Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 27 R 7750/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 1059/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 10. Mai 2012 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Rente wegen Er-werbsminderung hat.
Der 1957 geborene Kläger ist gelernter Maurer (Facharbeiterzeugnis vom 3. Februar 1975) und arbeitete in diesem Beruf mit Unterbrechungen bis Januar 1996. Von April 1996 bis Mai 1997 war er bei der Straßen- und Wegebau G. GmbH in St. als Gerätefahrer beschäftigt und wurde mit 16 DM/Stunde entlohnt (Arbeitsvertrag vom 15. April 1996). Nach der Arbeitgeberauskunft vom 5. Februar 2001 handelte es sich um Kabelverlegearbeiten; die Entlohnung erfolgte in der Lohngruppe VII/2. Nach der am 15. November 2006 beim Sozialgericht (S 11 RJ 2450/02) eingegangenen Auskunft des J. G.handelte es sich um Tiefbauarbeiten, für die keine Ausbildung zum Maurer erforderlich war; Unterlagen aus dieser Zeit habe er nicht mehr. Anschließend war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt beziehungsweise arbeitslos.
Der Rentenantrag vom Juni 2000 war erfolglos. Die Klage gegen die Ablehnung des Überprü-fungsantrags vom 13. März 2001 wies das Sozialgericht Gotha mit Urteil vom 6. März 2007 ab. Auf den Rentenantrag vom Mai 2008 holte die Beklagte u.a. ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 27. Juni 2008 ein und gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 22. August 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Dezember 2008 bis En-de Juli 2010. Auf den Weitergewährungsantrag vom März 2010 zog sie diverse medizinische Unterlagen bei, holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten der Dr. J. vom 3. Juni 2010 (Leistungsfähigkeit für die letzte Tätigkeit unter drei Stunden, sechs Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit zusätzlichen Einschränkungen) ein und lehnte mit Bescheid vom 14. Juni 2010 den Antrag ab. Den Widerspruch wies sie nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens des Dr. Sch. vom 12. August 2010 (leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr) mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2010 zu-rück.
Auf die Klageerhebung hat das Sozialgericht u.a. diverse Befundberichte mit entsprechenden medizinischen Anlagen beigezogen und zwei Gutachten eingeholt. Dr. T. hat in seinem or-thopädischen Gutachten vom 13. Dezember 2011 folgende Diagnosen gestellt: leichte dege-nerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Neigung zu muskulären Befindlichkeitsstö-rungen, leichte Verbiegung der Lendenwirbelsäule mit mäßig ausgeprägtem Bandscheiben-schaden bei L4/5, beginnende Verschleißumformungen der untersten Wirbelgelenke und Zeichen einer Neigung zu verstärkten Verknöcherungen der Wirbelsäule, Haut-, Weichteil- und Knochennarben nach offenem Unterschenkelbruch links mit Weichteilkontrakturen und dadurch mäßig gestörte Beweglichkeit des linken Sprunggelenkes, eben beginnende degenerative Veränderungen der Kniegelenke ohne funktionelle Beeinträchtigung, erhöhte Harnsäure im Blut mit verbliebener Kapselverdickung am linken Großzehengrundgelenk nach Gichtanfall, dezente klinische Hinweise auf beginnende Fingerpolyarthrose der Hände. Der Kläger könne auch unter Berücksichtigung des psychiatrischen Zusatzgutachtens noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche, nicht aus-schließlich im Stehen oder Umhergehen mit gelegentlichem Haltungswechsel, nicht auf unebenem Gelände, auf Leitern und Gerüsten, nicht in kaltem oder nassem Milieu verrichten. Nach dem nervenärztlichen Zusatzgutachten des Dr. B.vom 2. Januar 2012 leidet der Kläger an einer leicht bis mittel ausgeprägten mehrdimensionalen psychosomatischen (neurotischen) Störung, die in einer leicht bis deutlich reduzierten Stress-Belastbarkeit resultiert. Er sei noch in der Lage regelmäßig über sechs Stunden tätig zu sein. Mit Urteil vom 10. Mai 2012 hat das Sozialgericht die Klage unter Hinweis auf die beiden eingeholten Gutachten abgewiesen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, denn ihm müsse als Ungelerntem, allenfalls Angelerntem keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden.
Gegen die Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt und u.a. vorgetragen, das Urteil berücksichtige nicht ausreichend seine gesundheitlichen Beschwerden und deren stetes Fort-schreiten. Die eingeholten Befundberichte belegten eindeutig seine Erwerbsunfähigkeit. Er sei nicht mehr in der Lage mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten. Er begehre ein gerechtes Urteil.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 10. Mai 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2010 zu verurteilen, ihm Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit über den 31. Juli 2010 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie rügt, dass das Sozialgericht ohne ihre Zustimmung ohne mündliche Verhandlung ent-schieden habe und verweist im Übrigen auf die ergänzende Stellungnahe des Dr. T. vom 7. Oktober 2013.
Der Senat hat Befundberichte mit diversen medizinischen Anlagen des Orthopäden Dr. L. vom 7. Juni 2013, der Fachärztin für Neurologie Dipl.-Med. S. vom 19. Juni 2013 sowie der Allgemeinmedizinerin Dipl.-Med. H. vom 21. Juni 2013 beigezogen, den Beteiligten ein be-rufskundliches Gutachten der H. J. vom 6. Juni 2004 aus einem anderen Verfahren des Senats (L 6 RJ 301/02) zur Tätigkeit eines Produktionshelfers übersandt und eine ergänzende Stel-lungnahme des Dr. T. vom 7. Oktober 2013 eingeholt. Danach ergibt sich aus den im Beru-fungsverfahren beigezogenen medizinischen Unterlagen keine Änderung seiner Leistungsein-schätzung. Der Kläger könne auch die Tätigkeit des Produktionshelfers problemlos mindestens sechs Stunden täglich ausüben.
Auf Anfrage des Senats haben die Beteiligten einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund des ausdrücklich erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Zwar ist das Urteil der Vorinstanz verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 124 Abs. 2 SGG das Einverständnis der Beklagten zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht vorgelegen hat und damit der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 135/04 B, nach juris.) Dieser Verfahrensfehler wird allerdings durch das Berufungsverfahren geheilt. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Er-werbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach den §§ 43, 240 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Fassung ab 1. Januar 2001 (n.F.) scheidet aus, denn seine Leistungsfähigkeit ist nicht in dem für eine Rentengewährung erforderlichen Umfang herabgesunken. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI n.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbs-gemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn die Versicherten voll erwerbsgemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Voll erwerbsgemindert sind sie, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 241 SGB VI) erfüllen.
Der Kläger ist nicht berufsunfähig i.S.v. § 240 SGB VI, weil seine Leistungsfähigkeit nicht in erforderlichem Umfang herabgesunken ist. Damit ist er auch nicht voll oder teilweise er-werbsgemindert i.S.v. § 43 SGB VI, denn dies setzt noch weitergehende Einschränkungen des Leistungsvermögens voraus als für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbs-minderung bei Berufsunfähigkeit.
Nach § 240 Abs. 2 S. 1 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Nach Satz 2 umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nach Satz 4 nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich aus-üben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Berufsunfähig-keit liegt nicht schon dann vor, wenn der Versicherte "seinen Beruf" nicht mehr ausüben kann, sondern erst dann, wenn eine Verweisung auf eine zumutbare andere Tätigkeit nicht mehr möglich ist.
Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit wird grundsätzlich nach der Wertigkeit des bis-herigen Berufes festgestellt, wozu die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) das so genannte Mehrstufenschema entwickelt hat. Die verschiedenen Stufen sind nach dem qualitativen Wert des bisherigen Berufes – dieser wird nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung, nicht anhand von Prestige oder Entlohnung bestimmt – hierarchisch geordnet (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 14. Mai 1996 – 4 RA 60/94 in BSGE 78, 207, 218 und vom 24. März 1998 – B 4 RA 44/96 R, nach juris). Die Arbeiterberufe werden durch das Mehrstufenschema in Gruppen untergliedert, die durch den Leitberuf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (vgl. BSG, Urteil vom 3. November 1994 – 13 RJ 77/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 49).
Die Einordnung eines bestimmten Berufsschemas erfolgt nicht ausschließlich nach der Dauer der förmlichen Berufsausbildung, sondern auch nach der Qualität der verrichteten Arbeit, das heißt dem aus der Mehrzahl von Faktoren zu ermittelten Wert der Arbeit für den Betrieb (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1994 – 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Es kommt somit auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufes, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird. Fachlich-qualitativ gleichwertig sind demnach alle Vergleichsberufe, die nach dem "Schema" in die gleiche oder in die nächst niedrigerer Stufe einzuordnen sind. Wesentliches Merkmal und Beurteilungsmaßstab für die Qualität eines Berufes ist nach der Rechtsprechung des BSG die tarifliche Einstufung durch die Tarifvertragsparteien. Sie ist einerseits wesentlich für die abstrakte - "tarifvertragliche" - Qualifizierung (im Sinne eines selbstständigen Berufsbildes) innerhalb eines nach Qualitätsstufen geordneten Tarifvertrages, zum anderen für die tarifliche Zuordnung der konkreten, zuletzt ausgeübten Tätigkeit eines Versicherten zu einer Berufssparte und hierüber zu einer bestimmten Tarifgruppe des jeweils geltenden Tarifvertrages (vgl. BSG, Urteile vom 28. Mai 1991 – 13/5 RJ 69/90 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 14 und vom 21. Juni 2001 – B 13 RJ 45/00 R, nach juris).
Der Kläger ist als Ungelernter einzustufen. Seinen erlernten Beruf als Maurer hat er nach eigenen Angaben 1996 nicht aus medizinischen Gründen (Kündigung) aufgegeben. Bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Tiefbauarbeiter handelte es sich nach der Arbeitgeberauskunft vom 5. Februar 2001 nicht um eine Facharbeiter- sondern um eine ungelernte Tätigkeit mit einer Anlernzeit von weniger als drei Monaten. Nach den am 15. November 2006 im Verfahren S 11 RJ 2450/02 eingegangenen Angaben hätte ein Ungelernter sie innerhalb von 14 Tagen erlernen können. In Übrigen wurde der Kläger nach der Lohngruppe VII/2 (Bauwerker) entlohnt, die für Arbeitnehmer vorgesehen ist, die einfache Bauarbeiten verrichten (vgl. An-hang zum Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 3. Februar 1981 in der Fassung vom 15.Mai 2001). Dem steht der Arbeitsvertrag vom 15. April 1996 nicht entgegen, denn die dort aufgeführte Tätigkeit "Maurer" stimmte nach den Angaben des Arbeitgebers nicht mit den tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten (Kabelverlegung) überein.
Zwar kann der Kläger mit seinen Einschränkungen die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausüben. Anhaltspunkte für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bestehen nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG muss Ungelernten und Angelernten des unteren Bereichs dann keine zumutbare Verweisungstätigkeit benannt werden. Der Senat verweist den Kläger trotzdem hilfsweise auf die zumutbare und angesichts der gesundheitlichen Einschränkungen mögliche ungelernte Tätigkeit als Produktionshelfer entsprechend dem beigezogenen Gutachten der Sachverständigen Janke vom 6. Juni 2004 aus einem anderen Verfahren des Senats (L 6 RJ 301/02). Es handelt sich um einfache wiederkehrende Tätigkeiten, die in vielen Branchen und bei unterschiedlichsten Produkten anzutreffen sind, zum Teil auch bei Firmen, die sich auf derartige Arbeiten im Kundenauftrag spezialisiert haben und die nach kurzer Einweisung ausgeübt werden können. In nennenswerter Zahl sind sie z.B. in der Metall-, Elektro- oder Kunststoffindustrie sowie im Spielwaren und Hobbybereich vorhanden. Sie belasten nur leicht; Wirbelsäulen- oder gelenkbelastende Körperhaltungen kommen nicht vor. Das Arbeitstempo wird nicht durch Maschinen und Anlagen vorgegeben; der Lohn wird nicht nach Akkordsätzen errechnet. Als Einzelaufgaben werden Waren beklebt, eingehüllt, gezählt, sortiert; es werden Abziehbilder, Warenzeichen oder Etiketten angebracht. Eingepackt wird in Papp-, Holzschachteln oder sonstige Behältnisse. Als Beispiel nennt die Sach-verständige leichte Verpackungsarbeiten in der Dentalbranche. Dabei werden die im Unter-nehmen hergestellten Produkte in der Endverpackung so verpackt, wie sie an den Endverbraucher ausgeliefert werden. Z.B. werden kleine Dosen in Faltschachteln gepackt, Spritzen werden in Tiefziehteile gelegt und kommen dann zusammen mit einer Gebrauchsanweisung oder Mischblöcken in die Faltschachtel. Die Tätigkeit ist körperlich leicht und das Gewicht der zu verpackenden Teile liegt unter fünf Kilogramm. Sie kann im Wechsel von Gehen und Stehen erledigt werden; es kann auch gesessen werden.
Diese Tätigkeit kann der Kläger noch ausüben, wie Dr. T. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 7. Oktober 2013 auch unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren beigezogenen Unterlagen bestätigt hat. Bei seiner Untersuchung am 13. Dezember 2011 hat er eine altersgenügende symmetrische Beweglichkeit der HWS und bei der manuellen Untersuchung keine isolierten manuellen Funktionsstörungen festgestellt. Die Röntgenaufnahmen zeigen altersübliche degenerative Veränderungen an den Wirbelkörpern, jedoch keine groben Band-scheibenschäden. Die geklagten Beschwerden an der LWS hat er als nicht plausibel beschrieben. Bei einer tatsächlich eingeschränkten Beweglichkeit hätte der Kläger im Langsitz seine Füße mit den Fingern nicht erreichen können. Segmentale Funktionsstörungen, neurogene Reizerscheinungen oder nennenswerte Ausfallerscheinungen waren nicht feststellbar. Die hyperostotische Spondylose (Morbus Forestier) ist für die Leistungsbewertung ebenso wenig relevant wie die leichte Seitenverbiegung der LWS. Der offene Unterschenkelbruch mit Ver-letzung der Weichteile hat großflächige Vernarbungen der Haut und Wadenmuskulatur hinter-lassen, die Muskelfunktion jedoch nicht wesentlich beeinträchtigt. Die leichte Spitzfußhaltung ist nicht ausgeprägt und kann schuhtechnisch ausglichen werden. Mangels bedeutsamen Schadens am linken Fuß bestehen erhebliche Bedenken gegen die angebliche Notwendigkeit der Nutzung von Unterarmgehstöcken, die im Übrigen bei nahezu seitengleicher Fußsohlenbeschwielung nicht plausibel ist. Die vorgetragenen Kniebeschwerden sind mangels Funktionsstörung nicht objektivierbar. Der erhöhte Harnsäurespiegel des Bluts führt zu keiner rele-vanten Leistungsminderung. Eine relevante Funktionsstörung der Hände ist bisher nicht feststellbar. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten zusammenführend die Leistungsfähigkeit des Klägers unter Berücksichtigung beider Fachgebiete für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mit den im Tatbestand genannten Einschränkungen bestätigt.
Dr. B. hat in seinem nervenärztlichen Zusatzgutachten vom 2. Januar 2012 ausgeführt, dass die ängstlich-dysthymsomatoforme Symptomatik des Klägers der bewussten Kontrolle und Steuerung teilweise nicht zugänglich ist und eine krankheitswertige seelische Störung vorliegt. Der Sachverständige hat allerdings darauf hingewiesen, dass der Kläger mit entsprechender Willensanspannung die Auswirkungen dieser Störung überwinden und eine leidensgerechte Erwerbstätigkeit ausüben kann. Diese Prüfung ist bei der Begutachtung von chronischen Schmerzen immer erforderlich (vgl. Widder et al., Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen 2012, AWMF-Register Nr. 030/102 S2k). Hierfür sprechen die Stabilisierung der Symptomatik, der fehlende ausgeprägte Leidensdruck, der sekundäre Krankheitsgewinn und die Gestaltung des Alltags (Haushalt, Hobbies). Der Kläger kann allerdings keine Tätigkeiten mit erhöhtem Stress (d.h. Wechsel- und Nachtschicht, vermehrtem Publikumsverkehr) oder Tätigkeiten in absturzgefährdenden Situationen ausüben, was bei der Produktionshelfertätigkeit aber nicht erforderlich ist. Weitere qualitative Einschränkungen sind nervenärztlich nicht gegeben.
Nach der ergänzenden Stellungnahme des Dr. T. vom 7. Oktober 2013 ist in der Zwischenzeit keine Verschlechterung des Leistungsvermögens eingetreten. Die in den beigezogenen Unter-lagen aufgeführten Einschränkungen haben bereits bei seiner Untersuchung vorgelegen und sind im Gutachten ausreichend berücksichtigt worden.
Die im Entlassungsbericht des Klinikums M. GmbH vom 6. Juni 2012 aufgeführte Diagnose Schlafapnoesyndrom begründet ebenfalls keine relevante Leistungsminderung. Kriterium eines erheblichen Schweregrads ist nach der medizinischen Literatur (vgl. Fischer "Krankheiten der Atmungsorgane" in Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, hrs. Deutsche Rentenversicherung Bund, 7. Auflage 2011, S. 360) vor allem eine schwere Tagesschläfrigkeit oder schwere Insomnie. Sie werden im Schlaflaborbericht der Klinikum M. GmbH vom 13. Juni 2012 nicht bestätigt. Im Übrigen ist das Syndrom nach dem Bericht vom 24. September 2012 "suffizient behandelt" und dem Kläger gehe es nach eigenem Bekunden unter der Behandlung gut. Die Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms Stadium III nach Gerbershagen im Bericht des Medizinischen Versorgungszentrums B. S. ist zur Begründung einer Leistungseinschränkung nicht verwertbar, denn dieser Chronifizierungsgrad kann ausschließlich auf eigenen Schmerzangaben des Klägers beruhen (vgl. Widder in Widder/Gaidzig, Begutachtung in der Neurologie, 2. Auflage 2011, Bl. 390). Allein aus der Chronifizierung eines Leidens kann aber nicht auf die Qualität oder Quantität einer Leistungseinbuße geschlossen werden (vgl. Senatsurteil vom 27. November 2012 - L 6 R 851/09; LSG Berlin, Urteil vom 22. Juli 2004 - Az.: L 3 RJ 15/03, nach juris).
Im Ergebnis entspricht die Einschätzung der Dres T. und B. auch der im Gutachten des Dr. Sch. vom 12. August 2010.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Rente wegen Er-werbsminderung hat.
Der 1957 geborene Kläger ist gelernter Maurer (Facharbeiterzeugnis vom 3. Februar 1975) und arbeitete in diesem Beruf mit Unterbrechungen bis Januar 1996. Von April 1996 bis Mai 1997 war er bei der Straßen- und Wegebau G. GmbH in St. als Gerätefahrer beschäftigt und wurde mit 16 DM/Stunde entlohnt (Arbeitsvertrag vom 15. April 1996). Nach der Arbeitgeberauskunft vom 5. Februar 2001 handelte es sich um Kabelverlegearbeiten; die Entlohnung erfolgte in der Lohngruppe VII/2. Nach der am 15. November 2006 beim Sozialgericht (S 11 RJ 2450/02) eingegangenen Auskunft des J. G.handelte es sich um Tiefbauarbeiten, für die keine Ausbildung zum Maurer erforderlich war; Unterlagen aus dieser Zeit habe er nicht mehr. Anschließend war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt beziehungsweise arbeitslos.
Der Rentenantrag vom Juni 2000 war erfolglos. Die Klage gegen die Ablehnung des Überprü-fungsantrags vom 13. März 2001 wies das Sozialgericht Gotha mit Urteil vom 6. März 2007 ab. Auf den Rentenantrag vom Mai 2008 holte die Beklagte u.a. ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 27. Juni 2008 ein und gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 22. August 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Dezember 2008 bis En-de Juli 2010. Auf den Weitergewährungsantrag vom März 2010 zog sie diverse medizinische Unterlagen bei, holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten der Dr. J. vom 3. Juni 2010 (Leistungsfähigkeit für die letzte Tätigkeit unter drei Stunden, sechs Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit zusätzlichen Einschränkungen) ein und lehnte mit Bescheid vom 14. Juni 2010 den Antrag ab. Den Widerspruch wies sie nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens des Dr. Sch. vom 12. August 2010 (leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr) mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2010 zu-rück.
Auf die Klageerhebung hat das Sozialgericht u.a. diverse Befundberichte mit entsprechenden medizinischen Anlagen beigezogen und zwei Gutachten eingeholt. Dr. T. hat in seinem or-thopädischen Gutachten vom 13. Dezember 2011 folgende Diagnosen gestellt: leichte dege-nerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Neigung zu muskulären Befindlichkeitsstö-rungen, leichte Verbiegung der Lendenwirbelsäule mit mäßig ausgeprägtem Bandscheiben-schaden bei L4/5, beginnende Verschleißumformungen der untersten Wirbelgelenke und Zeichen einer Neigung zu verstärkten Verknöcherungen der Wirbelsäule, Haut-, Weichteil- und Knochennarben nach offenem Unterschenkelbruch links mit Weichteilkontrakturen und dadurch mäßig gestörte Beweglichkeit des linken Sprunggelenkes, eben beginnende degenerative Veränderungen der Kniegelenke ohne funktionelle Beeinträchtigung, erhöhte Harnsäure im Blut mit verbliebener Kapselverdickung am linken Großzehengrundgelenk nach Gichtanfall, dezente klinische Hinweise auf beginnende Fingerpolyarthrose der Hände. Der Kläger könne auch unter Berücksichtigung des psychiatrischen Zusatzgutachtens noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche, nicht aus-schließlich im Stehen oder Umhergehen mit gelegentlichem Haltungswechsel, nicht auf unebenem Gelände, auf Leitern und Gerüsten, nicht in kaltem oder nassem Milieu verrichten. Nach dem nervenärztlichen Zusatzgutachten des Dr. B.vom 2. Januar 2012 leidet der Kläger an einer leicht bis mittel ausgeprägten mehrdimensionalen psychosomatischen (neurotischen) Störung, die in einer leicht bis deutlich reduzierten Stress-Belastbarkeit resultiert. Er sei noch in der Lage regelmäßig über sechs Stunden tätig zu sein. Mit Urteil vom 10. Mai 2012 hat das Sozialgericht die Klage unter Hinweis auf die beiden eingeholten Gutachten abgewiesen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, denn ihm müsse als Ungelerntem, allenfalls Angelerntem keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden.
Gegen die Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt und u.a. vorgetragen, das Urteil berücksichtige nicht ausreichend seine gesundheitlichen Beschwerden und deren stetes Fort-schreiten. Die eingeholten Befundberichte belegten eindeutig seine Erwerbsunfähigkeit. Er sei nicht mehr in der Lage mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten. Er begehre ein gerechtes Urteil.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 10. Mai 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2010 zu verurteilen, ihm Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit über den 31. Juli 2010 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie rügt, dass das Sozialgericht ohne ihre Zustimmung ohne mündliche Verhandlung ent-schieden habe und verweist im Übrigen auf die ergänzende Stellungnahe des Dr. T. vom 7. Oktober 2013.
Der Senat hat Befundberichte mit diversen medizinischen Anlagen des Orthopäden Dr. L. vom 7. Juni 2013, der Fachärztin für Neurologie Dipl.-Med. S. vom 19. Juni 2013 sowie der Allgemeinmedizinerin Dipl.-Med. H. vom 21. Juni 2013 beigezogen, den Beteiligten ein be-rufskundliches Gutachten der H. J. vom 6. Juni 2004 aus einem anderen Verfahren des Senats (L 6 RJ 301/02) zur Tätigkeit eines Produktionshelfers übersandt und eine ergänzende Stel-lungnahme des Dr. T. vom 7. Oktober 2013 eingeholt. Danach ergibt sich aus den im Beru-fungsverfahren beigezogenen medizinischen Unterlagen keine Änderung seiner Leistungsein-schätzung. Der Kläger könne auch die Tätigkeit des Produktionshelfers problemlos mindestens sechs Stunden täglich ausüben.
Auf Anfrage des Senats haben die Beteiligten einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund des ausdrücklich erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Zwar ist das Urteil der Vorinstanz verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 124 Abs. 2 SGG das Einverständnis der Beklagten zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht vorgelegen hat und damit der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 135/04 B, nach juris.) Dieser Verfahrensfehler wird allerdings durch das Berufungsverfahren geheilt. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Er-werbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach den §§ 43, 240 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Fassung ab 1. Januar 2001 (n.F.) scheidet aus, denn seine Leistungsfähigkeit ist nicht in dem für eine Rentengewährung erforderlichen Umfang herabgesunken. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI n.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbs-gemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn die Versicherten voll erwerbsgemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Voll erwerbsgemindert sind sie, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 241 SGB VI) erfüllen.
Der Kläger ist nicht berufsunfähig i.S.v. § 240 SGB VI, weil seine Leistungsfähigkeit nicht in erforderlichem Umfang herabgesunken ist. Damit ist er auch nicht voll oder teilweise er-werbsgemindert i.S.v. § 43 SGB VI, denn dies setzt noch weitergehende Einschränkungen des Leistungsvermögens voraus als für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbs-minderung bei Berufsunfähigkeit.
Nach § 240 Abs. 2 S. 1 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Nach Satz 2 umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nach Satz 4 nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich aus-üben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Berufsunfähig-keit liegt nicht schon dann vor, wenn der Versicherte "seinen Beruf" nicht mehr ausüben kann, sondern erst dann, wenn eine Verweisung auf eine zumutbare andere Tätigkeit nicht mehr möglich ist.
Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit wird grundsätzlich nach der Wertigkeit des bis-herigen Berufes festgestellt, wozu die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) das so genannte Mehrstufenschema entwickelt hat. Die verschiedenen Stufen sind nach dem qualitativen Wert des bisherigen Berufes – dieser wird nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung, nicht anhand von Prestige oder Entlohnung bestimmt – hierarchisch geordnet (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 14. Mai 1996 – 4 RA 60/94 in BSGE 78, 207, 218 und vom 24. März 1998 – B 4 RA 44/96 R, nach juris). Die Arbeiterberufe werden durch das Mehrstufenschema in Gruppen untergliedert, die durch den Leitberuf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (vgl. BSG, Urteil vom 3. November 1994 – 13 RJ 77/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 49).
Die Einordnung eines bestimmten Berufsschemas erfolgt nicht ausschließlich nach der Dauer der förmlichen Berufsausbildung, sondern auch nach der Qualität der verrichteten Arbeit, das heißt dem aus der Mehrzahl von Faktoren zu ermittelten Wert der Arbeit für den Betrieb (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1994 – 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Es kommt somit auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufes, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird. Fachlich-qualitativ gleichwertig sind demnach alle Vergleichsberufe, die nach dem "Schema" in die gleiche oder in die nächst niedrigerer Stufe einzuordnen sind. Wesentliches Merkmal und Beurteilungsmaßstab für die Qualität eines Berufes ist nach der Rechtsprechung des BSG die tarifliche Einstufung durch die Tarifvertragsparteien. Sie ist einerseits wesentlich für die abstrakte - "tarifvertragliche" - Qualifizierung (im Sinne eines selbstständigen Berufsbildes) innerhalb eines nach Qualitätsstufen geordneten Tarifvertrages, zum anderen für die tarifliche Zuordnung der konkreten, zuletzt ausgeübten Tätigkeit eines Versicherten zu einer Berufssparte und hierüber zu einer bestimmten Tarifgruppe des jeweils geltenden Tarifvertrages (vgl. BSG, Urteile vom 28. Mai 1991 – 13/5 RJ 69/90 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 14 und vom 21. Juni 2001 – B 13 RJ 45/00 R, nach juris).
Der Kläger ist als Ungelernter einzustufen. Seinen erlernten Beruf als Maurer hat er nach eigenen Angaben 1996 nicht aus medizinischen Gründen (Kündigung) aufgegeben. Bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Tiefbauarbeiter handelte es sich nach der Arbeitgeberauskunft vom 5. Februar 2001 nicht um eine Facharbeiter- sondern um eine ungelernte Tätigkeit mit einer Anlernzeit von weniger als drei Monaten. Nach den am 15. November 2006 im Verfahren S 11 RJ 2450/02 eingegangenen Angaben hätte ein Ungelernter sie innerhalb von 14 Tagen erlernen können. In Übrigen wurde der Kläger nach der Lohngruppe VII/2 (Bauwerker) entlohnt, die für Arbeitnehmer vorgesehen ist, die einfache Bauarbeiten verrichten (vgl. An-hang zum Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 3. Februar 1981 in der Fassung vom 15.Mai 2001). Dem steht der Arbeitsvertrag vom 15. April 1996 nicht entgegen, denn die dort aufgeführte Tätigkeit "Maurer" stimmte nach den Angaben des Arbeitgebers nicht mit den tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten (Kabelverlegung) überein.
Zwar kann der Kläger mit seinen Einschränkungen die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausüben. Anhaltspunkte für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bestehen nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG muss Ungelernten und Angelernten des unteren Bereichs dann keine zumutbare Verweisungstätigkeit benannt werden. Der Senat verweist den Kläger trotzdem hilfsweise auf die zumutbare und angesichts der gesundheitlichen Einschränkungen mögliche ungelernte Tätigkeit als Produktionshelfer entsprechend dem beigezogenen Gutachten der Sachverständigen Janke vom 6. Juni 2004 aus einem anderen Verfahren des Senats (L 6 RJ 301/02). Es handelt sich um einfache wiederkehrende Tätigkeiten, die in vielen Branchen und bei unterschiedlichsten Produkten anzutreffen sind, zum Teil auch bei Firmen, die sich auf derartige Arbeiten im Kundenauftrag spezialisiert haben und die nach kurzer Einweisung ausgeübt werden können. In nennenswerter Zahl sind sie z.B. in der Metall-, Elektro- oder Kunststoffindustrie sowie im Spielwaren und Hobbybereich vorhanden. Sie belasten nur leicht; Wirbelsäulen- oder gelenkbelastende Körperhaltungen kommen nicht vor. Das Arbeitstempo wird nicht durch Maschinen und Anlagen vorgegeben; der Lohn wird nicht nach Akkordsätzen errechnet. Als Einzelaufgaben werden Waren beklebt, eingehüllt, gezählt, sortiert; es werden Abziehbilder, Warenzeichen oder Etiketten angebracht. Eingepackt wird in Papp-, Holzschachteln oder sonstige Behältnisse. Als Beispiel nennt die Sach-verständige leichte Verpackungsarbeiten in der Dentalbranche. Dabei werden die im Unter-nehmen hergestellten Produkte in der Endverpackung so verpackt, wie sie an den Endverbraucher ausgeliefert werden. Z.B. werden kleine Dosen in Faltschachteln gepackt, Spritzen werden in Tiefziehteile gelegt und kommen dann zusammen mit einer Gebrauchsanweisung oder Mischblöcken in die Faltschachtel. Die Tätigkeit ist körperlich leicht und das Gewicht der zu verpackenden Teile liegt unter fünf Kilogramm. Sie kann im Wechsel von Gehen und Stehen erledigt werden; es kann auch gesessen werden.
Diese Tätigkeit kann der Kläger noch ausüben, wie Dr. T. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 7. Oktober 2013 auch unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren beigezogenen Unterlagen bestätigt hat. Bei seiner Untersuchung am 13. Dezember 2011 hat er eine altersgenügende symmetrische Beweglichkeit der HWS und bei der manuellen Untersuchung keine isolierten manuellen Funktionsstörungen festgestellt. Die Röntgenaufnahmen zeigen altersübliche degenerative Veränderungen an den Wirbelkörpern, jedoch keine groben Band-scheibenschäden. Die geklagten Beschwerden an der LWS hat er als nicht plausibel beschrieben. Bei einer tatsächlich eingeschränkten Beweglichkeit hätte der Kläger im Langsitz seine Füße mit den Fingern nicht erreichen können. Segmentale Funktionsstörungen, neurogene Reizerscheinungen oder nennenswerte Ausfallerscheinungen waren nicht feststellbar. Die hyperostotische Spondylose (Morbus Forestier) ist für die Leistungsbewertung ebenso wenig relevant wie die leichte Seitenverbiegung der LWS. Der offene Unterschenkelbruch mit Ver-letzung der Weichteile hat großflächige Vernarbungen der Haut und Wadenmuskulatur hinter-lassen, die Muskelfunktion jedoch nicht wesentlich beeinträchtigt. Die leichte Spitzfußhaltung ist nicht ausgeprägt und kann schuhtechnisch ausglichen werden. Mangels bedeutsamen Schadens am linken Fuß bestehen erhebliche Bedenken gegen die angebliche Notwendigkeit der Nutzung von Unterarmgehstöcken, die im Übrigen bei nahezu seitengleicher Fußsohlenbeschwielung nicht plausibel ist. Die vorgetragenen Kniebeschwerden sind mangels Funktionsstörung nicht objektivierbar. Der erhöhte Harnsäurespiegel des Bluts führt zu keiner rele-vanten Leistungsminderung. Eine relevante Funktionsstörung der Hände ist bisher nicht feststellbar. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten zusammenführend die Leistungsfähigkeit des Klägers unter Berücksichtigung beider Fachgebiete für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mit den im Tatbestand genannten Einschränkungen bestätigt.
Dr. B. hat in seinem nervenärztlichen Zusatzgutachten vom 2. Januar 2012 ausgeführt, dass die ängstlich-dysthymsomatoforme Symptomatik des Klägers der bewussten Kontrolle und Steuerung teilweise nicht zugänglich ist und eine krankheitswertige seelische Störung vorliegt. Der Sachverständige hat allerdings darauf hingewiesen, dass der Kläger mit entsprechender Willensanspannung die Auswirkungen dieser Störung überwinden und eine leidensgerechte Erwerbstätigkeit ausüben kann. Diese Prüfung ist bei der Begutachtung von chronischen Schmerzen immer erforderlich (vgl. Widder et al., Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen 2012, AWMF-Register Nr. 030/102 S2k). Hierfür sprechen die Stabilisierung der Symptomatik, der fehlende ausgeprägte Leidensdruck, der sekundäre Krankheitsgewinn und die Gestaltung des Alltags (Haushalt, Hobbies). Der Kläger kann allerdings keine Tätigkeiten mit erhöhtem Stress (d.h. Wechsel- und Nachtschicht, vermehrtem Publikumsverkehr) oder Tätigkeiten in absturzgefährdenden Situationen ausüben, was bei der Produktionshelfertätigkeit aber nicht erforderlich ist. Weitere qualitative Einschränkungen sind nervenärztlich nicht gegeben.
Nach der ergänzenden Stellungnahme des Dr. T. vom 7. Oktober 2013 ist in der Zwischenzeit keine Verschlechterung des Leistungsvermögens eingetreten. Die in den beigezogenen Unter-lagen aufgeführten Einschränkungen haben bereits bei seiner Untersuchung vorgelegen und sind im Gutachten ausreichend berücksichtigt worden.
Die im Entlassungsbericht des Klinikums M. GmbH vom 6. Juni 2012 aufgeführte Diagnose Schlafapnoesyndrom begründet ebenfalls keine relevante Leistungsminderung. Kriterium eines erheblichen Schweregrads ist nach der medizinischen Literatur (vgl. Fischer "Krankheiten der Atmungsorgane" in Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, hrs. Deutsche Rentenversicherung Bund, 7. Auflage 2011, S. 360) vor allem eine schwere Tagesschläfrigkeit oder schwere Insomnie. Sie werden im Schlaflaborbericht der Klinikum M. GmbH vom 13. Juni 2012 nicht bestätigt. Im Übrigen ist das Syndrom nach dem Bericht vom 24. September 2012 "suffizient behandelt" und dem Kläger gehe es nach eigenem Bekunden unter der Behandlung gut. Die Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms Stadium III nach Gerbershagen im Bericht des Medizinischen Versorgungszentrums B. S. ist zur Begründung einer Leistungseinschränkung nicht verwertbar, denn dieser Chronifizierungsgrad kann ausschließlich auf eigenen Schmerzangaben des Klägers beruhen (vgl. Widder in Widder/Gaidzig, Begutachtung in der Neurologie, 2. Auflage 2011, Bl. 390). Allein aus der Chronifizierung eines Leidens kann aber nicht auf die Qualität oder Quantität einer Leistungseinbuße geschlossen werden (vgl. Senatsurteil vom 27. November 2012 - L 6 R 851/09; LSG Berlin, Urteil vom 22. Juli 2004 - Az.: L 3 RJ 15/03, nach juris).
Im Ergebnis entspricht die Einschätzung der Dres T. und B. auch der im Gutachten des Dr. Sch. vom 12. August 2010.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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