerin Zahlungsklage auf Ausgleich beider Rechnungsbeträge erhoben. Im Laufe des Klageverfahrens hat die Beklagte den Rechnungsbetrag in Höhe von 4.693,65 Euro für den ersten Aufenthalt der Versicherten am 5. Februar 2009 ausgeglichen. Insoweit ist der Rechtsstreit für erledigt erklärt worden.

Das SG hat ein Gutachten von Dr. H. eingeholt. Diese kommt in ihrem Gutachten vom 28. Februar 2010 zu dem Ergebnis, dass von einer kombinierten Fallzusammenführung nicht gesprochen werden könne. Am Entlassungstag, am 17. September 2005, sei die Behandlung der Versicherten abgeschlossen gewesen. Beim Heimfahren sei diese so unglücklich gestürzt, dass es zu einer rechtsseitigen Oberschenkelfraktur gekommen sei. Da Ursache für den erneuten Krankenhausaufenthalt eine völlig anders geartete Erkrankung gewesen sei, könne nicht von einer Verlegung im Sinne der FPV ausgegangen werden. Eine Fallzusammenführung sollte nicht vorgenommen werden, weil es sich um zwei völlig voneinander unabhängige Hauptdiagnosen der geriatrischen Behandlung gehandelt habe. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. September 2010 hat die Sachverständige ausgeführt, dass von keiner Rückverlegung im Sinne der Fallpauschalenverordung ausgegangen werden könne. Bei zwei verschiedenen Erkrankungen sei eine Fallzusammenführung nicht gegeben.

Das SG hat mit Urteil vom 13. Januar 2011 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 5.477,41 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 15. Dezember 2005 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die beiden bei der Versicherten nacheinander erfolgten vollstationären Behandlungsfälle als getrennte Behandlungsfälle abzurechnen seien. Die Möglichkeit der kombinierten Fallzusammenführung bestehe nicht. Es liege keine Wiederaufnahme im Sinne von § 2 FPV 2005 vor. Auch eine Rückverlegung im Sinne von § 3 Abs. 3 FPV 2005 sei nicht gegeben. Sinn der Regelung sei, dass ein Krankenhaus einen Versicherten nicht entlassen solle, obwohl seine Erkrankung noch nicht vollständig behandelt sei, ihn in ein anderes Krankenhaus verlege und der Versicherte dann zurückverlegt werde, um die unterbrochene Behandlung abzuschließen. Damit solle verhindert werden, dass ein einheitlicher medizinischer Behandlungsfall zweimal abgerechnet werden könne. Daher verlange die Regelung des § 3 Abs. 3 FPV 2005 einen erkennbaren medizinischen Zusammenhang zwischen der vollstationären Behandlung im ersten Krankenhaus und der nach der Verlegung durchgeführten weiteren vollstationären Behandlung. Da es sich vorliegend bei der Versicherten um einen schicksalhaften Verlauf gehandelt habe, seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt.

Gegen dieses ihr am 26. Januar 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22. Februar 2011 Berufung eingelegt. Das SG habe die Vorschrift des § 3 Abs. 3 FPV 2005 fehlerhaft ausgelegt. Abrechnungsregelungen seien streng nach ihrem Wortlaut auszulegen. Nur dadurch könne der mit ihnen verfolgte Sinn und Zweck erreicht werden, eine große Zahl von Behandlungsfällen unter Berücksichtigung der Interessen von Leistungserbringern und Krankenkassen routinemäßig abzuwickeln. Nach dem Wortlauf der Vorschriften der FPV 2005 liege hier eine solche Verlegung im Rechtssinne vor. Die Patientin sei am 17. September 2005 um 9.00 Uhr morgens entlassen und am selben Tag um 13.50 Uhr in einem anderen Krankenhaus aufgenommen worden. Die Definition der Verlegung verlange keine Überweisung von Krankenhaus zu Krankenhaus. Ausreichend sei die Entlassung aus dem einen und die Aufnahme in das andere Krankenhaus innerhalb 24 Stunden. Die Ausführungen der Sachverständigen seien unbeachtlich, da es allein um rechtliche Fragen gehe. Ein medizinischer Kausalzusammenhang sei nicht zu fordern. Nur die Wiederaufnahmeregelung in § 2 FPV 2005 enthalte medizinische Voraussetzungen wie zum Beispiel die Einstufung in dieselbe Basis-DRG.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 13. Januar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es seien zwei getrennte vollstationäre Behandlungsfälle zu vergüten, da ein Fall der Fallzusammenführung nach § 3 Abs. 3 FPV 2005 nicht vorliege. Die Vorschriften der FPV seien nach allgemeiner juristischer Methodik der Auslegung zugänglich. Von einer Verlegung der Versicherten könne bereits deshalb nicht die Rede sein, weil diese am 17. September 2005 aufgrund des Abschlusses ihrer Behandlung entlassen worden sei. Ein medizinischer Zusammenhang zwischen den beiden Grunderkrankungen sei nicht feststellbar. Während der ersten Behandlung sei ein Hirninfarkt und bei der zweiten eine Oberschenkelfraktur behandelt worden. Sinn und Zweck des § 3 Abs. 3 FPV sei es, ökonomische Anreize dahin gehend zu setzen, dass Krankenhäuser Verlegungsketten nicht ohne medizinische Notwendigkeit organisierten. Um ökonomisch motivierten Verlegungen vorzubeugen, seien daher Abschläge als Instrument der Gegensteuerung vorgesehen. Davon könne aber nicht die Rede sein, wenn es nach abgeschlossener Behandlung zu einer Entlassung komme und innerhalb von 24 Stunden wegen einer anderen Erkrankung notfallmäßig eine Aufnahme in einem anderen Krankenhaus erfolge.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 SGG), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin macht den Anspruch auf Zahlung der Vergütung für die vollstationäre Behandlung der Versicherten gegen die Beklagte zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend. Die Klage eines Krankenhausträgers, wie der Klägerin, auf Zahlung der Kosten für die Behandlung eines bzw. einer Versicherten gegen eine Krankenkasse ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - Az.: B 1 KN 3/08 KR R m.w.N., nach Juris). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch mit 5.477,41 Euro beziffert.

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 5.477,41 Euro plus Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 15. Dezember 2005. Die Voraussetzungen des zulässig eingeklagten Vergütungsanspruchs sind insoweit erfüllt, da die Voraussetzungen einer Fallzusammenführung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 FPV 2005 nicht vorliegen.

Rechtsgrundlage des streitigen Vergütungsanspruchs der Klägerin in Höhe von 5.477,41 Euro ist § 109 Abs. 4 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit den Bestimmungen des für das Jahr 2005 in Thüringen geltenden Landesvertrages.

Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unabhängig von einer schriftlichen Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem - wie hier - zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Die Voraussetzungen des streitigen Vergütungsanspruchs sind erfüllt. Es besteht zwischen den Beteiligten kein Streit darüber, dass die Versicherte in den Zeiträumen 25. August bis 17. September 2005 und 5. Oktober bis 3. November 2005 überhaupt der Krankenhausbehandlung bedurfte und das die erbrachte Behandlungsleistung der Klägerin die Voraussetzungen der abgerechneten Positionen als solche erfüllte. Die Beteiligten streiten ausschließlich darüber, ob eine Fallzusammenführung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 FPV 2005 geboten ist oder nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen die Voraussetzungen für eine solche Fallzusammenführung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 FPV 2005 nicht vor.

§ 3 Abs. 3 Satz 1 FPV 2005 lautet: " Wird ein Patient oder eine Patientin aus einem Krankenhaus in weitere Krankenhäuser verlegt und von diesen innerhalb von 30 Kalendertagen ab dem Entlassungsdatum eines ersten Krankenhausaufenthaltes in dasselbe Krankenhaus zurückverlegt (Rückverlegung), hat das wiederaufnehmende Krankenhaus die Falldaten des ersten Krankenhausaufenthaltes und alle weiteren innerhalb dieser Frist in diesem Krankenhaus aufgenommenen Fälle zusammenzufassen und eine Neueinstufung nach den Vorgaben des § 2 Abs. 4 Satz 1 bis 6 in eine Fallpauschale durchzuführen sowie Abs. 2 Satz 1 anzuwenden."

Wann eine Verlegung in diesem Sinne vorliegt, ist § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV 2005 zu entnehmen. Danach liegt eine Verlegung vor, wenn zwischen der Entlassung aus einem Krankenhaus und der Aufnahme in einem anderen Krankenhaus nicht mehr als 24 Stunden vergangen sind.

Vorliegend waren zwar zwischen der Entlassung der Versicherten und Aufnahme im Kreiskrankenhaus Altenburg am 17. September 2005 keine 24 Stunden vergangen. Bei der gebotenen Auslegung führt § 3 Abs. 3 Satz 1 FPV 2005 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV 2005 aber nur dann zu einer Fallzusammenführung, wenn zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus die erforderliche medizinische Behandlung für den Versicherten noch nicht abgeschlossen ist.

Dies ergibt sich aus Folgendem: Die Anwendung der FPV-Abrechnungsbestimmungen unterliegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Im Gegensatz zu früheren Entscheidungen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - Az.: B 1 KR 10/08 R, zitiert nach Juris, Rn. 13) hat das BSG nunmehr ausgeführt, dass die Abrechnungsbestimmungen wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems zwar eng am Wortlaut orientiert, aber auch unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen sind (BSG, Urteil vom 6. März 2012 - Az.: B 1 KR 15/11 R, zitiert nach Juris, Rn. 17). Das DRG basierte Vergütungssystem sei vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes und damit lernendes System angelegt. Daher seien bei Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, hieran Änderungen vorzunehmen.

Auch unter Berücksichtigung dieses verengten Auslegungsmaßstabes ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Regelungssystem der FPV 2005, dass von einer Verlegung im Sinne der Vorschriften nur dann gesprochen werden kann, wenn zum Zeitpunkt der Entlassung des Versicherten die Krankenhausbehandlung zumindest vorläufig als abgeschlossen anzusehen ist. Diese Auslegung steht auch mit dem Wortlauf der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV 2005 im Einklang. Die Definition des Begriffs der Verlegung knüpft dabei an denjenigen der Entlassung aus einem Krankenhaus an. Zwar ist unter Entlassung zunächst der rein tatsächliche Vorgang einer Beendigung der Krankenhausbehandlung zu verstehen. Jedoch ergibt die vorzunehmende Auslegung unter Berücksichtigung der Systematik der Fallpauschalenvereinbarung für das Jahr 2005, dass im Fall einer unmittelbaren, das heißt in einem Zeitraum von 24 Stunden erfolgenden Wiederaufnahme in ein anderes Krankenhaus, von einer Entlassung beziehungsweise Verlegung nur die Rede sein kann, wenn die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Patienten zum Zeitpunkt der Entlassung noch weiter besteht. Denn die gesetzlichen Grundlagen für das Fallpauschalensystem im Krankenhausentgeltgesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz gehen im Grundsatz davon aus, dass das Krankenhaus für einen Behandlungsfall vergütet wird. Den Auftrag des § 17 b Abs. 1 Satz 3 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), mit den Entgelten nach Satz 1 die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall zu vergüten, setzt die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 1 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntG) um. Sie stellt im Einklang mit den Vorgaben des § 17 b Abs. 1 Satz 3 KHG auf einen Behandlungsfall ab. Für diesen sind entsprechend § 8 Abs. 2 Satz 1 KHEntG Fallpauschalen zu berechnen, die in dem Fallpauschalenkatalog nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntG näher bestimmt sind. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist unter Behandlungsfall bei einer stationären Behandlung im Fallpauschalensystem die gesamte Behandlung derselben Erkrankung zu verstehen, die ein Patient von der stationären Aufnahme bis zur Entlassung aus der stationären Behandlung erhält. Ein neuer medizinischer Behandlungsfall kann unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des Fallpauschalensystems erst zur Abrechnung gelangen, wenn der vorhergehende medizinische Behandlungsfall als abgeschlossen anzusehen ist. Dies ist erst anzunehmen, wenn der/die Versicherte die aus medizinischer Sicht erforderliche Behandlung in vollem Umfang erhalten hat. Abzustellen ist dabei, wie bei der Frage der Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung, auf den im Entscheidungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes (vgl. zum Prüfungsmaßstab bei der Frage der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung BSG, Beschluss vom 25. September 2007 - Az.: GS 1/06 = BSGE 99, 111 - 122).

Diese Systematik liegt der Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 FPV 2005 zugrunde, das als Behandlung die jeweils abzurechnende Einheit versteht. Entsprechend sieht § 1 Abs. 1 Satz 1 FPV 2005 jeden zeitlich ununterbrochenen vollstationären oder teilstationären Krankenhausaufenthalt jeweils als einen abzurechnenden Fall an (BSG, Urteil vom 6. März 2012 - Az.: B 1 KR 15/11 R, zitiert nach Juris, Rn. 19). § 1 Abs. 1 Satz 2 FPV 2007 schafft hiervon insoweit eine Ausnahme für Verlegungen in ein anderes Krankenhaus, indem jedem beteiligten Krankenhaus die Abrechnung eines Falles gestattet wird. Dabei sind allerdings Abschläge nach § 3 FPV 2005 in Ansatz zu bringen. Wann, abgesehen von Fällen der Verlegung, eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen ist, bestimmt § 2 FPV 2005 (Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus). In dieser Vorschrift wird im Einzelnen geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine Mehrheit von Behandlungsabschnitten zu einem Fall als einer abrechnungstechnisch selbständigen Behandlung zusammenzufassen oder als eine Mehrheit selbständiger Behandlungen abzurechnen ist. § 3 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 Satz 1 FPV 2005 knüpfen hieran an. § 3 FPV 2005 unterscheidet nicht zwischen der einmaligen nicht unterbrochenen Behandlung und den zu einer Behandlung zusammengefassten zeitlich voneinander getrennten mehreren Behandlungsabschnitten. Diese Systematik verdeutlicht, dass die Regelung über die Berechnung des Verlegungsabschlags und seinen Ausschluss unterschiedslos alle Varianten einer selbständigen Behandlung, eben die Behandlung als solche, betreffen. Da somit der Begriff der Verlegung und insbesondere die Berechnung des Verlegungsabschlages an den Begriff Behandlung als abzurechnende Einheit anknüpfen, hat dies zugleich zur Folge, dass ein Verlegungsabschlag nur vorgenommen werden kann, wenn zum Zeitpunkt der Entlassung des Versicherten aus dem Krankenhaus seine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit noch nicht aufgehoben, sondern eine weitere Behandlung erforderlich war. Sofern diese Behandlung dann innerhalb von 24 Stunden mit Aufnahme in einem anderen Krankenhaus fortgesetzt wird, ordnet § 3 FPV 2005 entsprechende Abschläge bei der Vergütung an.

Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschriften der FPV 2005, wie sie in den §§ 2 und 3 FPV 2005 zum Ausdruck kommt. Die Entscheidung der Vertragsparteien in § 1 Abs. 1 Satz 2 FPV 2005, im Falle einer Verlegung jedem beteiligten Krankenhaus die Abrechnung der Fallpauschale zu ermöglichen, kann zu ökonomischen Fehlanreizen führen. Insbesondere besteht die Gefahr rein wirtschaftlich motivierter Verlegungen von Versicherten. Um dem entgegen zu wirken, wurden zugleich die Regelungen der §§ 2 und 3 FPV 2005 vereinbart. Diese entsprechen den gesetzgeberischen Zielvorstellungen, dass jeweils der konkrete Behandlungsfall abzurechnen ist. Einen Rückgriff auf Sinn und Zweck der Abrechnungsvorschriften hält der Senat auch unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des BSG zur Auslegung der Vorschriften der FPV für möglich, solange der Sinn und Zweck in der Systematik der FPV - wie hier - deutlich zutage tritt.

Daher ist die Annahme einer Verlegung im Sinne der §§ 3 Abs. 3 Satz 1, 1 Abs. 1 Satz 4 FPV 2005 ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt der Entlassung des Versicherten aus dem Krankenhaus eine weitere Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit nicht mehr bestand und seine Aufnahme in einem anderen Krankenhaus - wie hier- auf einem unerwarteten Geschehensverlauf beruht. Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses spricht auch, dass in der vorliegenden Fallkonstellation für den Fall, dass das Krankenhaus der Klägerin zugleich über eine orthopädische Abteilung mit Operationsmöglichkeit verfügt hätte, eine Fallzusammenführung nach § 2 FPV 2005 bei einer Wiederaufnahme der Versicherten am selben Tag nach der Oberschenkelfraktur hier deshalb nicht vorzunehmen gewesen wäre, weil gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 FPV 2005 bei der Wiederaufnahme eine Einstufung in dieselbe Basis-DRG nicht vorzunehmen gewesen wäre.

Der Anspruch der Klägerin auf Verzinsung der streitgegenständlichen Forderung gegen die Beklagte mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 15. Dezember 2005 folgt aus § 69 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 16 des Vertrages über die allgemeinen Bedingung der Krankenhausbehandlung in Verbindung mit §§ 286, 288 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
Rechtskraft
Aus
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