L 6 KR 2001/11

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 16 KR 4/05
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 2001/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 23. Ja-nuar 2007 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Fahrtkostenerstattung für Fahrten zu ambulanten Behandlungen.

Mit Bescheid vom 6. Januar 2003 übernahm die Beklagte im Rahmen eines Abhilfebe-scheides Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen in C., B. und H ... Zur Begründung führ-te sie aus, dass die Fahrtkosten letztmalig im Rahmen des Vertrauensschutzes übernommen würden. Ab 1. Januar 2003 würden Fahrtkosten nur noch bis zum nächst erreichbaren ge-eigneten Vertragsarzt übernommen. Auf § 76 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) wurde hingewiesen.

Mit Schreiben vom 6. September 2004 beantragte der Kläger die Kostenerstattung für Fahrten von seinem Wohnort nach C., B., H. und S.Hauptbahn H. in Höhe von insgesamt 315,76 EUR. Zur Begründung führte er aus, dass alle Fahrten mit seinem privaten Pkw zu-rückgelegt worden seien. Aufgrund der bei ihm erforderlichen besonderen Behandlungs-methoden sei er gehalten, auch Ärzte für Umweltmedizin aufzusuchen. Geeignete Behand-lungsmöglichkeiten an seinem Wohnort seien nicht vorhanden. Mit Bescheid vom 8. September 2004 erstattete die Beklagte dem Kläger Fahrtkosten in Höhe von 85,56 EUR. Hiergegen legte er am 30. September 2004 Widerspruch ein und begehrte die Auszahlung des Differenzbetrages in Höhe von 230,20 EUR. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens leg-te er eine Bescheinigung des Fachkrankenhauses N. vom 10. Juni 1996 vor. Aus diesem Bericht leitet er ab, dass er in umweltmedizinischer Hinsicht über einen besonderen Be-handlungsbedarf verfüge.

Mit Bescheid vom 8. Dezember 2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Be-gründung wurde ausgeführt, dass für die ambulanten Behandlungen Ärzte in B. und H. ausgewählt worden seien, obwohl eine Facharztbehandlung auch in S. bzw. C. möglich gewesen sei. Werde nicht der nächsterreichbare Vertragsarzt in Anspruch genommen, habe der Versicherte nach § 76 SGB V die Mehrkosten zu tragen. Daher sei der Fahrkostenum-fang zu reduzieren gewesen. Die Fahrstrecke nach C. sei zugrunde gelegt worden. Die Fahrt nach H. sei nicht erstattungsfähig.

Hiergegen hat der Kläger am 3. Januar 2005 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, dass sich die Beklagte durch ihren Bescheid vom 6. Januar 2003 verpflichtet habe, die Fahrtkosten nach C., nach B. und nach H. zu übernehmen, so wie dies in der Vergangenheit geschehen sei. Gründe für die Inanspruchnahme dieser Ärzte ließen sich der Bescheinigung des Fach-krankenhauses N. vom 10. Juni 1996 entnehmen. Bei ihm liege ein chronisches Krank-heitsbild vor, welches einer speziellen Behandlung bedürfe. Bei jedem Praxisbesuch müss-ten bestimmte Bedingungen erfüllt sein wie z.B. eine parfüm- und zigarettenrauchfreie Atmosphäre, kein Einsatz von Desinfektionsmitteln und keine Belastung der Innenraumluft mit den verschiedensten Stoffen. Nur in einer solchen Atmosphäre sei eine fachgerechte Behandlung möglich.

Mit Urteil vom 23. Januar 2007 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. Zur Be-gründung hat es auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2004 Bezug genommen. Im Hinblick auf den Feststellungsantrag, die Beklagte zu verurtei-len, dem Kläger zukünftig sämtliche Fahrtkosten zu vorbezeichneten und anderen zwing-enderweise in Anspruch zu nehmenden ärztlichen Praxen für Umweltmedizin zu erstatten, hat es ausgeführt, dass dieser unzulässig sei. Das erforderliche Vorverfahren sei nicht durchgeführt worden. Ausweislich der beigefügten Rechtsmittelbelehrung kann das Urteil mit der Berufung angefochten werden, wenn sie nachträglich zugelassen wird. Zu diesem Zweck könne die Nichtzulassung der Berufung mit der Beschwerde angefochten werden.

Gegen das ihm am 20. April 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. Mai 2007 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Mit Beschluss vom 15. November 2011 hat der Se-nat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 23. Januar 2007 als unzulässig verworfen. Die Berufung bedürfe keiner Zulassung durch das SG, denn sie sei bereits kraft Gesetzes zulässig gewesen, weil der Wert des Beschwer-degegenstandes die 500-Euro-Grenze übersteige. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2011 Berufung eingelegt und hilfsweise Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand beantragt. Die Rechtsmittelbelehrung im Urteil des Sozialgerichts vom 23. Ja-nuar 2007 sei falsch. Es bestehe ein Anspruch auf Erstattung weiterer Fahrtkosten in Höhe von 230,20 EUR für das Jahr 2003. Diese seien bereits durch Bescheid vom 6. Januar 2003 anerkannt worden. Der Nachsatz dieses Bescheides, dass Fahrtkosten nur bis zum nächst erreichbaren geeigneten Vertragsarzt übernommen werden dürften, stütze den klägerischen Anspruch. Zwingende Gründe für die Inanspruchnahme der seit 1995 konsultierten Ärzte lägen vor. Des Weiteren seien Fahrtkosten für die Jahre 2007 bis 2011 in einer Gesamthö-he von 1.194,40 EUR zu erstatten. Insoweit verweist der Kläger auf eine von ihm vorgelegte Auflistung der durchgeführten Fahrten. Die Fahrten seien mit öffentlichen Verkehrsmit-teln, in der Regel der Deutschen Bundesbahn, durchgeführt worden. Der Feststellungsan-trag sei als vorbeugende Leistungsklage zulässig. Die Beklagte habe hinreichend zu erken-nen gegeben, dass sie sich auch zukünftig Fahrtkostenerstattungen beharrlich entziehen wolle. Ansonsten sei das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, damit die-ses über die Verfassungsmäßigkeit des § 60 SGB V befinden könne.

Der Kläger beantragt wörtlich,

1. der Beklagten gerichtlicherseits eine Frist zur Entscheidung über die Fahrtkos-tenanträge im Schreiben vom 27. Februar 2012 zu setzen und das Verfahren bis da-hin auszusetzen. 2. Wegen der Verfassungswidrigkeit des § 60 SGB V neue Fassung in der Fassung ab 1. Januar 2004 i.V.m. den Artikeln 2 und 14 des Grundgesetzes das Verfahren auszusetzen und das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang gemäß § 114 SGG anzurufen. 3. Das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 23. Januar 2007 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 8. September 2004 in Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 8. Dezember 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,ihm Fahrtkosten in Höhe von 1.424,60 EUR zu erstatten. 4. Wegen der Besorgnis der nicht rechtzeitigen Leistungen gemäß § 17 SGB I i.V.m. den §§ 257, 258 und 259 PZO und § 202 SGG die Beklagte zu verurteilen, ihm zukünftig sämtliche Fahrtkosten zu den vorab bezeichneten und anderen zwingenderweise in Anspruch zu nehmenden ärztlichen Praxen für Umweltmedizin sowie der besonderen Therapierichtungen entsprechend den §§ 2 Abs. 1 Satz 2 und 2 a SGB V jeweils unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von vier Wochen nach Eingang des Erstattungsantrages zu erstatten. Der besondere diätätische Mehr-bedarf des Klägers ist dabei gemäß § 33 SGB I i.V.m. § 61 SGB V zu berücksichti-gen, bis er dauerhaft rechtskräftig nicht rückzahlungspflichtige oder sonstig aufre-chenbare und bedarfsdeckende Einkünfte beziehungsweise Sozialleistungen erhält. 5. Die Beklagte zu verurteilen, sämtliche zwischenzeitlich seit dem Antrag Nr. 2 vom 23. Januar 2007 bis zum Schluss der Berufungsinstanz angefallenen Fahrtkos-ten zu übernehmen. 6. Der Rechtsstreit wird in den vorigen Stand zum 23. Januar 2007 wieder einge-setzt. 7. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung für Fahrten zu ambulanten Behandlungen. Für die Jahre 2007 bis 2012 liege bislang kein Antrag auf Erstattung der Fahrtkosten vor. Dementsprechend gebe es keine entsprechenden Ausgangsbescheide.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte des Verfahrens L 6 KR 537/07 NZB und den beigezogenen Verwaltungsvorgang, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 des Sozialgerichtsgeset-zes (SGG)).

Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 23. Januar 2007, welches ihm am 20. April 2007 zugestellt worden ist, erst am 12. Dezember 2011 Berufung eingelegt hat. Denn die Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts war insoweit fehlerhaft, als sie als Rechtsbehelf die Nichtzulassungsbe-schwerde wegen der nicht erfolgten Zulassung nannte. Deswegen ist die Berufung inner-halb der Rechtsmittelfrist eingelegt worden. Ein Rechtsmittel ist fristgemäß, wenn es in-nerhalb der gesetzlich bestimmten Frist (bei der Berufung § 144 SGG) erhoben wird. Diese gesetzliche Frist verlängert sich auf ein Jahr, wenn die erforderliche Rechtsbehelfsbeleh-rung unterblieben oder unrichtig erteilt wurde (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Jahresfrist läuft nicht, wenn "eine schriftliche Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei" (§ 66 Abs. 2 Satz 1 Regelung 2 SGG). Zwar sind die in § 66 Abs. 2 Satz 1 Regelung 2 SGG umschriebenen Ausnahmevoraussetzungen im vorliegenden Fall nicht im engsten Wortsinne erfüllt. Die Belehrung des Sozialgerichts lautet nicht, dass kein Rechts-behelf gegen sein Urteil gegeben sei. Vielmehr hat das SG über die vermeintliche Statthaf-tigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde belehrt. Dies rechtfertigt aber die entsprechende Anwendung der Ausnahmevorschrift. Denn der im Gesetz wörtlich bezeichnete und der hier zu beurteilende Fall sind als gleichwertig anzusehen. Die Belehrung, dass ein Rechts-behelf nicht gegeben sei, hat ihr Gewicht in dem, was sie hindernd über das jeweils statt-hafte Rechtsmittel aussagt. Soweit sie darüber hinaus über das Nichtstattfinden aller ande-ren Rechtsmittel belehrt, ist sie zutreffend und angesichts dessen ungeeignet irrezuführen. Wird aber eine Belehrung dahin gehend erteilt, dass ein bestimmtes, in Wahrheit nicht statthaftes Rechtsmittel gegeben sei, dann bedeutet dies den Ausschluss sämtlicher anderen Rechtsmittel und damit auch des in Wahrheit einzig gegebenen Rechtsmittels. Daher sind dem in § 66 Abs. 2 Satz 1 Regelung 2 SGG ausdrücklich angesprochenen Fall diejenigen Fälle gleichzusetzen, in denen über einen nicht statthaften Rechtsbehelf belehrt wird, ob-wohl nur ein anderer Rechtsbehelf gegeben ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Dezember 2006 - Az: B 4 R 19/06 R, zitiert nach Juris, Rn. 54).

Dass der nach § 144 Abs. 1 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung erfor-derliche Berufungswert von 500 EUR hier erreicht wurde, hat das Gericht bereits in seinem Beschluss vom 15. November 2011 im Verfahren L 6 KR 537/07 NZB dargelegt. Daher erübrigt sich eine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag (Antrag zu 6).

Die Berufung hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge zu 1 bis 5 bleiben ohne Erfolg.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von 1424,60 EUR bzw. der bis zum Schluss der Berufungsinstanz angefallenen Fahrtkosten (Anträge zu 3. und 5.). Für das Jahr 2003 besteht kein Anspruch auf Erstattung weiterer Fahrtkosten in Höhe von 230,20 EUR, nach § 60 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in der bis zum 31. De-zember 2003 geltenden und hier anzuwendenden Fassung.

Einen derartigen Anspruch kann der Kläger zunächst nicht auf den Abhilfebescheid der Beklagten vom 6. Januar 2003 stützen. In diesem Bescheid hat die Beklagte hinlänglich zum Ausdruck gebracht, dass die Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen in C., B. und H. letztmalig im Rahmen des Vertrauensschutzes übernommen werden. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass ab 1. Januar 2003 Fahrtkosten nur noch bis zum nächst erreichba-ren geeigneten Vertragsarzt übernommen werden. Soweit der Kläger sich wegen des Rechts der freien Arztwahl für andere Ärzte entschied, wurde er darauf hingewiesen, dass er die entsprechenden Mehrkosten zu tragen hat.

Ein Anspruch auf Übernahme weiterer Fahrtkosten gem. § 60 Abs.2 S.2 i.V.m. § 61 Abs.1 Nr. 3 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung besteht nicht. Werden Versicherte durch Fahrtkosten unzumutbar belastet, hatte die Beklagte nach der im Jahre 2003 geltenden Rechtslage die Fahrtkosten ohne Eigenbeteiligung zu übernehmen. Das bedeutet aber nicht, dass für solche Versicherte die allgemeinen Grundsätze der freien Arztwahl außer Kraft gesetzt waren. Nach § 76 Abs. 1 S. 1 SGB V können die Versicher-ten zwar unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten frei wählen. § 76 Abs. 2 SGB V bestimmt jedoch, dass die Versicherten die Mehrkosten zu tragen haben, wenn sie ohne zwingenden Grund einen anderen als den nächsterreichbaren, zur vertrags-ärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt in Anspruch nehmen. Daher kann der Kläger keinen höheren als den erstatteten Betrag von 85,20 EUR für das Jahr 2003 verlangen. Die Beklagte hat zu Recht die drei Fahrten nach H. zur zahnärztlichen Behandlung und die fünf Fahrten nach B. zur umweltmedizinischen Behandlung gestrichen, weil die zahnärztliche Behandlung auch in S. und die umweltmedizinische Behandlung in C. möglich gewesen wäre. Zu seinen Gunsten hat sie insoweit noch die fiktiven Fahrtkosten nach C. übernom-men.

Ein zwingender Grund im Sinne des Gesetzes, Ärzte in H. und B. aufzusuchen, ist nicht erkennbar. Hinsichtlich der Behandlungen in B. bei einem Umweltmediziner ist ein solcher bereits deshalb nicht erkennbar, weil der Kläger im gleichen Zeitraum mehrmals einen Umweltmediziner in C. aufgesucht hat. Für eine Unzumutbarkeit des Aufsuchens einer Zahnarztpraxis in S. ist nichts ersichtlich. Die vom Kläger angeführte Bescheinigung des Fachkrankenhauses N. vom 10. Juni 1996 wurde zur Vorlage bei der BfA, d.h. einem Ren-tenversicherungsträger erteilt. Sie bezieht sich nach ihrem Wortlaut auf Voraussetzungen einer stationären Behandlung. Selbst wenn man die Bescheinigung über ihren Wortlaut hinaus auch auf ambulante Behandlungen erstreckt, so ist nichts dafür ersichtlich, dass in Arztpraxen Bedingungen herrschen, die dem Kläger ein kurzzeitiges Betreten dieser Pra-xen unmöglich machen.

Soweit der Kläger eine Erstattung von Fahrtkosten vom 23. Januar 2007 bis zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat verlangt (für den Zeitraum 23. Januar 2007 bis 27. Februar 2012 in Höhe von 1.194,40 EUR beziffert), sind die Voraussetzungen des § 60 SGB V (in der ab dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung von Art. 1 Nr. 37 des Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (GMG) BGBl. I S. 2190) nicht erfüllt. Eine Aussetzung des Verfahrens, wie mit dem An-trag zu 1. begehrt, um der Beklagten Gelegenheit zu geben, über die mit Schriftsatz vom 27. Februar 2012 gestellten Fahrtkostenanträge des Klägers zu entscheiden, war nicht er-forderlich. Der Kläger hat bereits mit seinem Antrag vom 6. September 2004 hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass er nicht nur die Erstattung bereits entstandener Fahrtkosten, sondern auch deren künftige Übernahme begehrt. Dies entspricht einer sachgerechten Aus-legung seines Antrages. Denn ein Genehmigungsantrag muss nicht vor jeder einzelnen Fahrt gestellt werden. Es ist ausreichend, dass um Genehmigung für alle im Rahmen einer konkreten Behandlungsmaßnahme notwendigen Fahrten ersucht wird (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juli 2008 - Az.: B 1 KR 27/07 R, zitiert nach Juris Rn. 22). Daher hat die Beklagte in den angegriffenen Entscheidungen nicht nur einen Anspruch auf Erstattung bereits bis zu diesem Zeitpunkt angefallener Fahrtkosten abgelehnt, sondern auch für die Zukunft.

Ein Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten scheitert daran, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Rechtsgrundlage des § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der ab dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung nicht vorliegen. Danach über-nimmt die Krankenkasse Fahrtkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen. Diese hat der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtli-nien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V festgelegt. Nach § 8 der Richtlinien des Ge-meinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentrans-portleistungen und Rettungsfahrten (KrTransp-RL) in der Fassung vom 22. Januar 2004, geändert am 21. Dezember 2004, können in besonderen Ausnahmefällen auch Fahrten zu ambulanten Behandlungen außer den in § 7 Abs. 2 Ziffer b und c geregelten Fällen bei zwingender medizinischer Notwendigkeit von der Krankenkasse übernommen und vom Vertragsarzt verordnet werden. Sie bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die Kran-kenkasse (Abs. 1). Voraussetzungen für eine Verordnung und eine Genehmigung sind, - dass der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapie-schema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist, und - dass diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf dem Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermei-dung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist.

Diese Voraussetzungen sind in den in Anlage 2 dieser Richtlinie genannten Ausnahmefäl-len in der Regel erfüllt. Diese Liste ist indes nicht abschließend.

Daneben kann die Fahrt zur ambulanten Behandlung für Versicherte verordnet und ge-nehmigt werden, die einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "aG", "BI" oder "H" oder die einen Einstufungsbescheid nach SGB XI in die Pflegestufe 2 oder 3 bei der Verordnung vorlegen. Die Krankenkasse genehmigt auf ärztliche Verordnung Fahrten zur ambulanten Behandlung von Versicherten, die keinen Nachweis nach Satz 1 besitzen, wenn diese von einer der Kriterien von Satz 1 vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobili-tät betroffen sind und einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedür-fen (Abs. 3). Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 KrTransP-RL für die Übernahme der Fahrtkosten nicht. Denn die Behandlungstermine bei den verschiedenen Ärzten weisen weder die erforderliche hohe Behandlungsfrequenz auf, noch war eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich.

Den unbestimmten Rechtsbegriff der hohen Behandlungsfrequenz hat das BSG in seinem Urteil vom 28. Juli 2008 (Az.: B 1 KR 27/07 R, nach Juris) zu einer einmal wöchentlich erforderlichen Apherese-Behandlung wie folgt näher präzisiert: "Das Vorliegen des Tatbe-standsmerkmals "hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum" i. S. von § 8 Absatz 2 der KrTransp-RL ist danach zu bestimmen, ob die Behandlung, zu deren Ermög-lichung die Fahrten durchgeführt werden sollen, mit den in Anlage 2 der Richtlinien ge-nannten anderen Behandlungsformen von ihrem zeitlichen Ausmaß her wertungsmäßig vergleichbar ist; dabei ist die Häufigkeit einerseits und die Gesamtdauer andererseits ge-meinsam zu den Regelbeispielen in Beziehung zu setzen. Dieser Maßstab ergibt sich aus der Absicht des Gesetzgebers, ab dem 1.1.2004 Fahrtkosten in der ambulanten Behandlung grundsätzlich gar nicht mehr zu erstatten und nur in "besonderen" Ausnahmefällen etwas anderes gelten zu lassen, nicht aber schon breitflächig allgemein in Härtefällen. Vor die-sem Hintergrund muss sich die Auslegung an den in Anlage 2 KrTransp-RL genannten, nicht abschließenden Beispielen der Dialysebehandlung, der onkologischen Strahlenthera-pie sowie der onkologischen Chemotherapie orientieren. Anders als das LSG meint, kann für die Behandlungshäufigkeit eine durchgehende Therapiedichte von mindestens zwei Mal pro Woche nicht allgemein gefordert werden. § 60 SGB V und die Bestimmungen der KrTransp-RL enthalten eine solche Voraussetzung nicht explizit. Selbst wenn die in Anla-ge 2 der RL genannten Beispiele in der Regel mehr als eine Behandlung wöchentlich er-fordern, darf nicht außer Acht bleiben, dass die onkologische Strahlen- und Chemothera-piebehandlungen - anders als die LDL-Apherese-Behandlung der Klägerin - keine Thera-pie von unbestimmter Dauer bedeuten, sondern auf bestimmte Behandlungsintervalle be-schränkt sind. So hat auch die Beklagte im Berufungsverfahren unter Bezugnahme auf ei-gene medizinische Internet-Recherchen ausgeführt, eine zwischen 20 und 35 Bestrahlun-gen umfassende onkologische Strahlentherapie erstrecke sich meistens auf einen Zeitraum von vier bis sieben Wochen und eine onkologische Chemotherapie mit Behandlungszyklen von jeweils drei bis vier Wochen im mittleren und fortgeschrittenen Stadien beinhalte eine Behandlungsdauer von insgesamt vier bis acht Monaten. In Anbetracht des Umstandes, dass die Klägerin zwar nur einmal wöchentlich behandelt werden muss, die LDL-Apherese aber über einen viel längeren Zeitraum als in den Beispielsfällen erfolgen muss (nach den vorliegenden Unterlagen in der Vergangenheit durchgehend von 2004 bis 2007), ohne dass erkennbar ein Ende abzusehen ist, kann die streitige Anspruchsvoraussetzung der Behand-lung nach einem Therapieschema, das iS von § 8 Absatz 2 KrTransp-RL eine hohe Be-handlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist, auch bei ihr nicht verneint wer-den." Ausgehend von diesen Grundsätzen erweisen sich die Behandlungen des Klägers nicht als wertungsmäßig den in Anlage 2 der Richtlinien genannten Ausnahmefällen vergleichbar. Der Kläger hat den Umweltmediziner Dr. N. in B. 2007 4 mal, 2008 5 mal, 2009 4 mal, 2010 2 mal und 2011 3 mal aufgesucht. Zu seinem Hausarzt und Umweltmediziner Dr. S. in C. ging er 2007 5 mal, 2008 3 mal, 2009 3 mal, 2010 3 mal und 2011 2 mal. Der Zahn-arzt Dr. G. behandelte ihn in den Jahren 2007 bis 2009 2 mal jährlich. Der Nervenarzt Dr. B. in T. wurde 2009 2 mal und 2010 und 2011 jeweils 1 mal aufgesucht. Dies erfüllt unter Berücksichtigung der Ausführungen des BSG in dem genannten Urteil, denen sich der Se-nat anschließt, nicht die Voraussetzungen einer hohen Behandlungsfrequenz im Sinne der Krankentransport-Richtlinien. Eine hohe Behandlungsfrequenz kann nach der genannten Rechtsprechung des BSG zwar noch bei wöchentlicher Behandlung anzunehmen sein, bei nur monatlicher Behandlung bzw. unregelmäßigen, zeitlich deutlich versetzten Terminen scheidet dies hingegen aus. Bei derartigen Terminen kann schon nach dem Wortsinn nicht von einer "hohen Behandlungsfrequenz" im Sinne der Krankentransport-Richtlinien die Rede sein. Dagegen sprechen auch die in Anlage 2 der Richtlinien genannten, nicht ab-schließenden Anwendungsbeispiele. Sowohl bei Dialysebehandlungen als auch bei onko-logischen Strahlentherapien sind wesentlich engmaschigere Behandlungen erforderlich (vgl. zum Ganzen auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. August 2006 - Az.: L 5 KR 65/06, zitiert nach Juris). Dialysen erfolgen in der Regel sogar mehrmals wöchentlich.

Ferner ist nichts dafür ersichtlich, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Die Fahrten zu den ambulanten Behandlungen sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln und hier insbesondere der Bundesbahn durchgeführt worden. Somit steht fest, dass er weder vor Durchführung der jeweiligen Behandlung noch nach dieser gesundheitlich derart beeinträchtigt war, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich war. Dies wird auch durch die in Anlage 2 der Richtlinien genannten Ausnahmefälle deutlich gemacht. In der Anlage 2 zur Kranken-transport - Richtlinie sind als Ausnahmefälle gemäß § 8 in der Regel Dialysebehandlung, onkologische Strahlentherapie und onkologische Chemotherapie genannt. Der Verord-nungsgeber ging grundsätzlich davon aus, dass bei den genannten Behandlungen eine Fahrt zum Arzt oder vom Arzt zurück nach Hause durch den Versicherten selbst nicht sicherge-stellt werden kann, weil mit der Behandlung an sich eine starke Beeinträchtigung einher-geht. Dies ist jedoch im Fall des Klägers bereits deshalb ausgeschlossen, weil dieser alle Fahrten selbständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigt hat. Die Voraussetzungen für eine Genehmigung der Fahrten zu den Kontrolluntersuchungen nach § 8 Abs. 3 KrTransP-RL sind ebenfalls nicht gegeben, weil der Kläger über keinen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen "aG", "BI" oder "H" oder einen Einstu-fungsbescheid in die Pflegestufe 2 oder 3 nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) verfügt. Der Schwerbehindertenausweis des Klägers weist ab dem 22. August 2011 einen Grad der Behinderung von 70 ohne besondere Merkzeichen aus. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass in dem genannten Zeitraum bei ihm eine diesen Fällen vergleichba-rer Beeinträchtigung der Mobilität vorlag. Nach den vom Kläger vorgelegten Nachweisen über die entstandenen Fahrtkosten wurde als Transportmittel überwiegend die Bundesbahn benutzt.

Zudem steht § 76 Abs. 2 SGB V ebenfalls einer Fahrtkostenerstattung entgegen, da der Kläger nicht die jeweils nächsterreichbaren Vertragsärzte aufgesucht hat. Insoweit ist auf die obigen Ausführungen hinsichtlich der Fahrtkosten für das Jahr 2003 zu verweisen. Soweit der Kläger geltend macht, dass er finanziell nicht in der Lage war, angesichts seiner geringen Einkünfte die Fahrtkosten zu tragen, ist darauf hinzuweisen, dass die Konkretisie-rung der Ausnahmen nach § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V durch die Krankentransport-Richtlinie gesetzeskonform ist. Ziel des Gesetzgebers war es, die Fahrtkostenerstattung generell auf zwingende medizinische Gründe zu beschränken. Lediglich finanzielle Gründe sollten nicht mehr zu einer Übernahme der Fahrtkosten führen (vgl. BSG Urteil vom 26. September 2006 - Az.: B 1 KR 20/05 R, SozR 4/2500 § 60 SGB V). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen diesbezüglich nicht. Das Grundgesetz erlaubt es, die Leistungen der GKV auf einen abgeschlossenen Katalog zu begrenzen. Eine Vorlage an das Bundesver-fassungsgericht, wie mit dem Antrag zu 2. begehrt, ist daher nicht erforderlich. Die Klage hat auch hinsichtlich des Antrages zu 4. keinen Erfolg. Sachgerecht auszulegen ist dieser als Antrag auf künftige Kostenübernahme für die Dauer der weiteren Behandlung des Klägers (vgl. allgemein zum Anspruch auf Übernahme künftiger Fahrtkosten BSG, Urteil vom 28. Juli 2008 - Az.: B 1 KR 27/07 R, zitiert nach Juris Rn.19). Dieser kann nach den vorhergehenden Ausführungen ebenfalls keinen Erfolg haben, da die Vorausset-zungen der Krankentransport-Richtlinie nicht gegeben sind. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzung des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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