L 6 R 497/09

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 11 R 4792/07
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 497/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Rentenerhöhung zum 1. Juli 2007 widerspricht nicht verfassungsrechtlichen Vorgaben.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 27. April 2009 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine höhere Rentenanpassung zum 1. Juli 2007. Die am 23. Oktober 1942 geborene Klägerin bezog seit Dezember 1986 eine Invalidenrente, welche zum 1. Januar 1992 in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit umgewertet wurde.

Durch die undatierte "Mitteilung über die Anpassung der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung" erfolgte zum 1. Juli 2007 die Rentenanpassung unter Berücksichtigung des neuen aktuellen Rentenwertes (Ost) in Höhe von 23,09 Euro entsprechend der Renten-wertbestimmungsverordnung 2007. Der bisherige monatliche Rentenbetrag erhöhte sich da-mit von vorher 588,43 Euro auf 591,50 Euro. Die Klägerin erhob Widerspruch mit der Be-gründung, diese Rentenanpassung entspreche nicht annähernd einer Inflationsrate von etwa 2 Prozent oder der Lohnsteigerungsrate. Außerdem ergebe die rechnerische Prüfung nur eine Rentenanpassung um 0,523 Prozent und nicht von 0,54 Prozent, wie von der Beklagten be-hauptet. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2007 zurück-gewiesen.

Eine am 29. November 2007 erhobene Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 27. April 2009 abgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 18. Mai 2009 Berufung eingelegt. Nicht nur die Bundestags-abgeordneten, sondern auch die Rentner müssten eine deutliche Einkommenssteigerung erhal-ten. Die Rentner hätten seit 2003 keine Rentenerhöhung erhalten, sondern Rentenkürzungen hinnehmen müssen. Insofern könne nur dasselbe gelten, was zur Begründung der Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung ausgeführt werde. Die Eigentumsgarantie des Artikels 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) werde durch die Beschränkung der Rentenanpassung im Jah-re 2007 verletzt. Es sei auch nicht länger zulässig, dass die Renten auf dem Gebiet der ehema-ligen DDR nicht genauso hoch ausfielen wie für Rentner in Westdeutschland. Jedenfalls sei eine Rentenangleichung zum 1. Juli 2007 um mindestens 1,5 Prozentpunkte erforderlich ge-wesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

1. festzustellen, dass das Grundgesetz seit dem 1. Januar 1996 für alle Bürger der Bundesrepublik Deutschland rechtsverbindlich ist, 2. festzustellen, dass der Einigungsvertrag ein Völkerrechtsvertrag ist und mit dem Grundgesetz, welches schnellstens durch eine gesamtdeutsche Verfassung ersetzt wer-den sollte, anderen Gesetzen wie zum Beispiel einem SGB der Bundesrepublik über-geordnet ist, 3. festzustellen, dass eine Ungleichbehandlung von ehemaligen DDR-Bürgern, die un-unterbrochen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gelebt und gearbeitet haben, ge-genüber Altbundesbürgern, speziell auch im Bezug auf die Rentenzahlung, nicht mög-lich sein darf, 4. festzustellen, dass die Rente für Rentner auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ge-nauso hoch ausfallen und gezahlt werden muss, wie einem Rentner auf dem Gebiet der ehemaligen DDR lebend, der die gleichen Voraussetzungen erfüllt, 5. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 27. April 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides über die Rentenanpassung zum 1. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2007 zu verurteilen, ihr ab 1. Juli 2007 eine höhere Rente unter Berücksichtigung einer Rentenangleichung um mindestens 1,5 v.H. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchs- und Klageverfahren.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Ver-waltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsge-setzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Die Anträge zu 1 - 4 sind bereits unzulässig. Die Voraussetzungen für eine Feststellungskla-ge nach § 55 SGG liegen nicht vor. Eine abstrakte Klärung von Rechtsfragen ist nicht mög-lich. Die Klägerin kann ihre Rechte mit dem Antrag zu 5 in der Form einer Anfechtungsklage verbunden mit einer unechten Leistungsklage ausreichend wahrnehmen.

Der Antrag zu 5 hat ebenfalls keinen Erfolg. Denn die angefochtenen Bescheide sind recht-mäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Ge-währung einer höheren Rentenanpassung für den Zeitraum ab 1. Juli 2007.

Der Sache nach erstrebt sie eine erhöhte Rentenanpassung der ihr zuerkannten Erwerbsunfä-higkeitsrente zum 1. Juli 2007. Die Klage ist als Anfechtungsklage gegen den eine über 0,54 Prozent hinausgehende Rentenerhöhung ablehnenden Verwaltungsakt verbunden mit der un-echten Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) gerichtet auf Festsetzung einer höheren An-passung des aktuellen Rentenwerts zum 1. Juli 2007 und Zahlung höherer Rente statthaft (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - Az.: B 4 RA 9/05 R, zitiert nach Juris).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Rente zum 1. Juli 2007. Hierfür gibt es keine gesetzliche oder verfassungsrechtliche Anspruchsgrundlage. Die Erhöhung um 0,54 Prozent verletzt nicht ihre Grundrechte.

Die Beklagte hat die Höhe der Altersrente ab dem 1. Juli 2007 zutreffend ermittelt. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Erhöhung um 0,54 Prozent nicht vom bisherigen Mo-natsbetrag der Renten vorzunehmen. Vielmehr werden die Renten nach § 65 SGB VI bezie-hungsweise § 254 c SGB VI zum 1. Juli eines jeden Jahres angepasst, in dem der bisherige aktuelle Rentenwert Ost durch den neuen aktuellen Rentenwert Ost ersetzt wird. Der Monats-betrag der Rente ist stets nach der sogenannten Rentenformel des § 64 bzw. § 254 b SGB VI zu ermitteln, das heißt durch Multiplikation von persönlichen Entgeltpunkten bzw. von per-sönlichen Entgeltpunkten Ost, Rentenartfaktor und aktuellem Rentenwert bzw. aktuellem Rentenwert Ost. Nach § 1 der auf der Grundlage von § 69 SGB VI ergangenen Rentenwertbe-stimmungsverordnung 2007 vom 14. Juni 2007 (BGBl. I S. 1113) betrug der aktuelle Ren-tenwert vom 1. Juli 2007 an 26,27 ?, der aktuelle Rentenwert Ost 23,09 ?.

Eine Verpflichtung des Verordnungsgebers zum 1. Juli 2007 einen höheren aktuellen Ren-tenwert Ost als 23,09 ? festzusetzen bestand nicht.

Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 3 SGB VI verändert sich der aktuelle Rentenwert zum 1. Juli eines jeden Jahres, in dem der bisherige aktuelle Rentenwert mit den Faktoren für die Veränderung der Bruttolöhne und Gehälter je Arbeitnehmer, des Beitragssatzes zur allgemeinen Versiche-rung und dem Nachhaltigkeitsfaktor vervielfältigt wird. Mit einzubeziehen ist nach § 255 e Abs. 1 Satz 3 SGB VI die Veränderung des Altersvorsorgeanteils. § 255 a Abs. 2 SGB VI verlangt dann, dass der aktuelle Rentenwert Ost mindestens um den Vomhundertsatz anzu-passen ist, um den der aktuelle Rentenwert angepasst wird. Der aktuelle Rentenwert vom 1. Juli 2006 betrug 26,13 ? (vgl. Rentenwertbestimmungsverordnung 2005, BGBl. I S. 1578). Nach der Rentenwertbestimmungsverordnung 2005 betrug der aktuelle Rentenwert Ost vom 1. Juli 2005 an 22,97 ?. Dieser Wert galt ab 1. Juli 2006 fort (Gesetz zur Weitergeltung der aktuellen Rentenwerte ab 1. Juli 2006, BGBl. I S. 1314).

Auf der Grundlage dieser Vorschriften hat der Gesetzgeber entschieden, den bisherigen aktu-ellen Rentenwert Ost von 22,97 ? um 0,54% auf den Betrag von 23,09 ? zu erhöhen. Die Be-rechnung des aktuellen Rentenwertes entspricht der für den Zeitpunkt 1. Juli 2007 in § 255 e Abs. 4 SGB VI enthaltenen maßgeblichen Formel (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 25. Januar 2012 - Az.: L 3 R 496/09).

Dies verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass selbst die Aussetzung der Rentenanpassung in den Jahren 2004 und 2005 nach den Darlegungen des Bundessozialgerichts (BSG) zulässig war.

Dem Grundgesetz lässt sich kein Recht der Rentner im Sinne eines Anspruchs gegen den Ge-setzgeber auf Anhebung des aktuellen Rentenwertes entnehmen. Auch einfach gesetzliche Bestimmungen des SGB VI zur Rentenanpassung vermitteln keine konkrete vermögenswerte Rechtsposition, über die aktuell verfügt werden könnte oder die den Rentnern sonst ihren Freiraum im Vermögensbereich sichern soll. Der grundrechtlich verbürgte Schutz des Ren-teneigentums aus Artikel 14 GG gegen die Gesetzgebung und die vollziehende Gewalt hat keine leistungsrechtlichen, sondern ausschließlich einen abwehrrechtlichen Inhalt. Er kommt nur zum Tragen, soweit die inhaltsbestimmenden Gesetze dem Bürger ein subjektives vermö-genswertes Recht zuweisen und in dieses eingegriffen wird. Selbst eine Einbeziehung der jährlichen Rentenanpassung in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie beinhaltet kein abso-lut wirkendes Verbot, eine Rentenanpassung vorzunehmen, weil nach Artikel 14 Abs. 1 Satz 3 GG Inhalt und Schranken des Eigentums durch Gesetz bestimmt werden. Das Bundesver-fassungsgericht (BVerfG) hat hierzu in seinem Beschluss vom 16. Juli 2007 - Az.: 1 BvR 824/03 (zitiert nach Juris), ausgeführt: "Selbst wenn man, soweit die regelmäßige jährliche Rentenanpassung an die Entwicklung gestiegener Arbeitseinkommen in den Jahren 2000 und 2004 ganz oder teilweise unterblieben ist, darin eine Beeinträchtigung des Schutzbereichs von Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG sieht, wäre die Eigentumsgarantie vorliegend nicht verletzt. So-wohl die am Preisindex ausgerichtete Rentenanpassung zum 1. Juli 2000 als auch deren Un-terbleiben zum 1. Juli 2004 stellen sich als gesetzliche Maßnahmen dar, die Inhalt und Schranken gemäß Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsgemäß bestimmen würden. Das BVerfG hat bei der eigentumsrechtlichen Prüfung auf die Höhe von Rentenleistungen bezoge-ner gesetzlicher Regelungen anerkannt, dass dem Gesetzgeber eine ausreichende Flexibilität erhalten bleiben muss, um das Rentenversicherungssystem und insbesondere dessen Finanzie-rung zu gewährleisten. Daher verfestigt die Eigentumsgarantie das Rentenversicherungssys-tem nicht so, dass es starr wird und den Anforderungen unter veränderten Umständen nicht mehr genügen kann."

Da somit selbst die Aussetzung der Rentenanpassung in den Jahren 2004 und 2005 rechtmä-ßig war, ist erst Recht nichts dafür ersichtlich, dass die Erhöhung zum 1. Juli 2007 um 0,54% verfassungsrechtlichen Vorgaben widerspricht.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG ist nicht erkennbar. Dieser folgt nicht aus der gleichmäßigen Rentenanpassung West und Ost. Nach ständiger Rechtspre-chung ist die Ungleichbehandlung, zu der die Anwendung des aktuellen Rentenwertes Ost führt, derzeit noch gerechtfertigt. Der aktuelle Rentenwert Ost wird § 255 a SGB VI für das Beitrittsgebiet getrennt berechnet. Nochmals mit Urteil vom 20. September 2007 - Az.: B 4 RA 9/05 R (zitiert nach Juris) hat das BSG bekräftigt, dass auch innerhalb des Rechts der ge-setzlichen Rentenversicherung und ohne Verletzung von Verfassungsrecht bei der jährlichen Anpassung der Renten in West und Ost aufgrund der bestehenden erheblichen Unterschiede differenziert werden kann.

Soweit die Klägerin auf Diätenerhöhungen für Bundestagsabgeordnete hinweist, begründet dies keinen Verstoß gegen Artikel 3 GG. Diäten sind keine Form der Altersversorgung, so dass ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz bereits deshalb ausscheidet. Wenn der Ge-setzgeber bereits bei der Anpassung zwischen den nach dem SGB VI anspruchsberechtigten Rentnern differenzieren darf, so ist er im Übrigen auch nicht gehindert, andere Systeme der Alterssicherung wie zum Beispiel die Anpassung der Versorgungsbezüge der Ruhestandsbe-amten unterschiedlich zu behandeln. Es existieren insoweit wesentliche inhaltliche Unter-schiede und es gelten unterschiedliche Rechtsgrundlagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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