L 6 KR 1108/09

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 4 KR 2549/09
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1108/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 13. November 2009 teilweise aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 2. De-zember 2008, ergänzt durch Bescheid vom 31. März 2009 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 18. Juni 2009 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 4. Dezember bis 31. Dezember 2008 Krankengeld in Höhe von 73,34 Eu-ro täglich, vom 1. Januar 2009 bis 30. April 2009 in Höhe von 73,55 Euro täglich und vom 1. bis 15. Mai 2009 in Höhe 74,58 Euro täglich zu zahlen. Die Beklagte trägt ¾ der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Entziehung und Versagung von Krankengeld wegen man-gelnder Mitwirkung sowie die Zahlung von Krankengeld streitig.

Der 1961 geborene Kläger, der bis 22. Oktober 2010 bei der Beklagten pflichtversichert war, war seit dem 5. Mai 2008 arbeitsunfähig erkrankt und bezog nach Beendigung des vom 25. Mai 2007 bis 24. Mai 2008 in Anspruch genommenen Erziehungsurlaubs bis zum 5. Juli 2008 Entgeltfortzahlung durch den damaligen Arbeitgeber. Im Juni 2008 erklärte er gegenüber der Beklagten, er sei weiterhin arbeitsunfähig erkrankt und begehre die Zahlung von Kranken-geld. Als Diagnosen nannten die behandelnden Ärzte u.a Angina Pectoris, chronisch ischämi-sche Herzkrankheit, Asthma bronchiale, Hypercholesterinämie und Hyperlipidämie. Nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK). - Dr. R. - vom 23. Juni 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 15. Juli 2008 ab 6. Juli 2008 Krankengeld in Höhe von 72,68 EUR täglich.

Nach Eingang eines Antrags auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wegen rezidivierender Angina Pectoris Symptomatik bei koronarer Zwei-Gefäßerkrankung, diffuser koronarer Sklerosen und dem Verdacht auf ein Fibromyalgie-Syndrom beauftragte die Beklagte den MDK mit der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 51 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach seinem Gutachten vom 18. August 2008 ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen persistierender Schmerzsymptomatik und Verunsi-cherung bei Zustand nach zweimaliger Stentimplantation im Rahmen einer KHK erheblich gefährdet. Daraufhin leitete die Beklagte den Antrag an die Deutsche Rentenversicherung Bund (im Folgenden: DRV Bund) weiter. Mit Schreiben vom 23. September 2008 teilte sie dem Kläger das Ergebnis der Begutachtung mit und wies darauf hin, dass er gegenüber dem Rentenversicherungsträger oder der vorgesehenen Rehabilitationsklinik bestimmte Erklärun-gen nur mit ihrer Zustimmung abgeben könne. Hierzu gehöre u.a. ein Verschieben oder Ab-bruch einer angebotenen Rehabilitationsleistung. Wenn er eine solche Erklärung gegenüber dem Rentenversicherungsträger ohne Zustimmung abgebe, könne der Krankengeldanspruch unter Umständen auch rückwirkend wegfallen.

Die DRV Bund bewilligte mit Bescheid vom 11. September 2008 eine stationäre Rehabilita-tionsmaßnahme für die Dauer von drei Wochen in der M.-Klinik B. L. Rehabilitationsklinik für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Orthopädie. Nachdem der Kläger den Wunsch geäußert hatte, die Rehabilitationsmaßnahme in einer Klinik in den alten Bundesländern in Anspruch zu nehmen, bewilligte sie ihm mit Bescheid vom 6. Oktober 2008 eine dreiwöchige Rehabili-tationsmaßnahme im Reha-Zentrum Sch ... Zu dessen Leistungsspektrum gehören medizinisch-somatische Behandlungen, psychotherapeutische Behandlungen sowie physio- und sportthe-rapeutische Behandlungen. Die Maßnahme sollte am 4. Dezember 2008 beginnen. Im No-vember 2008 teilte der Kläger mit, er habe beim Bewegen starke Schmerzen in den Knien und werde sich in orthopädische Behandlung begeben. Die Orthopädin Dr. B. teilte auf telefoni-sche Nachfrage der Beklagten mit, der Kläger sei grundsätzlich rehabilitationsfähig. Am 20. November 2008 ging eine weitere "Bescheinigung für die Krankengeldzahlung" für die Zeit vom 20. November bis 15. Dezember 2008 bei der Beklagten ein. Als die die Arbeitsunfähig-keit begründenden Diagnosen bnannte Dipl.-Med. D. eine athereosklerotische Herzkrankheit (ICD I25.12), eine somatoforme Störung (ICD F45.9) und einen Verdacht auf Fibromyalgie (ICD M79.7). Dr. B. teilte auf Anfrage der Beklagten mit, der Kläger habe sie am 6. Novem-ber 2008 wegen diffuser Knieschmerzen beidseits konsultiert. Am 20. November 2008 habe er sie informiert, dass Beschwerden jetzt auch in Ruhe auftreten. Am 5. Januar 2009 habe er einen Termin zur Magnetresonanztomographie (MRT). Er selbst halte sich nicht für rehabili-tationsfähig. Der MDK bestätigte am 25. November 2008 die Rehabilitationsfähigkeit des Klägers.

Mit Bescheid vom 2. Dezember 2008 teilte ihm die Beklagte mit, nach dem Gutachten des MDK vom 25. November 2008 sei er in der Lage die Rehabilitationsmaßnahme am 4. De-zember 2008 anzutreten. Einer Verschiebung des Aufnahmetermins werde nicht zugestimmt. Wenn er seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkomme, könne sie ab 4. Dezember 2008 kein Krankengeld mehr zahlen. Der Anspruch lebe erneut auf, wenn er die Rehabilitationsmaß-nahme angetreten habe. Hiergegen erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, eine verlässliche Diagnose könne erst nach der MRT des Kniegelenks erhoben werden und zwar voraussichtlich zum 6. Januar 2009. Er reichte einen orthopädischen Kurzbefund der Dr. B. vom 4. Dezember 2008 ein. Die Beklagte holte eine weitere Stellungnahme des MDK - Dr. R. - vom 17. Dezember 2008 ein, wonach die Rehabilitationsfähigkeit durch die mitgeteilten Diagnosen nicht beeinträchtigt sei, aktuell sei eine weitere Abklärung durch eine MRT ge-plant. Am 18. Dezember 2008 ging bei der Beklagten eine weitere "Bescheinigung für die Krankengeldzahlung" ein, ausgestellt von Dipl.-Med. D. nach Vorstellung des Klägers am 11. Dezember 2008. Als für die Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 29. Dezember 2008 maß-gebenden Diagnosen benannte er dort zusätzlich: Ganglion: Unterschenkel (Fibula, Tibia, Kniegelenk) (ICD M67.46), sonstige Meniskusschädigung: sonstiger nicht näher bezeichnete Teil des Innenminiskus (ICD M 23.33), Chondromalazie 2. Grades des Knies (M 22.4). Mit Schreiben vom 23. Dezember 2008, bezeichnet als "Widerspruch - Leistungen zur medizini-schen Rehabilitation", teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Zahlung von Krankengeld über den 3. Dezember 2008 hinaus sei nicht möglich. Danach gingen weitere "Bescheinigungen für die Krankengeldzahlung" ein, in denen Dipl.-Med. D. jeweils befristet Arbeitsunfähigkeit bescheinigte (seit dem 14. Januar 2009 auch wegen Angststörung und depressiver Episode), zudem eine Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie S. vom 28. Januar 2009 und Ar-beitsunfähigkeitsbescheinigungen des Dipl.-Med. A. (Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie Facharzt für Neurologie), wonach der Kläger seit dem 5. Februar 2009 arbeitsunfähig ist. Die-ser bescheinigte nachfolgend Arbeitsunfähigkeit bis 30. April 2009. Weiter findet sich in der Verwaltungsakte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dipl.-Med. D. vom 28. April bis 15. Mai 2009.

Mit Bescheid vom 31. März 2009 erklärte die Beklagte, die zutreffende Ermessensentschei-dung sei im Bescheid vom 2. Dezember 2008 nicht zum Ausdruck gebracht worden; dies wol-le sie nachholen. Grundlage der Entscheidung seien die medizinisch notwendige Rehabilitati-onsmaßnahme zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, die vorgetragenen Kniebeschwer-den, die Gutachten des MDK und seine finanzielle Situation gewesen. Nach Feststellung der Rehabilitationsfähigkeit durch den MDK sei dem Interesse der Versichertengemeinschaft an der Einstellung des Krankengeldes Vorrang einzuräumen, weil durch die Nichtaufnahme der Rehabilitationsmaßnahme eine Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit und damit auch der Krankengeldzahlung zu erwarten war. Ein berechtigtes Interesse am Hinausschieben des Be-ginns der Rehabilitationsmaßnahme sei nicht nachvollziehbar. Ein nur teilweises Versagen des Krankengeldes habe sie als nicht ausreichende Maßnahme zur Motivation für die Auf-nahme der Rehabilitationsmaßnahme gesehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2009 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. Dezember 2008, ergänzt durch Bescheid vom 31. März 2009 zurück. Mit Bescheid vom 29. Juli 2009 teilte sie dem Kläger mit, sein Anspruch auf Krankengeld ende am 22. September 2009.

Mit Gerichtsbescheid vom 16. November 2009 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Be-gründung u.a. ausgeführt, die Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nach § 63 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch SGB I zur Mitwirkung an der stationären me-dizinischen Rehabilitationsmaßnahme verpflichtet war. Dies habe im angemessenen Verhält-nis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung (Krankengeld) gestanden und sei ihm nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I auch zumutbar gewesen. Die vorgenommene Ermessensaus-übung sei nicht zu beanstanden. Somit bestehe wegen der fehlenden Mitwirkung des Klägers nach § 66 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 63 SGB I ab dem 4. Dezember 2008 bis auf weiteres kein Anspruch auf Krankengeld.

Im Berufungsverfahren vertritt der Kläger die Ansicht, Dipl.-Med. D. hätte dazu befragt wer-den müssen, ob er am 4. Dezember 2008 rehabilitationsfähig gewesen sei. Dr. B. habe ihm gegenüber mehrfach telefonisch erklärt, dass es nicht ihre Aufgabe sei über seine Rehabilita-tionsfähigkeit zu befinden und ihn an Dipl.-Med. D. verwiesen. Sie habe auch keine orthopä-dische Lappalie vermutet, als sie ihn mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 auf die V.-klinik P. verwiesen habe. Vier Krankenhausaufenthalte von April bis Juli 2008 hätten bei ihm zu einer Angststörung vor medizinischen Einrichtungen und insbesondere den ostdeutschen Ein-richtungen geführt. Trotzdem sei er unbedingt an der Wiederherstellung seiner Gesundheit und Arbeitsfähigkeit interessiert gewesen, habe jedoch aufgrund des Verhaltens der Beklagten den Eindruck gewonnen, dass es nicht um die Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit und Gesundheit, sondern um die Abschiebung in die Rente gegangen sei. Eine kardiologische Re-habilitationsmaßnahme habe gerade seine Bewegungsfähigkeit vorausgesetzt. Die sich im November und Dezember von Tag zu Tag potenzierenden Schmerzen der Kniegelenke hätten das schmerzlose Stehen oder auch nur leichte Verdrehen des Gelenkes im Sitzen unmöglich gemacht. Im November und Dezember 2008 habe er sich bei mehreren Psychologinnen und Psychotherapeuten angemeldet; er habe aber nicht sofort einen Termin erhalten. Ende De-zember 2008 und im Januar 2009 seien die Schmerzen in den Kniegelenken ohne therapeuti-sche Maßnahmen abgeklungen. Die Behauptungen der Beklagten, dass das Reha-Zentrum Sch. auf depressive Syndrome eingestellt und sich ihm geradezu hätte aufdrängen müssen, dort eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme so rasch wie möglich anzutreten, sei faden-scheinig und vor allem nachgeschoben. Zu keinem Zeitpunkt hätten die verantwortlichen Mit-arbeiter der Beklagten ihn auf die psychiatrische Ausrichtung der Klinik verwiesen. Es sei nur darum gegangen, möglichst schnell eine kardiologische Rehabilitationsmaßnahme durchzu-führen. Ihm sei nicht klar gewesen, dass sich ein ausbrechendes depressives Syndrom mit so massiven, unerträglichen orthopädischen Schmerzen der Kniegelenke manifestieren könne. Nach dem Bescheid der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg vom 3. August 2010 bezieht er seit dem 1. August 2010 eine Rente we-gen voller Erwerbsminderung.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 16. November 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2008, ergänzt durch Bescheid vom 31. März 2009, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juni 2009 aufzu-heben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 4. Dezember 2008 bis 31. Dezember 2008 Krankengeld in Höhe von 73,34 Euro täglich, ab dem 1. Januar 2009 bis 30. April 2009 in Höhe von 73,55 Euro täglich und ab dem 1. Mai bis 15. Mai 2009 in Höhe von 74,58 Euro täglich zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Gerichtsbescheids. Es sei me-dizinisch nicht nachvollziehbar, dass am 4. Dezember 2008 Beschwerden vorlagen, die eine Aufnahme der Rehabilitationsmaßnahme unmöglich machten. Sie habe erstmals am 18. No-vember 2008 von der angeblichen Rehabilitationsunfähigkeit des Klägers erfahren. Nachdem Dr. B. die Rehabilitationsunfähigkeit bestätigt habe, habe sie den Kläger am 20. November 2011 darüber informiert. Auch danach habe es nach Aussagen der Mitarbeiter M. und G. wei-teren häufigen telefonischen Kontakt gegeben. Diese hätten ihm unmissverständlich gesagt, dass das Krankengeld versagt werde, wenn er die Rehabilitationsmaßnahme am 4. Dezember 2008 nicht antrete. Dies sei auch dann noch schriftlich mit Schreiben vom 2. Dezember 2008 erfolgt. Arbeitsunfähigkeit habe durchgehend bis 22. September 2009 bestanden, sodass grundsätzlich ein Anspruch auf Krankengeld bestehe. Die Arbeitsunfähigkeit sei zunächst jedoch nur bis 15. Mai 2009 nachgewiesen worden. Die weiteren "Bescheinigungen für die Krankengeldzahlung" seien erst nach Aufforderung von Dipl.-Med. D. mit Schreiben vom 21. Mai 2010 vorgelegt worden, sodass für die Zeit vom 16. Mai bis zum 20. September 2009 ein Ruhen des Krankengeldes nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V eingetreten sei. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagtenvertreter mitgeteilt, der Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 4. Dezember 2008 bis 15. Mai 2009 stehe nur die unterlassene Mitwirkung des Klägers entgegen.

Der Senat hat Befundberichte der Dr. B.vom 2. August 2010 und des Dipl.-Med. D. vom 10. April 2011 beigezogen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess-, der beigezogenen Gerichts-akten und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündli-chen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Richtige Rechtsschutzform gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2008, er-gänzt durch Bescheid vom 31. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2009 ist, soweit die Zahlung von Krankengeld wegen mangelnder Mitwirkung versagt wird, grundsätzlich die isolierte Anfechtungsklage. Eine Versagung von Krankengeld liegt für die Zeit ab dem 16. Dezember 2008 vor. Es wird in der Praxis jeweils aufgrund der vom Ver-tragsarzt ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen entsprechend der voraussichtli-chen Arbeitsunfähigkeit abschnittsweise gezahlt. Arbeitsunfähigkeit war aufgrund der "Be-scheinigung für die Krankengeldzahlung", ausgestellt von Dipl.-Med. D. am 20. November 2008 bis 15. Dezember 2008, bescheinigt. In der Zahlung von Krankengeld für diesen Zeit-raum ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) regelmäßig die Entschei-dung der Krankenkasse zu sehen, dass dem Versicherten ein Krankengeldanspruch für die laufende Zeit der vom Vertragsarzt bestätigten Arbeitsunfähigkeit zusteht, d.h. ein entspre-chender Verwaltungsakt über die zeitlich befristete Bewilligung von Krankengeld vorliegt, soweit die Kasse gegenüber dem Versicherten nichts anderes zum Ausdruck bringt (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2005 - Az.: B 1 KR 22/04 R m.w.N., nach juris). Eine hiervon abwei-chende atypische Bewilligung von Krankengeld auf Dauer ist auch dem Bescheid vom 15. Juli 2008 nicht zu entnehmen. Die Zahlungen erfolgten jeweils abschnittsweise nach Vorlage vom Vertragsarzt ausgestellter "Bescheinigungen für die Krankengeldzahlung", mit denen jeweils nur befristet Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde.

Die Leistungsklage ist ebenfalls zulässig. Nach § 54 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsaktes gleichzeitig die Leistung ver-langt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Die Regelung setzt voraus, dass die Verwaltung über die begehrte Leistung entschieden hat; nur wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat, kann eine Leis-tung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, unmittelbar eingeklagt werden (§ 54 Abs. 5 SGG). Die Entscheidung über die Versagung einer Leistung nach § 66 SGB I enthält jedoch keine Entscheidung über den Leistungsanspruch selbst (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 1987 - Az.: 3 RK 11/87, nach juris). Streitgegenstand eines solchen Rechtsstreits ist nicht der mate-rielle Anspruch, sondern die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 2004 - Az.: B 1 KR 4/02 R, nach juris). Allerdings liegen hier die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass lediglich die isolierte Anfechtung des Versagensbe-scheides statthaft ist, vor. Eine zusätzliche Klage auf Leistungsgewährung ist danach zulässig, wenn die anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen zwischen den Beteiligten un-streitig ist. Dies ist für den streitigen Zeitraum vom 4. Dezember 2008 bis 15. Mai 2009 der Fall.

Soweit eine Entziehung des Krankengeldes für die Zeit vom 4. bis 15. Dezember 2008 durch den angefochtenen Bescheid erfolgt ist, kann die Anfechtungsklage grundsätzlich mit einer allgemeinen Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG verbunden werden (vgl. hierzu BSG, Ur-teil vom 22. Februar 1995 - Az.: 4 RA 44/94, nach juris).

Die Anfechtungsklage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2008, ergänzt durch Bescheid vom 31. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juni 2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Die Voraussetzungen für eine Versagung bzw. Entziehung des Anspruchs auf Krankengeld nach § 66 Abs. 2 SGB I liegen nicht vor. Danach kann der Leistungsträger die Leistung bis zu Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, wenn derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslo-sigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach-kommt und unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass deshalb die Fähigkeit zur selbstständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Ver-mittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird. Nach § 63 SGB I soll sich auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers derjenige, der wegen Krankheit oder Behinde-rung Sozialleistungen beantragt oder erhält, einer Heilbehandlung unterziehen, wenn zu er-warten ist, dass sie eine Besserung seines Gesundheitszustandes herbeiführen oder eine Ver-schlechterung verhindern wird. Nach § 66 Abs. 3 SGB I dürfen Sozialleistungen wegen feh-lender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden und seine Mitwirkungspflicht nicht innerhalb ei-ner ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

Nach § 63 SGB I war der Kläger, der Krankengeld bezog, grundsätzlich verpflichtet, auf Ver-langen der Beklagten eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme wahrzunehmen. Es kann da-hinstehen, ob der Kläger unter Berücksichtigung der bei ihm vorliegenden Erkrankungen ver-pflichtet war die ihm von der DRV Bund bewilligte stationäre medizinische Rehabilitations-maßnahme im Reha-Zentrum Schömberg wahrzunehmen und ob die in § 63 SGB I und § 66 Abs. 2 SGB I vorausgesetzte Kausalität zwischen der Verletzung der Mitwirkungspflicht und der weiteren Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Der angefochtene Bescheid ist schon deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte dem Kläger vor Erlass des Bescheids vom 2. Dezember 2008 keinen schriftlichen Hinweis nach § 66 Abs. 3 SGB I auf die Folgen des Nichtantritts der Re-habilitationsmaßnahme erteilt hat. Er ist zwingende Voraussetzung der Versagung bzw. Ent-ziehung der Leistung und soll sicherstellen, dass der Betroffene in Kenntnis der ihm drohen-den Folgen seine Haltung überdenkt und durch die spätere Entscheidung nach § 66 SGB I nicht überrascht wird. Er darf sich daher nicht auf die Wiederholung des Gesetzeswortlauts oder Belehrungen allgemeiner Art beschränken sondern muss vielmehr anhand der dem Leis-tungsträger durch § 66 Abs. 1 und Abs. 2 SGB I eingeräumten Entscheidungsmöglichkeiten unmissverständlich und konkret die Entscheidung bezeichnen, die im Einzelfall beabsichtigt ist, wenn der Betroffene dem Mitwirkungsverlangen innerhalb der gesetzten Frist nicht nach-kommt (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 1988 - Az.: 7 RAr 70/87 m.w.N., nach juris). Das Schreiben der Beklagten vom 23. September 2008 erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Anlass war auch ersichtlich keine ausstehende Mitwirkungshandlung des Klägers, sondern die Be-klagte wollte seine Dispositionsbefugnis bezüglich des Antrages auf Gewährung von Rehabi-litationsleistungen nach § 51 Abs. 1 SGB V einschränken. Das Schreiben enthält - mit Aus-nahme der Stellung eines Antrags auf Rehabilitationsleistungen am 22. August 2008 - ledig-lich einen Standardtext bezüglich möglicher Folgen ohne Zustimmung der Beklagten abgege-bener Erklärungen gegenüber dem Rentenversicherungsträger, wei9st aber keinen Bezug zu der tatsächlich mit Bescheid der DRV Bund vom 11. September 2008 bewilligten Rehabilita-tionsmaßnahme auf, keine Frist innerhalb der der Betroffene einem Mitwirkungsverlangen nachzukommen hat und auch keinen konkreten Hinweis auf die von der Beklagten beabsich-tigte Entscheidung im Falle des Nichtantritts der Maßnahme. Vielmehr wird nur ausgeführt, dass der Anspruch auf Krankengeld unter Umständen auch rückwirkend wegfallen kann. Das Schreiben weist damit keinen Bezug zu den möglichen Folgen einer fehlenden Mitwirkung - der Entziehung bzw. Versagung des Krankengeldes - nach § 66 SGB I auf. Insoweit kann dahinstehen, ob - nachdem die DRV Bund dem Kläger mit Bescheid vom 6. Oktober 2008 eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in einer anderen Rehabilitationsein-richtung bewilligt hatte - es insoweit eines weiteren schriftlichen Hinweises nach § 66 Abs. 3 SGB I bezogen auf diese Rehabilitationsmaßnahme bedurft hätte. Mündliche Hinweise sind nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nicht ausreichend. Entgegen der Ansicht der Beklagten darf nach § 66 Abs. 3 SGB I der schriftliche Hinweis auch nicht erst im Bescheid über die Versagung bzw. Entziehung der Leistung erteilt werden.

Für die Zeit vom 4. Dezember 2008 bis 15. Mai 2009 ist die gleichzeitig erhobene Leistungs-klage auch begründet. Nach § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Kranken-geld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse sta-tionär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) behandelt werden und die Ausnahmeregelungen des § 44 Abs. 2 SGB V nicht eingreifen. Nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit folgt. Die Beklagte hat schriftlich unter dem 17. Oktober 2012 und noch-mals in der mündlichen Verhandlung das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zahlung von Krankengeld in der Zeit vom 4. Dezember 2008 bis 15. Mai 2009 bestätigt.

Für den Zeitraum ab 16. Mai bis 22. September 2009 hat die Beklagte nach Aufhebung ihrer Bescheide über den Anspruch auf Krankengel unter Berücksichtigung der vorgelegten "Be-scheinigungen für die Krankengeldzahlungen" noch zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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