S 11 KR 187/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 KR 187/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Ende der für den Kläger durchgeführten Familienversicherung zum 29.12.2011. Der am 30.12.1988 geborene Kläger war bis zum 29.12.2011 über seinen Vater familienversichert. Seit dem 01.01.2010 bis Ende Juli 2010 war er nach eigenen Angaben als Au-pair in G. tätig. Zeitgleich hatte sich der Kläger mit Antrag vom 01.01.2010 bei der Studiengemeinschaft E. für den Fernlehrgang Abitur Aufbau Englisch/Französisch angemeldet. Entsprechend der Teilnahmebescheinigung vom 21.07.2014 war der Kläger seit dem 10.01.2010 als Teilnehmer eingeschrieben. Die Vertragslaufzeit ende am 10.09.2012. Die Studiengemeinschaft beschreibt den von dem Kläger gewählten Fernkurs bei Studienbeginn zum 10.01.2010 mit einer Studiendauer von 32 Monaten bei wöchentlicher Studienzeit von ca. 12 bis 16 Stunden. Diese Beschreibung erhielt der Kläger mit der Anmeldungsbestätigung. Nach Angaben des Klägers in dem Verfahren war er während seiner gesamten Au-pair-Zeit bis Ende Juli 2012 mit ca. 30 Wochenstunden dort beschäftigt. Er habe ca. 10 bis 15 Stunden die Woche für die Schulausbildung aufgewandt. Einer von der Studiengemeinschaft E. erstellten Übersicht über bisher eingereichte Prüfungsleistung im Rahmen des Fernlehrgangs zeigen, dass der Kläger dort einige Leistungsnachweise im März 2011 eingesendet hat. Sodann wurden weitere Leistungsnachweise ab August 2012 eingereicht. Mit Bescheid vom 14.11.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie unter Zugrundelegung der eingereichten Bescheinigungen von der Studiengemeinschaft E. zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Voraussetzungen des Vorliegens eines Schulbesuches bei seinem Fernstudium nicht gegeben seien. Eine Verlängerung der Familienversicherung über die Vollendung des 23. Lebensjahres hinaus sei nicht möglich. Es verbleibe daher bei dem Ende der Familienversicherung am 29.12.2011.

Der Kläger legte mit einem Schreiben, bei der Beklagten eingegangen am 16.12.2013, Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 14.11.2013 ein. Er reichte zugleich eine schriftliche Bestätigung seiner Mutter ein, aus der hervorgeht, dass er zu jeder Zeit für den Fernlehrgang 30 bis 40 Wochenstunden investiert habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 12.12.2013 zurück. Die Beklagte gehe davon aus, dass eine Schulausbildung im Sinne der gesetzlichen Regelung dann vorliege, wenn diese einen Zeitaufwand von mehr als 20 Stunden wöchentlich erfordere. Nach Angaben der Studiengemeinschaft E. betrage die wöchentliche Studienzeit 14 bis 16 Stunden, so dass eine Schulausbildung nicht vorliege und die Familienversicherung über die Vollendung des 23. Lebensjahres nicht fortgeführt werden könne. Mit der am 17.04.2014 bei dem hiesigen Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren fort. Er habe insbesondere nach der Rückkehr aus G. teilweise sogar erheblich mehr als 30 bis 40 Stunden die Woche für die Schulausbildung aufgewandt. Im März/Juli 2014 habe er schriftliche/mündliche Abiturprüfungen gehabt. Es sei zu beachten, dass ein Fernabiturient überproportional mehr Zeit aufbringen müsse, um Materialien zu sammeln und sich entsprechend auf die Abiturprüfungen vorzubereiten als ein "normaler Abiturient". Der Kläger habe sehr gut abgeschnitten, was mit den von der Studiengemeinschaft aufgezeigten 14 bis 16 Wochenstunden nicht zu erreichen gewesen wäre. Der Kläger erlangte am 04.07.2014 mit einer Durchschnittsnote von 1,4 die allgemeine Hochschulreife. Nach dem der Kläger zunächst in dem Verfahren die Durchführung der Familienversicherung über das 23. Lebensjahr hinaus begehrt hatte, änderte er in der mündlichen Verhandlung seinen Antrag dahingehend, dass er nunmehr die Durchführung der Familienversicherung vom 01.08.2012 an begehre.

Der Kläger beantragt

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.11.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2014 zu verurteilen, dem Kläger vom 01.08.2012 bis zum 30.09.2014 in der Familienversicherung zu versichern.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie verweist auf ihr Vorbringen im Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, dass eine Studienzeit von über 20 Stunden wöchentlich auch nach Würdigung aller übersandten Unterlagen und erneuter Prüfung nicht erkennbar sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und dem sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte, die das Gericht beigezogen hat.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Die Bescheide sind rechtsfehlerfrei ergangen; der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt zu. Gemäß § 10 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung -(SGB V) sind Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gemäß Nr. 3 versichert, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres leisten; wird die Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllung einer gesetzlichen Dienstpflicht des Kindes unterbrochen oder verzögert, besteht die Versicherung auch für einen der Dauer dieses Dienstes entsprechenden Zeitraums über das 25. Lebensjahr hinaus. Vorliegend kommt für den Kläger lediglich eine Schulausbildung in Betracht, aufgrund derer über sein 23. Lebensjahr hinaus familienversichert sein könnte. Das Gericht folgt der Beklagten, die davon ausgeht, dass die Schulausbildung, soweit sie familienversicherungsrechtlich anerkannt werden soll, einen bestimmten Zeitraum in Anspruch nehmen muss. Ein Fernunterrichtslehrgang zur Vorbereitung auf das Abitur ist nach Auffassung des Gerichtes einer Schulausbildung gleichzustellen, wenn und soweit die generelle Gewähr für eine der herkömmlichen Schulausbildung vergleichbare Tätigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung gegeben und ihre Dauer nicht allein der Verantwortung des Schülers überlassen ist (siehe hierzu: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25.11.1976, Az.: 11 RA 146/75). Hierbei muss der Fernunterricht die Zeit und Arbeitskraft des Schülers überwiegend in Anspruch nehmen.

Das Gericht ist der Überzeugung, dass dies bei dem Kläger im Rahmen des von ihm durchgeführten Fernlehrgangsabiturs nicht der Fall war. Zunächst hat der Kläger vom 10.01.2010 (Datum der Aufnahme bei dem Fernlehrgang) bis Ende Juli 2012 auch nach im Verhandlungstermin eigens gemachten Angaben nur eine geringe Zeit für die Ausbildung aufgewandt. Dies korrespondiert mit den Leistungsnachweisen der Studiengemeinschaft E., aus denen zwischen März 2011 und August 2012 keinerlei Arbeiten entnommen werden können. Entsprechend wurde sodann der Antrag in der Verhandlung umgestellt. Hätte der Kläger in diesem Zeitraum jedoch den von der Studiengemeinschaft E. angesetzten Zeitaufwand pro Woche investiert, hätte sich seine Schulausbildung nicht derart verzögert. Hier weist das Gericht darauf hin, dass die Studiengemeinschaft E. bei einer Regellaufzeit von 32 Monate von einem Studienende im August 2012 ausgegangen ist.

Dass der Kläger erst zum Zeitpunkt der Rückkehr aus G. im August 2012, so stellt sich der Sachverhalt für das Gericht dar, angefangen hat, intensiv für das Abitur zu lernen und Zeit aufzuwenden, kann nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft gehen, die die Kosten für die Familienversicherung letztlich zu tragen hat.

Soweit der Kläger vorträgt, er habe ab August 2012 mindestens 30 bis 40 Wochenstunden für die Abiturvorbereitungen aufgewandt, so kann dies für die Beurteilung der Durchführung der Familienversicherung keine Rolle spielen. Der Arbeitsaufwand des Klägers ist gerade nicht nach dem von ihm subjektiv benötigten +Arbeitsaufwand zu beurteilen, sondern der hier anzusetzende Stundenaufwand ist unter Zugrundelegung des Zeitaufwandes, den ein durchschnittlich begabter Schüler aufbringen muss, um das Ausbildungsziel mit durchschnittlichem Erfolg zu erreichen (siehe BSG, a.a.O.) zu beurteilen.

Da es gerade bei Fernunterricht in der Hand des jeweiligen Teilnehmers liegt, inwieweit er die Ausbildungszeit erheblich verkürzt oder auch streckt, kann dies kein objektiver Maßstab sein. Die benötigte Zeit lässt sich durch die Unterlagen der Studiengemeinschaft E. mit 12 bis 16 Wochenstunden objektivieren. Bei Zugrundelegung dieser Zeit wäre die Schulausbildung im August 2012 für den Kläger abgeschlossen gewesen. Dass der Kläger ggf. durch seinen erhöhten Stundenaufwand ab August 2012 sein unstreitig hervorragendes Ergebnis erzielt hat, muss vorliegend unberücksichtigt bleiben. Nur von objektiven Maßstäben kann das Gericht ausgehen, so dass eine Familienversicherung über das 23. Lebensjahr hinaus für den Kläger nicht durchzuführen war, da er nach Überzeugung des Gerichtes seine Zeit und Arbeitskraft nicht überwiegend für das Erreichen des Abiturs hätte objektiv verwenden müssen. Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass es bereits fraglich sein dürfte, ob der Kläger in dem Zeitraum davor die Voraussetzungen für eine Familienversicherung erfüllt hat. Nach eigenen Angaben hat er ca. 30 Stunden die Woche in G. als Au-pair gearbeitet, was sich in der Verwaltungsakte jedoch auch in den der Beurteilung zugrunde liegenden Fragebögen nicht wiederfindet. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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