Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 4 SB 3549/13
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 5 SB 1136/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Wenn die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren pflichtwidrig unterlässt, kann sie im Rahmen von § 192 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz gegen das vom Gericht zur Nachholung gewählte Mittel nicht einwenden, sie hätte einen kostengünstigeren Weg zur Sachverhaltsaufklärung gewählt. Sie muss auch dann für die Kosten eines vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens aufkommen, wenn sie ihrer Amtsermittlungspflicht durch Einholung von qualifizierten Befundberichten genügt hätte.
Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 16. Juni 2015 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
Die statthafte und auch ansonsten zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht dem Beklagten die Kosten des gerichtlichen Sachverständigengutachtens des Dr. Sch. vom 26. August 2014 in Höhe von 3.029,14 EUR auferlegt.
Nach § 192 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden.
In der Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucksache 16/7716, Seite 23) finden sich dazu fol-gende Erwägungen: "Teilweise werden Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen oder nur unzureichend betrieben und müssen im Sozialgerichtsverfahren nachgeholt werden. Dies führt zu einer Verzögerung des Rechtsstreits. Gleichzeitig findet eine Kostensteigerung statt, da die Ermittlungen im gerichtlichen Verfahren - beispielsweise durch Einschalten externer Gutachter - teurer sind. Schließlich findet auch eine Kostenverlagerung von den Haushalten der Leistungsträger zu den Landesjustizhaushalten statt. Vor diesem Hintergrund soll den Sozialgerichten die Möglichkeit gegeben werden, die Kosten für Ermittlungen, die von der Verwaltung vorzunehmen gewesen wären, dieser aufzubürden. Dies soll unabhängig vom Verfahrensausgang möglich sein. Die Norm hat mangels eines Sanktionsapparates eine eher präventive Wirkung. Sie hat zum Ziel, die Verwaltungen vor dem Hintergrund der möglichen Kostenfolge zu sorgfältiger Ermittlung anzuhalten, die bei den Gerichten zu Entlastungseffekten führt."
§ 192 Abs. 4 Satz 1 SGG setzt "im Verwaltungsverfahren" unterlassene "erkennbare und not-wendige Ermittlungen" voraus. Zeitlich kommt es danach auf den Abschluss des Verwal-tungsverfahrens, d.h. den Erlass des Widerspruchsbescheids an. Zu diesem Zeitpunkt müssen die später vom Gericht durchgeführten Ermittlungen "notwendig", d.h. entsprechend der Amtsermittlungspflicht der Verwaltung (§§ 20, 21 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) unverzichtbar gewesen sein; dass sie bloß (möglicherweise) sinnvoll waren, reicht demgegenüber nicht aus. "Erkennbar" waren die Ermittlungen dabei nur dann, wenn sich der Behörde ihre Notwendigkeit ausgehend von den gesetzlichen Bestimmungen und ihrer höchstrichterlichen Auslegung bzw. - mangels einer solchen - von einem vertretbaren Rechtsstandpunkt aus er-schließen musste. Die Verpflichtung der Behörde zur umfassenden Ermittlung der für den Einzelfall bedeutsamen Umstände folgt dabei schon aus dem im Verwaltungsverfahren ebenfalls geltenden Untersuchungsgrundsatz nach § 20 Abs. 1 und 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Das ihr hierzu eingeräumte pflichtgemäße Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts erstreckt sich auf die Wahl der zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Beweismittel (§ 21 Abs. 1 SGB X), zu denen auch die Anhörung von Sachverständigen gehört (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X). Ihr pflichtgemäßes Ermessen verletzt die Behörde dann, wenn sie einen Beweis nicht erhebt, der sich ihr bei vernünftiger Überlegung als für die Entscheidung bedeutsam hätte aufdrängen müssen (von Wulffen in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 21 Rn. 3). Zu ermitteln sind von der Beklagten insoweit alle Tatsachen, für die Entscheidungsfindung in materieller Hinsicht wesentlich sind.
Liegen diese Voraussetzungen vor, erfolgt die Entscheidung über die Auferlegung der Kosten nach billigem Ermessen. Sowohl die Prüfung der Voraussetzungen als auch die Ermessensausübung haben streng bezogen auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die jeweilige konkrete Ermittlungsmaßnahme, zu erfolgen. Insoweit kann für § 192 Abs. 4 SGG nichts anderes gelten als für die anderen Kostenentscheidungen nach §§ 192, 193 SGG, bei denen auch stets auf die individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Falls abzustellen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. April 2010 - L 18 (8) R 199/05 - m.w.N.). Die Anwendung des § 192 Abs. 4 SGG setzt nicht voraus, dass das Gericht nach den von ihm nachgeholten Ermittlungen zu einem anderen Ergebnis kommt als die Behörde im Verwaltungsverfahren (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. August 2009 - L 4 KR 108/09 B -). Auch kann die Behörde nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie gerade die vom Gericht vorgenommenen Ermittlungen für nicht erforderlich hält (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Mai 2014 - L 11 AS 1343/13 B ER -). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das gerichtliche Sachverständigengutachten nicht verwertbar ist (vgl. § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG) und der Sachverständige keine Vergütung erhält; dann fehlt es bereits an Kosten im Sinne von § 192 Abs. 4 SGG.
Nach diesen Grundsätzen ist das Sozialgericht hier zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 192 Abs. 4 SGG vorliegen.
Streitgegenstand des Verfahrens war der Anspruch der Klägerin auf Feststellung der medizi-nischen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr). Eine ablehnende Entscheidung ist nur dann gerecht-fertigt, wenn die medizinischen Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Beklagte war angesichts dessen gehalten, Ermittlungen zur Bewegungsfähigkeit der Klägerin anzustellen.
Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Im Antrag vom 29. Dezember 2011 hatte die Klägerin ausdrücklich die Feststellung des Merkzeichens "G" beantragt. Ihre funktionellen Beschwerden waren ausweislich des Entlassungsberichts des Klinikzentrums B. S. vom 1. Dezember 2011 relevant beschrieben ("Die Gehstrecke in der Ebene gestützt auf die beiden Unterarmgehstützen betrage etwa 200-300 Meter"). Im Rehabilitationsergebnis der Klinik wurde ausdrücklich festgestellt, dass schon beim Gehen die eingeschränkte Streckungsphase des linken Beins auffalle und klinisch noch eine deutliche Schwellung des Kniegelenks bis in den Unterschenkel hinein bestehe. Angesichts dieser Feststellungen hätte die Einschätzung des Beratungsarztes Dr. F., ortsübliche Wegstrecken könnten zurückgelegt werden, einer Begründung bedurft; die apodiktische Feststellung "kein Merkzeichen G" reicht dafür nicht aus, zumal ein Befundbericht des behandelnden Arzts mit merkzeichenbezogener Fragestellung nicht eingeholt wurde. Die Feststellung im Bericht der Klinik für Innere Medizin des S.- und H. W. vom 3. Februar 2012, "Bewegungen ( ) unauffällig", vermag dies schon deshalb nicht zu ersetzen, weil die unteren Extremitäten eindeutig nicht Untersuchungsgegenstand waren. Weiterer Ermittlungen hätte es umso mehr deshalb bedurft, weil die Klägerin mit dem Widerspruch ausdrücklich auf die Merkzeichen-Beantragung und auf die bereits zweite Knie-OP links innerhalb eines Jahres hingewiesen hatte. Angesichts dessen hätten sich weitere Ermittlungen aufdrängen müssen. Jedenfalls ist den Akten keine hinreichende Begründung dafür zu entnehmen, warum diese unterlassen wurden.
Ausgehend von dem Kenntnisstand des Beklagten war eine weitere Abklärung des tatsächlichen Leistungsvermögens der Klägerin notwendig und auch ohne weiteres erkennbar. Diese Ermittlungen hat das Sozialgericht durch das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten nachgeholt. Dass der Beklagte seine Ermittlungspflichten möglicherweise durch Einholung von aussagekräftigen Befundberichten hätte erfüllen können, führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Wenn die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren pflichtwidrig unterlässt, kann sie gegen das vom Gericht zur Nachholung gewählte Mittel nicht einwenden, sie hätte einen kostengünstigeren Weg zur Sachverhaltsaufklärung gewählt. Sie muss auch dann für die Kosten eines vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens aufkommen, wenn sie ihrer Amtsermittlungspflicht durch Einholung von qualifizierten Befundberichten genügt hätte.
Die im vorliegenden Verfahren entstandenen Kosten für das Gutachten konnten daher ermes-senfehlerfrei dem Beklagten auferlegt werden. Die allgemeinen, nicht näher belegten Ausfüh-rungen im Beschluss des Sozialgerichts zu "gerichtsbekannt" unzureichenden Ermittlungen (die die Kostenauferlegung nach § 192 Abs. 4 SGG nicht rechtfertigen) waren erkennbar nicht ermessensentscheidungserheblich. Im Hinblick auf den oben beschriebenen Zweck des § 192 Abs. 4 SGG ist es unerheblich, dass der Sachverständige die medizinischen Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens nicht für gegeben hält.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren nach § 192 Abs. 4 SGG ist ein gesondert geregeltes Nebenverfahren über Kosten eines Hauptsacheverfahrens. Das vorliegende Hauptsacheverfahren ist die Klage der Betroffenen gegen den Beschwerdeführer als Beklagten. In dieser Verfahrensstellung als Beklagter hat der Beschwerdeführer gegen die Kostenentscheidung des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss Beschwerde eingelegt, an der die Klägerin/Versicherte nicht beteiligt ist. Die Kostenregelung des § 197a Abs. 1 SGG stellt auf den jeweiligen Rechtszug ab (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 197a Rn. 3). Der Beklagte ist nicht kostenprivilegiert, denn er gehört nicht zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis. Die allein im Beschwerderechtszug in Betracht kommenden Gerichtskosten sind vom Beklagten zu tragen, nachdem seine Beschwerde ohne Erfolg war.
Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es gemäß § 3 Abs. 1 GKG nicht, denn die Höhe der an-fallenden Gebühren richtet sich nach einer anderweitigen Bestimmung. Der Beschwerdeführer als einziger Beteiligter war nicht anwaltlich vertreten. Eine außergerichtliche Kostenerstattung kommt nicht in Betracht. Für das vorliegende Verfahren ergibt sich die Höhe der Gerichtskosten aus dem Kostenverzeichnis Nr. 7504, wo eine feste Gebühr ausgewiesen ist. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die statthafte und auch ansonsten zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht dem Beklagten die Kosten des gerichtlichen Sachverständigengutachtens des Dr. Sch. vom 26. August 2014 in Höhe von 3.029,14 EUR auferlegt.
Nach § 192 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden.
In der Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucksache 16/7716, Seite 23) finden sich dazu fol-gende Erwägungen: "Teilweise werden Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen oder nur unzureichend betrieben und müssen im Sozialgerichtsverfahren nachgeholt werden. Dies führt zu einer Verzögerung des Rechtsstreits. Gleichzeitig findet eine Kostensteigerung statt, da die Ermittlungen im gerichtlichen Verfahren - beispielsweise durch Einschalten externer Gutachter - teurer sind. Schließlich findet auch eine Kostenverlagerung von den Haushalten der Leistungsträger zu den Landesjustizhaushalten statt. Vor diesem Hintergrund soll den Sozialgerichten die Möglichkeit gegeben werden, die Kosten für Ermittlungen, die von der Verwaltung vorzunehmen gewesen wären, dieser aufzubürden. Dies soll unabhängig vom Verfahrensausgang möglich sein. Die Norm hat mangels eines Sanktionsapparates eine eher präventive Wirkung. Sie hat zum Ziel, die Verwaltungen vor dem Hintergrund der möglichen Kostenfolge zu sorgfältiger Ermittlung anzuhalten, die bei den Gerichten zu Entlastungseffekten führt."
§ 192 Abs. 4 Satz 1 SGG setzt "im Verwaltungsverfahren" unterlassene "erkennbare und not-wendige Ermittlungen" voraus. Zeitlich kommt es danach auf den Abschluss des Verwal-tungsverfahrens, d.h. den Erlass des Widerspruchsbescheids an. Zu diesem Zeitpunkt müssen die später vom Gericht durchgeführten Ermittlungen "notwendig", d.h. entsprechend der Amtsermittlungspflicht der Verwaltung (§§ 20, 21 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) unverzichtbar gewesen sein; dass sie bloß (möglicherweise) sinnvoll waren, reicht demgegenüber nicht aus. "Erkennbar" waren die Ermittlungen dabei nur dann, wenn sich der Behörde ihre Notwendigkeit ausgehend von den gesetzlichen Bestimmungen und ihrer höchstrichterlichen Auslegung bzw. - mangels einer solchen - von einem vertretbaren Rechtsstandpunkt aus er-schließen musste. Die Verpflichtung der Behörde zur umfassenden Ermittlung der für den Einzelfall bedeutsamen Umstände folgt dabei schon aus dem im Verwaltungsverfahren ebenfalls geltenden Untersuchungsgrundsatz nach § 20 Abs. 1 und 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Das ihr hierzu eingeräumte pflichtgemäße Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts erstreckt sich auf die Wahl der zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Beweismittel (§ 21 Abs. 1 SGB X), zu denen auch die Anhörung von Sachverständigen gehört (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X). Ihr pflichtgemäßes Ermessen verletzt die Behörde dann, wenn sie einen Beweis nicht erhebt, der sich ihr bei vernünftiger Überlegung als für die Entscheidung bedeutsam hätte aufdrängen müssen (von Wulffen in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 21 Rn. 3). Zu ermitteln sind von der Beklagten insoweit alle Tatsachen, für die Entscheidungsfindung in materieller Hinsicht wesentlich sind.
Liegen diese Voraussetzungen vor, erfolgt die Entscheidung über die Auferlegung der Kosten nach billigem Ermessen. Sowohl die Prüfung der Voraussetzungen als auch die Ermessensausübung haben streng bezogen auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die jeweilige konkrete Ermittlungsmaßnahme, zu erfolgen. Insoweit kann für § 192 Abs. 4 SGG nichts anderes gelten als für die anderen Kostenentscheidungen nach §§ 192, 193 SGG, bei denen auch stets auf die individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Falls abzustellen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. April 2010 - L 18 (8) R 199/05 - m.w.N.). Die Anwendung des § 192 Abs. 4 SGG setzt nicht voraus, dass das Gericht nach den von ihm nachgeholten Ermittlungen zu einem anderen Ergebnis kommt als die Behörde im Verwaltungsverfahren (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. August 2009 - L 4 KR 108/09 B -). Auch kann die Behörde nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie gerade die vom Gericht vorgenommenen Ermittlungen für nicht erforderlich hält (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Mai 2014 - L 11 AS 1343/13 B ER -). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das gerichtliche Sachverständigengutachten nicht verwertbar ist (vgl. § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG) und der Sachverständige keine Vergütung erhält; dann fehlt es bereits an Kosten im Sinne von § 192 Abs. 4 SGG.
Nach diesen Grundsätzen ist das Sozialgericht hier zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 192 Abs. 4 SGG vorliegen.
Streitgegenstand des Verfahrens war der Anspruch der Klägerin auf Feststellung der medizi-nischen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr). Eine ablehnende Entscheidung ist nur dann gerecht-fertigt, wenn die medizinischen Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Beklagte war angesichts dessen gehalten, Ermittlungen zur Bewegungsfähigkeit der Klägerin anzustellen.
Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Im Antrag vom 29. Dezember 2011 hatte die Klägerin ausdrücklich die Feststellung des Merkzeichens "G" beantragt. Ihre funktionellen Beschwerden waren ausweislich des Entlassungsberichts des Klinikzentrums B. S. vom 1. Dezember 2011 relevant beschrieben ("Die Gehstrecke in der Ebene gestützt auf die beiden Unterarmgehstützen betrage etwa 200-300 Meter"). Im Rehabilitationsergebnis der Klinik wurde ausdrücklich festgestellt, dass schon beim Gehen die eingeschränkte Streckungsphase des linken Beins auffalle und klinisch noch eine deutliche Schwellung des Kniegelenks bis in den Unterschenkel hinein bestehe. Angesichts dieser Feststellungen hätte die Einschätzung des Beratungsarztes Dr. F., ortsübliche Wegstrecken könnten zurückgelegt werden, einer Begründung bedurft; die apodiktische Feststellung "kein Merkzeichen G" reicht dafür nicht aus, zumal ein Befundbericht des behandelnden Arzts mit merkzeichenbezogener Fragestellung nicht eingeholt wurde. Die Feststellung im Bericht der Klinik für Innere Medizin des S.- und H. W. vom 3. Februar 2012, "Bewegungen ( ) unauffällig", vermag dies schon deshalb nicht zu ersetzen, weil die unteren Extremitäten eindeutig nicht Untersuchungsgegenstand waren. Weiterer Ermittlungen hätte es umso mehr deshalb bedurft, weil die Klägerin mit dem Widerspruch ausdrücklich auf die Merkzeichen-Beantragung und auf die bereits zweite Knie-OP links innerhalb eines Jahres hingewiesen hatte. Angesichts dessen hätten sich weitere Ermittlungen aufdrängen müssen. Jedenfalls ist den Akten keine hinreichende Begründung dafür zu entnehmen, warum diese unterlassen wurden.
Ausgehend von dem Kenntnisstand des Beklagten war eine weitere Abklärung des tatsächlichen Leistungsvermögens der Klägerin notwendig und auch ohne weiteres erkennbar. Diese Ermittlungen hat das Sozialgericht durch das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten nachgeholt. Dass der Beklagte seine Ermittlungspflichten möglicherweise durch Einholung von aussagekräftigen Befundberichten hätte erfüllen können, führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Wenn die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren pflichtwidrig unterlässt, kann sie gegen das vom Gericht zur Nachholung gewählte Mittel nicht einwenden, sie hätte einen kostengünstigeren Weg zur Sachverhaltsaufklärung gewählt. Sie muss auch dann für die Kosten eines vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens aufkommen, wenn sie ihrer Amtsermittlungspflicht durch Einholung von qualifizierten Befundberichten genügt hätte.
Die im vorliegenden Verfahren entstandenen Kosten für das Gutachten konnten daher ermes-senfehlerfrei dem Beklagten auferlegt werden. Die allgemeinen, nicht näher belegten Ausfüh-rungen im Beschluss des Sozialgerichts zu "gerichtsbekannt" unzureichenden Ermittlungen (die die Kostenauferlegung nach § 192 Abs. 4 SGG nicht rechtfertigen) waren erkennbar nicht ermessensentscheidungserheblich. Im Hinblick auf den oben beschriebenen Zweck des § 192 Abs. 4 SGG ist es unerheblich, dass der Sachverständige die medizinischen Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens nicht für gegeben hält.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren nach § 192 Abs. 4 SGG ist ein gesondert geregeltes Nebenverfahren über Kosten eines Hauptsacheverfahrens. Das vorliegende Hauptsacheverfahren ist die Klage der Betroffenen gegen den Beschwerdeführer als Beklagten. In dieser Verfahrensstellung als Beklagter hat der Beschwerdeführer gegen die Kostenentscheidung des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss Beschwerde eingelegt, an der die Klägerin/Versicherte nicht beteiligt ist. Die Kostenregelung des § 197a Abs. 1 SGG stellt auf den jeweiligen Rechtszug ab (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 197a Rn. 3). Der Beklagte ist nicht kostenprivilegiert, denn er gehört nicht zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis. Die allein im Beschwerderechtszug in Betracht kommenden Gerichtskosten sind vom Beklagten zu tragen, nachdem seine Beschwerde ohne Erfolg war.
Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es gemäß § 3 Abs. 1 GKG nicht, denn die Höhe der an-fallenden Gebühren richtet sich nach einer anderweitigen Bestimmung. Der Beschwerdeführer als einziger Beteiligter war nicht anwaltlich vertreten. Eine außergerichtliche Kostenerstattung kommt nicht in Betracht. Für das vorliegende Verfahren ergibt sich die Höhe der Gerichtskosten aus dem Kostenverzeichnis Nr. 7504, wo eine feste Gebühr ausgewiesen ist. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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