L 6 KR 335/08

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 3 KR 1035/06
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 335/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 7. März 2008 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Kosten einer intravitrealen Tri-amcinolonapplikation sowie einer photodynamischen Therapie (PDT) mit dem Arzneimit-telwirkstoff Verteprofin (Handelsname: Visudyne®) in Höhe von insgesamt 2.436,43 EUR zu erstatten hat.

Die behandelnden Ärzte der 1972 geborenen Klägerin beantragten am 4. November 2005 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Durchführung einer PDT am linken Auge. Bei der Klägerin liege eine sehr seltene Netzhauterkrankung vor, die durch die Entwick-lung einer chorioidalen Neovascularisationsmembran (CNV) am rechten Auge zu einer drastischen Sehschärfeminderung geführt habe. Diese habe durch eine einmalige PDT ver-narbt werden können. Hierdurch habe eine Sehschärfeverbesserung von 0,25 auf 0,5 er-reicht werden können. Seit Anfang Oktober 2005 bemerke die Klägerin eine Sehver-schlechterung und die Wahrnehmung von störenden Metamorphosien am linken Auge. In der Fluoreszenzangiographie zeige sich eine juxtafoveale CNV mit Progressionstendenz (rapid progression disease). Nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen sei hier eine Kombinationsbehandlung mit intravitrealer Triamcinolonapplikation und nachfolgender PDT die einzige Behandlungsoption, um das Fortschreiten dieser Erkrankung am linken Auge zu stoppen.

Am 16. November 2005 legte die Klägerin auf Anforderung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Thüringen e.V. einen Bericht des Augenarztes P. vom 14. November 2005 vor. Danach ist links innerhalb einer Woche ein Visusabfall von 0,9 auf 0,5 erfolgt; eine baldige Behandlung sollte durchgeführt werden. Nach dem Gutachten des MDK vom 23. November 2005 führt eine Maculopathie mit CNV unbehandelt in den meisten Fällen in relativ kurzer Zeit zur Erblindung im Sinne des Gesetzes. Gesicherte Therapiealternativen zur PDT mit Visudyne® existierten derzeit nicht. Die Aufnahme der PDT in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) für die Indikation einer klassischen juxtafovealen CNV bei okulärem Histoplasmase-Syndrom sei am 1. August 2001 nicht erfolgt. Für diese Diagnose sei Visudyne® nicht zugelassen. Eine positive Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss oder ein positives G2-Gutachten existiere bisher nicht. Die ebenfalls beantragte zusätzliche intra-vitreale Triamcinolon-Therapie sei ebenfalls durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bisher nicht bewertet. Das verwendete Medikament Triamcinolon sei bei der Indikation nicht zugelassen. Eine weitere Sehverschlechterung des linken Auges könne nicht ausgeschlossen werden.

Mit Bescheid vom 25. November 2005 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Im Widerspruchsverfahren überreichte die Klägerin die privatärztliche Rechnung des Dr. H. für die ambulante Behandlung in dem Zeitraum vom 14. bis 21. November 2005 über 2.436,43 EUR. Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten des MDK vom 17. Januar 2006 ein. Dieser verweist darauf, dass bisher keine ausreichenden evidenzbasierten Studien zu der vorgenommenen Behandlung mit einer PDT und Triamcinolon vorlägen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe der Versicherte vor Inan-spruchnahme einer Leistung außerhalb des vertragsärztlichen Systems grundsätzlich seine Krankenkasse zu befragen, soweit eine Kostenerstattung begehrt werde. Die Klägerin habe die Entscheidung der Kasse nicht abgewartet; sie habe die PDT bereits am 21. November 2005 durchführen lassen. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe die PDT nur bei alters-abhängiger feuchter Makuladegeneration mit subfoveolärer klassischer CNV als wirksame Behandlungsmethode anerkannt. Eine Kostenübernahme sei auch deshalb nicht möglich, weil Dr. H. nur in Verbindung mit Überweisungen niedergelassener Vertragsaugenärzte zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zugelassen bzw. ermächtigt sei. Andere als zugelassene Ärzte dürften nur im Notfall aufgesucht werden. Eine Behandlung in diesem Sinne liege nur dann vor, wenn eine Behandlung durch einen Vertragsarzt objektiv nicht möglich sei.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) einen Bericht des Klinikums B. H. vom 29. März 2007 eingeholt, wonach am 14. November 2005 aufgrund einer ausgeprägten Macu-lablutung am rechten (gemeint wohl: linken) Auge eine Pars plana Vitrektomie mit Triam-cinolon-Injektion (kombiniert mit einer weiteren PDT am 21. November 2005) durchge-führt wurde. Die Klägerin hat vorgetragen, die PDT habe sich bei ihr als wirksame Be-handlungsmethode erwiesen. Die durch Dr. H. vorgenommene Behandlung habe zu einer entscheidenden Verbesserung des Sehvermögens des linken Auges geführt. Ein weiteres Zuwarten bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über ihren Antrag auf Kostenübernahme sei nicht möglich gewesen. Mit Gerichtsbescheid vom 7. März 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Be-gründung im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) lägen nicht vor; die Klä-gerin habe die Entscheidung der Beklagten über ihren Antrag nicht abgewartet. Eine un-aufschiebbare Leistung habe bei der Behandlung mit der PDT nicht vorgelegen.

Im Berufungsverfahren trägt die Klägerin vor, die ambulante Behandlung habe unverzüg-lich durchgeführt werden müssen, um eine Erblindung des linken Auges zu verhindern. Ein Vertragsarzt habe nicht rechtzeitig zur Verfügung gestanden. Eine privatärztliche Honorar-vereinbarung habe sie mit Dr. H. nicht geschlossen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 7. März 2008 und des Bescheides vom 25. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2006 zu verurteilen, ihr die Kosten für die ambulante Behandlung am 14. und 21. November 2005 in Höhe von 2.436,43 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Gründe des Gerichtsbescheides vom 7. März 2008. Aufgrund des zeit-lichen Ablaufs könne weder von einer unaufschiebbaren Leistung noch einem Notfall aus-gegangen werden. Im Übrigen habe es sich um eine Leistung gehandelt, die im Rahmen des geltenden einheitlichen Bewertungsmaßstabes nicht über die zuständige kassenärztli-che Vereinigung abrechenbar gewesen sei. Aufgrund der fehlenden privatärztlichen Hono-rarvereinbarung fehle es bereits an einer Grundlage für eine privatärztliche Rechnungsstel-lung.

Der Senat hat die Krankenunterlagen des Klinikums B. H. beigezogen sowie eine Aus-kunft des Dr. H. vom 24. September 2009 und ein augenärztliches Gutachten des Dr. T. vom 18. März 2010 eingeholt.

Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 8. Mai 2009 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Ver-handlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V (hier anzuwenden in der seit dem 1. Juli 2001 geltenden Fassung des Art 5 Nr. 7 b des Neunten Buches Sozialgesetz-buch (SGB IX) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001, BGBl. I 1046) auf Erstattung der Kosten für eine intravitrealen Triamcinolonapplikation und der PDT mit Visudyne® am linken Auge in Höhe von insgesamt 2.436,43 EUR. Diese Kosten für die Beschaffung der ärztlichen Behandlung sind nicht dadurch entstanden, dass die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte.

Nach § 13 Abs. 3 SGB V sind dem Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entste-hen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann (Alternative 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alternative 2) und sich der Versicherte deshalb die Leistung selbst beschafft.

Wie sich aus § 13 Abs. 1 SGB V ergibt, tritt der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung; er besteht deshalb nur, soweit die selbst beschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sind. Mit der Durchbrechung des Sachleis-tungsgrundsatzes (§ 2 Abs. 2 SGB V) trägt § 13 Abs. 3 SGB V dem Umstand Rechnung, dass die gesetzlichen Krankenkassen eine umfassende medizinische Versorgung ihrer Mit-glieder sicherstellen müssen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 27 Abs. 1 Satz 1, § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und infolgedessen für ein Versagen des Beschaffungssystems - sei es im medizini-schen Notfall (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) oder infolge eines anderen unvorhergesehe-nen Mangels - einzustehen haben. Wortlaut und Zweck der Vorschrift lassen die Abwei-chung vom Sachleistungsprinzip nur in dem Umfang zu, in dem sie durch das Systemver-sagen verursacht ist (vgl. Bundessozialgericht (BSG) in SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 10, 11 m.w.N). Die Bestimmung erfasst hier nur Kosten, die dem Versicherten bei regulärer Leistungserbringung nicht entstanden wären. Andere Kosten, etwa die Verpflichtung ge-genüber einem anderen als dem krankenversicherungsrechtlich zulässigen Leistungserb-ringer oder Zahlungen, die einem Leistungserbringer ohne Rechtsgrund zugewendet wer-den, lösen keinen Kostenerstattungsanspruch aus, weil sonst die krankenversicherungs-rechtliche Bindung an die zulässigen Formen der Leistungserbringung durch den Anspruch auf Kostenerstattung ohne weiteres durchbrochen werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 2007 - Az.: B 1 KR 14/07 m.w.N., nach juris). Voraussetzung für eine Kosten-erstattung in beiden Fällen des § 13 Abs. 3 SGB V ist auch, dass zwischen dem die Haf-tung der Krankenkasse begründenden Umstand (bei Alternative 1: Unvermögen zur recht-zeitigen Leistung; bei Alternative 2: rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Ver-sicherten (Kostenlast) ein Kausalzusammenhang besteht, ohne den die Bedingung des § 13 Abs. 1 SGB V für eine Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz nicht erfüllt ist. Dies be-deutet einmal, dass Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung, soweit diese nicht aus-nahmsweise unaufschiebbar war, nur zu ersetzen sind, wenn die Krankenkasse die Leis-tungsgewährung abgelehnt hatte; ein Kausalzusammenhang und damit eine Kostenerstat-tung scheiden aus, wenn der Versicherte sich die streitige Behandlung außerhalb des vor-geschriebenen Beschaffungsweges selbst besorgt, ohne sich vorher mit seiner Krankenkas-se ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten. Einer der Beschaffung vorgeschalteten Entscheidung der Krankenkasse bedarf es unabhängig davon, welcher Art die in Anspruch genommene Leistung ist und in welcher Höhe dafür Kosten anfallen (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 1997 - Az.: 1 BK 31/96 und vom 14. Dezember 2006 - Az.: B 1 KR 8/06, nach juris).

Ein Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kostenübernahme und der intra-vitrealen Triamcinolonapplikation sowie der PDT mit Visudyne ® und den der Klägerin entstandenen Kosten in Höhe von in Höhe von insgesamt 2.436,43 EUR (Rechnung vom 29. November 2005) im Sinne des § 13 Abs. 3 SGB V Alternative 2 besteht nicht. Die Kläge-rin hat sich die Leistungen am 14. und 21. November 2005 selbst beschafft, ohne die Ent-scheidung der Beklagten abzuwarten. Eine Kostenerstattung kommt daher nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen nach § 13 Abs. 3 Alternative 1 SGB V vorliegen. Dies ist nicht der Fall.

Unaufschiebbar im Sinne der gesetzlichen Regelung sind Leistungen, die im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich waren, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand. Diese Fallgruppe erfasst nicht nur Notfälle i. S. d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, bei denen ein unvermittelt auf-getretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss; unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn mit der Behandlung solange gewartet wird, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, damit der mit ihr ange-strebte Erfolg noch erreicht werden kann (vgl. BSG in SozR 3-2500 § 13 Nr. 4 S. 26). Die medizinische Dringlichkeit ist indes nicht allein ausschlaggebend. Die erste Fallgruppe setzt weiter voraus, dass die Krankenkasse die in Rede stehenden Leistungen nicht recht-zeitig erbringen konnte. Davon kann im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat. Nur da, wo eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte, kann die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden. § 13 Abs. 3 SGB V will lückenlos alle Sachverhal-te der berechtigten Selbstbeschaffung von Leistungen in Fällen des Systemversagens erfas-sen. Bei seiner Auslegung müssen deshalb die Merkmale der beiden Fallgruppen so auf-einander abgestimmt werden, dass dieser Zweck erreicht wird. Daraus folgt, dass der Kos-tenerstattungsanspruch mit dem Unvermögen der Krankenkasse zur rechtzeitigen Erbrin-gung einer unaufschiebbaren Leistung nur begründet werden kann, wenn es dem Versi-cherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzu-warten.

Für eine Notfallbehandlung i. S. d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V liegen keine Anhaltspunkte vor. Im Übrigen wäre ein Kostenerstattungsanspruch in diesem Fall bereits deshalb ausge-schlossen, weil der Leistungserbringer seine Vergütung nicht vom Versicherten, sondern nur von der Kassenärztlichen Vereinigung oder - bei stationärer Notfallbehandlung - allein von der Krankenkasse verlangen kann (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - Az.: B 1 KR 114/06 B m.w.N., nach juris).

Hinsichtlich der am 14. November 2005 erfolgten intravitrealen Triamcinolonapplikation und der am 21. November 2005 erfolgten PDT mit Visudyne ® fehlt es an einem Nach-weis dafür, dass es sich um eine unaufschiebbare Leistung im oben genannten Sinne han-delte und die Klägerin die Entscheidung der Beklagten mit Bescheid vom 25. November 2005 deshalb nicht abwarten konnte.

Nach dem Gutachten des Dr. T. vom 18. März 2010 hat sich bei der Klägerin auf der Basis eines presumed-ocular-histoplasmasis-syndromes (POHS) an beiden Augen eine CNV entwickelt. Hinsichtlich der Frage der Möglichkeit eines zeitlichen Aufschubs führt er aus, dass angesichts des stattgehabten rapiden Visusabfalls bei der Klägerin und der extrem foveanahen Lage der Läsion das Zeitfenster der Behandlung sehr kurz bemessen war. Eine wesentliche Beeinflussung der Prognose der Behandlung beim Abwarten bis zur Erteilung des Bescheides vom 25. November 2005 hat er nicht bestätigt. Soweit der Sachverständige ausführt, bei einem Abwarten bis zur Entscheidung über den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2006 wäre von einer nochmaligen deutlichen Ver-schlechterung der Prognose auszugehen gewesen, ist diese Feststellung nicht relevant, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lediglich ein Abwarten bis zur Erstent-scheidung der Beklagten für die Einhaltung des Beschaffungsweges vorausgesetzt wird (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 1997 - Az.: 1 BK 31/96 m.w.N., nach juris).

Auch die behandelnden Ärzte der Klägerin haben eine Dringlichkeit der Behandlung im Sinne einer Unaufschiebbarkeit im Antrag vom 2. November 2005 und in ihrem Bericht vom 16. November 2005 nicht dargestellt.

Der Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme ist am 4. November 2005 bei der Beklagten eingegangen. Die Dres. H. und Z. führen dort aus, bei einer Nichtbehandlung müsse mit einer weiteren Verschlechterung und drohender Berufsunfähigkeit gerechnet werden. In dem am 16. November 2005 bei der Beklagten eingegangenen Bericht teilen sie als Befund vom 9. November 2005 mit, dass bei erneuter Kontrolle der Visus am linken Auge auf jetzt 0,5 abgefallen ist und zu einer baldigen Behandlung geraten wird. Abgesehen davon, dass dieser Befund erst sieben Tage später bei der Beklagten eingegangen ist, finden sich dort keine Ausführungen dazu, dass mit der Behandlung bereits begonnen wurde und eine Fort-führung am 21. November 2005 erfolgt.

Nicht zur Überzeugung des Senats steht fest, dass bereits vor Beginn der Behandlung am 14. bzw. 21. November 2005 eine ablehnende Entscheidung der Beklagten vorlag. Soweit die Klägerin im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 8. Mai 2009 vorgetragen hat, es sei ihr in einem Gespräch vor dem 14. November 2005 gesagt worden, dass es zu einer Ablehnung kommen werde, ist ein solches Gespräch in der Verwaltungsakte der Beklagten nicht dokumentiert und zudem wäre, -selbst die Richtigkeit dieses Vortrages unterstellt- eine Ablehnung der Beklagten lediglich angekündigt, nicht jedoch bereits ausgesprochen worden.

Unter diesen Umständen ist nicht entscheidungserheblich, ob die intravitreale Triamcino-lonapplikation und die PDT mit Visudyne ® bei der vorliegenden Erkrankung zum Leis-tungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörte und ob die Klägerin trotz des Fehlens einer schriftlichen Vereinbarung über die privatärztliche Behandlung einer wirk-samen Vergütungsforderung des behandelnden Arztes ausgesetzt war (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18. Juli 2005 - B 1 KR 24/05 R, nach juris).

Ein Kostenerstattungsanspruch ist auch nicht ausnahmsweise unter Berücksichtigung der mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 - Az.: 1 BvR 347/98 entwickelten Grundsätze gerechtfertigt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in dem genannten Beschluss zu einer ärztlichen Be-handlungsmethode das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. September 1997 (BSGE 81, 54) aufgehoben und entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 nicht vereinbar ist, einem gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard ent-sprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwir-kung auf den Krankheitsverlauf besteht. Unabhängig davon dass hier keine lebensbedroh-liche oder regelmäßig tödliche Erkrankung bei der Klägerin vorlag (zu anderen notstands-ähnlichen Situationen: vgl. BSG, Urteile vom 4. März 2004 - Az.: B 1 KR 12/04 (D- Ri-bose), 14. Dezember 2006 - Az.: B 1 KR 12/06 (Friedreich`schen Ataxie) und vom 27. März 2007 - Az.: B 1 KR 30/06 R (Dronabinol)) hat die Auslegung zur Folge, dass die Anspruchsvoraussetzungen von § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V und § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V sowie die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit ausnahmsweise bejaht werden müssen. Die grundsätzlich notwendige Einhaltung des Beschaffungsweges wird durch die-se Entscheidung nicht berührt (vgl. BSG, Urteile vom 14. Dezember 2006 - Az.: B 1 KR 12/06 R, nach juris).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Rechtskraft
Aus
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