L 6 SF 266/13 E

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 266/13 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die "Supervidierung" eines vom Gericht ernannten Zusatzsachverständigen durch den Hauptsachverständigen greift unzulässig in seine Rechte ein. Eine Berücksichtigung dieses Zeitansatzes kommt bei der Vergütung des Hauptsachverständigen nicht in Betracht.

2. Die Stellung der Diagnose "posttraumatische Belastungsstörung" aufgrund eines Unfalls begründet bei einem Gutachten zur Feststellung des Leistungsvermögens in der gesetzlichen Rentenversicherung kein Kausalitätsgutachten.
Die Vergütung für das Gutachten der Erinnerungsführerin vom 19. November 2012 wird auf 2.896,70 Euro festgesetzt. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

In dem Berufungsverfahren N. H .../. Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland (L 6 R 403/09) beauftragte der Berichterstatter des 6. Senats des Thüringer Landessozialgerichts mit Beweisanordnung vom 16. August 2012 die Erinnerungsführerin, Ärztin für Psychiatrie und Neurologie, mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Auf ihren Antrag, den sie mit dem Fehlen einer psychologischen Begutachtung, mit "umfangreicher Sachlage"und mit der Klärung der Ein- und Umstellungsfähigkeit des Klägers begründete, ernannte er mit Beweisanordnung vom 4. Oktober 2012 Dipl.-Psych. G. zum Zu-satzsachverständigen. Die Befragung des Klägers am 24. Oktober 2012 wurde in 5 von 6 Stunden von beiden Sachverständigen gemeinsam vorgenommen. Der Zusatzsachverständige erstellte sein Gutachten unter dem 12. November 2012 auf 57 Blatt; Ausführungen zur Um-stellungsfähigkeit enthält es nicht. Unter dem 19. November 2012 fertigte die Erinnerungs-führerin ihr Gutachten aufgrund ambulanter Untersuchungen am 24. und 25. Oktober 2012 auf insgesamt 32 Blatt. In ihrer Kostenrechnung vom 19. November 2012 machte sie eine Vergütung von insgesamt 5.407,60 Euro geltend (52 Stunden Zeitaufwand (10 Stunden Ak-tenstudium, 17 Stunden Erhebung der Vorgeschichte am 24. und 25. Oktober 2012, 18 Stun-den Abfassung der schriftlichen Beurteilung, 6,5 Stunden Diktat und Korrektur) x 85,00 Eu-ro, Porto 20,00 Euro, Schreibgebühren/Kopien 104,20 Euro, MWSt 863,40 Euro). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 34 des Kostenhefts verwiesen. Mit Verfügung vom 5. Februar 2013 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung auf 3.350,80 Euro und legte einen notwendigen Zeitaufwand von 44,9 Stunden (14,8 Stunden Aktenstudium, 17 Stunden Vorgeschichte/Untersuchung, 6,6 Stunden Beurteilung, 6,5 Stunden Diktat und Kor-rektur), aufgerundet 45 Stunden und einen Stundensatz von 60,00 Euro (M2) zugrunde.

Am 8. Februar 2013 hat sich die Erinnerungsführerin gegen die Festsetzung gewandt und in ihrer Begründung u.a. vorgetragen, sie habe ein individuell angefertigtes und schlüssiges Gut-achten mit differentialdiagnostischer Würdigung gefertigt. Der Arbeitsaufwand für die gu-tachterliche Äußerung sei erheblich gewesen. Der hohe Schwierigkeitsgrad ergebe sich aus den Darlegungen im Gutachten sowie dem erstmalig hergestellten Zusammenhang zwischen Unfalleinwirkung und Krankheitszustand und der Wertung der Vorgutachten.

Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,

die Vergütung für das Gutachten vom 19. November 2012 auf 5.407,60 Euro festzu-setzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Vergütung auf 3.860,60 Euro festzusetzen.

Nach seiner Ansicht kann der beantragte Zeitansatz ausgehend von einer Stundenzahl von 46,2 Stunden und einer "Marge" von 15 v.H. akzeptiert werden. Hinsichtlich der Honorar-gruppe M2 schließe er sich den Ausführungen der Urkundsbeamtin an.

Diese hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 8. Februar 2013) und sie dem erkennenden Senat vorgelegt. Auf Nachfrage des Senatsvorsitzenden hat die Erinnerungsfüh-rerin u.a. vorgetragen, es sei für sie selbstverständlich gewesen, die Zusatzuntersuchung des Dipl.-Psych. G. zu supervidieren. Dies sei auch wesentlich gewesen, die dort erhaltenen In-formationen aufzunehmen und die Authentizität der Beschwerden nochmals zu überprüfen. Zudem sei bei einer posttraumatischen Belastungsstörung im Rahmen der Begutachtung im-mer wieder mit einer Retraumatisierung zu rechen. Sie habe als Ärztin während der gesamten Zeit anwesend sein müssen, um im Notfall Hilfe leisten zu können.

Der Senatsvorsitzende hat mit Beschluss vom 12. August 2013 das Verfahren dem Senat übertragen.

II.

Nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherin-nen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamt-lichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergü-tungs- und –entschädigungsgesetz (JVEG)) erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch ge-richtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG). Die Erinnerungsführe-rin ist Berechtigte im Sinne dieser Vorschrift.

Bei der Erinnerungsentscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen werden (ständige Senats-rechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 1. Dezember 2011 - L 6 SF 1617/11 E; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 10. Oktober 2005 – 1 B 97.1352, nach ju-ris). Bei der Festsetzung ist der Senat weder an die Höhe der Einzelansätze noch an den Stun-denansatz oder die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch die Urkundsbeamtin oder den Antrag der Beteiligten gebunden; er kann lediglich nicht mehr festsetzen als bean-tragt wurde. Es kommt insofern nicht darauf an, dass der Beschwerdegegner den vorgetrage-nen Zeitansatz akzeptieren will, denn das Begehren wurde weder voll anerkannt noch ver-gleichsweise erledigt.

Nachdem die Erinnerung kein Rechtsbehelf ist, gilt das Verschlechterungsverbot (sog. "re-formatio in peius") bei der erstmaligen richterlichen Festsetzung nicht (vgl. u.a. Senatsbe-schluss vom 16. März 2012 - L 6 SF 151/12 E m.w.N., Meyer/Höver/Bach, Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und von ehrenamtlichen Richtern nach dem JVEG, 25. Auflage 2011, § 4 Rdnr. 4.3; Hartmann, Kostengesetze, 40. Auflage 2010, § 4 JVEG Rdnr. 10). Eine Herabsetzung unter den Antrag beider Beteiligten ist - wie hier - daher möglich.

Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung 1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG), 2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), 3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie 4. Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG). Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten ge-währt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war (Satz 2 Halbs. 1).

Das Honorar eines Sachverständigen errechnet sich entsprechend den §§ 9 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 2 JVEG nach der erforderlichen Zeit. Sie ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befä-higung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsin-tensität orientiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07; BGH; Beschluss vom 16. Dezember 2003 – X ZR 206/98, beide nach juris; Senatsbeschlüsse vom 5. März 2012 - L 6 SF 1854/11 B und 21. Dezember 2006 - L 6 B 22/06 SF; Hartmann in Kostenge-setze, 40. Auflage 2010, § 8 JVEG Rdnr. 35). Zu berücksichtigen sind die Schwierigkeiten der zu beantworteten Fragen unter Berücksichtigung der Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98; Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Aufla-ge 2007, Rdnr. 841). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Angaben des Sachver-ständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind (vgl. Senatsbeschluss vom 21. De-zember 2006 - L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f.; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 – L 2/9 SF 82/04, nach juris; LSG Baden-Württemberg vom 22. September 2004 – L 12 RJ 3686/04 KO-A, nach juris). Werden die üblichen Erfahrungswerte allerdings um mehr als 15 v.H. überschritten, ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Kostenrechnung und der Angaben des Sachverständigen durchzuführen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2006 - L 6 B 22/06 SF; Bayerisches LSG, Beschluss vom 18. Mai 2012 - L 15 SF 104/11, nach juris).

Die Aufteilung der Sachverständigenleistung erfolgt entsprechend dem Thüringer "Merkblatt über die Entschädigung von medizinischen Sachverständigen" grundsätzlich in fünf Berei-chen: a) Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten, b) Erhebung der Vorgeschichte, c) notwendige Untersuchungen, d) Abfassung der Beurteilung, e) Diktat sowie Durchsicht des Gutachtens.

Für das Gutachten vom 19. November 2012 war angesichts der übersandten Unterlagen und Angaben sowie unter Berücksichtigung der üblichen Erfahrungswerte ein Zeitaufwand von (aufgerundet) 38,5 Stunden erforderlich. Die von der Erinnerungsführerin geforderten Ansät-ze entsprechen nicht der Senatsrechtsprechung.

Nicht plausibel ist der beantragte Ansatz für die Aktendurchsicht. Relevant waren hier 990 Blatt, für die nach der Senatsrechsprechung ein Zeitansatz von 13,3 Stunden (medizinische Unterlagen 6,8 Stunden, Verwaltungsakten 6,5 Stunden) akzeptiert werden. Der Senat unter-stellt in ständiger Rechtsprechung, dass ein Sachverständiger für das Aktenstudium und vor-bereitende Maßnahmen einschließlich der Fertigung von Notizen und Exzerpten ohne Dop-pelheftungen einen Zeitaufwand von etwa einer Stunde für etwa 80 Blatt mit ca. ¼ medizini-schem Inhalt benötigt (vgl. u. a. Beschlüsse vom 19. Dezember 2007 - L 6 B 172/07 SF und 11. Februar 2003 - L 6 B 6/03 SF). Ist der medizinische Anteil (wie hier: ca. 33 v.H.) höher, sind die Akten mit allgemeinem und mit medizinischem Inhalt getrennt zu erfassen und wie folgt unterschiedlich zu bewerten (vgl. Senatsbeschluss vom 27. August 2008 - L 6 SF 36/08): medizinische Unterlagen ca. 1 Stunde für 50 Blatt, sonstige Unterlagen ca. 1 Stunde für 100 Blatt. Nicht berücksichtigt werden bei beiden Berechnungen Doppelheftungen. Hier lagen der Erinnerungsführerin 1.258 Blatt Unterlagen, davon 268 Doppelheftungen (in der Hauptsache durch Abheftung der Unterlagen des Verfahrens L 1 RJ 372/04 in den Akten der Beklagten) vor: • Gerichtsakte L 6 R 403/09 mit 202 Blatt, davon 84 Blatt medizinische Unterlagen, • Gutachten Dipl.-Psych. G. vom 12. November 2012 mit 57 Blatt, • Gerichtsakte L 1 RJ 372/04 mit 321 Blatt (5 Doppel aus Verwaltungsakte), davon 142 Blatt medizinische Unterlagen, • "Notakte" der Beklagten mit 53 Blatt Verwaltungsakte und 37 Blatt medizinische Bei-akte, darin 35 Blatt medizinische Unterlagen ( davon 33 Doppel), • Versichertenakte mit 387 Blatt Leistungsakte (davon 93 Doppel) und 191 Blatt medi-zinische Beiakte (137 Doppel), 10 Blatt Vorheftung, davon 1 Blatt medizinische Un-terlagen.

In ihrer Kostenrechnung unterscheidet die Erinnerungsführerin nicht zwischen Erhebung der Vorgeschichte und Untersuchung. Der Ansatz von - aufgerundet - 17 Stunden für beide Be-reiche kommt nicht in Betracht; berücksichtigt werden können höchstens 11,75 Stunden. Nach den Angaben im Gutachten war der Kläger am 24. Oktober 2012 6 Stunden und am 25. Oktober 10,75 Stunden anwesend. Am 24. Oktober hat allerdings der Zusatzsachverständige Dipl.-Psych. G. nach seiner Kostenrechnung 5 Stunden exploriert und Tests durchgeführt. Dies wird von der Erinnerungsführerin nicht bestritten. Damit kann der Ansatz bei der Erinne-rungsführerin nicht zusätzlich berücksichtigt werden. Die Notwendigkeit ihrer Anwesenheit in diesem Zeitraum erschließt sich dem Senat nicht. Sie hatte selbst die Beauftragung des Zu-satzsachverständigen beantragt. Ein solcher Vorschlag kommt aber nur dann in Betracht, wenn die Begutachtung eine Sachkunde erfordert, über die der ernannte Sachverständige selbst nicht verfügt (vgl. § 407a Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO)), hier also die psy-chologische Begutachtung. Der Senat unterstellt, dass die Erinnerungsführerin diese Vor-schrift kennt und beachtet. Allein die "umfangreiche Sachlage" hätte kein Zusatzgutachten begründet. Dementsprechend hat Dipl.-Psych. G. den Kläger nach seinem Gutachten explo-riert sowie die testpsychologische Untersuchung einschließlich der Validierung vorgenommen und hieraus seine Beurteilung abgeleitet. Die von der Erinnerungsführerin vorgetragene Be-gründung zur Notwendigkeit ihrer gleichzeitigen Anwesenheit überzeugt nicht. Eine Supervi-sion kommt nicht in Betracht. Dabei handelt es sich um die Beobachtung und Analyse des Verhaltens eines Therapeuten durch einen Supervisor zur Aufdeckung und Korrektur metho-discher Fehler zur Beurteilung seiner Kompetenz (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 256. Auflage 1990). Eine "Supervidierung" des vom Gericht ernannten Zusatzsachverständi-gen durch den Hauptsachverständigen kommt nicht in Betracht und greift unzulässig in des-sen Rechte ein. Dipl.-Psych. G. war ein vom Gericht ernannter unabhängiger Sachverständi-ger, der für sein Gutachten allein persönlich und uneingeschränkt verantwortlich ist (vgl. Ul-rich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007, Rdnr. 341). Die Supervision ist zwar im Klinikalltag sicher durchaus üblich und auch erforderlich, scheidet jedoch bei der gerichtlich angeordneten Gutachtenserstellung aus. Im Übrigen überzeugt auch die weitere Begründung der Erinnerungsführerin nicht. Es erschließt sich dem Senat nicht, weshalb sie verbale und paraverbale Botschaften im Rahmen der Befragung durch Dipl.-Psych. G. fest-stellen musste. Hierfür wäre der lange Zeitraum der eigenen Befragung (12 Stunden) durch-aus ausreichend gewesen. Nicht nachvollziehbar ist die spätere Behauptung der Erinnerungs-führerin, sie habe anwesend sein müssen, um wegen einer Retraumatisierung im Notfall Hilfe leisten zu können. Dipl.-Psych. G. ist ausgebildeter Psychologe und hätte in einem solchen Fall sicher angemessen reagieren können. Es ist überdies nicht ersichtlich, weshalb sich be-reits vor dem Termin und der Diagnosestellung einer posttraumatischen Belastungsstörung diese Gefahr aufdrängte. Die Diagnose konnte sich frühestens im Verlauf der Untersuchung ergeben. Zumindest in den Vorgutachten des Dr. M. und des Dr. Sch. werden sie nicht ge-nannt.

Für die Abfassung der Beurteilung können angesichts der Schreibweise 6,6 Stunden berück-sichtigt werden. Sie umfasst die Beantwortung der vom Gericht gestellten Beweisfragen und die nähere Begründung, also den Teil des Gutachtens, den das Gericht bei seiner Entschei-dung verwerten kann, um ohne medizinischen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können, also die eigentlichen Ergebnisse des Gutachtens einschließlich ihrer argumentativen Begründung. Der Senat geht seit März 2012 in seiner Rechtsprechung davon aus, dass ein medizinischer Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung für die ge-dankliche Erarbeitung durchschnittlich eine Stunde für ca. 1 ½ Blatt benötigt (vgl. u.a. Be-schluss vom 26. März 2012 - L 6 SF 132/12 E). Dabei handelt sich allerdings nur um einen Anhaltspunkt für die angemessene Stundenzahl (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. März 2012 - L 6 SF 224/12 B und 13. März 2012 - L 6 SF 197/12 B; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. November 2011 - L 5 P 55/10, nach juris), um den Kostenbeamten im Normalfall eine sinnvolle Bearbeitung zu ermöglichen. Maßgebend ist im Zweifelsfall der im Einzelfall er-kennbare Arbeitsaufwand des Sachverständigen, der im Gutachten zum Ausdruck kommt. Insofern ist in begründeten Sonderfällen durchaus eine Abweichung (positiv wie negativ) bei dem genannten Ansatz erforderlich. Die Beurteilung erstreckt sich hier angesichts der Schreibweise auf allenfalls ca. 10 Blatt und ist im Gutachten auf folgenden Seiten enthalten: 21 bis 26 sowie auf Blatt 28 bis 31 (hier in unterschiedlichem Umfang). Nach der Rechtspre-chung des Senats sind hierfür 6,7 Stunden zu veranschlagen. Zu der Beurteilung gehören nicht die eigenen Stellungnahmen des Klägers zu Vorgutachten oder deren inhaltliche Wie-derholung. Aus dem Gutachten und Stellungnahmen der Erinnerungsführerin ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte, dass der objektive Arbeitsaufwand der Erinnerungsführe-rin höher war.

Für Diktat, Durchsicht und Korrektur des Gutachtens werden unter Berücksichtigung der Schreibweise die beantragten 6,5 Stunden berücksichtigt.

Die Schreibauslagen werden nach § 12 Abs. 1 S. 2 JVEG ersetzt.

Das Gutachten ist nach der Honorargruppe M2 (60,00 Euro) zu berechnen (§ 9 Abs. 1 JVEG). Sie wird wie folgt definiert: Beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisier-tem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, z.B. Gutachten in Verfah-ren nach dem SchwbG oder zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität. Die Ho-norargruppe M3 kommt nur bei Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad in Betracht. Als Beispiel nennt das Gesetz Begutachtungen spezieller Kausalitätszusammenhänge und/oder differentialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilungen der Prognose und/oder Beurtei-lung strittiger Kausalitätsfragen genannt sowie 16 Beispielsfälle. In den Beispielen beider Honorargruppen sind Gutachten zur Überprüfung der Erwerbsfähigkeit nicht enthalten. Der Begriff "Minderung der Erwerbsfähigkeit" bei der Definition der Honorargruppe M2 ist rechtstechnisch tatsächlich der gesetzlichen Unfallversicherung und dem sozialen Entschädi-gungsrecht zugeordnet (so zu Recht LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. September 2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A). Deshalb muss die Zuordnung nach billigem Ermessen erfol-gen (§ 9 Abs. 1 S. 3 2. Halbs. JVEG). Zustandsgutachten wie Gutachten zur Feststellung der Leistungsfähigkeit werden nach der ganz h.M. im Regelfall in die Honorargruppe M2 einge-ordnet (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Juni 2011 - L 6 SF 277/11 B m.w.N., Bayerisches LSG, Beschluss vom 23. September 2009 - L 15 SF 188/09; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 –L 2/9 SF 82/04, beide nach juris; Reyels in jurisPR-SozR 18/2010 Anm. 6), denn es handelt sich um typische Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit (vgl. Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007, Rdnr. 872). Eine Honorierung in M3 kommt allerdings ausnahmsweise dann in Betracht, wenn umfassende und vielschichtige Überlegun-gen erforderlich waren (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Juni 2011 - L 6 SF 277/11 B; LSG Ba-den-Württemberg, Beschluss vom 22. September 2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A; nach juris); die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhän-gen. Auch andere Gründe sind denkbar, z.B. eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben.

Hier erstellte die Erinnerungsführerin kein Kausalitätsgutachten, denn im Rentenverfahren geht es nur um die Leistungsfähigkeit des Klägers. Die Stellung einer bestimmten Diagnose (posttraumatische Belastungsstörung) aufgrund eines Unfalls führt nicht zu einem Kausali-tätsgutachten, denn die Ursache einer Erkrankung ist im Rentenverfahren ohne Bedeutung. Die Auseinandersetzung mit Vorgutachten begründet allein ebenfalls nicht die Honorargruppe M3 (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Beschlüsse vom 1. Juni 2011 - L 6 SF 277/11 B, 8. Mai 2009 - L 6 SF 35/08, 27. August 2008 - L 6 SF 36/08), ebenso wenig die Abweichung von deren Einschätzung. Zwar hat die Erinnerungsführerin hier durchaus differentialdiagnos-tische Überlegungen angestellt. Es ist aber nicht ersichtlich, dass sie einen hohem Schwierig-keitsgehalt hatten (vgl. Senatsbeschluss vom 15. März 2010 - L 6 B 209/09 SF) und hinsicht-lich Schwierigkeiten und Aufwand ein "normales" Zustandsgutachten deutlich übersteigen. Im Übrigen hat die Erinnerungsführerin hier Dipl.-Psych. G. die erforderliche (vgl. Senats-urteil vom 26. Juni 2012 - L 6 R 592/09) Beschwerdevalidierung überlassen und seine Tests und deren Auswertung in ihr Gutachten übernommen. Eine - wenn nicht die - Kernaufgabe der ärztlichen Begutachtung ist gerade die Klärung der Frage, ob und inwieweit die vom Be-gutachtenden geklagten Beschwerden und Funktionsstörungen bestehen (vgl. Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen, AWMF-Register Nr. 030/102, Klasse S2k, Stand Mai 2012), insbesondere bei solchen, die subjektivem Erleben unterliegen, wie Befindlichkeitsstörungen sowie das gesamte Spektrum somatoformer, de-pressiver und sonstiger psychischer Störungen (vgl. Widder, Beurteilung der Beschwerdeva-lidität in Widder/Gaidzig, Begutachtung in der Neurologie, 2. Auflage 2011, Bl. 64). Dann ist immer eine gezielte Beschwerdevalidierung, u.a. durch Selbstbeurteilungsskalen und Beschwerdevalidierungstests, erforderlich. Dass die Erinnerungsführerin diese Aufgabe Dipl.-Psych. G. überlassen hat, legt nahe, dass sie selbst insoweit nicht über die notwendige Kom-petenz für diese interdisziplinäre Aufgabe verfügte (vgl. LSG Mainz Rheinland-Pfalz, Be-schluss vom 30. September 2009 - L 6 R 303/09 B, nach juris). Dann kommt die Einordnung als Gutachten mit dem bei M3 geforderten hohen Schwierigkeitsgrad nicht in Betracht.

Die Vergütung der Erinnerungsführerin errechnet sich damit wie folgt: 38,5 Stunden x 60,00 Euro (Honorargruppe M2) 2.310,00 Euro Schreibauslagen 104,20 Euro Aufwendungen 20,00 Euro 2.434,20 Euro MWSt. 462,50 Euro Gesamtbetrag 2.896,70 Euro

Nachdem die Erinnerungsführerin bereits 3.360,80 Euro erhalten hat, ist sie zur Rückzahlung von 464,10 Euro verpflichtet. Dies erfordert keine zusätzliche gesetzliche Grundlage (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2013 - L 6 SF 1445/12 B). Das Zehnte Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und das Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetz (ThürVwVfG) sind mangels Ver-waltungsaktscharakter der Überweisung nicht einschlägig; eine analoge Anwendung kommt mangels Lücke nicht in Betracht. Die Berechnung und Auszahlung der Sachverständigenent-schädigung steht grundsätzlich unter dem Vorbehalt einer anderweitigen Festsetzung durch das Gericht nach § 4 JVEG (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juni 2007 - L 6 B 131/06 SF; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 24. Juni 2010 - 3 So 146/09; KG, Beschluss vom 6. Mai 2003 - 1 W 308/01, alle nach juris; im Ergebnis auch Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Auflage 2011, § 2 Rdnr. 2.10).

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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