Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 15 SF 784/15 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 292/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit können Träger der Sozialhilfe lediglich in Erstattungsstreitigkeiten zu Gerichtskosten herangezogen werden (Anschluss an BSG, Beschluss vom 28. Januar 2016 – B 13 SF 3/16 S). Dies gilt unabhängig der jeweiligen Erstattungsgrundlage noch der Art der Leistungsträgerschaft des anderen Trägers. Die Gerichtskostenfreiheit nach § 64 Abs. 3 Satz 2 1. Halbs. SGB X entfällt nach § 197a Abs. 3 2. Halbs. SGG auch bei Erstattungsstreitigkeiten zwischen zwei Sozialhilfeträgern.
Die Erinnerung wird zurückgewiesen. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe:
I.
Im Streiten steht die Rechtmäßigkeit des Kostenansatzes für ein sozialgerichtliches Verfahren wegen Kostenerstattung zwischen zwei Trägern der Sozialhilfe.
Im Hauptsacheverfahren (S 15 SO 2059/15) machte der Erinnerungsführer als Sozialhilfeträger gegenüber der Stadt S. in deren Eigenschaft ebenfalls als Trägerin der Sozialhilfe (im Folgenden Beklagte) klageweise einen Kostenerstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) in Höhe von 20.634,83 Euro geltend. Mit Verfügung vom 30. September 2015 setzte das Sozialgericht den Streitwert vorläufig auf 20.634,83 Euro fest.
Mit Kostenansatz vom 6. Oktober 2015 setzte die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts gegenüber dem Erinnerungsführer Gerichtskosten in Höhe von 1.035,00 Euro fest (nach Nr. 7110 KV-GKG die 3-fache Gebühr aus einem Streitwert von 20.634,83 Euro).
Gegen den Kostenansatz hat der Erinnerungsführer am 13. Oktober 2015 Erinnerung eingelegt und sich darauf berufen, dass bei einem Erstattungsstreit ausschließlich zwischen Sozialhilfeträgern eine Kostenbefreiung nach § 64 Abs. 3 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gelte. § 197a Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) wähle die Formulierung "Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern" und beziehe sich damit nicht eindeutig auf Erstattungsstreitigkeiten von Sozialhilfeträgern untereinander. § 197a Abs. 3 SGG sei gegenüber § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X nicht lex specialis. Im Weiteren hat sich der Erinnerungsführer – unter Bezugnahme auf ein Parallelverfahren – auf Entscheidungen des Thüringer Landessozialgerichts (Beschluss vom 14. April 2015 - L 6 SF 352/15 E) und des Sozialgerichts Mannheim (Beschluss vom 7. Mai 2013 - S 9 SO 4188/12) berufen.
Mit Beschluss vom 10. Februar 2016 hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen. Eine Kostenprivilegierung gelte nicht, da § 197a Abs. 3 SGG bei Erstattungsstreitigkeiten der Sozialhilfeträger zur Kostenpflicht nach § 197a SGG führe.
Hiergegen hat der Erinnerungsführer Beschwerde eingelegt und bekräftigt, dass bei Erstattungsstreitigkeiten unter Sozialhilfeträgern Gerichtskostenfreiheit nach § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X gelte. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Sozialhilfeträger grundsätzlich von Gerichtskosten freigestellt werden, ausnahmsweise nur dann nicht, wenn sie sich bspw. mit einem beitragsfinanzierten Sozialleistungsträger (z.B. Berufsgenossenschaft oder gesetzliche Krankenversicherung) im Streit befindet.
Bereits unter dem 29. Januar 2016 hat der Erinnerungsführer seine Klage zurück genommen und sich bereit erklärt, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu übernehmen. Hinsichtlich des Gerichtskostenansatzes hat er auf die bereits anhängige Erinnerung verwiesen. Mit Beschluss vom 27. Januar 2017 hat das Sozialgericht entschieden, dass der Erinnerungsführer die Kosten des Hauptsacheverfahrens zu tragen hat; den Streitwert hat es auf 20.634,83 Euro festgesetzt. Mit Kostenansatz vom 1. März 2017 hat die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts nunmehr Gerichtskosten in Höhe von 345,00 Euro festgesetzt (nach Nr. 7111 KV-GKG die 1-fache Gebühr aus einem Streitwert von 20.634,83 Euro) und mitgeteilt, dass im Hinblick auf den höheren Kostenansatz vom 6. Oktober 2015 eine etwaige Überzahlung zurückerstattet werde.
Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,
den Kostenansatz vom 1. März 2017 aufzuheben.
Der Erinnerungsgegner beantragt sinngemäß,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass eine Gerichtskostenfreiheit bei Erstattungsstreitigkeiten grundsätzlich nicht gelte. Gesetzgeberisches Ziel sei gerade gewesen, Sozialhilfeträger bei Erstattungsstreitigkeiten nicht zu privilegieren. Die zitierte Entscheidung des Thüringer Landessozialgerichts habe im Übrigen keine weitere Konsequenz, weil es sich im dortigen Verfahren nicht um eine Erstattungsstreitigkeit gehandelt habe.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Mit Beschluss vom 22. Januar 2018 hat der Berichterstatter das Verfahren dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen (§ 66 Abs. 6 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG)).
II.
Die allein anhängige Erinnerung ist zulässig jedoch unbegründet.
Der Kostenansatz vom 6. Oktober 2015, gegen den die Beschwerde ursprünglich gerichtet war, basierte auf einer vorläufigen Streitwertfestsetzung. Auch ohne (damals) endgültige Entscheidung über den Streitwert waren die Gerichtsgebühren mit der vorläufigen Festsetzung fällig (vgl. §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. 63 Abs. 1 Satz 1 GKG); eine einschränkende Überprüfungsmöglichkeit wie nach § 63 Abs. 1 Satz 2 GKG hinsichtlich der vorläufigen Streitwertfestsetzung ist für den Kostenansatz nicht normiert. Der Kostenansatz vom 6. Oktober 2015 über 1.035,00 Euro wurde in Folge der endgültigen Streitwertfestsetzung durch den Kostenansatz vom 1. März 2017 geändert und ist gegenstandslos. Dies folgt aus § 19 Abs. 5 Satz 2 GKG und § 28 Abs. 1 der bundeseinheitlichen Kostenverfügung (KostVfg). Hiernach kann (§ 19 Abs. 5 Satz 2 GKG) bzw. muss (§ 28 Abs. 1 KostVfg) der Urkundsbeamte den Kostenansatz bei Änderungen berichtigen. So verhielt es sich hier: Durch die Klagerücknahme fiel nur eine 1-fache Gebühr nach Nr. 7111 KV-GKG statt die 3-fache Gebühr nach Nr. 7110 KV-GKG an, was unmittelbare Auswirkung auf die Höhe der Gerichtskosten hat. Entsprechend erfolgte durch die Urkundsbeamtin ein korrigierter Kostenansatz, der keinen Zweifel daran lässt, dass der ursprüngliche Kostenansatz vom 6. Oktober 2015 hinfällig ist und keinerlei Rechtswirkung mehr entfaltet; eine Rückzahlung der Überzahlung wurde zugesichert. Gegenstand des Verfahrens vor dem Senat ist damit anstatt des Kostenansatzes vom 6. Oktober 2015 und dem ihm folgenden Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 10. Februar 2016 allein der berichtigte Kostenansatz vom 1. März 2017, der während des Beschwerdeverfahrens erging. Damit hat der Senat erstinstanzlich (im Erinnerungsverfahren) über ihn zu entscheiden.
Gegen den Kostenansatz kann sich der Erinnerungsführer allein mit der Begründung wenden, er sei von Gerichtskosten befreit (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Januar 2016 – B 13 SF 3/16 S; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 18. März 2015 – L 6 SF 71/15 B, beide nach juris). Anderes gilt beim reinen Einwand, der Kostenschuldner gehöre tatsächlich zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG. Damit würde lediglich inhaltlich der unanfechtbare Streitwertbeschluss angegriffen, was aber nicht statthaft wäre, denn ein Rechtsbehelf nach § 66 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (vgl. m.w.N. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 12. April 2013 – L 6 SF 291/13 E, nach juris). Sofern jedoch der Kostenansatz mit dem Argument angegriffen wird, der Kostenschuldner sei von Gerichtskosten befreit, muss anderes gelten. Denn eine Haftung des Kostenschuldners für die Gerichtskosten nach § 29 Nr. 1 GKG scheidet trotz rechtskräftigem Streitwertbeschluss - mit dem die Fälligkeit einer Gerichtsgebühr beim Verfahrensbeginn und auch die Feststellung, dass die in Betracht kommende Gebühr überhaupt von einem Kostenstreitwert abhängt, jedenfalls inzident geprüft wird (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 12. April 2013 – L 6 SF 291/13 E, nach juris) - aus, denn nach § 2 Abs. 5 S. 1 1. Halbs. GKG sind Verfahrenskosten nicht zu erheben, wenn sie - wie hier geschehen - einem von den Kosten Befreiten auferlegt worden sind (so schon Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 18. März 2015 – L 6 SF 71/15 B, nach juris). § 2 Abs. 5 GKG gilt nur für die Kostenbefreiung, also für Fälle, in denen Kosten grundsätzlich entstehen können, diese aber nicht geltend gemacht werden können (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 42. Auflage 2012, § 2 GKG Rn. 20 und auch Volpert/Köpf in NK-GK, § 2 GKG, Rn. 47). Nicht hingegen gilt § 2 Abs. 5 GKG für Fälle, in denen Gerichtskosten gar nicht erst anfallen - so wie es auch § 183 SGG bestimmt.
Der Erinnerungsführer ist hier jedoch nicht von Gerichtskosten befreit.
Nach § 2 Abs. 3 GKG i.V.m. § 64 Abs. 3 Satz 3 1. Halbs. SGB X sind unter anderen im Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit die Träger der Sozialhilfe von den Gerichtskosten befreit. Dieser Grundsatz findet eine Einschränkung nach § 64 Abs. 3 Satz 3 2. Halbs. SGB X, der bestimmt, dass § 197a SGG unberührt bleibt. Nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Insofern stellt § 197a Abs. 3 SGG klar, dass dies auch für Träger der Sozialhilfe gilt, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
So verhält es sich hier: Der Erinnerungsführer führte als Träger der Sozialhilfe einen Erstattungsstreit mit einem anderen Träger der Sozialhilfe. Damit besteht für ihn keine Kostenprivilegierung. Die gegenteilige Argumentation überzeugt nicht. Zu § 64 Abs. 3 Satz 2 2. Halbs. SGB X und § 197a Abs. 3 SGG hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 28. Januar 2016 - B 13 SF 3/16 S ausgeführt, dass mit der durch den 2. Halbsatz zum 1. Januar 2005 angefügten Ergänzung in § 64 Abs. 3 SGB X (vgl. "Artikel 0" des Siebenten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 9. Dezember 2004 - BGBl I 3302) und dem zugleich eingefügten § 197a Abs. 3 SGG auf eine Anregung des Bundesrats sichergestellt werden soll, dass die Träger der Sozialhilfe wie bisher grundsätzlich von den Gerichtskosten freigestellt bleiben und von dieser Freistellung – wie bislang nach § 188 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) – lediglich Verfahren in Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern ausgenommen sind (vgl. Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung, BT-Drucks. 15/3867 S. 3 - Zu Nummer 14a (§ 197a Abs. 3 SGG)). Es könne dahinstehen, ob die vom Ausschuss vorgeschlagenen Gesetzesformulierungen die Regelungsabsicht wirklich klar zum Ausdruck bringen oder eher zur Verwirrung beitragen. Der Regelungszweck des Zusammenspiels von § 64 Abs. 3 Satz 2 2. Halbs. SGB X einerseits und § 197a Abs. 3 SGG andererseits aus den Gesetzesmaterialien ergebe hinreichend deutlich, dass sie sicherstellen sollen, dass die Träger der Sozialhilfe vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit lediglich in Erstattungsstreitigkeiten zu Gerichtskosten herangezogen werden können.
Dieser Auffassung des Bundessozialgerichts schließt sich der Senat ausdrücklich an (a.A. der früher zuständige 6. Senat des Thüringer Landessozialgerichts, Beschlüsse vom 18. März 2015 – L 6 SF 71/15 B und 14. April 2015 – L 6 SF 352/15 E, beide nach juris) und ergänzt, dass § 197a Abs. 3 SGG weder hinsichtlich der Erstattungsgrundlage noch der Art der Leistungsträgerschaft des anderen Trägers differenziert. § 197a Abs. 3 SGG gilt für jedweden Erstattungsstreit unter jedwedem Träger – auch Trägern gleicher Leistungsart. Weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien lassen sich entsprechende Einschränkungen entnehmen. Soweit die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 197a Abs. 3 SGG auf das geltende Recht für Streitigkeiten vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit verweist, lässt sich auch hieraus keine andere Auslegung ermitteln. In § 188 Satz 2 VwGO wurde der 2. Halbsatz ("dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.") aufgrund des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 3987) eingeführt, wobei dieser Gesetzespassus in das RmBereinVpG während des Gesetzgebungsverfahrens durch die Empfehlungen der Ausschüsse (BR-Drucks. 405/1/01) gelangte. Begründet wurde diese Ergänzung insoweit, dass "die Ergänzung der Vorschrift ( ) die Kostenfreiheit für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern entfallen (lässt). Dies entspricht den Regelungen des von der Bundesregierung beschlossenen Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (BR-DRs. 132/01, § 184 SGG) und trägt dem Umstand Rechnung, dass für Streitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern kein sachlicher Grund für die Freistellung von den Gerichtskosten besteht." Auch hier findet sich keinerlei Einschränkung dergestalt, dass die Kostenprivilegierung nur bei Erstattungsstreitigkeiten von Sozialhilfeträgern mit beitragsfinanzierten Sozialleistungsträgern (z.B. Berufsgenossenschaft oder gesetzliche Krankenversicherung) entfallen soll. Es ist nicht einzusehen, warum Sozialhilfeträger im Erstattungsstreit untereinander gerichtskostenbefreit sein sollen und im Erstattungsstreit mit Trägern anderer Sozialleistungen nicht.
Dass die Höhe der festgesetzten Gerichtsgebühren unzutreffend sein sollte, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 66 Abs. 3 S. 3 GKG).
Gründe:
I.
Im Streiten steht die Rechtmäßigkeit des Kostenansatzes für ein sozialgerichtliches Verfahren wegen Kostenerstattung zwischen zwei Trägern der Sozialhilfe.
Im Hauptsacheverfahren (S 15 SO 2059/15) machte der Erinnerungsführer als Sozialhilfeträger gegenüber der Stadt S. in deren Eigenschaft ebenfalls als Trägerin der Sozialhilfe (im Folgenden Beklagte) klageweise einen Kostenerstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) in Höhe von 20.634,83 Euro geltend. Mit Verfügung vom 30. September 2015 setzte das Sozialgericht den Streitwert vorläufig auf 20.634,83 Euro fest.
Mit Kostenansatz vom 6. Oktober 2015 setzte die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts gegenüber dem Erinnerungsführer Gerichtskosten in Höhe von 1.035,00 Euro fest (nach Nr. 7110 KV-GKG die 3-fache Gebühr aus einem Streitwert von 20.634,83 Euro).
Gegen den Kostenansatz hat der Erinnerungsführer am 13. Oktober 2015 Erinnerung eingelegt und sich darauf berufen, dass bei einem Erstattungsstreit ausschließlich zwischen Sozialhilfeträgern eine Kostenbefreiung nach § 64 Abs. 3 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gelte. § 197a Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) wähle die Formulierung "Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern" und beziehe sich damit nicht eindeutig auf Erstattungsstreitigkeiten von Sozialhilfeträgern untereinander. § 197a Abs. 3 SGG sei gegenüber § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X nicht lex specialis. Im Weiteren hat sich der Erinnerungsführer – unter Bezugnahme auf ein Parallelverfahren – auf Entscheidungen des Thüringer Landessozialgerichts (Beschluss vom 14. April 2015 - L 6 SF 352/15 E) und des Sozialgerichts Mannheim (Beschluss vom 7. Mai 2013 - S 9 SO 4188/12) berufen.
Mit Beschluss vom 10. Februar 2016 hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen. Eine Kostenprivilegierung gelte nicht, da § 197a Abs. 3 SGG bei Erstattungsstreitigkeiten der Sozialhilfeträger zur Kostenpflicht nach § 197a SGG führe.
Hiergegen hat der Erinnerungsführer Beschwerde eingelegt und bekräftigt, dass bei Erstattungsstreitigkeiten unter Sozialhilfeträgern Gerichtskostenfreiheit nach § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X gelte. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Sozialhilfeträger grundsätzlich von Gerichtskosten freigestellt werden, ausnahmsweise nur dann nicht, wenn sie sich bspw. mit einem beitragsfinanzierten Sozialleistungsträger (z.B. Berufsgenossenschaft oder gesetzliche Krankenversicherung) im Streit befindet.
Bereits unter dem 29. Januar 2016 hat der Erinnerungsführer seine Klage zurück genommen und sich bereit erklärt, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu übernehmen. Hinsichtlich des Gerichtskostenansatzes hat er auf die bereits anhängige Erinnerung verwiesen. Mit Beschluss vom 27. Januar 2017 hat das Sozialgericht entschieden, dass der Erinnerungsführer die Kosten des Hauptsacheverfahrens zu tragen hat; den Streitwert hat es auf 20.634,83 Euro festgesetzt. Mit Kostenansatz vom 1. März 2017 hat die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts nunmehr Gerichtskosten in Höhe von 345,00 Euro festgesetzt (nach Nr. 7111 KV-GKG die 1-fache Gebühr aus einem Streitwert von 20.634,83 Euro) und mitgeteilt, dass im Hinblick auf den höheren Kostenansatz vom 6. Oktober 2015 eine etwaige Überzahlung zurückerstattet werde.
Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,
den Kostenansatz vom 1. März 2017 aufzuheben.
Der Erinnerungsgegner beantragt sinngemäß,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass eine Gerichtskostenfreiheit bei Erstattungsstreitigkeiten grundsätzlich nicht gelte. Gesetzgeberisches Ziel sei gerade gewesen, Sozialhilfeträger bei Erstattungsstreitigkeiten nicht zu privilegieren. Die zitierte Entscheidung des Thüringer Landessozialgerichts habe im Übrigen keine weitere Konsequenz, weil es sich im dortigen Verfahren nicht um eine Erstattungsstreitigkeit gehandelt habe.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Mit Beschluss vom 22. Januar 2018 hat der Berichterstatter das Verfahren dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen (§ 66 Abs. 6 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG)).
II.
Die allein anhängige Erinnerung ist zulässig jedoch unbegründet.
Der Kostenansatz vom 6. Oktober 2015, gegen den die Beschwerde ursprünglich gerichtet war, basierte auf einer vorläufigen Streitwertfestsetzung. Auch ohne (damals) endgültige Entscheidung über den Streitwert waren die Gerichtsgebühren mit der vorläufigen Festsetzung fällig (vgl. §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. 63 Abs. 1 Satz 1 GKG); eine einschränkende Überprüfungsmöglichkeit wie nach § 63 Abs. 1 Satz 2 GKG hinsichtlich der vorläufigen Streitwertfestsetzung ist für den Kostenansatz nicht normiert. Der Kostenansatz vom 6. Oktober 2015 über 1.035,00 Euro wurde in Folge der endgültigen Streitwertfestsetzung durch den Kostenansatz vom 1. März 2017 geändert und ist gegenstandslos. Dies folgt aus § 19 Abs. 5 Satz 2 GKG und § 28 Abs. 1 der bundeseinheitlichen Kostenverfügung (KostVfg). Hiernach kann (§ 19 Abs. 5 Satz 2 GKG) bzw. muss (§ 28 Abs. 1 KostVfg) der Urkundsbeamte den Kostenansatz bei Änderungen berichtigen. So verhielt es sich hier: Durch die Klagerücknahme fiel nur eine 1-fache Gebühr nach Nr. 7111 KV-GKG statt die 3-fache Gebühr nach Nr. 7110 KV-GKG an, was unmittelbare Auswirkung auf die Höhe der Gerichtskosten hat. Entsprechend erfolgte durch die Urkundsbeamtin ein korrigierter Kostenansatz, der keinen Zweifel daran lässt, dass der ursprüngliche Kostenansatz vom 6. Oktober 2015 hinfällig ist und keinerlei Rechtswirkung mehr entfaltet; eine Rückzahlung der Überzahlung wurde zugesichert. Gegenstand des Verfahrens vor dem Senat ist damit anstatt des Kostenansatzes vom 6. Oktober 2015 und dem ihm folgenden Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 10. Februar 2016 allein der berichtigte Kostenansatz vom 1. März 2017, der während des Beschwerdeverfahrens erging. Damit hat der Senat erstinstanzlich (im Erinnerungsverfahren) über ihn zu entscheiden.
Gegen den Kostenansatz kann sich der Erinnerungsführer allein mit der Begründung wenden, er sei von Gerichtskosten befreit (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Januar 2016 – B 13 SF 3/16 S; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 18. März 2015 – L 6 SF 71/15 B, beide nach juris). Anderes gilt beim reinen Einwand, der Kostenschuldner gehöre tatsächlich zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG. Damit würde lediglich inhaltlich der unanfechtbare Streitwertbeschluss angegriffen, was aber nicht statthaft wäre, denn ein Rechtsbehelf nach § 66 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (vgl. m.w.N. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 12. April 2013 – L 6 SF 291/13 E, nach juris). Sofern jedoch der Kostenansatz mit dem Argument angegriffen wird, der Kostenschuldner sei von Gerichtskosten befreit, muss anderes gelten. Denn eine Haftung des Kostenschuldners für die Gerichtskosten nach § 29 Nr. 1 GKG scheidet trotz rechtskräftigem Streitwertbeschluss - mit dem die Fälligkeit einer Gerichtsgebühr beim Verfahrensbeginn und auch die Feststellung, dass die in Betracht kommende Gebühr überhaupt von einem Kostenstreitwert abhängt, jedenfalls inzident geprüft wird (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 12. April 2013 – L 6 SF 291/13 E, nach juris) - aus, denn nach § 2 Abs. 5 S. 1 1. Halbs. GKG sind Verfahrenskosten nicht zu erheben, wenn sie - wie hier geschehen - einem von den Kosten Befreiten auferlegt worden sind (so schon Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 18. März 2015 – L 6 SF 71/15 B, nach juris). § 2 Abs. 5 GKG gilt nur für die Kostenbefreiung, also für Fälle, in denen Kosten grundsätzlich entstehen können, diese aber nicht geltend gemacht werden können (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 42. Auflage 2012, § 2 GKG Rn. 20 und auch Volpert/Köpf in NK-GK, § 2 GKG, Rn. 47). Nicht hingegen gilt § 2 Abs. 5 GKG für Fälle, in denen Gerichtskosten gar nicht erst anfallen - so wie es auch § 183 SGG bestimmt.
Der Erinnerungsführer ist hier jedoch nicht von Gerichtskosten befreit.
Nach § 2 Abs. 3 GKG i.V.m. § 64 Abs. 3 Satz 3 1. Halbs. SGB X sind unter anderen im Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit die Träger der Sozialhilfe von den Gerichtskosten befreit. Dieser Grundsatz findet eine Einschränkung nach § 64 Abs. 3 Satz 3 2. Halbs. SGB X, der bestimmt, dass § 197a SGG unberührt bleibt. Nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Insofern stellt § 197a Abs. 3 SGG klar, dass dies auch für Träger der Sozialhilfe gilt, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
So verhält es sich hier: Der Erinnerungsführer führte als Träger der Sozialhilfe einen Erstattungsstreit mit einem anderen Träger der Sozialhilfe. Damit besteht für ihn keine Kostenprivilegierung. Die gegenteilige Argumentation überzeugt nicht. Zu § 64 Abs. 3 Satz 2 2. Halbs. SGB X und § 197a Abs. 3 SGG hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 28. Januar 2016 - B 13 SF 3/16 S ausgeführt, dass mit der durch den 2. Halbsatz zum 1. Januar 2005 angefügten Ergänzung in § 64 Abs. 3 SGB X (vgl. "Artikel 0" des Siebenten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 9. Dezember 2004 - BGBl I 3302) und dem zugleich eingefügten § 197a Abs. 3 SGG auf eine Anregung des Bundesrats sichergestellt werden soll, dass die Träger der Sozialhilfe wie bisher grundsätzlich von den Gerichtskosten freigestellt bleiben und von dieser Freistellung – wie bislang nach § 188 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) – lediglich Verfahren in Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern ausgenommen sind (vgl. Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung, BT-Drucks. 15/3867 S. 3 - Zu Nummer 14a (§ 197a Abs. 3 SGG)). Es könne dahinstehen, ob die vom Ausschuss vorgeschlagenen Gesetzesformulierungen die Regelungsabsicht wirklich klar zum Ausdruck bringen oder eher zur Verwirrung beitragen. Der Regelungszweck des Zusammenspiels von § 64 Abs. 3 Satz 2 2. Halbs. SGB X einerseits und § 197a Abs. 3 SGG andererseits aus den Gesetzesmaterialien ergebe hinreichend deutlich, dass sie sicherstellen sollen, dass die Träger der Sozialhilfe vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit lediglich in Erstattungsstreitigkeiten zu Gerichtskosten herangezogen werden können.
Dieser Auffassung des Bundessozialgerichts schließt sich der Senat ausdrücklich an (a.A. der früher zuständige 6. Senat des Thüringer Landessozialgerichts, Beschlüsse vom 18. März 2015 – L 6 SF 71/15 B und 14. April 2015 – L 6 SF 352/15 E, beide nach juris) und ergänzt, dass § 197a Abs. 3 SGG weder hinsichtlich der Erstattungsgrundlage noch der Art der Leistungsträgerschaft des anderen Trägers differenziert. § 197a Abs. 3 SGG gilt für jedweden Erstattungsstreit unter jedwedem Träger – auch Trägern gleicher Leistungsart. Weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien lassen sich entsprechende Einschränkungen entnehmen. Soweit die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 197a Abs. 3 SGG auf das geltende Recht für Streitigkeiten vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit verweist, lässt sich auch hieraus keine andere Auslegung ermitteln. In § 188 Satz 2 VwGO wurde der 2. Halbsatz ("dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.") aufgrund des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 3987) eingeführt, wobei dieser Gesetzespassus in das RmBereinVpG während des Gesetzgebungsverfahrens durch die Empfehlungen der Ausschüsse (BR-Drucks. 405/1/01) gelangte. Begründet wurde diese Ergänzung insoweit, dass "die Ergänzung der Vorschrift ( ) die Kostenfreiheit für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern entfallen (lässt). Dies entspricht den Regelungen des von der Bundesregierung beschlossenen Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (BR-DRs. 132/01, § 184 SGG) und trägt dem Umstand Rechnung, dass für Streitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern kein sachlicher Grund für die Freistellung von den Gerichtskosten besteht." Auch hier findet sich keinerlei Einschränkung dergestalt, dass die Kostenprivilegierung nur bei Erstattungsstreitigkeiten von Sozialhilfeträgern mit beitragsfinanzierten Sozialleistungsträgern (z.B. Berufsgenossenschaft oder gesetzliche Krankenversicherung) entfallen soll. Es ist nicht einzusehen, warum Sozialhilfeträger im Erstattungsstreit untereinander gerichtskostenbefreit sein sollen und im Erstattungsstreit mit Trägern anderer Sozialleistungen nicht.
Dass die Höhe der festgesetzten Gerichtsgebühren unzutreffend sein sollte, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 66 Abs. 3 S. 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
Login
FST
Saved