Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AL 173/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit vom 01.12.2014 bis 21.22.2014 wegen Arbeitsaufgabe.
Der Kläger ist 1958 geboren und verheiratet. Er war seit 41 Jahren bei der F. G. N. GmbH zuletzt als Mitarbeiter am Empfang/Pforte beschäftigt. Die Kündigungsfrist betrug 6 Monate zum Ende eines Vierteljahres.
Am 20.09.2012 schloss der Kläger einen Aufhebungsvertrag. Danach endete das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung der Arbeitgeberin einvernehmlich mit Ablauf des 30.11.2014. Gleichzeitig wurde die Zahlung einer Abfindung von 363.416,56 EUR vereinbart.
In einem Mitarbeiterbrief des Spartenbetriebsrates der F. vom 13.03.2013 wurde unter anderem mitgeteilt, dass es dem Spartenbetriebsrat gelungen sei, die Schließung der F. statt wie geplant, zum 30.06.2013 auf den 31.12.2014 zu verlegen.
Am 03.06.2013 wurde zwischen der F. G. N. GmbH und dem Spartenbetriebsrat der F. G. N. GmbH ein Interessenausgleich über die Stilllegung der Betriebe der F. G. N. GmbH geschlossen. Unter II. Beschreibung der Maßnahmen wird ausgeführt: "Gegenstand dieses Interessenausgleichs ist die schrittweise vollständige Stilllegung der Betriebe Süd, Mitte, Nord und West der F. G. N. bis spätestens 31.12.2014. Hiervon sind sämtliche Arbeitsplätze in den Betrieben betroffen."
Der Kläger meldete sich am 22.09.2014 bei der Beklagten mit Wirkung zum 01.12.2014 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (ALG).
In der Arbeitsbescheinigung vom 19.01.2015 gab die F. G. N. GmbH an:" Der Arbeitgeber hätte das Arbeitsverhältnis gekündigt: am 30.06.2014 zum 31.12.2014 betriebsbedingt."
Der Kläger teilte im Fragebogen bei Aufhebungsvertrag mit, man sei im Juli/August 2012 informiert worden, dass die F. im Juni 2013 geschlossen werde (Betriebsschließung). Für Mitarbeiter im F.-Konzern sei laut F. Sparprogramm ein Zeitfenster für September 2012 geöffnet worden, für Mitarbeiter bis Geburtsjahrgang 1958 einen Aufhebungsvertrag zu bieten. Diese Möglichkeit habe er genutzt, um eine fristgerechte betriebsbedingte Kündigung mit unabsehbaren Folgen für sich zu entgehen. Durch die Verhandlungen des Betriebsrates sei dann die Schließung für Ende 2014 beschlossen worden.
Mit Bescheid vom 04.02.2015 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01.12.2014 bis 22.02.2015 fest. Während dieser Zeit ruhe der Anspruch auf ALG. Er habe sein Beschäftigungsverhältnis bei der F. G. N. GmbH durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Die Anspruchsdauer auf ALG werde um 135 Tage – ¼ der Anspruchsdauer – gemindert.
Mit endgültigem Bewilligungsbescheid vom 17.02.2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger ALG ab dem 01.12.2014 mit einer Anspruchsdauer von 540 Tagen und einem täglichen Leistungssatz von 67,74 EUR. Für den Zeitraum vom 01.12.2014 bis 22.02.2015 ruhe der Anspruch auf ALG wegen des Eintritts einer 12-wöchigen Sperrzeit.
In einer für den Kläger ausgestellten Bestätigung vom 12.02.2015 führte die F. G. N. GmbH Folgendes aus: "Hätte Herr X. keinen Aufhebungsvertrag geschlossen, wäre er von der schrittweisen Stilllegung sämtlicher Betriebe der Gesellschaft betroffen gewesen. Ihm wären in diesem Zusammenhang die Ausscheidenswege nach dem Sozialplan vom 03.06.2013 angeboten worden. Hätte er keines dieser Angebote angenommen, wäre unter Einhaltung der für ihn maßgeblichen tariflichen Kündigungsfrist am 30.06.2014 eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung mit Wirkung zum 31.12.2014 ausgesprochen worden."
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Der Kläger habe den Aufhebungsvertrag vom 13.09.2012 nur deshalb akzeptiert, da das Arbeitsverhältnis aufgrund der vom Arbeitgeber beabsichtigten und an sämtliche Mitarbeiter kommunizierten Betriebsstilllegung anderenfalls aus betriebsbedingten Gründen gekündigt worden wäre. Eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung wäre spätestens mit Wirkung zum 31.12.2014 ausgesprochen worden. Insofern werde verwiesen auf die schriftliche Bestätigung der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers vom 12.02.2015. Der Kläger habe somit einen wichtigen Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Im Übrigen hätte die Dauer der Sperrzeit gemäß § 159 Abs. 3 Ziffer 1 SGB III auf drei Wochen verkürzt werden müssen, da das Arbeitsverhältnis spätestens zum 31.12.2014 durch Arbeitgeberkündigung beendet worden wäre.
Mit Änderungsbescheid vom 24.03.2015 reduzierte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit auf den Zeitraum 01.12.2014 bis 21.12.2014. Die Minderung der Anspruchsdauer betrage 21 Tage.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2015 wies die Beklagte den weitergehenden Widerspruch zurück. § 159 Abs. 1 Satz 1 des 3. Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) bestimme, dass der Anspruch auf ALG für die Dauer einer Sperrzeit ruhe, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten habe, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liege vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe, § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III). Die Sperrzeit beginne mit dem Tag nach dem Ereignis, dass die Sperrzeitbegründung oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit falle, mit dem Ende dieser Sperrzeit (§ 159 Abs. 2 SGB III). Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe betrage 12 Wochen. Sie verkürze sich auf 3 Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von 6 Wochen nach dem Ereignis, dass die Sperrzeit begründe, ohne eine Sperrzeit geendet hätte (§ 159 Abs. 3 Nr. 3 SGB III). Der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis bei der F. G. N. GmbH zum 30. November 2014 durch seine Zustimmung zum Aufhebungsvertrag am 20.09.2012 gelöst. Er habe keine konkrete Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Dauerbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt. Die Arbeitslosigkeit sei daher zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden.
Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar. Es sei nach Abwägung der Interessen des Klägers mit den Interessen der Beitragszahler zumutbar, das Beschäftigungsverhältnis bis zu dem Tag fortzusetzen, an dem es auch ohne die Auflösung durch den Kläger geendet hätte. Der Arbeitgeber hätte das Arbeitsverhältnis nach seinen eigenen Angaben in der Arbeitsbescheinigung erst zum 31.12.2014 beendet und nach der maßgeblichen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende auch nur kündigen können. Die Dauer der Sperrzeit betrage 3 Wochen, weil das Arbeitsverhältnis ohnehin innerhalb von 6 Wochen nach dem Sperrzeitereignis ohne eine Sperrzeit geendet hätte (§ 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB III). Beginn und Ende der Sperrzeit seien mit dem Änderungsbescheid vom 24.03.2015 zutreffend festgesetzt worden. Während dieser Zeit ruhe der Leistungsanspruch. Die Dauer des Anspruchs auf ALG mindere sich um die Anzahl von Tagen der Sperrzeit (§ 148 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) vorliegend um 21 Tage.
Hiergegen hat der Kläger am 20.04.2015 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er seinen Vortrag aus dem Vorverfahren. Er trägt vertiefend vor, bei Abschluss des Aufhebungsvertrages sei der Kläger aufgrund der ihn mitgeteilten Informationen nicht davon ausgegangen, dass er mit Abschluss des Aufhebungsvertrages das Arbeitsverhältnis früher beenden würde, als dies bei einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung der Fall gewesen wäre. Die individuelle Kündigungsfrist des Klägers habe 6 Monate zum Quartalsende betragen. Diese Kündigungsfrist sei bei Abschluss des streitgegenständlichen Aufhebungsvertrages eingehalten worden. Wenn der ehemalige Arbeitgeber des Klägers nunmehr mitteile, dass Arbeitsverhältnis wäre am 30.06.2014 zum 31.12.2014 durch Kündigung beendet worden, entspreche dies nicht den Informationen, die man dem Kläger zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages mitgeteilt habe. Dem Kläger sei insofern mitgeteilt worden, dass das Arbeitsverhältnis mit Abschluss des Aufhebungsvertrages zu dem Zeitpunkt enden werde, zu dem es andernfalls durch arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung geendet hätte.
Der Kläger führt weiter aus, er habe zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages keine Kenntnis darüber gehabt, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2014 habe gekündigt werden sollen. Es sei insofern auf den Erkenntnishorizont des Klägers abzustellen, der zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen sei, der Betrieb werde zum 30.06.2013 geschlossen.
Auf Anfrage des Gerichts teilte der Bevollmächtigte des Kläger am 21.04.2016 mit, dem Kläger sei im September 2012 im Zusammenhang mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages mitgeteilt worden, dass das Arbeitsverhältnis anderenfalls wegen Stilllegung sämtlicher Betriebe der Gesellschaft zum Jahresende 2014 durch betriebsbedingte Kündigung beendet werden würde. Ein konkreter Kündigungszeitpunkt sei dem Kläger in diesem Zusammenhang nicht mitgeteilt worden. Der Kläger sei jedoch davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis auch im Falle einer betriebsbedingten Kündigung zum gleichen Zeitpunkt geendet hätte, wie dies durch Abschluss des Aufhebungsvertrages der Fall gewesen sei. Wenn gleich mit dem Kläger nicht über ein konkretes Ende bei einer ansonsten ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung gesprochen worden sei, habe der Kläger aufgrund der Gesamtumstände davon ausgehen dürfen, dass das Arbeitsverhältnis bei Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung jedenfalls nicht später als mit Ablauf des 30.11.2014 enden werde. Der Kläger sei im Juli/August 2012 vielmehr darüber informiert worden, dass der Betrieb bereits im Juni 2013 geschlossen werde.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Sperrzeitbescheides vom 04.02.2015 und Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 17.02.2015, beide in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.03.2015, alle in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2015 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld I ohne Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen und haben der Kammer bei ihrer Entscheidung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da er rechtmäßig ist. Der Anspruch des Klägers auf ALG ruht wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit vom 01.12. bis 21.12.2014 bei einer entsprechenden Anspruchsminderung um 21 Tage.
Zur Begründung bezieht sich die Kammer zunächst auf die Ausführungen des angefochtenen Widerspruchsbescheides, dessen Begründung die Kammer nach eigener Überprüfung folgt (§ 136 Abs. 3 SGG).
Das Gericht weist lediglich ergänzend auf Folgendes hin: nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 12.07.2006, B 11 a AL 47/05 R) kann ein wichtiger Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages vorliegen, wenn der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag abschließt und der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages mit einer betriebsbedingten, nach § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) rechtmäßigen Kündigung zum selben Zeitpunkt, zu dem mit dem Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis beendet wird, droht.
Daran fehlt es hier. Der Arbeitgeber hat sich in der Arbeitsbescheinigung vom 19.01.2015 und in der vom Kläger selbst vorgelegten Stellungnahme der F. G. N. GmbH vom 12.02.2015 dahingehend eingelassen, dass dem Kläger für den Fall, dass er den Aufhebungsvertrag nicht abgeschlossen hätte, ihm nicht zum 30.11.2014 gekündigt worden wäre. Der Arbeitgeber hat vielmehr schriftlich bekundet, der Kläger wäre ohne Abschluss des Aufhebungsvertrages von der schrittweisen Stilllegung sämtlicher Betriebe der Gesellschaft betroffen gewesen. Ihm wären in diesem Zusammenhang die Ausscheidenswege nach dem Sozialplan vom 03.06.2013 angeboten worden. Wenn er keines dieser Angebote angenommen hätte, wäre ihm unter Einhaltung der Kündigungsfrist am 30.06.2014 zum 31.12.2014 – Tag der endgültigen Betriebsstilllegung – gekündigt worden. Damit drohte dem Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages keine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung mit Ablauf des 30.11.2014.
Soweit der Kläger vorträgt, er habe subjektiv bei Abschluss des Aufhebungsvertrages nach den Gesprächen mit dem Spartenbetriebsrat davon ausgehen müssen und dürfen, dass im Jahr 2012 geplant gewesen sei, den Betrieb zum 30.06.2013 zu schließen, so führt dies zu keiner anderen Entscheidung. Subjektiv mag der Kläger davon ausgegangen sein, dass er mit Abschluss des Aufhebungsvertrages das Ende des Arbeitsverhältnisses über den 30.06.2013 hinaus bis zum 30.11.2014 sogar verlängerte. Bei der Feststellung des Vorliegens eines wichtigen Grundes kommt es jedoch nicht auf die subjektive Vorstellung des Klägers, sondern auf das objektive Vorliegen dieses Grundes an (Karmanski in: Brand, Kommentar zum SGB III, 7. Auflage, § 159, Randziffer 122). Objektiv wäre dem Kläger aber bei Abschluss des Aufhebungsvertrages von der ehemaligen Arbeitgeberin nicht zum 30.11.2014 und auch nicht zum 30.06.2013 gekündigt worden. Hiervon ist die Kammer überzeugt, da sich unter anderem aus dem vom Kläger im Verhandlungstermin vom 21.06.2016 vorgelegten Mitarbeiterbrief des Spartenbetriebsrates der F. vom 13.03.2013 ergibt, dass es im Jahr 2012 nur eine Planung, aber keine endgültige Entscheidung gab, den Betrieb bereits zum 30.06.2013 zu schließen. So hat die ehemalige Arbeitgeberin auch schriftlich nicht bekundet, dass allen Mitarbeitern des Betriebes, die keinen Aufhebungsvertrag geschlossen haben, direkt eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen worden wäre. Vielmehr sind nach Auffassung der Kammer fortlaufend Gespräche zwischen der ehemaligen Arbeitgeberin und den Spartenbetriebsrat über eine sozialverträgliche Schließung des Betriebes geführt worden, sodass von einer endgültigen Entscheidung im Jahr 2012 noch nicht die Rede gewesen sein kann. Es handelte sich lediglich um Planungen. Anhand der vorgelegten Unterlagen ist auch erkennbar, dass es den Spartenbetriebsrat gelungen ist, durch Verhandlungen die Planung einer Betriebsschließung zum 30.06.2013 auf den 31.12.2014 zu verschieben. Bei einer unumstößlich feststehenden Betriebsschließung zum 30.06.2013 wäre dieses nicht möglich gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit vom 01.12.2014 bis 21.22.2014 wegen Arbeitsaufgabe.
Der Kläger ist 1958 geboren und verheiratet. Er war seit 41 Jahren bei der F. G. N. GmbH zuletzt als Mitarbeiter am Empfang/Pforte beschäftigt. Die Kündigungsfrist betrug 6 Monate zum Ende eines Vierteljahres.
Am 20.09.2012 schloss der Kläger einen Aufhebungsvertrag. Danach endete das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung der Arbeitgeberin einvernehmlich mit Ablauf des 30.11.2014. Gleichzeitig wurde die Zahlung einer Abfindung von 363.416,56 EUR vereinbart.
In einem Mitarbeiterbrief des Spartenbetriebsrates der F. vom 13.03.2013 wurde unter anderem mitgeteilt, dass es dem Spartenbetriebsrat gelungen sei, die Schließung der F. statt wie geplant, zum 30.06.2013 auf den 31.12.2014 zu verlegen.
Am 03.06.2013 wurde zwischen der F. G. N. GmbH und dem Spartenbetriebsrat der F. G. N. GmbH ein Interessenausgleich über die Stilllegung der Betriebe der F. G. N. GmbH geschlossen. Unter II. Beschreibung der Maßnahmen wird ausgeführt: "Gegenstand dieses Interessenausgleichs ist die schrittweise vollständige Stilllegung der Betriebe Süd, Mitte, Nord und West der F. G. N. bis spätestens 31.12.2014. Hiervon sind sämtliche Arbeitsplätze in den Betrieben betroffen."
Der Kläger meldete sich am 22.09.2014 bei der Beklagten mit Wirkung zum 01.12.2014 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (ALG).
In der Arbeitsbescheinigung vom 19.01.2015 gab die F. G. N. GmbH an:" Der Arbeitgeber hätte das Arbeitsverhältnis gekündigt: am 30.06.2014 zum 31.12.2014 betriebsbedingt."
Der Kläger teilte im Fragebogen bei Aufhebungsvertrag mit, man sei im Juli/August 2012 informiert worden, dass die F. im Juni 2013 geschlossen werde (Betriebsschließung). Für Mitarbeiter im F.-Konzern sei laut F. Sparprogramm ein Zeitfenster für September 2012 geöffnet worden, für Mitarbeiter bis Geburtsjahrgang 1958 einen Aufhebungsvertrag zu bieten. Diese Möglichkeit habe er genutzt, um eine fristgerechte betriebsbedingte Kündigung mit unabsehbaren Folgen für sich zu entgehen. Durch die Verhandlungen des Betriebsrates sei dann die Schließung für Ende 2014 beschlossen worden.
Mit Bescheid vom 04.02.2015 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01.12.2014 bis 22.02.2015 fest. Während dieser Zeit ruhe der Anspruch auf ALG. Er habe sein Beschäftigungsverhältnis bei der F. G. N. GmbH durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Die Anspruchsdauer auf ALG werde um 135 Tage – ¼ der Anspruchsdauer – gemindert.
Mit endgültigem Bewilligungsbescheid vom 17.02.2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger ALG ab dem 01.12.2014 mit einer Anspruchsdauer von 540 Tagen und einem täglichen Leistungssatz von 67,74 EUR. Für den Zeitraum vom 01.12.2014 bis 22.02.2015 ruhe der Anspruch auf ALG wegen des Eintritts einer 12-wöchigen Sperrzeit.
In einer für den Kläger ausgestellten Bestätigung vom 12.02.2015 führte die F. G. N. GmbH Folgendes aus: "Hätte Herr X. keinen Aufhebungsvertrag geschlossen, wäre er von der schrittweisen Stilllegung sämtlicher Betriebe der Gesellschaft betroffen gewesen. Ihm wären in diesem Zusammenhang die Ausscheidenswege nach dem Sozialplan vom 03.06.2013 angeboten worden. Hätte er keines dieser Angebote angenommen, wäre unter Einhaltung der für ihn maßgeblichen tariflichen Kündigungsfrist am 30.06.2014 eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung mit Wirkung zum 31.12.2014 ausgesprochen worden."
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Der Kläger habe den Aufhebungsvertrag vom 13.09.2012 nur deshalb akzeptiert, da das Arbeitsverhältnis aufgrund der vom Arbeitgeber beabsichtigten und an sämtliche Mitarbeiter kommunizierten Betriebsstilllegung anderenfalls aus betriebsbedingten Gründen gekündigt worden wäre. Eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung wäre spätestens mit Wirkung zum 31.12.2014 ausgesprochen worden. Insofern werde verwiesen auf die schriftliche Bestätigung der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers vom 12.02.2015. Der Kläger habe somit einen wichtigen Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Im Übrigen hätte die Dauer der Sperrzeit gemäß § 159 Abs. 3 Ziffer 1 SGB III auf drei Wochen verkürzt werden müssen, da das Arbeitsverhältnis spätestens zum 31.12.2014 durch Arbeitgeberkündigung beendet worden wäre.
Mit Änderungsbescheid vom 24.03.2015 reduzierte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit auf den Zeitraum 01.12.2014 bis 21.12.2014. Die Minderung der Anspruchsdauer betrage 21 Tage.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2015 wies die Beklagte den weitergehenden Widerspruch zurück. § 159 Abs. 1 Satz 1 des 3. Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) bestimme, dass der Anspruch auf ALG für die Dauer einer Sperrzeit ruhe, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten habe, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liege vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe, § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III). Die Sperrzeit beginne mit dem Tag nach dem Ereignis, dass die Sperrzeitbegründung oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit falle, mit dem Ende dieser Sperrzeit (§ 159 Abs. 2 SGB III). Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe betrage 12 Wochen. Sie verkürze sich auf 3 Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von 6 Wochen nach dem Ereignis, dass die Sperrzeit begründe, ohne eine Sperrzeit geendet hätte (§ 159 Abs. 3 Nr. 3 SGB III). Der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis bei der F. G. N. GmbH zum 30. November 2014 durch seine Zustimmung zum Aufhebungsvertrag am 20.09.2012 gelöst. Er habe keine konkrete Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Dauerbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt. Die Arbeitslosigkeit sei daher zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden.
Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar. Es sei nach Abwägung der Interessen des Klägers mit den Interessen der Beitragszahler zumutbar, das Beschäftigungsverhältnis bis zu dem Tag fortzusetzen, an dem es auch ohne die Auflösung durch den Kläger geendet hätte. Der Arbeitgeber hätte das Arbeitsverhältnis nach seinen eigenen Angaben in der Arbeitsbescheinigung erst zum 31.12.2014 beendet und nach der maßgeblichen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende auch nur kündigen können. Die Dauer der Sperrzeit betrage 3 Wochen, weil das Arbeitsverhältnis ohnehin innerhalb von 6 Wochen nach dem Sperrzeitereignis ohne eine Sperrzeit geendet hätte (§ 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB III). Beginn und Ende der Sperrzeit seien mit dem Änderungsbescheid vom 24.03.2015 zutreffend festgesetzt worden. Während dieser Zeit ruhe der Leistungsanspruch. Die Dauer des Anspruchs auf ALG mindere sich um die Anzahl von Tagen der Sperrzeit (§ 148 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) vorliegend um 21 Tage.
Hiergegen hat der Kläger am 20.04.2015 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er seinen Vortrag aus dem Vorverfahren. Er trägt vertiefend vor, bei Abschluss des Aufhebungsvertrages sei der Kläger aufgrund der ihn mitgeteilten Informationen nicht davon ausgegangen, dass er mit Abschluss des Aufhebungsvertrages das Arbeitsverhältnis früher beenden würde, als dies bei einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung der Fall gewesen wäre. Die individuelle Kündigungsfrist des Klägers habe 6 Monate zum Quartalsende betragen. Diese Kündigungsfrist sei bei Abschluss des streitgegenständlichen Aufhebungsvertrages eingehalten worden. Wenn der ehemalige Arbeitgeber des Klägers nunmehr mitteile, dass Arbeitsverhältnis wäre am 30.06.2014 zum 31.12.2014 durch Kündigung beendet worden, entspreche dies nicht den Informationen, die man dem Kläger zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages mitgeteilt habe. Dem Kläger sei insofern mitgeteilt worden, dass das Arbeitsverhältnis mit Abschluss des Aufhebungsvertrages zu dem Zeitpunkt enden werde, zu dem es andernfalls durch arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung geendet hätte.
Der Kläger führt weiter aus, er habe zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages keine Kenntnis darüber gehabt, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2014 habe gekündigt werden sollen. Es sei insofern auf den Erkenntnishorizont des Klägers abzustellen, der zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen sei, der Betrieb werde zum 30.06.2013 geschlossen.
Auf Anfrage des Gerichts teilte der Bevollmächtigte des Kläger am 21.04.2016 mit, dem Kläger sei im September 2012 im Zusammenhang mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages mitgeteilt worden, dass das Arbeitsverhältnis anderenfalls wegen Stilllegung sämtlicher Betriebe der Gesellschaft zum Jahresende 2014 durch betriebsbedingte Kündigung beendet werden würde. Ein konkreter Kündigungszeitpunkt sei dem Kläger in diesem Zusammenhang nicht mitgeteilt worden. Der Kläger sei jedoch davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis auch im Falle einer betriebsbedingten Kündigung zum gleichen Zeitpunkt geendet hätte, wie dies durch Abschluss des Aufhebungsvertrages der Fall gewesen sei. Wenn gleich mit dem Kläger nicht über ein konkretes Ende bei einer ansonsten ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung gesprochen worden sei, habe der Kläger aufgrund der Gesamtumstände davon ausgehen dürfen, dass das Arbeitsverhältnis bei Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung jedenfalls nicht später als mit Ablauf des 30.11.2014 enden werde. Der Kläger sei im Juli/August 2012 vielmehr darüber informiert worden, dass der Betrieb bereits im Juni 2013 geschlossen werde.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Sperrzeitbescheides vom 04.02.2015 und Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 17.02.2015, beide in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.03.2015, alle in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2015 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld I ohne Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen und haben der Kammer bei ihrer Entscheidung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da er rechtmäßig ist. Der Anspruch des Klägers auf ALG ruht wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit vom 01.12. bis 21.12.2014 bei einer entsprechenden Anspruchsminderung um 21 Tage.
Zur Begründung bezieht sich die Kammer zunächst auf die Ausführungen des angefochtenen Widerspruchsbescheides, dessen Begründung die Kammer nach eigener Überprüfung folgt (§ 136 Abs. 3 SGG).
Das Gericht weist lediglich ergänzend auf Folgendes hin: nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 12.07.2006, B 11 a AL 47/05 R) kann ein wichtiger Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages vorliegen, wenn der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag abschließt und der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages mit einer betriebsbedingten, nach § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) rechtmäßigen Kündigung zum selben Zeitpunkt, zu dem mit dem Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis beendet wird, droht.
Daran fehlt es hier. Der Arbeitgeber hat sich in der Arbeitsbescheinigung vom 19.01.2015 und in der vom Kläger selbst vorgelegten Stellungnahme der F. G. N. GmbH vom 12.02.2015 dahingehend eingelassen, dass dem Kläger für den Fall, dass er den Aufhebungsvertrag nicht abgeschlossen hätte, ihm nicht zum 30.11.2014 gekündigt worden wäre. Der Arbeitgeber hat vielmehr schriftlich bekundet, der Kläger wäre ohne Abschluss des Aufhebungsvertrages von der schrittweisen Stilllegung sämtlicher Betriebe der Gesellschaft betroffen gewesen. Ihm wären in diesem Zusammenhang die Ausscheidenswege nach dem Sozialplan vom 03.06.2013 angeboten worden. Wenn er keines dieser Angebote angenommen hätte, wäre ihm unter Einhaltung der Kündigungsfrist am 30.06.2014 zum 31.12.2014 – Tag der endgültigen Betriebsstilllegung – gekündigt worden. Damit drohte dem Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages keine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung mit Ablauf des 30.11.2014.
Soweit der Kläger vorträgt, er habe subjektiv bei Abschluss des Aufhebungsvertrages nach den Gesprächen mit dem Spartenbetriebsrat davon ausgehen müssen und dürfen, dass im Jahr 2012 geplant gewesen sei, den Betrieb zum 30.06.2013 zu schließen, so führt dies zu keiner anderen Entscheidung. Subjektiv mag der Kläger davon ausgegangen sein, dass er mit Abschluss des Aufhebungsvertrages das Ende des Arbeitsverhältnisses über den 30.06.2013 hinaus bis zum 30.11.2014 sogar verlängerte. Bei der Feststellung des Vorliegens eines wichtigen Grundes kommt es jedoch nicht auf die subjektive Vorstellung des Klägers, sondern auf das objektive Vorliegen dieses Grundes an (Karmanski in: Brand, Kommentar zum SGB III, 7. Auflage, § 159, Randziffer 122). Objektiv wäre dem Kläger aber bei Abschluss des Aufhebungsvertrages von der ehemaligen Arbeitgeberin nicht zum 30.11.2014 und auch nicht zum 30.06.2013 gekündigt worden. Hiervon ist die Kammer überzeugt, da sich unter anderem aus dem vom Kläger im Verhandlungstermin vom 21.06.2016 vorgelegten Mitarbeiterbrief des Spartenbetriebsrates der F. vom 13.03.2013 ergibt, dass es im Jahr 2012 nur eine Planung, aber keine endgültige Entscheidung gab, den Betrieb bereits zum 30.06.2013 zu schließen. So hat die ehemalige Arbeitgeberin auch schriftlich nicht bekundet, dass allen Mitarbeitern des Betriebes, die keinen Aufhebungsvertrag geschlossen haben, direkt eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen worden wäre. Vielmehr sind nach Auffassung der Kammer fortlaufend Gespräche zwischen der ehemaligen Arbeitgeberin und den Spartenbetriebsrat über eine sozialverträgliche Schließung des Betriebes geführt worden, sodass von einer endgültigen Entscheidung im Jahr 2012 noch nicht die Rede gewesen sein kann. Es handelte sich lediglich um Planungen. Anhand der vorgelegten Unterlagen ist auch erkennbar, dass es den Spartenbetriebsrat gelungen ist, durch Verhandlungen die Planung einer Betriebsschließung zum 30.06.2013 auf den 31.12.2014 zu verschieben. Bei einer unumstößlich feststehenden Betriebsschließung zum 30.06.2013 wäre dieses nicht möglich gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
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