L 8 SO 74/11

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 21 SO 1964/09
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 74/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 32/12 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Auf die sog. "gemischte Kette" bei welcher auf eine Zeit des ambulant betreuten Wohnens ein stationärer Aufenthalt unmittelbar folgt, welchem sich wiederum ein ambulant betreutes Wohnen anschließt, ist der Gedanke des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII nicht übertragbar. Die Ansicht, welche wegen einer planwidrigen Regelungslücke die analoge Anwendung dieser Vorschrift vorsieht lässt sich mit dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht mehr vereinbaren.
2. Mit Aufnahme in einer stationären Einrichtung endet eine ambulante Leistungserbringung bis der Leistungsberechtigte nach Abschluss der stationären Maßnahme neu in das betreute Wohnen eintritt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich nicht nur um eine völlig unbedeutende, kurzfristige Unterbrechung handelt, die im Wesentlichen vom Übergang von einer Einrichtung in eine andere geprägt ist. Eine Aufenthaltsdauer von ca. 3 Monate kann der Senat nicht mehr als unbeachtlich und kurzfristig einordnen.
3. Die Revision ist zugelassen worden.
Bemerkung
Klägerin hat Revision zurückgenommen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 30. No-vember 2010 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 11.592,20 Euro festge-setzt. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Aufwendungen für das ambulant betreute Wohnen des Leistungsberechtigten J. G. ab 22. April 2008. Der 1970 geborene Leistungsberechtigte lebte bis zu seiner ersten Aufnahme in einer stationä-ren sozial-therapeutischen Einrichtung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten, welche auch die Kosten dieser Behandlung bis einschließlich Februar 2007 beglich. Ab März 2007 mietete der Leistungsberechtigte eine Wohnung unter der Anschrift "Am S. 46" in G. von der G. Baugenossenschaft GWG e.G. an. Auf seinen Antrag wurde ihm zudem fortlau-fend eine sozial-therapeutische Betreuung ambulant durch den Pflegedienst P. B. GbR mit Sitz in derselben Straße zuteil. Aufgrund der bei ihm diagnostizierten Alkoholabhängigkeit und sozialen Anpassungsstörungen erbrachte der Pflegedienst ambulante Hilfeleistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft mit dem Ziel, die Unabhängigkeit des Leistungsbe-rechtigten von vollstationärer Hilfe, eine selbständige Lebensführung und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder einer sonstigen geeigneten Beschäftigung zu erreichen. Auch die Auf-wendungen für diese betreute Wohnmöglichkeit übernahm die Beklagte bis zur erneuten sta-tionären Aufnahme des Leistungsberechtigten. Zur erneuten stationären Behandlung wurde der Leistungsberechtigte nunmehr auf Kosten der Deutschen Rentenversicherung vom 29. Januar 2008 bis zu seiner Entlassung am 22. April 2008 in der A.-Klinik im R. aufgenommen. Nach seiner Entlassung bezog er erneut die Woh-nung "Am S. 46" in G. und erhielt dort auch entsprechend seines Antrags vom 21. April 2008 - nun zu Lasten der Klägerin - erneut Betreuungsleistungen des Pflegedienstes P. B. GbR mit dem Ziel, dadurch die Unabhängigkeit von vollstationärer Hilfe, die selbständige Lebensfüh-rung und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder sonstigen geeigneten Beschäftigung zu erreichen. Zwischen den Beteiligten entwickelte sich in der Folge hinsichtlich der Kostenlast für die betreute Wohnmöglichkeit ein Zuständigkeitsstreit. Der zunächst beim Beklagten eingereichte Antrag des Leistungsberechtigten wurde unter dem 28. April 2008 an die Klägerin weiterge-leitet. Nachdem diese unter dem 8. Mai 2008 den Antrag an die Beklagte zurückgeleitet hatte, sandte die Beklagte unter dem 23. Mai 2008 wiederum den Antrag an die Klägerin, welche schließlich die Leistungen bewilligte. Zunächst erging unter dem 15. Juli 2008 ein Bescheid für den Zeitraum vom 22. April 2008 bis 30. September 2008, sodann unter dem 13. Oktober 2008 ein Bescheid für den Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis 30. September 2009, ferner unter dem 23. September 2009 ein Bescheid für den Zeitraum ab 1. Oktober 2009 bis 30. Sep-tember 2010 bzw. bis zu der Aufhebung ab Inhaftierung des Leistungsberechtigten am 26. März 2010; zuletzt wurden bis zum Maßnahmeabbruch am 4. August 2011 erneut Leistungen bewilligt. Die Bewilligung erfolgte vorläufig als zweitangegangener Sozialhilfeträger nach § 14 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) auf Grundlage der §§ 19 Abs. 3, 53 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) Sozialhilfe in Form der Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Im Rahmen der Durchführung des betreuten Einzel-wohnens für behinderte Menschen durch P. B. GbR, Am S. 36, 07548 G., wurden Betreu-ungsleistungen im Umfang von monatlich bis zu 15 Fachleistungsstunden gewährt. Ein Ei-genanteil des Leistungsberechtigten wurde aufgrund fehlenden Vermögens und unterhalb des Grenzbetrages nach § 85 Abs. 2 SGB XII liegenden Einkommens nicht festgelegt. In der Fol-gezeit wurde ein integrierte Behandlungs- und Rehabilitationsplan (IBRP) wie ein sozial-psychiatrisches Gutachten erstellt und die Leistungsgewährung auf deren Grundlage fortge-setzt. Die Leistungen summierten sich bis zum Maßnahmeabbruch auf insgesamt 11.592,20 Euro. Unter dem 15. Juli 2008 zeigte die Klägerin bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch für die gewährten Leistungen der Eingliederungshilfe ab 22. April 2008 an. Die Beklagte lehnte unter dem 26. September 2008 eine Erstattung ab. Daraufhin hat die Klägerin zunächst mit dem Ziel einer Erstattung der bis April 2009 aufge-laufenen Aufwendungen in Höhe von 4.376,90 Euro sowie der ab Mai 2009 monatlich gleichbleibenden Leistungen in Höhe von 379,50 Euro Klage zum Sozialgericht Altenburg (SG) erhoben. Darüber hinaus hat sie die Verurteilung der Beklagten begehrt, für künftige Leistungen aufkommen zu müssen. Beigefügt hat sie eine Vergütungsvereinbarung mit P. B. GbR. Nach Beiziehung des Reha-Entlassungsberichts der A.-Klinik R. vom 6. Mai 2008 und Vorlage eines Schwerbehindertenbescheides des Leistungsberechtigten vom 2. Dezember 2009 (GdB 50) hat das SG die Klage mit Urteil vom 30. November 2010 abgewiesen. Das betreute Wohnen des Leistungsberechtigten und damit die Zuständigkeit der Beklagten hätten mit der stationären Aufnahme in die Klinik R. geendet. Die über zwei Monate dauernde Un-terbrechung des betreuten Wohnens durch den Klinikaufenthalt sei auch gemessen an dem Regelungsgehalt des § 106 SGB XII schädlich. Bei dem Eintritt in das betreute Wohnen im Anschluss an die stationäre Therapie handele es sich um den neuen Eintritt in diese Wohn-form im Sinne von § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII. Abzustellen sei daher auf den für die statio-näre Einrichtung hypothetisch zuständigen Träger der Sozialhilfe im Sinne des § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII. Einer Auslegung dieser Vorschrift im Lichte des Absatzes 5, wie von der Literatur teilweise vorgeschlagen (Josef/Wenzel, NDV, 2007,85), sei nicht zu folgen. Eine Analogie der Vorschrift des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII scheide mangels einer planwidrigen Gesetzeslücke aus. Es sei schon unklar, welchem Zweck die neue Fassung dieser Vorschrift diene. Das Gericht dürfe sich der Gesetzesbindung nicht entziehen und die Rolle eines Ge-setzgebers übernehmen. Daher sei die Klägerin als für den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten vor seiner stationären Aufnahme zuständiger Träger auch für die anschließende betreute Wohnform zuständig. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Im Wesentlichen gestützt auf die Literaturan-sicht von Josef/Wenzel (NDV 2007,85) fordert sie für sog. "gemischte Ketten", wie hier, eine analoge Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII. Die Beklagte sei für die Leistungen des betreuten Wohnens auch weiterhin zuständiger Träger. Von der Zuständigkeit des Trägers des letzten gewöhnlichen Aufenthalts vor Aufnahme in eine stationäre Einrichtung sei dann eine Ausnahme zu machen, wenn dies ein Ort des betreuten Wohnens sei, für den die Sonderzu-ständigkeit nach § 98 Abs. 5 SGB XII bestanden habe. Der Gesetzgeber habe mit dieser Vor-schrift ebenso wie bei § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII den für den Einrichtungsort zuständigen Träger vor überproportionaler finanzieller Belastung schützen wollen. Die Drohung derartiger Belastungen würde zudem davon abhalten, derartige Einrichtungen zu eröffnen und zu betrei-ben. Wie bei dem Wechsel von einer stationären Einrichtung in eine andere stationäre Ein-richtung müsse daher die vor Eintritt in die Einrichtungskette bestehende Zuständigkeit blei-ben. Sie beantragt daher, das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 30. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die von ihr für Herrn J. G. für den Zeitraum 22. April 2008 bis 5. August 2011 geleisteten Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von ins-gesamt 11.592,20 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Maßgeblich sei, wer für den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten vor Aufnahme in die stationäre Therapie zuständig gewesen wäre. Ungeachtet der Tatsache, dass die Kosten des stationären Aufenthal-tes von der Deutschen Rentenversicherung getragen worden seien, schreibe § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII eine fiktive Prüfung der Zuständigkeit durch die Formulierung " oder gewesen wäre" vor. Mit Gerlach (ZFS 2008,1) habe es im Fall sog. "gemischter Ketten" bei der Zu-ständigkeit des für den gewöhnlichen Aufenthalt vor Eintritt in die stationäre Einrichtung zu-ständigen Trägers zu bleiben. Hätte der Gesetzgeber etwas anderes gewollt, so hätte er eine dem § 109 SGB XII entsprechende Ausnahmeregelung treffen müssen. Das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke sei im Übrigen nicht festzustellen. Den Gesetzesmaterialien lasse sich bereits nicht der Sinn und Zweck der Neufassung des § 98 Abs. 5 SGB XII entneh-men. Wegen des Verweises auf Leistungen nach den Kap. 6 bis 8 SGB XII stelle die Vor-schrift allein auf unterbrechungsfreie Leistungserbringung ab. Hier ende die Zuständigkeit nach § 98 Abs. 5 SGB XII dann, wenn der Leistungsberechtigte in eine stationäre Einrichtung aufgenommen werde. Die Zuständigkeit richte sich für diese Einrichtung allein nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII. Da der Ort des betreuten Wohnens einen gewöhnlichen Aufenthalts-ort im Sinne dieser Vorschrift bilde, sei zuständiger Träger nach dieser Vorschrift die Kläge-rin. Angesichts des klaren Wortlautes des § 98 Abs. 2 und Abs. 5 SGB XII dürfte trotz be-rechtigter Zweifel wegen des erforderlichen Schutzes der Einrichtungsträger vor überpropor-tionaler finanzieller Belastung keine Ausnahme im Sinne einer analogen Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII möglich sein. Im Übrigen handele es sich bei einer dreimonatigen sta-tionären Behandlung nicht mehr nur um eine kurzfristige Unterbrechung des betreuten Woh-nens. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beteiligten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung Ihrer Aufwendungen für den Leistungsberechtigten J. G. ab 22. April 2008 und Feststellung der Zuständigkeit der Beklagten für dessen laufenden Leistungsbezug. Der Beiladung des Leistungsberechtigten nach § 75 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedurfte es nicht, da nicht zu erkennen ist, dass er einem Erstattungsanspruch ausgesetzt sein kann (vgl. dazu BSG, Urteil vom 25. August 2011 - B 8 SO 7/10 R). Als Anspruchsgrundlage kommt hier allein § 14 Abs. 4 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetz-buch (SGB IX) i.V.m. § 102 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Betracht, denn die Klägerin ist als zweitangegangener Träger nach Weiterleitung des Antrags durch die Beklagte innerhalb von 14 Tagen (endgültig) zuständig, und sie hat ausweislich des Inhalts der Bewilligungsbescheide durchweg vorläufig bis zur endgültigen Klärung der Leistungszu-ständigkeit geleistet. Die Vorschrift des § 14 Abs. 4 SGB IX kommt insbesondere auch bei einem Zuständigkeitsstreit zwischen Rehabilitationsträgern derselben Art in Betracht (BSG, Urteil vom 8. September 2009 - B 1 KR 9/09 R - SozR 4-3250 § 14 Nr. 10). Voraussetzung dafür ist jedoch, dass nicht die Klägerin, sondern die Beklagte für die erbrachten Leistungen des ambulant betreuten Wohnens nach den §§ 19 Abs. 2, 53 ff. SGB XII sachlich und örtlich zuständig ist. Während die sachliche Zuständigkeit bei der Beklagten ebenso wie bei der Klä-gerin vorliegt (§ 3 Thüringer Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - ThürAGSGB XII - i.d.F. vom 20. Dezember 2007) ermangelt es hier an der örtlichen Zustän-digkeit der Beklagten.

Örtlich zuständig für die Leistungen ist nach § 98 Abs. 5 SGB XII die Klägerin. Nach dieser Vorschrift ist für Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel in Formen ambulanter, betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozi-alhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewe-sen wäre. Die Vorschrift des § 98 Abs. 5 SGB XII findet auf Leistungsfälle in ambulant be-treuten Wohnformen Anwendung, die erst nach dem 31. Dezember 2004 begonnen haben; nicht maßgeblich ist also, wann der vorangegangene Bezug von stationären oder sonstigen Leistungen der Sozialhilfe begonnen hat (Senatsurteil vom 17.10.2012 - L 8 SO 741/10 im Anschluss an BSG, Urteil vom 25. August 2011 - B 8 SO 7/10 R, RdNr. 18). Zwar bezog der Leistungsberechtigte im vorliegenden Fall bereits vor dem 01. Januar 2005 Leistungen der Eingliederungshilfe, doch werden Leistungen des ambulanten betreuten Wohnens erst seit März 2007 an ihn erbracht; damit scheidet eine Anknüpfung an die Zuständigkeitsvorschrif-ten des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) aus. Für die Zuständigkeitsregelung ist nicht auf die Zuständigkeit der Beklagten für das ambulant betreute Wohnen vor Eintritt in die stationäre Maßnahme der A.-Klinik R. abzustellen, son-dern auf den neuen Eintritt am 22. April 2008. Auf die sog. "gemischte Kette" bei welcher auf eine Zeit des ambulant betreuten Wohnens ein stationärer Aufenthalt unmittelbar folgt, wel-chem sich wiederum ein ambulant betreutes Wohnen anschließt, ist der Gedanke des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII nicht übertragbar. Danach würde die für die erste Einrichtung beste-hende Zuständigkeit auch für den Aufenthalt in den weiteren Einrichtungen erhalten bleibt. Der Ansicht, welche wegen einer planwidrigen Regelungslücke die analoge Anwendung die-ser Vorschrift vorsieht (Hessisches LSG, Urteil vom 25. Januar 2012 - L 4 SO 67/11 und Be-schluss vom 26. April 2011 - L 9 SO 60/11 B ER; VG Minden, Urteil vom 17. Dezember 2010 - 6 K 2167/10; Josef/Wenzel, NDV 2007,85) ist nicht zu folgen. Für diese Auffassung könnte allerdings sprechen, dass der Sinn sowohl dieser Bestimmung als auch der Vorschrift des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII sein soll, Träger der Sozialhilfe am Einrichtungsort wegen der damit zusammenhängenden Zentralisierungseffekte vor überproportionalen finanziellen Belastungen zu bewahren (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 25. August 2011 a.a.O.). Derarti-ge Belastungen könnten zudem Kommunen davon abhalten, entsprechende Einrichtungen zu schaffen oder zu fördern. Zum Teil wird mit dem selben Ergebnis vertreten, die Vorschrift des § 98 Abs. 2 SGB XII müsse im Lichte der Sondervorschrift des § 98 Abs. 5 SGB XII für am-bulante betreute Wohnmöglichkeiten dahingehend einschränkend zu interpretieren sein, dass bei vorbestehender Sonderzuständigkeit nach Abs. 5 eine abweichende Zuständigkeitsbe-stimmung nach Abs. 2 ausscheide (Josef/Wetzel, NDV 2007, 85). Demgegenüber überzeugen hier jedoch die Gründe der Gegenansicht (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Februar 2012 - 1 SO 135710; VG Düsseldorf, Urteil vom 06. Juli 2012 - 21 K 4376/11, Gerlach ZFS, 2008,1; Söhngen in jurisPK-SGB XII, § 98 SGB XII, RdNr. 53, Stand 2011). Den Gesetzesmaterialien ist der Zweck der Neuregelung nicht zu entnehmen. Selbst wenn mit dem BSG (aaO) von der allgemeinen Zweckbestimmung auszugehen sein dürfte, dass die Träger des Einrichtungsorts vor überproportionalen Belastungen geschützt werden sollen, lässt sich daraus entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut keine solche Auslegung gewinnen; eine planwidrige Regelungslücke lässt sich gerade nicht feststellen. Die für statio-näre Einrichtungsketten als spezielle Ausnahmevorschrift von Absatz 1 vorgesehene Rege-lung des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII mag zwar auf den Wechsel zwischen verschiedenen Orten der ambulant betreuten Wohnform Anwendung finden (so etwa BSG a.a.O.); ein Wechsel zwischen ambulant betreutem Wohnen und stationärer Unterbringung - lässt sich mit dem Wortlaut dieser Vorschrift jedoch nicht mehr vereinbaren. Der Ansatz des BSG (a.a.O) bei Ketten ambulant betreuten Wohnens ist mit dem weit gefassten Wortlaut des Absatzes 5 "Wohnform" eben noch zu vereinbaren, mit welchem nur auf die Art, nicht aber auf einen konkreten Ort abgestellt wird. Ferner grenzt der Wortlaut des § 98 Abs. 5 Abs. 1 SGB XII den relevanten Personenkreis auf solche Personen ein, welche Leistungen nach dem 6. bis 8. Ka-pitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten "erhalten". Damit stellt die Vor-schrift auf eine unterbrechungsfreie Leistungserbringung für ambulant betreute Wohnmög-lichkeiten ab (Gerlach, ZFS 2008,8,1). Mit Aufnahme in einer stationären Einrichtung endet eine etwaige ambulante Leistungserbringung bis der Leistungsberechtigte nach Abschluss der stationären Maßnahme ggf. erneut in das betreute Wohnen eintritt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich nicht nur um eine völlig unbedeutende, kurzfristige Unterbrechung handelt, die im Wesentlichen vom Übergang von einer Einrichtung in eine andere geprägt ist (siehe Söhn-gen, juris PK - SGB XII, § 98 SGB XII, RdNr. 52). Auch die systematische Auslegung führt zu keiner erweiterten Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII. Einer solchen Interpretation steht schon die Vorschrift des § 109 SGB XII entgegen, welche lediglich stationäre Einrichtungen und den Aufenthalt in einer Justizvoll-zugsanstalt von der Feststellung als gewöhnlicher Aufenthaltsort im Sinne des § 98 SGB XII ausnimmt. Gerade die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine solche ausdrückliche Regelung für notwendig erachtet hat, spricht dagegen, von den ausdrücklichen Zuständigkeitsregelungen des § 98 SGB XII weitere Ausnahmen einzuräumen. Hinzu kommt, dass die Vorschrift des Absatzes 2 in § 98 SGB XII als Ausnahmevorschrift von § 98 Abs. 1 SGB XII eng auszule-gen ist. Der Hinweis von Josef/Wenzel (NDV 2007, 85), ohne Ausweitung des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII auf die gemischte Kette sei eine mißbräuchliche Verlagerung der Zuständigkeit möglich, erscheint spekulativ und ist keiner anerkannten Auslegungsmethode zuzuordnen. Dieser Gedanke ist eher dem Bereich der gesetzgeberischen Überlegungen zuzuordnen. Zu Recht weist das Sozialgericht aber darauf hin, dass auch die Gerichte der Sozialgerichtsbar-keit an Recht und Gesetz gebunden sind und nicht Aufgaben des Gesetzgebers wahrzunehmen haben. Bei dem Aufenthalt des Leistungsberechtigten Herrn G. in der A.-Klinik R. handelt es sich nicht mehr um eine unbeachtliche Unterbrechung im oben beschrieben Sinn. Insgesamt dauer-te sein Aufenthalt dort ca. 3 Monate. Der Senat kann einen solchen Zeitraum nicht mehr als unbeachtlich und kurzfristig einordnen. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob aus der Vor-schrift des § 106 SGB XII für die Annahme einer beachtlichen Unterbrechung eine Grenze von zwei Monaten zu folgern ist, wie das Sozialgericht meint. Am 22. April 2008 trat Herr G. daher neu in eine ambulant betreute Wohnform im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII ein. Damit ist die hypothetische Zuständigkeit für den stationären Aufenthalt in R. zu prüfen, um festzustellen, welcher Träger der Sozialhilfe i.S.d. § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII für das an-schließende ambulant betreute Wohnen zuständig geworden ist, wäre nicht vorrangig der Trä-ger der Rentenversicherung tätig geworden. Dies wäre in Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII der für den gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten vor Aufnahme in die stationäre Einrichtung örtlich zuständige Träger, hier also die Klägerin. Folglich muss die Kostenlast für die Maßnahme ab 22. April 2008 endgültig bei der Klägerin verbleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf Anwendung des § 197 a SGG. Die Beteiligten sind im Rahmen von Erstattungsstreitigkeiten nicht von der Gerichtskostenlast ausgenommen. Die Streitwertfeststellung folgt der einschränkenden Antragstellung im Berufungsverfahren, da nach Abschluss der Maßnahme die endgültigen Kosten bestimmt werden können. Da eine höchstrichterliche Entscheidung der Zuständigkeitsregeln bei sog. "gemischten Ket-ten" noch aussteht und zu diesem Thema bereits zwei Revisionen beim BSG anhängig sind (B 8 SO 11/12 R und B 8 SO 6/12 R) ist die Revision im vorliegenden Fall wegen grundsätzli-cher Bedeutung zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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