L 1 U 1495/13

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 17 U 4960/08
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 1495/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein vom Gericht mit der Erstattung eines psychiatrischen Gutachtens beauftragter Sachverständiger ist verpflichtet, das explorierende Gespräch mit dem Probanden im wesentlichen Umfang selbst durchzuführen (vgl. BSG, Beschluss vom 17. April 2013, Az.: B 9 V 36/12 B). Diese Pflicht wird verletzt, wenn der Sachverständige seinen Zeitaufwand an der Erstellung des Gutachtens mit einer Dreiviertelstunde angibt, insgesamt aber vier Stunden für die Exploration abgerechnet werden.

2. Wird durch den Hauptgutachter die Genehmigung zur Einholung eines psychologischen Zusatzgutachtens durch einen Psychologen „aus unserer Klinik“ beantragt, so hat das Gericht den Zusatzgutachter namentlich zu benennen.

3. Ihrer nach §§ 202 SGG, 295 Abs. 1 ZPO bestehenden Rügeobliegenheit kann die Beklagte auch durch Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme genügen, sofern in dieser der prozessuale Mangel des Gutachtens deutlich wird.

4. Voraussetzung für die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls ist sowohl eine einzelfallbezogene positive Feststellung ihres Vorliegens als auch ihrer Verursachung nach der Bedingungstheorie. Das erforderliche Vermeidungsverhalten ist insbesondere dann, wenn ein Lokführer nach dem traumatischen Ereignis seiner Tätigkeit wieder nachgeht und erst 19 Monate später der Verdacht auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung geäußert wird, anhand der vorliegenden klinischen Befunde kritisch zu prüfen. Ihre Diagnose kann nicht ausschließlich auf testpsychologische Ergebnisse gestützt werden. Standardisierte Messinstrumente können die Diagnosestellung lediglich unterstützen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 27. Mai 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin - als Sonderrechtsnachfolgerin ihres im Jahre 1944 geborenen und am 4. Dezember 2013 an den Folgen eines multiplen Myeloms (= bösartiger Erkrankung des Knochenmarks) verstorbenen Ehemannes (im Folgenden Versicherter) - die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Unfallfolge und Verletztenrente bis zum 31. Dezember 2013 beanspruchen kann.

Der Versicherte war als Lokführer tätig und erlitt am 20. Januar 2006 einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, als er einen Suizidenten mit dem ICE erfasste. Der Durchgangsarzt (ein Chirurg) diagnostizierte äußerlich keine Verletzungsanzeichen, stellte aber eine psychische Belastungsreaktion fest. Anschließend war der Versicherte bei der Psychologin W. in Behandlung. Er war bis zum 21. Februar 2006 arbeitsunfähig und nahm danach seine Tätigkeit als Lokführer wieder auf. Ab dem 2. Oktober 2007 war er erneut arbeitsunfähig. Der Ver-sicherte führte diese erneute Arbeitsunfähigkeit auf die Folgen des Ereignisses vom 20. Januar 2006 zurück. Daraufhin leitete die Beklagte Ermittlungen ein und zog insbesondere Be-handlungsberichte der Psychologin W. bei. Ein Reha-Entlassungsbericht vom 3. April 2007 über eine im Zeitraum vom 13. März bis 2. April 2007 in der Reha-Klinik D. GmbH zu Lasten der Gesetzlichen Rentenversicherung durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme wurde außerdem beigezogen. Als Diagnose auf psychiatrischem Fachgebiet wurden in dem Entlassungsbericht "Phasen von Erschöpfung F.48.0" festgehalten (F 48.0 bezeichnet nach Internationaler Klassifikation eine Neurasthenie). In einem Bericht vom 3. Januar 2008 an die Beklagte gelangte die Psychologin W. zu dem Ergebnis, dass bei dem Versicherten das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung vorliege. Sie empfahl eine traumatherapeutische Behandlung. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. B. führte in einer Stellungnahme vom 24. Januar 2008 aus, dass der Befundbericht vom 3. Januar 2008 zwar Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung beschreibe, aber unklar bleibe, inwieweit andere Persönlichkeitsfaktoren eine Rolle spielten. Inwieweit die jetzige Symptomatik Folge des Ereignisses vom 20. Januar 2006 sei, bleibe unbelegt. In einem weiteren Bericht vom 10. April 2008 teilte die Psychologin W. mit, dass das Ereignis ganz ordentlich verarbeitet zu sein scheine, und wahrscheinlich die Summierung der Ereignisse im gesamten Berufsleben die Probleme bereite. Eine Traumatherapie sei zurzeit nicht mehr indiziert, da ein weiteres Aufwühlen der gut integrierten Einzelereignisse die Situation eher verschlechtern würde. Daraufhin teilte der Beratungsarzt der Beklagten Dr. B. in einer Stellungnahme vom 1. Mai 2008 mit, dass eine Anpassungsstörung als Folge des Ereignisses vom 20. Januar 2006 im Prinzip plausibel sei.

Dem folgend erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Mai 2008 das Ereignis vom 20. Januar 2006 als Arbeitsunfall mit der Folge einer Anpassungsstörung und bestehender unfallbedingter Arbeitsunfähig- und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 21. Februar 2006 an. Darüber hinaus bestehende Beschwerden seien nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen. Hiergegen legte der Versicherte am 19. Mai 2008 Widerspruch ein. Diesen wies die Beklagte mit Wider-spruchsbescheid vom 29. September 2008 zurück. Die posttraumatische Belastungsstörung sei zwar eine mögliche Folgereaktion aufgrund eines traumatischen Ereignisses. Sie folge dem Trauma unmittelbar, in seltenen Fällen mit einer Latenz von bis zu sechs Monaten. Gegen einen Zusammenhang der Wiedererkrankung ab dem 2. Oktober 2007 mit dem Ereignis vom 20. Januar 2006 spreche aber die Tatsache, dass der Versicherte zwischenzeitlich seine berufliche Tätigkeit als Lokführer wieder ausgeübt habe. Zudem lasse sich nach den Erkenntnissen der Medizin nach einem zeitlichen Abstand von annähernd 18 Monaten ein Zusammenhang nicht mehr wahrscheinlich machen.

Hiergegen hat der Versicherte Klage erhoben mit dem sinngemäßen Ziel der Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Unfallfolge und der Gewährung einer Verletztenrente. Das Sozialgericht hat Befundberichte der den Versicherten behandelnden Ärzte eingeholt. Des Weiteren hat das Sozialgericht ein psychiatrisches Gutachten einschließlich eines psychologischen Zusatzgutachtens bei Professor Dr. E. in Auftrag gegeben. Das neun Seiten umfassende psychiatrische Gutachten vom 24. Juli 2012 trägt die Unterschriften der Assistenzärztin Dr. Z. und unter der Zeile "mit dem Gutachten einverstanden" von Professor Dr. E. Die Unterzeichner diagnostizierten eine posttraumatischen Belastungsstörung F.43.1. Das 39 Seiten umfassende psychologische Zusatzgutachten vom 16. Juli 2012 trägt die Unter-schriften des Psychologen S. und unter der Zeile "mit dem Gutachten einverstanden" wiederum des Professor Dr. E. Anhand der Testergebnisse wird vom Vorliegen des Vollbildes einer posttraumatischen Belastungsstörung ausgegangen. Das Unfallereignis vom Januar 2006 sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als alleinige Ursache für den Ausbruch eines anhaltenden Beschwerdebildes zu bewerten. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wird ab dem 22. Februar 2006 mit 30 bis 40 v.H., ab dem 22. Juli 2006 mit bis zu 20 v.H. und ab dem 2. Oktober 2007 mit bis zu 50 v.H. bewertet. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. B. kritisierte in einer Stellungnahme vom 25. September 2012, dass sich die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung in erster Linie auf testpsychologische Untersuchungen gründe. Testuntersuchungen seien aber nur in der Be-handlungskontrolle sinnvoll. Ein Beweiswert komme ihnen nicht zu. Seit wann der Kläger querschnittsgelähmt sei, werde nicht berücksichtigt. Eine psychische Befunderhebung fehle. Das Kardinalsymptom der posttraumatischen Belastungsstörung, nämlich eine panische Sprachlosigkeit bei der Schilderung des Unfallereignisses, werde nicht beschrieben. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. März 2013, die nicht vom Sachverständigen Professor Dr. E., sondern von seinem Vertreter unterzeichnet ist, wird ausgeführt, dass die bestehende myelombedingte Querschnittslähmung in keinem Zusammenhang mit der posttraumatischen Belastungsstörung stehe. Die Besonderheiten des Einzelfalles seien beachtet worden. In einer weiteren Stellungnahme vom 25. April 2013 hat der Beratungsarzt der Beklagten Dr. B. seine Einwände gegen das Gutachten von Professor Dr. E. vertieft. Der Sachverständige berufe sich nicht auf eigene klinisch-psychische Befunderhebungen. Derartige Erhebungen seien zentraler Bestandteil jedes Gutachtens und eigentlich vom Hauptgutachter zu erheben. Die Auswirkungen einer schweren Lähmungskrankheit auf die Psyche seien ausführlich zu diskutieren. Eine echte Auseinandersetzung mit den besonderen Persönlichkeitsmerkmalen und sonstigen Belastungen sei gerade nicht erfolgt. Das Gutachten sei vielmehr in sich widersprüchlich, wenn einerseits von einer ganz besonderen Widerstandsfähigkeit gegenüber belastenden Ereignissen ausgegangen werde, andererseits eine dauerhafte psychische Beeinträchtigung angenommen werde.

Mit Urteil vom 27. Mai 2013 hat das Sozialgericht Gotha unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 6. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2008 als Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. Januar 2006 Arbeitsunfähigkeit ab dem 2. Oktober 2007 und Behandlungsbedürftigkeit über den 21. Februar 2006 hinaus festgestellt und die Beklagte verurteilt, dem Versicherten Rente wegen des Arbeitsunfalles ab dem 22. Februar 2000 nach einer MdE von 30 v.H., ab dem 22. Juli 2006 von 20 v.H. und ab dem 2. Oktober 2007 von 50 v.H. zu zahlen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Sachverständige Professor Dr. E. in seinem psy-chiatrischen Gutachten vom 24. Juli 2012 unter Einbeziehung des psychologischen Gutachtens vom 16. Juli 2012 das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung diagnostiziert habe. Diese sei nach den Ausführungen des Sachverständigen unfallbedingt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Ausschließlich zu berücksichtigen sei das Unfallereignis vom 20. Januar 2006. Die Wiedererkrankung des Klägers ab dem 2. Oktober 2007 sei nicht kausal auf dieses Ereignis zurückzuführen. Dies ergebe sich aus den umfangreichen Ausführungen des Beratungsarztes Dr. B. im sozialgerichtlichen Verfahren. Die Einschätzung der Höhe der MdE durch das Sozialgericht entbehre jeder Grundlage. Nachvollziehbare Ausführungen dazu habe der Sachverständige Professor Dr. E. nicht gemacht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 27. Mai 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Während des Berufungsverfahrens ist der Versicherte am 4. Dezember 2013 verstorben. Die Klägerin hat als seine Ehefrau und Sonderrechtsnachfolgerin mitgeteilt, dass sie das Verfahren fortsetzen möchte.

Der Senat hat beim Sachverständigen Professor Dr. E. nachgefragt, in welchem Umfang er den Versicherten persönlich exploriert habe. Der Sachverständige hat in einer Stellungnahme vom 4. Dezember 2014 mitgeteilt, dass er das Gutachten durchgelesen und gebilligt habe. Zuvor habe er den Versicherten persönlich befragt, exploriert und seine Beschwerden bewertet. Der zeitliche Aufwand hierfür habe eine dreiviertel Stunde betragen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Sozialgericht seine Entscheidung zu Recht auf das Gutachten des Sachverständigen Professor Dr. E. gestützt habe. Das Gutachten genüge den Anforderungen der Leitlinien zur Begutachtung einer posttraumatischen Belastungsstörung. Nicht entscheidend sei, ob der Sachverständige während der gesamten testpsychologischen Begutachtung anwesend gewesen sei. Entscheidend sei, dass er die hierbei gewonnenen Er-gebnisse persönlich ausgewertet habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Verwaltungsvorgang und die Gerichtsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 6. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2008 abgeändert und als Folge des Arbeitsunfalles vom 20. Januar 2006 Arbeitsunfähigkeit ab dem 2. Oktober 2007 und Behandlungsbedürftigkeit über den 21. Februar 2006 hinaus festgestellt und die Beklagte verurteilt, dem Versicherten Rente wegen des Arbeitsunfalles ab dem 22 Februar 2000 nach einer MdE von 30 v.H., ab dem 22. Juli 2006 von 20 v.H. und ab dem 2. Oktober 2007 von 50 v.H. zu zahlen.

Der Bescheid vom 6. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Septem-ber 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 des Sozialge-richtsgesetzes - SGG).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Folge des Arbeitsunfalles des Versicherten vom 20. Januar 2006 und daher keinen Anspruch auf Feststellung unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit ab dem 2. Oktober 2007 und Behandlungsbe-dürftigkeit über den 21. Februar 2006 hinaus sowie Zahlung einer Verletztenrente.

Richtige Klageart für die Feststellung weiterer Unfallfolgen ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG und § 55 Abs. 1, 3 SGG. Soweit die Klägerin die Zahlung von Verletztenrente begehrt, handelt es sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass Streitgegenstand die im Bescheid vom 6. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2008 getroffene Entscheidung ist, dass Folge des Arbeitsunfalles vom 20. Januar 2006 eine Anpassungsstörung mit der Folge einer Arbeitsunfähigkeit bis zum 21. Februar 2006 ist. Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist die Beklagte dann zu dem Ergebnis gelangt, dass weitergehende Ansprüche - insbesondere ein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente - nicht bestehen. Das Sozialgericht hat insoweit den von dem Versicherten im erstinstanzlichen Verfahren sinngemäß geltend gemachten Anspruch auf Feststellung einer weiteren Unfallfolge - einer posttraumatischen Belastungsstörung - in seiner Entscheidung nicht ausdrücklich berücksichtigt. Inhaltlich hatte es sich jedoch in den Entscheidungsgründen damit auseinandergesetzt, ob eine posttraumatische Belastungsstörung als Unfallfolge vorliegt und eine solche bejaht. Über dieses - wenn auch bislang nicht in korrekte Anträge gekleidete - Anliegen des Versicherten bzw. nach dessen Tod der Klägerin ist während des gesamten Prozesses bereits in der Sache gestritten worden.

Jedoch hat das Sozialgericht zu Unrecht auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. E. eine posttraumatische Belastungsstörung als Unfallfolge bejaht und auf der Grundlage dessen näher bezeichnete Feststellungen getroffen und insbesondere eine Verletztenrente zugesprochen.

Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Für die äußerlich fassbaren und feststellbaren Voraussetzungen "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses", "Unfallereignis" und "Gesundheitsschaden" wird eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert, die vorliegt, wenn kein vernünftiger die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (Vollbeweis). Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige Unterstellungen reichen daher ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit wird von der ständigen Rechtsprechung für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie dem Gesundheitserstschaden und der Unfallfolge im Sinne eines länger andauernden Gesund-heitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) für ausreichend erachtet (BSG, Urteil vom 20. März 2007, Az.: B 2 U 27/06 R). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, Az.: B 2 U 1/05 R). Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht, mit dem von der Rechtsprechung geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann der entsprechende Anspruch entfällt.

Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung infolge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen ein Ursachenzu-sammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen. Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst nachdem feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis eine naturwissenschaftliche Ursache für einen Erfolg ist, stellt sich die Frage nach einer wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. des Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG; Urteil vom 9. Mai 2006, Az.: B 2 U 1/05 R).

In Anwendung dieser Grundsätze hat sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass bei dem Versicherten eine posttraumatische Belastungsstörung vorlag, wie dies insbesondere in den Befundbericht der Psychologin Wunderlich vom 15. Februar 2008 und im Gutachten vom 24. Juli 2012 vertreten worden ist.

Das Gutachten von Dr. Z. und Prof. Dr. E. vom 24. Juli 2012 einschließlich der psychologischen Zusatzbegutachtung vom 16. Juli 2012 ist bereits aus formalen Gründen nicht verwertbar. Der Sachverständige hat sich unter Verletzung der Vorgaben der Vorschriften des § 118 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 407 a Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) zur Erledigung des Gutachtenauftrages anderer Personen bedient.

Nach § 407a Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Sachverständige nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Soweit er sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt (§ 407a Abs. 2 Satz 2 ZPO). Nach der zu § 407a Abs 2 ZPO ergangenen Rechtsprechung des BSG muss der Sachverständige die zentralen Aufgaben der Begutachtung selbst erbringen (Keller in Egle, Kappis u.a. Die Begutachtung chronischer Schmerzen, 1. Auflage 2014, S. 168/169 m.w.N.). Inwieweit die Durchführung der persönlichen Untersuchung des Probanden zum sogenannten unverzichtbaren Kern der vom Sachverständigen selbst zu erfüllenden Zentralaufgaben zählt, hängt von der Art der Untersuchung ab. Je stärker die Untersuchung auf objektivierbare und dokumentierbare organmedizinische Befunde bezogen ist, umso eher ist die Einbeziehung von Mitarbeitern möglich. Bei psychologischen und psychiatrischen Gutachten muss der Sachverständige die persönliche Begegnung mit dem Probanden und das explorierende Gespräch im wesentlichen Umfang selbst durchführen (BSG, Beschluss vom 17. April 2013 - B 9 V 36/12 B - zitiert nach Juris).

Mit dem Gutachten zu der Frage, welche Gesundheitsbeeinträchtigungen beim Kläger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als Folge des Unfallereignisses vom 20. Januar 2006 an-zusehen sind, hat das Sozialgericht als Sachverständigen Prof. Dr. E. beauftragt. Das Gutachten vom 24. Juli 2012, trägt die Unterschriften der Assistenzärztin Dr. Z. und unter der Zeile "mit dem Gutachten einverstanden" von Prof. Dr. E. Auf Nachfrage des Senats hat der Sachverständige Prof. Dr. E. in einer Stellungnahme vom 4. Dezember 2012 mitgeteilt, dass er den Versicherten persönlich befragt, exploriert und seine Beschwerden bewertet habe, wobei der zeitliche Aufwand hierfür eine dreiviertel Stunde betragen habe. Ausweislich der Liquidation vom 25. Juli 2012 wurden für das psychiatrische Gutachten jedoch vier Stunden abgerechnet. Deshalb kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Sachverständige den unverzichtbaren Kern der von ihm selbst zu erbringenden Aufgabe im Rahmen der Erstellung des Gutachtens erfüllt hat. Bei einer psychiatrischen Begutachtung gehört die persönliche Begegnung mit dem Probanden unter Einschluss des explorierenden Gesprächs zu den Kernaufgaben, die der vom Gericht benannte Sachverständige selbst durchzuführen hat. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung und die Feststellung ihrer Unfallbedingtheit unter Beachtung der einschlägigen wissenschaftlichen Kriterien eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe für einen Sachverständigen darstellt. Insoweit hat der Beratungsarzt der Beklagten Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 25. April 2013 zu Recht darauf hingewiesen, dass die klinisch-psychischen Befunderhebungen zentraler Bestandteil jedes Gutachtens sind und daher vom Hauptgutachter zu erheben sind. Dass der Sachverständige Prof. Dr. E. an der Exploration des Versicherten nicht im erforderlichen Umfang beteiligt war, ergibt sich insbesondere auch daraus, dass ausweislich des Gutachtens vom 24. Juli 2012 eine ambulante ausführliche Exploration am 3. Februar 2012, 20. April 2012 und am 24. April 2012 in den Räumen der Klinik für Psychiatrie am H.-Klinikum E. stattfand. Bei einem vom Sachverständigen selbst angegebenen Zeitaufwand von einer Dreiviertelstunde für den persönlichen Kontakt mit dem Versicherten und der Bewertung seiner Beschwerden bedeutet dies zwingend, dass der Sachverständige bei einem Großteil der mit dem Versicherten geführten persönlichen Gespräche nicht anwesend war. Insoweit ist auch auf Seite 6 des Gutachtens vom 24. Juli 2012 zu verweisen. Dort wird ausgeführt, dass die folgenden bruchstückhaften Ausführungen durch wiederholtes Heranführen an die Thematik über einen Zeitraum von zwei Stunden im Rahmen des Erstkontaktes zur Kenntnis gelangten und erst im Folgekontakt anlässlich eines Termins zur testpsychologischen Untersuchung annähernd substantiiert wer-den konnten. Unter Berücksichtigung der Angaben des Sachverständigen zum Zeitaufwand in seiner Stellungnahme vom 4. Dezember 2014 bedeutet dies, dass der Sachverständige Prof. Dr. E. nur zu einem geringen Teil an dem zwei Stunden dauernden Erstkontakt persönlich teilgenommen haben kann. Das explorierende Gespräch, welches als zentrale Aufgabe bei einem psychiatrischen Gutachten anzusehen ist, ist daher nicht vollständig vom Sachverständigen selbst durchgeführt worden. Die von Prof. Dr. E. abgegebene Erklärung, dass er mit dem Gutachten einverstanden sei, reicht daher unter den gegebenen Umständen nicht aus, um den Anforderungen des § 407 a Abs. 2 ZPO Genüge zu tun. Denn der Sachverständige konnte prozessordnungsgerecht nur die persönliche Verantwortung für Arbeitsergebnisse übernehmen, deren Erstellung er anderen Personen überlassen durfte.

Unerheblich in diesem Zusammenhang ist es, wenn die Klägerin geltend macht, dass es nicht entscheidend sei, ob der Sachverständige Prof. Dr. E. während der gesamten testpsychologi-schen Begutachtung anwesend gewesen sei und es ausreiche, dass er die hierbei gewonnenen Erkenntnisse persönlich ausgewertet habe. Denn selbst wenn der Sachverständige Prof. Dr. E. die testpsychologische Begutachtung (das psychologische Zusatzgutachten vom 16. Juli 2012 umfasst 39 Seiten) persönlich ausgewertet hat, macht dies die persönliche Begegnung mit dem Versicherten unter Einschluss des erforderlichen explorierenden Gesprächs in dem erforderlichen Zeitumfang nicht entbehrlich. Dies folgt bereits daraus, dass es sich um ein Zusatzgutachten handelt, welches das Hauptgutachten lediglich ergänzen sollte. Der Senat lässt hierbei ausdrücklich offen, ob das durch den Psychologen S. erstellte psychologische Zusatzgutachten vom 16. Juli 2012 formell überhaupt verwertbar ist. Die Assistenzärztin Frau Dr. Z. hat am 6. Februar 2012 beim Sozialgericht Gotha um Genehmigung für ein psychologisches Zusatzgutachten gebeten. Dabei wurde lediglich mitgeteilt, dass dieses Zusatzgutachten durch einen Psychologen aus "unserer Klinik" erstellt werden sollte. Daraufhin hat das Sozialgericht Gotha mit Beweisanordnung vom 14. Februar 2012 den Sachverständigen Prof. Dr. E. beauftragt, eine testpsychologische Zusatzbegutachtung in der Klinik für Psychiatrie des H.-Klinikums E. einzuholen. Damit hat das Sozialgericht gegen § 404 Abs. 1 S. 1 ZPO verstoßen, wonach die Auswahl des zuzuziehenden Sachverständigen durch das Prozessgericht zu erfolgen hat. Die erforderliche namentliche Benennung eines Psychologen ist hier nicht erfolgt.

Die Beklagte hat ihr Recht, den danach vorliegenden Verfahrensmangel zu rügen, auch nicht nach § 202 SGG in Verbindung mit § 295 Abs. 1 ZPO verloren. Nach dieser gemäß § 202 SGG entsprechend anwendbaren Vorschrift kann die Verletzung einer das Verfahren betreffenden Norm nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 30. April 2013 eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 25. April 2013 vorgelegt, deren Inhalt sie ausdrücklich zum Gegenstand ihres Sachvortrages gemacht hat. Dr. B. hat in seiner Stellungnahme vom 25. April 2013 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Sachverständige Prof. Dr. E. sich in seinen Ausführungen nicht auf eigene klinisch-psychische Befunderhebungen beziehe, obwohl derartige Erhebungen zentraler Bestandteil jedes Gutachtens und daher eigentlich vom Hauptgutachter zu erheben seien. Damit hat die Beklagte hinlänglich zum Ausdruck gebracht, dass sie das Gutachten des Sachverständigen nicht nur inhaltlich, sondern auch formell beanstandet.

Zusätzlich weist der Senat darauf hin, dass das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E. vom 24. Juli 2012 auch inhaltlich nicht überzeugt. Das Sachverständigengutachten einschließlich des psychologischen Zusatzgutachtens vom 16. Juli 2012 genügt aus den folgenden Erwägungen nicht der AWMF- Leitlinie zur Begutachtung der posttraumatischen Belastungsstörung. Des Weiteren werden die Kriterien der posttraumatischen Belastungsstörung nach dem ICD-10 nicht vollständig dargestellt und geprüft.

Bei der posttraumatischen Belastungsstörung handelt es sich um eine Gesundheitsstörung mit der Klassifikation ICD-10-GM-2015 F 43.1 beziehungsweise DSM-IV-TR 309.81. Sie wird wie folgt beschrieben: Die posttraumatische Belastungsstörung entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren, wie bestimmte, zum Beispiel zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung über.

Nach DSM-IV-TR 309.81 gelten folgende Kriterien: Das Hauptmerkmal der posttraumatischen Belastungsstörung ist die Entwicklung charakteristischer Symptome nach der Konfrontation mit einem extrem traumatischen Ereignis. Das traumatische Ereignis beinhaltet unter anderem das direkte persönliche Erleben einer Situation, die mit dem Tod oder der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat (Kriterium A1). Die Reaktion der Person auf das Ereignis muss intensive Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen umfassen (Kriterium A2). Charakteristische Symptome, die aus der Konfrontation mit der extrem traumatischen Situation resultieren, sind das anhaltende Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in Form von wiederholten und aufdringlichen Erinnerungen an das Ereignis (Kriterium B1), von wiederkehrenden, quälenden Träumen, in denen das Erlebnis nachgespielt wird oder in anderer Form auftritt (Kriterium B2), von Erleben von oft als "flashbacks" bezeichneten dissoziativen Zuständen, während derer einzelne Bestandteile des Ereignisses wieder erlebt werden (Kriterium B3) oder, wenn die Person mit Ereignissen konfrontiert wird, die sie an Aspekte des traumatischen Ereignisses erinnern oder die diese symbolisieren, in Form von intensiver psychischer Belastung (Kri-terium B4) oder physiologischer Reaktionen (Kriterium B5). Charakteristische Symptome sind auch die andauernde Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma assoziiert sind, und eine Abflachung der allgemeinen Reagibilität in der Form, dass die Person im Allgemeinen versucht, Gedanken, Gefühle oder Gespräche über das traumatische Ereignis (Kriterium C1) und Aktivitäten, Situationen oder Personen, die die Erinnerung an das Ereignis wachrufen (Kriterium C2), absichtlich zu vermeiden, wobei die Vermeidung des Erinnerns die Unfähig-keit mit einschließen kann, sich an einen wichtigen Aspekt des traumatischen Ereignisses zu erinnern (Kriterium C3), oder in Form von verminderter Reaktionsbereitschaft auf die Um-welt, welche üblicherweise sehr bald nach dem traumatischen Erlebnis eintritt (Kriterium C4), eines Gefühls der Isolierung und Entfremdung von Anderen (Kriterium C5) oder einer deut-lich reduzierten Fähigkeit, Gefühle zu empfinden (Kriterium C6) oder in der Form, dass betroffene Personen das Gefühl einer eingeschränkten Zukunft haben (Kriterium C7). Charakteristische Symptome sind auch anhaltende Symptome erhöhten Arousals in Form von Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten, die durch wiederholte Albträume, in denen das traumatische Erlebnis wieder erlebt wird, hervorgerufen werden können (Kriterium D1), Hypervigilanz (Kriterium D4) und übertriebener Schreckreaktion (Kriterium D5), wobei manche Personen über Reizbarkeit oder Wutausbrüche (Kriterium D2) oder Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder Aufgaben zu vollenden (Kriterium D3), berichten. Das vollständige Symptombild muss länger als einen Monat anhalten (Kriterium E), und die Störung muss in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen verursachen (Kriterium F). Traumatische Erfahrungen, die direkt erlebt wurden, umfassen insbesondere kriegerische Auseinandersetzungen, gewalttätige Angriffe auf die eigene Person, Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Folterung, Kriegsgefangenschaft, Gefangenschaft in einem Konzentrationslager, Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen, schwere Autounfälle oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit. Hinsichtlich Beginn und Dauer der Symptome wird unterschieden zwischen der akuten posttraumatischen Belastungsstörung (wenn die Dauer der Symptome weniger als drei Monate beträgt), der chronischen posttraumatischen Belastungsstörung (wenn die Symptome drei Monate oder länger andauern) und der posttraumatischen Belastungsstörung mit verzögertem Beginn (wenn mindestens sechs Monate zwischen dem traumatischen Ereignis und dem Beginn der Symptome vergangen sind). Die Symptome, wie beispielsweise verminderte affektive Schwingungsfähigkeit, dissoziative Symptome, somatische Beschwerden, Gefühle der Insuffizienz in Form von Hoffnungslosigkeit, sozialer Rückzug, ständiges Gefühl des Bedrohtseins oder beeinträchtigte Beziehung zu anderen oder Veränderung der Persönlichkeit im Vergleich zu früher, beginnen normalerweise innerhalb der ersten drei Monate nach dem Trauma, obwohl sich die Ausbildung der Symptome aber auch um Monate oder sogar Jahre verzögern kann. Die Schwere, Dauer und Nähe der Person bei Konfrontation mit dem traumatischen Ereignis sind die wichtigsten Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit bestimmen, mit der die Störung sich entwickelt. Es gibt Hinweise, dass soziale Unterstützung, Familienanamnese, Kindheitserfahrungen, Persönlichkeitsvariablen und vorbestehende psychische Störungen die Ausbildung einer posttraumatischen Belastungsstörung beeinflussen können. Die Störung kann sich auch bei Personen entwickeln, bei denen zuvor keine besondere Auffälligkeit vorhanden war, besonders dann, wenn es sich um eine besonders extreme Belastung handelt.

Nach der AWMF-Leitlinie "Posttraumatische Belastungsstörung" Leitlinien-Register Nr. 051/010 ist die PTBS eine mögliche Folgereaktion eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse (wie z. B. Erleben von körperlicher und sexualisierter Gewalt, auch in der Kindheit (so genannter sexueller Missbrauch), Vergewaltigung, gewalttätige Angriffe auf die eigene Person, Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Krieg, Kriegsgefangenschaft, politische Haft, Folterung, Gefangenschaft in einem Konzentrationslager, Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen, Unfälle oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit), die an der eigenen Person, aber auch an fremden Personen erlebt werden können. In vielen Fällen kommt es zum Gefühl von Hilflosigkeit und durch das traumatische Erleben zu einer Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses. Das syndromale Störungsbild ist geprägt durch: · sich aufdrängende, belastende Gedanken und Erinnerungen an das Trauma (Intrusionen) oder Erinnerungslücken (Bilder, Alpträume, Flashbacks, partielle Amnesie), · Vermeidungsverhalten (Vermeidung traumaassoziierter Stimuli), · Übererregungssymptome (Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, vermehrte Reizbarkeit, Affektintoleranz, Konzentrationsstörungen) und · emotionale Taubheit (allgemeiner Rückzug, Interesseverlust, innere Teilnahmslosigkeit). Die Symptomatik kann unmittelbar oder auch mit (z. T. mehrjähriger) Verzögerung nach dem traumatischen Geschehen auftreten (verzögerte PTBS).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist festzustellen, dass das erforderliche Vermeidungsver-halten nicht in dem erforderlichen Umfang festgestellt werden kann. Nach dem Unfallereignis vom 20. Januar 2006 war der Versicherte bis zum 21. Februar 2006 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Danach hatte er seine Tätigkeit als Lokführer wieder aufgenommen und bis zum 2. Oktober 2007 ausgeübt. Inwieweit hier aufgrund des Zeitabstandes von einer posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund des Ereignisses vom 20. Januar 2006 noch ausgegangen werden kann, wird im Hauptgutachten vom 24. Juli 2012 nicht näher begründet. Dort wird lediglich das Ergebnis der Befragung anlässlich des Erstkontaktes am 3. Februar 2012 wiedergegeben. Hinsichtlich der Zeitachse wird auf das ergänzende psychologische Zusatzgutachten verwiesen. Damit fehlt es dem Hauptgutachten aber ersichtlich an einer Auseinandersetzung mit den Kriterien des ICD-10 und hier insbesondere des notwendigen Vermeidungsverhaltens. Eine kritische Würdigung der testpsychologischen Ergebnisse erfolgt im Hauptgutachten nicht. Nach der AWMF - Leitlinie soll die Diagnostik der PTBS nach klinischen Kriterien (ICD 10) erfolgen. Zur Unterstützung der Diagnostik können psychometrische Tests und PTBS- spezifische strukturierte klinische Interviews eingesetzt werden. Standardisierte Messinstrumente können die Diagnosestellung bei dem Verdacht auf eine posttraumatische Störung unterstützen und optimieren. Es ist aber nicht zulässig, die Diagnose einer PTBS - wie im Hauptgutachten vom 24. Juli 2012 geschehen- wesentlich hierauf zu stützen. Nach der AWMF-Leitlinie (S. 14) hat die diagnostische Einschätzung einer trauma-bedingten Störung auf der Basis des klinischen Befundes (dieser wird im Hauptgutachten weitgehend nur referiert) im Rahmen eines diagnostischen Gesprächs zu erfolgen. Diese spezifische Diagnostik ist in eine Gesamtdiagnostik einzubetten. Die aktuelle Lebenssituation einschließlich aktuell wirksamer Faktoren sind einzubeziehen. Insoweit ist es ersichtlich unzureichend, wenn in dem Hauptgutachten vom 24. Juli 2012 nur die Tatsache der Querschnittslähmung referiert wird, ihre Auswirkungen auf die Psyche des Versicherten jedoch nicht erörtert werden. Es reicht auch nicht aus, dass in der ergänzenden Stellungnahme vom 11. März 2013 (die von einem Vertreter unterzeichnet wurde) ausgeführt wird, dass ein Zusammenhang zwischen myelombedingter Querschnittslähmung und PTBS nicht erkennbar sei. Das geht an der Problemstellung vorbei. Es geht nicht um die Frage der Verursachung der Querschnittslähmung, sondern darum wie diese und die schwerwiegende Grunderkrankung sich auf die psychische Verfassung des Versicherten auswirkte.

Aufgrund des Todes des Versicherten sind dem Senat weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht verwehrt. Die Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage ist hier nicht möglich. Nach den Beweislastgrundsätzen trägt der Versicherte bzw. hier die Klägerin die Beweislast für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen. Daher ist die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Unfallfolge nicht möglich. Ausgehend hiervon, gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit ab dem 2. Oktober 2007 bzw. weiter bestehende Behandlungsbedürftigkeit über den 21. Februar 2006 hinaus gegeben waren. Es verbleibt somit als Unfallfolge bei der von der Beklagten anerkannten Anpassungsstörung. Anhaltspunkte für einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente ab dem 22. Februar 2006 bestehen bei dieser Sachlage nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nach § 160 Abs. 2 SGG nicht.
Rechtskraft
Aus
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