Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
40
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 40 AS 2392/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Leistungen für Unterkunft und Heizung.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger wohnt in H ... Bis zum 31.07.2013 bezog der Kläger u.a. mit seiner Mutter und seinen Geschwistern als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Jobcenter M. N ... Am 12.08.2013 beantragte der Kläger erstmals bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 12.08.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.08.2013 bis zum 31.01.2014 in Höhe von 306,00 EUR monatlich. Der Beklagte berücksichtigte keine Kosten für Unterkunft und Heizung.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 22.08.2013 Widerspruch. Die anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung seien zu berücksichtigen. Der Regelbedarf sei ebenfalls nicht nachvollziehbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2013 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger habe das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet. Er habe gemeinsam mit seiner Mutter eine Wohnung in Haar bewohnt. Die Erforderlichkeit des Auszuges aus der bisherigen Wohnung zur Gründung eines eigenen Hausstandes sei nicht erkennbar. Gründe, wonach der kommunale Träger gemäß § 22 SGB II zur Zusicherung verpflichtet sei, könnten nicht festgestellt werden. Der Kläger sei ohne Zustimmung des kommunalen Trägers von I. nach H. gezogen. Gemäß § 22 Abs. 5 SGB II könnten daher Kosten der Unterkunft und Heizung nicht berücksichtigt werden. Gemäß § 20 Abs. 3 SGB II betrage der monatliche Regelbedarf 306,00 EUR. In dieser Höhe seien auch Leistungen bewilligt worden.
Der Kläger hat am 25.09.2013 Klage erhoben. Der Kläger habe im Haushalt seiner Eltern gelebt. Er sei vom dortigen Jobcenter einer Maßnahme in der Nähe von Hamburg zugeteilt worden, habe sich aber zunächst dafür entschieden, seine Internetbekanntschaft, Frau Michelle Altmann, in Gelsenkirchen zu besuchen. Diese habe ebenfalls das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und beziehe Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von dem Beklagten. Sie bewohne eine Wohnung mit den Eheleuten L ..., die ebenfalls im Leistungsbezug bei dem Beklagten stünden. Nachdem sich abgezeichnet habe, dass der Kläger Frau B. nicht nur besuchen, sondern länger bei ihr bleiben werde, habe er sich bei dem Beklagten angemeldet und Leistungen nach dem SGB II beantragt. Die Entscheidung des Beklagten sei fehlerhaft. Die Vorschrift des § 22 Abs. 5 SGB II könne vorliegend nicht zur Anwendung gelangen. Aufgrund der besonderen Bedeutung des Grundrechtes der Freizügigkeit sei die Vorschrift verfassungskonform auszulegen. Sie sei zumindest insoweit einzuschränken, als sie in den Fällen nicht anwendbar sei, in denen ein Leistungsberechtigter vor Vollendung des 25. Lebensjahres ohne Zustimmung überörtlich umziehe und durch den Umzug keine zusätzlichen Kosten entstünden. Die anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung des Klägers würden zugleich bei den Eheleuten L ... eingespart. In der Summe seien durch den Umzug des Klägers keine zusätzlichen Kosten entstanden. Jedenfalls sei in den Fällen, in denen keine faktischen Mehrkosten entstünden, die Anwendung der Vorschrift des § 22 Abs. 5 SGB II außerhalb des örtlichen Vergleichsraumes unzulässig. Bezüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung werde entsprechend dem Kopfteilprinzip ein monatlicher Betrag von 127,59 EUR geltend gemacht.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2013 und des Änderungsbescheides vom 23.11.2013 zu verurteilen, dem Kläger höhere Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest.
Mit Änderungsbescheid vom 23.11.2013 hat der Beklagte die Leistungsgewährung zur Deckung des Regelbedarfes für den Monat Januar 2013 auf 313,00 EUR angehoben.
Die Beteiligten haben jeweils mit Schriftsatz vom 10.11.2014 ihr Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erteilt haben.
Das Gericht hat gemäß § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Antragsbegehren des Klägers dahingehend ausgelegt, dass er die Verurteilung des Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2013 und des Änderungsbescheides vom 23.11.2013, ihm höhere Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs sowie Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren, begehrt. Die so verstandene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Kläger ist nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen.
Nach § 22 Abs. 5 S. 1 SGB II werden, sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrags für die Unterkunft zugesichert hat. Er ist zur Zusicherung u.a. verpflichtet, wenn der oder die Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann oder ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt, § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II. Unter diesen Voraussetzungen kann nach § 22 Abs. 5 S. 3 SGB II vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen.
Der Kläger hat vor Abschluss des Untermietvertrages mit den Eheleuten Kornas keine Zusicherung vom (bisherigen) kommunalen Träger eingeholt. Das hat der Kläger im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes gegenüber dem Gericht eingeräumt.
Auf das Erfordernis der Zusicherung konnte vorliegend nicht nach § 22 Abs. 5 S. 3 SGB II verzichtet werden. Ein wichtiger Grund für ein Absehen lag nicht vor. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass die Einholung der Zusicherung vor dem Umzug nach Gelsenkirchen aus einem wichtigen Grund nicht zumutbar gewesen sei.
Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II, wonach der kommunale Träger zur Zusicherung verpflichtet ist, nicht vor. Der Kläger hat im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes gegenüber dem Gericht angegeben, dass er wegen seiner Freundin nach Gelsenkirchen gekommen sei. Auch habe ihm die Gegend gut gefallen. Ein ähnlich schwerwiegender Grund wie die Unzumutbarkeit der Verweisung auf die elterliche Wohnung aus schwerwiegenden sozialen Gründen im Sinne der Regelung des § 22 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 SGB II liegt damit offensichtlich nicht vor.
Die Auffassung des Klägers, die Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II sei vorliegend nicht anzuwenden, weil faktisch ein kostenneutraler Umzug erfolgt sei, überzeugt die Kammer nicht.
Die Regelung soll den kostenträchtigen Erstbezug einer eigenen Wohnung durch Personen begrenzen, die bislang wegen Unterstützung innerhalb der Haushaltsgemeinschaft keinen Anspruch hatten oder als Teil einer Bedarfsgemeinschaft niedrigere Leistungen bezogen haben (vgl. BT-Drs. 16/688, S. 14). Erfasst ist zumindest der erstmalige Auszug aus der elterlichen Wohnung mit der Intention des Gesetzgebers, die Entstehung weiterer Bedarfsgemeinschaften zu verhindern. Dahingestellt bleiben kann, ob auch der diesem folgende weitere Umzug von der Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II erfasst ist (ablehnend Boerner, in: Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl. 2011, § 22 Rn. 101 mit der Einschränkung, dass die Qualität eines Erstumzugs erhalten bleiben soll, wenn ein weiterer Umzug erfolgt, um so der Anwendung des Abs. 5 zu entgehen; a.A.: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.11.2010, Az.: L 5 AS 1880/10 B ER).
Dem Kläger ist zuzugestehen, dass durch seinen Umzug in eine Wohnung, in der die Mitbewohner ebenfalls im Leistungsbezug stehen, bei dem Beklagten im Ergebnis wohl keine höheren Kosten für Unterkunft und Heizung verursacht werden, wenn die Kosten für die von dem Kläger bewohnte Unterkunft angemessen i.S.d. § 22 SGB II sind und auch bisher von dem Beklagten im vollen Umfang übernommen wurden. Indes würde die Nichtanwendbarkeit der Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II in einem solchen Fall auch dazu führen, dass etwaige Bedarfe nach § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II (Erstausstattungen die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten) zu erbringen wären und die Regelung des § 24 Abs. 6 SGB II nicht mehr greift.
Nach § 24 Abs. 6 SGB II werden in Fällen des § 22 Abs. 5 SGB II Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung nur erbracht, wenn der kommunale Träger die Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung zugesichert hat oder vom Erfordernis abgesehen werden konnte.
Zudem würde die Beschränkung der Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs nach § 20 Abs. 3 SGB II keine Anwendung mehr finden mit der Folge, dass im Falle des Klägers der maßgebliche Regelbedarf für Alleinstehende zu berücksichtigen wäre. Gerade dieses Ergebnis sollte indes mit der Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II verhindert werden.
Vor diesem Hintergrund hat der Kläger auch keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs. Der Beklagte hat die Höhe der Regelleistung zutreffend bestimmt. Nach § 20 Abs. 3 SGB II ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Abs. 5 SGB II umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB II genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen. Im Jahr 2013 wurde im Rahmen von § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB II ein Betrag von 306,00 EUR und im Jahr 2014 ein Betrag von 313,00 EUR anerkannt. Dem hat der Beklagte mit den streitgegenständlichen Bescheiden hinreichend Rechnung getragen.
Bedenken hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II, zumindest – wie vorliegend – bei Anwendung auf einen "echten" Erstauszug aus der elterlichen Wohnung, bestehen seitens der Kammer nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung. Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Gelsenkirchen, Ahstraße 22, 45879 Gelsenkirchen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die Einreichung in elektronischer Form erfolgt durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle. Diese ist über die Internetseite www.sg-gelsenkirchen.nrw.de erreichbar. Die elektronische Form wird nur gewahrt durch eine qualifiziert signierte Datei, die den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Sozialgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO SG) vom 07.11.2012 (GV.NRW, 551) entspricht. Hierzu sind die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten Signatur nach § 2 Nummer 3 des Signaturgesetzes vom 16.05.2001 (BGBl. I, 876) in der jeweils geltenden Fassung zu versehen. Die qualifizierte elektronische Signatur und das ihr zugrunde liegende Zertifikat müssen durch das Gericht überprüfbar sein. Auf der Internetseite www.justiz.nrw.de sind die Bearbeitungsvoraussetzungen bekanntgegeben.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Leistungen für Unterkunft und Heizung.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger wohnt in H ... Bis zum 31.07.2013 bezog der Kläger u.a. mit seiner Mutter und seinen Geschwistern als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Jobcenter M. N ... Am 12.08.2013 beantragte der Kläger erstmals bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 12.08.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.08.2013 bis zum 31.01.2014 in Höhe von 306,00 EUR monatlich. Der Beklagte berücksichtigte keine Kosten für Unterkunft und Heizung.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 22.08.2013 Widerspruch. Die anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung seien zu berücksichtigen. Der Regelbedarf sei ebenfalls nicht nachvollziehbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2013 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger habe das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet. Er habe gemeinsam mit seiner Mutter eine Wohnung in Haar bewohnt. Die Erforderlichkeit des Auszuges aus der bisherigen Wohnung zur Gründung eines eigenen Hausstandes sei nicht erkennbar. Gründe, wonach der kommunale Träger gemäß § 22 SGB II zur Zusicherung verpflichtet sei, könnten nicht festgestellt werden. Der Kläger sei ohne Zustimmung des kommunalen Trägers von I. nach H. gezogen. Gemäß § 22 Abs. 5 SGB II könnten daher Kosten der Unterkunft und Heizung nicht berücksichtigt werden. Gemäß § 20 Abs. 3 SGB II betrage der monatliche Regelbedarf 306,00 EUR. In dieser Höhe seien auch Leistungen bewilligt worden.
Der Kläger hat am 25.09.2013 Klage erhoben. Der Kläger habe im Haushalt seiner Eltern gelebt. Er sei vom dortigen Jobcenter einer Maßnahme in der Nähe von Hamburg zugeteilt worden, habe sich aber zunächst dafür entschieden, seine Internetbekanntschaft, Frau Michelle Altmann, in Gelsenkirchen zu besuchen. Diese habe ebenfalls das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und beziehe Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von dem Beklagten. Sie bewohne eine Wohnung mit den Eheleuten L ..., die ebenfalls im Leistungsbezug bei dem Beklagten stünden. Nachdem sich abgezeichnet habe, dass der Kläger Frau B. nicht nur besuchen, sondern länger bei ihr bleiben werde, habe er sich bei dem Beklagten angemeldet und Leistungen nach dem SGB II beantragt. Die Entscheidung des Beklagten sei fehlerhaft. Die Vorschrift des § 22 Abs. 5 SGB II könne vorliegend nicht zur Anwendung gelangen. Aufgrund der besonderen Bedeutung des Grundrechtes der Freizügigkeit sei die Vorschrift verfassungskonform auszulegen. Sie sei zumindest insoweit einzuschränken, als sie in den Fällen nicht anwendbar sei, in denen ein Leistungsberechtigter vor Vollendung des 25. Lebensjahres ohne Zustimmung überörtlich umziehe und durch den Umzug keine zusätzlichen Kosten entstünden. Die anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung des Klägers würden zugleich bei den Eheleuten L ... eingespart. In der Summe seien durch den Umzug des Klägers keine zusätzlichen Kosten entstanden. Jedenfalls sei in den Fällen, in denen keine faktischen Mehrkosten entstünden, die Anwendung der Vorschrift des § 22 Abs. 5 SGB II außerhalb des örtlichen Vergleichsraumes unzulässig. Bezüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung werde entsprechend dem Kopfteilprinzip ein monatlicher Betrag von 127,59 EUR geltend gemacht.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2013 und des Änderungsbescheides vom 23.11.2013 zu verurteilen, dem Kläger höhere Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest.
Mit Änderungsbescheid vom 23.11.2013 hat der Beklagte die Leistungsgewährung zur Deckung des Regelbedarfes für den Monat Januar 2013 auf 313,00 EUR angehoben.
Die Beteiligten haben jeweils mit Schriftsatz vom 10.11.2014 ihr Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erteilt haben.
Das Gericht hat gemäß § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Antragsbegehren des Klägers dahingehend ausgelegt, dass er die Verurteilung des Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2013 und des Änderungsbescheides vom 23.11.2013, ihm höhere Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs sowie Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren, begehrt. Die so verstandene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Kläger ist nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen.
Nach § 22 Abs. 5 S. 1 SGB II werden, sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrags für die Unterkunft zugesichert hat. Er ist zur Zusicherung u.a. verpflichtet, wenn der oder die Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann oder ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt, § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II. Unter diesen Voraussetzungen kann nach § 22 Abs. 5 S. 3 SGB II vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen.
Der Kläger hat vor Abschluss des Untermietvertrages mit den Eheleuten Kornas keine Zusicherung vom (bisherigen) kommunalen Träger eingeholt. Das hat der Kläger im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes gegenüber dem Gericht eingeräumt.
Auf das Erfordernis der Zusicherung konnte vorliegend nicht nach § 22 Abs. 5 S. 3 SGB II verzichtet werden. Ein wichtiger Grund für ein Absehen lag nicht vor. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass die Einholung der Zusicherung vor dem Umzug nach Gelsenkirchen aus einem wichtigen Grund nicht zumutbar gewesen sei.
Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II, wonach der kommunale Träger zur Zusicherung verpflichtet ist, nicht vor. Der Kläger hat im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes gegenüber dem Gericht angegeben, dass er wegen seiner Freundin nach Gelsenkirchen gekommen sei. Auch habe ihm die Gegend gut gefallen. Ein ähnlich schwerwiegender Grund wie die Unzumutbarkeit der Verweisung auf die elterliche Wohnung aus schwerwiegenden sozialen Gründen im Sinne der Regelung des § 22 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 SGB II liegt damit offensichtlich nicht vor.
Die Auffassung des Klägers, die Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II sei vorliegend nicht anzuwenden, weil faktisch ein kostenneutraler Umzug erfolgt sei, überzeugt die Kammer nicht.
Die Regelung soll den kostenträchtigen Erstbezug einer eigenen Wohnung durch Personen begrenzen, die bislang wegen Unterstützung innerhalb der Haushaltsgemeinschaft keinen Anspruch hatten oder als Teil einer Bedarfsgemeinschaft niedrigere Leistungen bezogen haben (vgl. BT-Drs. 16/688, S. 14). Erfasst ist zumindest der erstmalige Auszug aus der elterlichen Wohnung mit der Intention des Gesetzgebers, die Entstehung weiterer Bedarfsgemeinschaften zu verhindern. Dahingestellt bleiben kann, ob auch der diesem folgende weitere Umzug von der Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II erfasst ist (ablehnend Boerner, in: Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl. 2011, § 22 Rn. 101 mit der Einschränkung, dass die Qualität eines Erstumzugs erhalten bleiben soll, wenn ein weiterer Umzug erfolgt, um so der Anwendung des Abs. 5 zu entgehen; a.A.: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.11.2010, Az.: L 5 AS 1880/10 B ER).
Dem Kläger ist zuzugestehen, dass durch seinen Umzug in eine Wohnung, in der die Mitbewohner ebenfalls im Leistungsbezug stehen, bei dem Beklagten im Ergebnis wohl keine höheren Kosten für Unterkunft und Heizung verursacht werden, wenn die Kosten für die von dem Kläger bewohnte Unterkunft angemessen i.S.d. § 22 SGB II sind und auch bisher von dem Beklagten im vollen Umfang übernommen wurden. Indes würde die Nichtanwendbarkeit der Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II in einem solchen Fall auch dazu führen, dass etwaige Bedarfe nach § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II (Erstausstattungen die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten) zu erbringen wären und die Regelung des § 24 Abs. 6 SGB II nicht mehr greift.
Nach § 24 Abs. 6 SGB II werden in Fällen des § 22 Abs. 5 SGB II Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung nur erbracht, wenn der kommunale Träger die Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung zugesichert hat oder vom Erfordernis abgesehen werden konnte.
Zudem würde die Beschränkung der Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs nach § 20 Abs. 3 SGB II keine Anwendung mehr finden mit der Folge, dass im Falle des Klägers der maßgebliche Regelbedarf für Alleinstehende zu berücksichtigen wäre. Gerade dieses Ergebnis sollte indes mit der Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II verhindert werden.
Vor diesem Hintergrund hat der Kläger auch keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs. Der Beklagte hat die Höhe der Regelleistung zutreffend bestimmt. Nach § 20 Abs. 3 SGB II ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Abs. 5 SGB II umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB II genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen. Im Jahr 2013 wurde im Rahmen von § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB II ein Betrag von 306,00 EUR und im Jahr 2014 ein Betrag von 313,00 EUR anerkannt. Dem hat der Beklagte mit den streitgegenständlichen Bescheiden hinreichend Rechnung getragen.
Bedenken hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II, zumindest – wie vorliegend – bei Anwendung auf einen "echten" Erstauszug aus der elterlichen Wohnung, bestehen seitens der Kammer nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung. Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Gelsenkirchen, Ahstraße 22, 45879 Gelsenkirchen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die Einreichung in elektronischer Form erfolgt durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle. Diese ist über die Internetseite www.sg-gelsenkirchen.nrw.de erreichbar. Die elektronische Form wird nur gewahrt durch eine qualifiziert signierte Datei, die den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Sozialgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO SG) vom 07.11.2012 (GV.NRW, 551) entspricht. Hierzu sind die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten Signatur nach § 2 Nummer 3 des Signaturgesetzes vom 16.05.2001 (BGBl. I, 876) in der jeweils geltenden Fassung zu versehen. Die qualifizierte elektronische Signatur und das ihr zugrunde liegende Zertifikat müssen durch das Gericht überprüfbar sein. Auf der Internetseite www.justiz.nrw.de sind die Bearbeitungsvoraussetzungen bekanntgegeben.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
Rechtskraft
Aus
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