L 1 U 1046/11

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 33 U 2682/07
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 1046/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zu den Voraussetzungen unter denen eine Kreuzbandruptur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf ein Unfallereignis zurückgeführt werden kann.
2. Ernsthafte Zweifel an einer unfallbedingten Verursachung des Kreuzbandrisses können nicht aus einer geringen Ödembildung hergeleitet werden.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichtes Altenburg vom 16. Mai 2011 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Anerkennung eines Ereignisses vom 1. Juli 2005 als Arbeitsunfall sowie die Frage, ob dieser Unfall eine Ruptur des vorderen rechten Kreuzbandes zur Folge gehabt hat.

Der 1986 geborene Kläger knickte am 1. Juli 2005 während des Sportunterrichtes in der Staatlichen Berufsbildenden Schule Technik in G. beim Fußballspiel mit dem rechten Knie um und rutschte weg. Er wurde mit dem Notarzt in das SRH W. G. verbracht. Der Durch-gangsarzt Dr. F. diagnostizierte eine Distorsion des rechten Knies mit Verdacht auf Kniebin-nenschaden. Verletzungsanzeichen äußerlich und ein Kniegelenkerguss wurden nicht festge-stellt. Diagnostiziert wurden ein Druckschmerz an der Außenseite rechtes Knie und eine schmerzbedingte Funktionseinschränkung. Ein Ergänzungsbericht bei Verdacht auf Kniebin-nenschaden wurde durch den Durchgangsarzt ausgefüllt. Auf Befragen des Durchgangsarztes verneinte der Kläger das Vorliegen von unfallunabhängigen Erkrankungen oder Verletzungen an dem geschädigten Knie. Der Durchgangsarzt hielt bei weiter bestehendem Verdacht auf einen Kniebinnenschaden weitere diagnostische Maßnahmen, wie die Durchführung einer Magnetresonanztomographie (MRT), für erforderlich. Nach Feststellung eines unveränderten schmerzhaften Streckdefizits und eines geringen Gelenkergusses wurde am 5. Juli 2005 eine MRT durchgeführt. Dabei wurden ein dorsal diffuses Weichteilödem mit Kapselalteration und ein Ödem mit winziger okkulter Fraktur im dorsolateralen Tibiakopf festgestellt, ferner eine komplette Ruptur des vorderen Kreuzbandes bei Dislokation der Bandstümpfe und ein deutlicher Gelenkerguss.

Im Rahmen eines stationären Aufenthaltes vom 25. bis 30. Juli 2005 im Krankenhaus R. wur-de deshalb eine vordere Kreuzbandersatzplastik vorgenommen.

Am 5. September 2005 erlitt der Kläger auf dem Weg zur Krankengymnastik beim Aussteigen aus dem Bus einen weiteren Unfall und verdrehte sich dabei das linke Kniegelenk. Eine MRT ergab hierbei eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes links. Deshalb wurde dem Kläger wäh-rend eines weiteren stationären Aufenthaltes im Krankenhaus R. vom 3. bis 9. Oktober 2005 auch eine Kreuzbandersatzplastik an dem linken Kniegelenk eingesetzt.

Im Auftrag der Beklagten erstellte Dr. U. am 22. August 2006 ein Zusammenhangsgutachten. Er kam zu dem Ergebnis, dass bei dem Ereignis vom 1. Juli 2005 eine Kreuzbandruptur rechts eingetreten sei. Die Hergangsschilderung lasse eine adäquate Gewalteinwirkung erkennen, bei der grundsätzlich das vordere Kreuzband habe reißen können. Eine zeitnah zum Unfall durch-geführte Kernspintomographie habe die Komplettruptur des vorderen Kreuzbandes in Kom-bination mit einem ausgedehnten Spongiosaödem im Schienenbeinkopf als Hinweis auf eine erhebliche Gewalteinwirkung auf das Kniegelenk bestätigt. Auch der intraoperative Befund habe die vordere Kreuzbandruptur bestätigt. Die Beschreibung der Kreuzbandreste sei gut mit dem Eintritt der Verletzung circa vier Wochen zuvor vereinbar. Hinweise auf eine vorbeste-hende Instabilität hätten sich nicht ergeben. In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 5. Oktober 2006 (Blatt 302 des Verwaltungsvorgangs) schlug Dr. C. vor, eine muskuläre kompensierbare vordere Innenstabilität nach Kreuzbandersatzplastik an beiden Kniegelenken als Unfallfolge anzuerkennen.

Der Beratungsarzt Dr. K. hingegen verneinte in seiner Stellungnahme vom 6. März 2007 einen Zusammenhang zwischen dem Ereignis vom 1. Juli 2005 und der Ruptur des vorderen rechten Kreuzbandes. Das vordere Kreuzband sei bei einem vorderen innenseitigen Bündel abgerissen und in der Oberschenkelgrube habe sich eine Narbe befunden. Eine Retraktion des Kreuzbandes trete nicht innerhalb von 3,5 Wochen ein. Das Schadensbild müsse auf ein deut-lich länger vorbestehendes Ereignis zurückgeführt werden.

Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. März 2007 die Gewährung einer Entschädigung ab, weil es sich bei dem Ereignis vom 1. Juli 2005 nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne der Gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt habe. Ein eingelegter Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 24. August 2007).

Hiergegen hat der Kläger am 24. September 2007 beim Sozialgericht Altenburg Klage erho-ben.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Dr. K ... Dieser gelangt in seinem Gutachten vom 29. September 2010 zu dem Ergebnis, dass der Kläger am 1. Juli 2005 eine Distorsion des rechten Kniegelenks erlitten habe. Der Durchgangsarzt habe keine auffällige Instabilität feststellen können, aber gegebenenfalls eine kernspintomographische Diagnostik oder Spiegelung des Kniegelenks empfohlen. Die vier Tage später durchgeführte kernspintomographische Untersuchung habe frische Verletzungs-zeichen wie ein diffuses Weichteilödem und eine Kapselalteration und Zeichen der Gewalt-einwirkung im Sinne eines Knochenmarködems im Bereich des hinteren äußeren Schienbein-kopfes dokumentiert. Bei einer pathologischen Gewalteinwirkung auf ein Kniegelenk seien derartige Knochenmarködeme zu fordern. Der Befund erlaube es daher, eine frische Gewalt-einwirkung auf das rechte Kniegelenk abzuleiten. Den Ausführungen des Beratungsarztes Dr. K. könne nicht gefolgt werden. Dass im klinischen Erstuntersuchungsbefund keine relevante Instabilität nachzuweisen gewesen sei, sei nicht weiter verwunderlich. Es sei auch heute noch allgemein anerkannt, dass ein großer Teil der unfallbedingten Läsionen des vorderen Kreuz-bandes sich der primären klinischen Diagnostik entzögen. Im Nachschaubericht seien zudem die Angaben aus der Erstuntersuchung schon wieder relativiert worden, weil wegen der Schmerzhaftigkeit und Funktionsstörung eine aussagekräftige Bandprüfung nicht möglich gewesen sei. Konsequenterweise sei eine kernspintomographische Diagnostik veranlasst wor-den, welche frische Verletzungszeichen ergeben habe. Die für eine vordere Kreuzbandläsion zu fordernden Knochenmarködeme, insbesondere am hinteren äußeren Schienbeinplateau, seien vorhanden gewesen. Weitere Indizien für eine frisch einwirkende Gewalt seien die Sig-nalstörungen im Bereich der hinteren Kapsel und die Ödeme in den Weichteilen. Die Argu-mentation des Beratungsarztes, dass die Läsion des vorderen Kreuzbandes lange vorbestehend gewesen sei, sei auch deshalb nicht schlüssig, weil sonstige Umformungser-scheinungen im Kniegelenk oder Verletzungszeichen an den Seitenbandstrukturen sowie dem hinteren Kreuzband nicht vorhanden gewesen seien. Bei einer Vorschädigung hätte man aber Verschleißzeichen in dem Bereich des Knorpels erwarten müssen. Die vom Beratungsarzt zitierte Studie von Murray hinsichtlich der Entwicklung feingeweblicher Veränderungen nach Läsionen des vorderen Kreuzbandes ergebe, dass zwischen der 3. und 8. Woche nach Ruptur des vorderen Kreuzbandes entsprechende Veränderungen des Kreuzbandstumpfs im Sinne einer Regeneration und Narbenbildung sich zeigten. Nichts anderes sei bei der Operation festgestellt worden. Es bestehe zwar immer die Möglichkeit, dass auch andere Distorsionsereignisse zu einer Läsion des vorderen Kreuzbandes hätten führen können. Diese Möglichkeit trete aber aufgrund des vorliegenden verletzungsspezifischen Verlaufs mit sofortiger notärztlicher Vorstellung, dem erheblichen Bewegungsdefizit des Kniegelenks und den frischen Verletzungszeichen völlig in den Hintergrund.

Daraufhin hat die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. L. vom 3. November 2010 vorgelegt. Dieser hält es im Einklang mit dem Beratungsarzt Dr. K. für unfallmechanisch fernliegend, dass bei einem Umknicken das vordere Kreuzband gefährdet und verletzt werde. Vorrangig gefährdete Strukturen hätten keine Verletzungen aufgewiesen. Dr. K. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 19. Januar 2011 hierzu ausgeführt, dass das Umknicken des Klägers vom Beratungsarzt Dr. L. im Sinne eines Umknickens im O- bzw. X- Sinne interpretiert werde. Eine solche eindimensionale Gewalteinwirkung habe aber nicht stattgefunden, was auch der kernspintomographischen Untersuchungsbefund belege. Zudem habe der Beratungsarzt Dr. L. in seinem Kursbuch für ärztliche Begutachtung selbst ausgeführt, dass Verletzungsmechanismen, welche weitgehend isoliert die Kreuzbänder an-greifen würden, nachvollziehbar nur in Bezug auf das vordere Kreuzband zu diskutieren seien. Eine erlittene Distorsion des Kniegelenks könne grundsätzlich zu einer isolierten Schädigung des vorderen Kreuzbandes führen. Aus dem kernspintomographischen Untersuchungsbefund ergebe sich zudem, dass nicht eine isolierte Verletzung des vorderen Kreuzbandes vorgelegen habe. Es sei zusätzlich zur Läsion am vorderen Kreuzband auch zu einer Schädigung der Kniegelenkskapsel rückwärtig mit Unterblutung der angrenzenden Weichteile gekommen. Ferner sei ein Gelenkerguss, ein Einriss des Hoffaschen Fettkörpers und ein Kno-chenmarködem zu verzeichnen gewesen. Es hätten sich also durchaus Verletzungszeichen der Strukturen gezeigt, die z.B. bei Überstreckung des Kniegelenks vorrangig gefährdet seien.

Mit Urteil vom 16. Mai 2011 hat das Sozialgericht Altenburg unter Aufhebung des Beschei-des vom 21. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24. August 2007 fest-gestellt, dass das Ereignis vom 1. Juli 2005 ein Arbeitsunfall und die Distorsion des rechten Kniegelenks mit frischem Riss des vorderen Kreuzbandes Folge dieses Arbeitsunfalls ist.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger sich bei Ausübung einer versicherten Tä-tigkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Distorsion des rechten Kniegelenks mit frischem Riss des vorderen Kreuzbandes zugezogen habe. Bei Auswertung aller vorliegenden medizinischen Erkenntnisse spreche mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang; ernsthafte Zweifel, dass bei dem Kläger schon vor dem Ereignis vom1. Juli 2005 regenerative Abnutzungserscheinungen im Bereich des rechten Kniegelenks vorgelegen hätten, könnten ausgeschlossen werden. Für einen Ursachenzusammenhang spreche bereits der Unfallmecha-nismus. Eine erlittene Distorsion beinhalte grundsätzlich die Potenz zur Schädigung des vor-deren Kreuzbandes isoliert oder in Kombination mit anderen Kapselbandstrukturen. Die Aus-führungen des Beratungsarztes Dr. L. seien nur auf ein Umknicken im O- bzw. X-Sinn bezo-gen. Ein derartiger Unfallmechanismus sei jedoch nicht belegt. Eine kausale Verknüpfung zwischen dem Ereignis vom 1. Juli 2005 und dem Riss des vorderen Kreuzbandes ergebe sich auch durch die Geschehnisse nach dem Ereignis selbst. Es sei sofort eine notärztliche Vorstel-lung im W. G. erfolgt. Bereits im Nachschaubericht vom 4. Juli 2005 werde angegeben, dass eine Prüfung des Bandapparats schmerz- und schonhaltungsbedingt nicht möglich gewesen sei. Auch der operative Befund stütze den Kausalzusammenhang. Frische Kreuzbandverlet-zungen seien von einer Läsion der Kapsel begleitet. Es bilde sich meist ein blutiger Erguss. Ein dementsprechender Befund liege vor. Anhaltspunkte dafür, dass die Läsion des vorderen Kreuzbandes schon länger zurückliege, seien nicht vorhanden. Die vom Beratungsarzt Dr. K. angegebene Studien zeigten gerade die Möglichkeit auf, dass zwischen der dritten und achten Woche nach der Ruptur des vorderen Kreuzbandes entsprechende narbige Veränderungen des Kreuzbandstumpfes sich zeigten. Nichts anderes sei hier bei der Operation knapp vier Wochen nach dem Ereignis festgestellt worden. Auch die kernspintomographischen Aufnahmen sprächen deutlich für eine frische Ruptur des vorderen Kreuzbandes. Bei der Untersuchung am 5. Juli 2005 seien frische Verletzungszeichen der Strukturen dokumentiert. Bei dem Er-eignis vom 5. September 2005 handele es sich um ein eigenständiges Unfallereignis, so dass dessen Folgen in diesem Zusammenhang hier nicht zu diskutieren gewesen seien.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie verweist insoweit auf eine fachradio-logische Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. H. vom 29. August 2011, wonach die bild-technischen Befunde eher für eine Reruptur eines bereits vorgeschädigten Kreuzbandes spre-chen würden, welches dann im Rahmen des Ereignisses vom 1. Juli 2005 vollständig ruptiert sei. Bei der Kernspintomographie des rechten Kniegelenks am 5. Juli 2005 seien nur sehr dis-krete ödematöse Signalveränderungen am dorsalen Tibiakopfplateau ohne Nachweis einer makroskopischen Fraktur gesichert worden. Auch im Verlauf des vorderen Kreuzbandes finde sich nur eine geringradige Ödembildung. Daher sei festzuhalten, dass die Ödembildung für die einzeitige Ruptur eines bis dahin intakten Kreuzbandes nur sehr gering ausgeprägt sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Altenburg vom 16. Mai 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils.

Der Senat hat im Berufungsverfahren ein radiologisches Gutachten von Dr. G. vom 11. September 2012 eingeholt. Dieser gelangt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die erhobenen Befunde auf ein vier Tage altes Trauma zurückzuführen seien. Bei der Kernspin-tomographie am 5. Juli 2005 habe sich einerseits ein Gelenkerguss sowie auch eine ödematöse Verquellung im Bereich des ruptierten vorderen Kreuzbandes gefunden. Aus der Fachliteratur sei bekannt, dass vordere Kreuzbandrupturen in der Mehrzahl der Fälle mit einem dabei nachweisbaren Knochenmarksödem am lateralen Tibiakopfgebiet verbunden seien. Des Wei-teren sei eine Ergussbildung nachweisbar. Eine blutige Beimengung sei möglich, wenngleich wie häufig in der MRT, nicht mit letzter Sicherheit nachzuweisen.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. September 2012 hat der Sachverständige Dr. K. gestützt hierauf ausgeführt, dass die Frische der befundeten Kniebinnenverletzungen hinrei-chend belegt und der Unfallzusammenhang damit schlüssig dargetan sei. Die aus dem radio-logischen Bildmaterial sich ergebenden Verletzungszeichen hätten schlüssig mit einem wenige Tage zuvor erfolgten Ereignis in Einklang gebracht werden können.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 4. Dezember 2012 führt der Sachverständige Dr. G. aus, dass allein aus der Tatsache, dass das rupturabhängige Ödem am vorderen Kreuzband respektive des Knochenmarksödem am posterolateralen Tibiakopf nur relativ gering ausge-prägt sei, nicht geschlossen werden könne, dass bei dem Kläger schon eine vorbestehende Schwächungssituation des vorderen Kreuzbandes bestanden habe.

Daraufhin hat die Beklagte eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 17. November 2012 vorgelegt. Dieser führt darin aus, dass bei einer kompletten Ruptur eines bis dahin intakten vorderen Kreuzbandes in aller Regel ein sehr deutliches Ödem erwartet werde, was sich den vorliegenden Aufnahmen nicht entnehmen lasse. Auch die ödematösen Verände-rungen im vorderen Kreuzband seien sehr diskret. Eine komplette Ruptur eines bis dahin intakten Kreuzbandes hätte ein wesentlich deutlicheres Ödem zur Folge haben müssen. Auch das Fehlen höhergradiger Verletzungszeichen an den kollateralen Bändern sei äußerst selten. Die Wahrscheinlichkeit eines primären Kreuzbandrisses bei intaktem Band sei äußerst gering. Daher sei die Wahrscheinlichkeit einer vorbestehenden Schädigung des Kreuzbandes mit er-neut erfolgter Distorsion wesentlich wahrscheinlicher. Dieser Einschätzung hat sich der Bera-tungsarzt Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 7. Dezember 2012 angeschlossen. Das vordere Kreuzband sei in Übereinstimmung mit den fehlenden Ödembildungen in den An-satzbereichen, den fehlenden Begleitverletzungen, dem fehlenden blutigen Gelenkerguss und den sehr diskret ausgebildeten Verletzungszeichen im Übrigen rissbereit gewesen. Dafür sprächen auch die Angaben des Versicherten zum Ablauf der versicherten Tätigkeit. Eine äußere Krafteinwirkung sei nicht angegeben. Seine Auffassung hat der Beratungsarzt Dr. L. in einer weiteren Stellungnahme vom 16. Januar 2013 vertieft. Bei dem Ereignis sei mit Si-cherheit kein Trauma abgelaufen. Isolierte Verletzungen des vorderen Kreuzbandes seien sel-ten. Weder der bildtechnisch zur Darstellung kommende Befund noch der intaoperative Be-fund passe zu einer unfallbedingten Zusammenhangstrennung des vorderen Kreuzbandes am 1. Juli 2005.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und Beklagtenakten, die Gegenstand der Beratung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das erstinstanzliche Urteil des Sozialgerichtes Altenburg ist rechtmäßig. Der Kläger hat einen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 1. Juli 2005 als Arbeitsunfall und Feststellung einer Distorsion des rech-ten Kniegelenks mit frischem Riss des vorderen Kreuzbandes als Folge dessen.

Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat insoweit Bezug auf die Ausfüh-rungen des Sozialgerichtes in seinem angegriffenen Urteil nach § 153 Abs. 2 des Sozialge-richtsgesetzes (SGG).

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Sozialgericht sich zu Recht auf die überzeu-genden Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. in seinem Gutachten vom 29. September 2010 gestützt hat. Dort hat dieser nachvollziehbar dargelegt, dass sowohl der operative Be-fund vom 26. Juli 2005 als auch das Ergebnis der kernspintomographischen Untersuchung vom 5. Juli 2005 für eine frische Ruptur des vorderen Kreuzbandes sprechen. Soweit der Be-ratungsarzt der Beklagten Dr. K. im Verwaltungsverfahren und nunmehr auch im Berufungs-verfahren der Beratungsarzt Dr. L. aufgrund der bei der Operation vorgefundenen Narbe von einem länger zurückliegenden Ereignis ausgehen, hat der Sachverständige Dr. K. dies unter Hinweis auf eine Studie von Murray nachvollziehbar widerlegt. Aus dieser Studie ergibt sich, dass zwischen der dritten und achten Woche nach der Ruptur des vorderen Kreuzbandes ent-sprechende Veränderungen des Kreuzbandstumpfes mit einer pilzförmigen Umformung im Sinne der Regeneration und Narbenbildung beobachtet worden sind. Derartiges wurde auch im Operationsbericht vom 26. Juni 2005 beschrieben. Insoweit ist die Auffassung des Bera-tungsarztes Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 16. Januar 2013, wonach eine makroskopisch zur Darstellung kommende Narbe nicht innerhalb von 3,5 Wochen entstehen könne, widerlegt. Jedenfalls ist dies nicht derart ausgeschlossen, dass unter Bezugnahme auf einen solchen Befund mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen einer älteren Verletzung ausgegangen werden müsste.

Die Einschätzung, dass die vordere Kreuzbandruptur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 1. Juli 2005 zurückzuführen ist, wird auch durch das im Berufungsver-fahren eingeholte radiologische Gutachten von Dr. G. bestätigt bzw. durch die beratungsärzt-lichen Stellungnahmen der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. In seinem radiologischen Gutachten vom 11. September 2012 hat der Sachverständige Dr. G. den MRT-Befund vom 5. Juli 2005 ausgewertet und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser Befund für eine fri-sche Komplettruptur des vorderen Kreuzbandes spricht. Insoweit hat er dargelegt, dass nach der Fachliteratur vordere Kreuzbandrupturen in der Mehrzahl der Fälle verbunden sind mit einem nachweisbaren Knochenmarksödem am posterolateralen Tibiakopfgebiet. Ein derartiges typisches Knochenmarksödem am Tibiakopf gelangte nach seinen Ausführungen bildtechnisch im MRT vom 5. Juli 2005 zur Darstellung. Des Weiteren hat er ein Ödem im mittleren bis usprungsnahen Verlaufsdrittel des vorderen Kreuzbandes festgestellt und einen Gelenkerguss und eine ödematöse Verquellung im Bereich des rupturierten vorderen Kreuzbandes. Die Ergussbildung war für ihn nachweisbar. Blutige Beimengung konnte er nicht sicher feststellen, weil dies in der MRT nicht mit letzter Sicherheit gelingt. Gestützt hierauf hat der Sachverständige Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. September 2012 ausge-führt, dass die Frische der befundeten Kniebinnenverletzungen damit aus seiner Sicht hinrei-chend belegt ist.

Dieses Ergebnis wird durch die von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellung-nahmen von Dr. H. und Dr. L. nicht wesentlich in Zweifel gezogen. Der Radiologe und Bera-tungsarzt der Beklagten Dr. H. begründet seine Zweifel am Vorliegen einer kompletten Ruptur eines bis dahin intakten vorderen Kreuzbandes im wesentlichen damit, dass die festge-stellten ödematösen Veränderungen im vorderen Kreuzband sehr diskret waren und eine Ruptur in Anbetracht des relativ nahen Untersuchungszeitpunkts ein wesentlich deutlicheres Ödem zur Folge haben müsste. Dem schließt sich der Beratungsarzt Dr. L. in seinen Stellung-nahmen vom 7. Dezember 2012 und 16. Januar 2003 an. Hiermit wird aber nicht in Zweifel gezogen, dass die für eine vordere Kreuzbandruptur erforderlichen Ödembildungen im Fall des Klägers gesichert werden konnten. Soweit auf den geringen Ausprägungsgrad dieser Ödeme hingewiesen wird, hat bereits der Sachverständige Dr. G. in seinem Gutachten vom 11. September 2012 ausgeführt, dass nach seinem Wissensstand in der radiologischen Litera-tur keine exakten Angaben oder Aussagen dazu existieren, ab welchem Schweregrad ein un-fallbedingtes Knochenmarksödem vom Ausprägungsgrad her für eine Gewalteinwirkung spreche, die in der Lage sei, ein vorderes Kreuzband total oder nur teilweise zur Ruptur zu bringen. Derartige wissenschaftliche Erkenntnisse haben auch die Beratungsärzte der Beklag-ten Dr. H. und Dr. L. nicht mitgeteilt. Auch Dr. L. hat in seiner beratungsärztlichen Stellung-nahme vom 16. Januar 2013 nur ausgeführt, dass Ödembildungen unfallnah am stärksten aus-geprägt sind und dann eine rückläufige Tendenz haben. Eine nachvollziehbare Begründung, warum die im Fall des Klägers zeitnah kernspintomographisch gesicherten Ödeme, die nach der unfallversicherungsrechtlichen Literatur (vgl. nur L. in Der Unfallmann, 13. Auflage 2013, Ziffer 14.6 "Der isolierte Schaden des vorderen Kreuzbandes") typisch für das Schadensbild einer Kreuzbandruptur sind, dennoch nicht ausreichen sollen, wird nicht erbracht. Dasselbe gilt, soweit Dr. L. in der genannten Stellungnahme beanstandet, dass nur ein Reizerguss mit allenfalls geringen Spuren einer Einblutung vorgefunden wurde. In der wissenschaftlichen Literatur ist nicht definiert, dass Derartiges nicht mehr als Zeichen für eine vordere Kreuzbandruptur ausreichen soll. Auch die Ausführungen in den beratungsärztlichen Stel-lungnahmen, dass eine isolierte Ruptur des vorderen Kreuzbandes äußerst selten ist, helfen nicht weiter. Entscheidend ist die Frage, ob eine solche nach den zur Verfügung stehenden Erkenntnissen hinreichend wahrscheinlich gemacht werden kann. Nicht zutreffend sind auch die Ausführungen von Dr. L., wonach sich die deutliche Bewegungseinschränkung am Un-falltag nicht durch die Zusammenhangstrennung des vorderen Kreuzbandes erkläre. Seine Erklärung sei, dass im Zusammenhang getrennte Fasern die Gelenkfunktion gestört hätten. Er bezieht sich hier insoweit auf die Feststellungen des Durchgangsarztes, wonach dieser einen Kniegelenkserguss nicht feststellen konnte. Dabei wird aber der weitere Behandlungsverlauf außen vor gelassen. Es wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Durchgangsarzt bereits einen Ergänzungsbericht wegen Verdacht auf Kniebinnenschaden ausgefüllt hat und bei wei-ter bestehendem Verdacht eine weitere Diagnostik wie z.B. eine MRT für erforderlich hielt. Dem entspricht es auch, dass in den anschließenden Nachschauberichten ausgeführt wurde, dass der Bandapparat schmerz- und schonhaltungsbedingt nicht geprüft werden konnte. Ein geringer Gelenkerguss wurde auch nach den Nachschauberichten als gesichert angesehen. Dies steht auch mit den Ergebnissen der MRT vom 5. Juli 2005 im Einklang.

Daher ergibt sich, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände insbesondere unter Be-rücksichtigung der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinungen mehr für als gegen eine Verursachung der vorderen Kreuzbandruptur durch das Ereignis vom 1. Juli 2005 spricht und kein Raum für einen neben dem Unfallgeschehen naturwissenschaftlich wirksam gewordenen Vorschaden bzw. eine Schadensanlage verbleibt. Diese Überzeugung gewinnt der Senat auf der Grundlage der zeitnahen Bilddiagnostik (MRT vom 6. Juli 2005), dem OP- Bericht vom 26. Juli 2005 und den Gutachten der Dres. U., K. und G ... Wenn die Beklagte dem entgegenhält, dass - in Anlehnung an Dres. H. und L. - die geringe Ödembildung "dafür spricht", dass ein Vorschaden bestand, dann ist damit nur eine Möglichkeit angesprochen. Diese reicht nicht aus, um den Nachweis einer Kreuzbandruptur durch das Ereignis vom 1. Juli 2005 zu erschüttern. Daher steht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass die vor-dere Kreuzbandruptur Folge des Arbeitsunfalls vom 1. Juli 2005 ist.

Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte, selbst wenn man die vordere Kreuzbandruptur nicht als durch den Unfall verursacht ansehen würde, verpflich-tet gewesen wäre, das Ereignis vom 1. Juli 2005 als Unfall anzuerkennen. In jedem Fall lag eine Distorsion des rechten Kniegelenks vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved