L 1 KR 35/08 KL

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 35/08 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Genehmigung der Sitzverlegung der Beigeladenen von Hamburg nach Stuttgart durch die Beklagte rechtswidrig war.

Der Kläger ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft und betreut als Dachorganisation die Betriebskrankenkassen (BKK) in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Die Beigeladene hatte ihren Sitz zunächst in Hamburg und war Mitglied des Klägers. Mit Schreiben vom 21. April 2008 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten die Genehmigung des 14. Nachtrags zur Satzung der Beigeladenen, die u.a. in Art. I § 1 Abs. 1 Satz 2 die Sitzverlegung von Hamburg nach Stuttgart zum 1. Juli 2008 vorsah. Mit Schreiben vom 9. Mai 2008 gewährte die Beklagte dem Kläger hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme. Dieser teilte unter dem 15. Mai 2008 mit, dass ihm die Gründe für die Sitzverlegung nicht bekannt seien und er sich daher nicht in der Lage sehe, eine vollständige Stellungnahme abzugeben. Durch den Kassensitzwechsel verlöre er seine größte Mitgliedskasse, die rund 30% der Mitglieder im Verbandbereich stelle. Dies führe zu einer erheblichen Erhöhung des Verbandsfreibetrages und damit zu einer finanziellen Mehrbelastung der verbleibenden Mitgliedskassen. Letzten Endes sei auch er – der Kläger – selbst in seiner Existenz bedroht, weil weitere Kassensitzverlegungen folgen würden. Der ebenfalls angehörte Landesverband der Betriebskrankenkassen Baden-Württemberg führte mit Schreiben vom 6. Juni 2008 aus, dass nach seiner Einschätzung die geplante Sitzverlegung viele Probleme aufwerfe, sich jedoch die Sitzverlegung wohl rechtlich nicht verhindern lasse. Mit weiterem Schreiben vom 16. Juni 2008 nahm der Kläger erneut Stellung und teilte u.a. mit, dass er den Sitzwechsel der Beigeladenen für rechtsmissbräuchlich halte, da nachvollziehbare Gründe offensichtlich nicht existierten.

Die Beigeladene begründete die Sitzverlegung u.a. wie folgt: sie sei finanziell stark bedroht. Deshalb sei ihr oberstes Ziel die Sicherung ihres Erhalts. Als letzte Alternative bleibe nur eine Fusion. In Baden-Württemberg kämen mehrere Fusionspartner in Frage. Zudem könne man bei einem Wechsel fast die Hälfte der Verbandsumlage einsparen. Man wolle mit dem Wechsel auch eine Art Solidaritätsbekundung mit den anderen Kassen in Baden-Württemberg zeigen, da diese den größten Teil der bislang für die Beigeladene notwendigen finanziellen Hilfen geleistet hätten.

Mit Bescheid vom 17. Juli 2008 genehmigte die Beklagte Artikel I Abs. 1 Satz 2 des 14. Nachtrags zur Satzung der Beigeladenen und legte fest, dass die Satzungsänderung zum 1. August 2008 in Kraft trete. Gleichzeitig übersandte sie dem Kläger diesen Bescheid zur Kenntnis und wies darauf hin, dass er nicht Beteiligter des Verwaltungsverfahrens gewesen und insbesondere nicht nach § 12 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) in das Verfahren einzubeziehen sei. Das Anhörungsrecht nach § 172 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) vermittle den Landesverbänden kein subjektives öffentliches Recht.

Hiergegen hat der Kläger am 25. Juli 2008 Klage erhoben und gleichzeitig einen Antrag (L 1 KR 34/08 KL ER) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Genehmigung der Satzungsänderung gestellt. Er habe ein schützenswertes Interesse an der Feststellung, welche Kassen ihm angehören, ohne das es darauf ankomme, aus welchen Gründen die Mitgliedschaft zweifelhaft sei. Die Beklagte könne die Genehmigung der Satzungsänderung verweigern, da die Sitzverlegung der Beigeladenen alleine dem Zweck diene, dem Gebietsbereich des Klägers zu entkommen. Es fehle an der Durchführung eines ordnungsgemäßen Anhörungsverfahrens nach § 172 SGB V. Gemäß § 24 SGB X hätte ihm – dem Kläger – Gelegenheit gegeben werden müssen, sich zu allen für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen äußern zu können. Hieran fehle es, da ihm Tatsachen überhaupt nicht benannt worden seien. Bereits im Verwaltungsverfahren wäre er als Beteiligter hinzuzuziehen gewesen. Dabei habe die Genehmigung der Satzungsänderung unmittelbare Auswirkungen auf ihn; es handele sich um einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung. Die Zustimmung der Beklagten sei mangels ordnungsgemäßer Beteiligung am Genehmigungsverfahren nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Genehmigung sei auch materiell rechtswidrig, da die Satzungsänderung gegen höherrangiges Recht verstoße. Die Sitzverlegung der Kasse werde aus sachfremden Motiven betrieben, da lediglich beabsichtigt sei, in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Landesverbandes zu gelangen. Die Hauptverwaltung solle auch künftig in Hamburg bleiben, nur der Sitz werde nach Stuttgart verlegt. Die Trennung von Sitz und Hauptverwaltung erfordere grundsätzlich unmittelbar betriebsbezogene Gründe. Ein rein fiktiver Sitz sei unzulässig. Die Rechtsprechung gehe von einem Missbrauch aus, wenn ein bestimmter Sitz allein mit dem Ziel gewählt werde, die an den Rechtssitz der juristischen Person geknüpften behördlichen oder gerichtlichen Zuständigkeiten zu manipulieren. Hier verlege die Beigeladene allein aus dem Motiv der Beitragsflucht ihren Sitz.

Mit unanfechtbarem Beschluss vom 29. August 2008 (L 1 KR 34/08 KL ER) hat der Senat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz als unzulässig zurückgewiesen, da es dem Kläger an einer Antragsbefugnis mangele.

Nach Zustellung dieser Entscheidung verfolgt der Kläger sein Begehren als Fortsetzungsfeststellungsklage weiter. Diese sei zulässig, da die von der Beklagten erteilte Genehmigung zur Sitzverlegung der Beigeladenen durch unumkehrbaren Vollzug inzwischen erledigt sei. Das Feststellungsinteresse ergebe sich auf der offensichtlich bestehenden Wiederholungsgefahr. Es müsse jederzeit mit einer weiteren derartigen Entscheidung bei einem seiner anderen Mitglieder gerechnet werden. Entgegen den Ausführungen des Senats im Eilverfahren bestehe auch eine Klagebefugnis. Insoweit herrsche Einigkeit, dass im sozialgerichtlichen Verfahren hierfür die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte nicht unbedingt erforderlich sei. So sei z.B. anerkannt, dass Pflegeeinrichtungen klagebefugt seien im Hinblick auf die Feststellung einer Pflegestufe durch die Pflegekassen. Die Parallelität zu dem hier im Streit befindlichen Sachverhalt sei unverkennbar. Durch die Zuerkennung einer geringeren Pflegestufe würde die Pflegeeinrichtung eine geringere Vergütung erhalten. Durch die Genehmigung der Sitzverlegung schmälere sich das zur Finanzierung des Landesverbandes zur Verfügung stehende Finanzvolumen, weil nach der Gesetzeslage nur dessen Mitgliedskassen zu dessen Finanzierung herangezogen werden könnten. Er sei ferner allein aus seiner Rolle als Antragsteller Beteiligter i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB X, weil er mit Schreiben vom 16. Juni 2008 um eine Bescheidung auch ihm gegenüber gebeten habe. Im Übrigen hätte ihn die Beklagte auf seinen Antrag hin auch beteiligen müssen, weil die Genehmigung der Sitzverlegung unmittelbar rechtsgestaltende Drittwirkung auch für ihn habe, da er ein gesetzlich zugewiesenes an seiner Finanzierung beteiligtes Mitglied verliere.

Der Kläger beantragt nunmehr,

festzustellen, dass die Genehmigung der Beklagten zu Artikel I Abs. 1 Satz 2 der 14. Satzungsänderung der Beigeladenen vom 17. Juli 2008 rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dem Kläger fehle die erforderliche Klagebefugnis, da er nicht in eigenen Rechten betroffen sei. Zudem sei das vom Gesetzgeber mit der Einräumung der Informationsrechte nach § 172 SGB V für den Fall der Sitzverlegung verfolgte Ziel, die mit der Sitzverlegung oft einhergehende Änderung der Haftungszuständigkeit zu berücksichtigen, aufgrund der zum 1. Juli 2008 eingetretenen Rechtsänderung weggefallen. Nach der Neufassung des § 155 Abs. 4 SGB V hafteten nunmehr statt der Kassenverbände die übrigen Betriebskrankenkassen. Soweit der Kläger zur Begründung seiner Klagebefugnis vortrage, dass nach der Gesetzeslage nur die Mitgliedskassen zu seiner Finanzierung herangezogen werden könnten, verkenne er die zum 17. Oktober 2008 in Kraft getretene Bestimmung des § 211 Abs. 4 SGB V. Nach dieser Regelung würden die für die Finanzierung der Aufgaben eines Landesverbandes erforderlichen Mittel von dessen Mitgliedskassen und von den Krankenkassen derselben Kassenart mit Mitgliedern mit Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich des Landesverbandes aufgebracht. Die Genehmigung des Satzungsnachtrages sei auch formell und materiell rechtmäßig. Es bestehe ein grundsätzliches Recht einer Krankenkasse ihren Sitz zu verlegen. Eine Einschränkung bestehe nur, wenn der Sitz völlig willkürlich und ohne jede Beziehung zur Bestätigung der Gesellschaft gewählt werde. Die Beigeladene habe den geforderten Bezug zum Gebiet des Landesverbandes Baden-Württemberg, denn ein Teil der Trägerbetriebe der Beigeladenen habe dort seinen Sitz. Insbesondere auch die finanziellen Auswirkungen der Sitzverlegung spielten angesichts der angespannten finanziellen Situation der Beigeladenen eine wichtige Rolle und unterstrichen die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist ebenfalls der Auffassung, dass der Kläger nicht klagebefugt sei. Allein der Vortrag, die Sitzverlegung führe zu wirtschaftlichen Einbußen, begründe kein subjektives Recht, da hier nur finanzielle Interessen betroffen seien. Ein solches Recht folge auch nicht aus § 172 Abs. 1 SGB V. Diese Vorschrift beinhalte gerade kein Mitbestimmungsrecht, sondern nur ein Anhörungsrecht. Die Entscheidung der Beigeladenen zur Sitzverlegung sei auch nicht von sachfremden Erwägungen geleitet. Dem Kläger sei bekannt, dass sie – die Beigeladene – zur Aufrechterhaltung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mittelfristig auf eine Fusion mit einer leistungsstarken Krankenkasse angewiesen sei. Kein Mitglied des Klägers sei in der Lage eine solche Fusion wirtschaftlich mit Erfolg zu meistern. Die BKK-Struktur in Baden-Württemberg sei jedoch eine ganz andere. Dort gebe es mehr und vor allem finanzstärkere Kassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, über welche nach § 29 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Landessozialgericht im ersten Rechtszug entscheidet, bleibt ohne Erfolg. Ihr mangelt bereits die Zulässigkeit (a). Sie ist überdies – ihre Zulässigkeit unterstellt – auch unbegründet (b).

a) Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht – sofern sich der Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt hat – auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Für diesen Ausspruch bedarf es neben der Feststellung eines besonderen Interesses und des Eintritts der Erledigung des Vorliegens der für die ursprünglich erhobene Klage erforderlichen besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen. Diese müssen nach allgemeiner Auffassung (weiterhin) vorliegen. Hieran fehlt es.

Allerdings ist eine Erledigung i.S.d. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG eingetreten. Zwar entfaltet der angefochtene Verwaltungsakt weiterhin Wirkung. Er ist nicht zurückgenommen worden, sondern ist Grundlage der Wirksamkeit von Artikel I Abs. 1 Satz 2 des 14. Nachtrages zur Satzung der Beigeladenen, der deren Sitz festlegt. Es erscheint auch nicht ausgeschlossen, dass die Beigeladene ihren Sitz künftig wieder an den früheren Ort zurück verlegt, wenn dieser Bescheid der Aufhebung unterläge. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 08.05.2007 – B 2 U 10/06 RSozR 4-2700 § 129 Nr. 2 = BSGE 98, 219) erledigt selbst die Vollziehung einen Bescheid dann nicht, wenn dieser wenigstens für die Zukunft rückgängig gemacht werden kann. Auszugehen ist gleichwohl von einer Erledigung "auf andere Weise" i.S.d. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG. Denn die Steuerungsfunktion eines Verwaltungsakts geht – mit der Folge von dessen Erledigung im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG – auch dann verloren, wenn ihm die Beteiligten übereinstimmend keinerlei tatsächliche oder rechtliche Bedeutung mehr beimessen, weil sie sich auf die veränderte Sachlage eingestellt haben und diese ihrem künftigen Verhalten zugrunde legen. Diese Veränderung der Geschäftsgrundlage (dazu BVerwG, Urteil vom 27. März 1998 – 4 C 11/97 = NVwZ 1998, 729) nimmt die Rechtsordnung hin. Sie hält die Beteiligten nicht an einem Verwaltungsakt fest, den diese für erledigt ansehen. So liegt es hier. Alle Beteiligten haben sich auf die erfolgte Sitzverlegung rechtlich und tatsächlich eingestellt. Sie halten den erreichten Zustand für praktisch unumkehrbar. Der Kläger bekämpft ihn nicht mehr und begehrt nur noch die Klärung der durch die angegriffene Genehmigung aufgeworfenen Rechtsfragen. Hierfür steht ihm die Fortsetzungsfeststellungsklage zur Verfügung.

Diese ist aber unzulässig, weil dem Kläger schon für die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage die Klagebefugnis fehlte. Eine Klage, mit der die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsaktes begehrt wird, ist regelmäßig nur zulässig, wenn der Kläger behaupten kann, durch den angefochtenen, von ihm als rechtswidrig angesehenen Genehmigungsbescheid zur Sitzverlegung der Beigeladenen beschwert zu sein (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 SGG), dieser Verwaltungsakt also in seine eigenen rechtlichen Interessen eingreift.

Soweit vorgebracht wird, eine Verletzung subjektiver Rechte sei – anders als im Verfahren vor den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit – im sozialgerichtlichen Verfahren nicht erforderlich, greift dies nicht. Die Klagebefugnis setzt vielmehr nach allgemeiner Auffassung auch im hiesigen Verfahren die Behauptung des Klägers voraus, dass dieser in seinen rechtlich geschützten Individualinteressen verletzt ist (vgl. nur Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl. 2008, § 54 Rdn. 10). Der auf die Kommentierung von Meyer-Ladewig (SGG, 7. Aufl. 2003, § 54 Rn. 12b) bezogene Hinweis des Klägers auf die Klagebefugnis von Pflegeeinrichtungen im Hinblick auf die Feststellung einer Pflegestufe durch die Pflegekasse verfängt nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 1. September 2005 – B 3 P 4/04 R = BSGE 95, 102 ff.) steht Heimträgern gerade kein eigenes Recht zu, bei der Pflegekasse die Eingruppierung eines Heimbewohners in eine höhere Pflegestufe zu beantragen. Die Vorschriften über die Feststellung der Pflegebedürftigkeit und die Einordnung in die Pflegestufen (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI)) sowie über den Anspruch auf vollstationäre Heimpflege (§ 43 SGB XI) dienen allein dem Interesse der Versicherten. Individualinteressen der Heimträger werden durch diese Bestimmungen nicht geschützt. Diese Auffassung wird von der Literatur geteilt (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 54 Rn. 14k; Castendiek in: HK-SGG, § 54 Rn. 43). Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung und auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Der Heimträger hat allerdings die Möglichkeit eine Vergütungsklage gegen die Pflegekasse durchzuführen, in deren Rahmen die Einstufung des Heimbewohners auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen ist. Rechtsgrundlage hierfür ist der jeweilige Versorgungsvertrag (§§ 72, 73 SGB XI) i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung (§ 85 SGB XI). Damit unterscheidet sich diese Fallgestaltung grundlegend von der hier vorliegenden. Dem Kläger steht – im Unterschied zur Pflegeeinrichtung gegenüber den Pflegekassen – gerade kein eigenes Recht gegenüber der Beklagten auf Finanzierung zu.

Rechtlich geschützte Individualinteressen liegen vor, wenn die Rechtnorm nicht nur dem allgemeinen Interesse, sondern auch den Individualinteressen dienen soll (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2001 – B 11 AL 57/01 R = BSGE 89, 119 ff.). Eine Anfechtungsbefugnis ist also gegeben, wenn der maßgeblichen Norm ein Rechtssatz zu entnehmen ist, der zumindest auch den Individualinteressen des Anfechtenden zu dienen bestimmt ist; nicht ausreichend ist dagegen eine Reflexwirkung in dem Sinne, dass sich aus einer im Interesse der Allgemeinheit oder im Interesse eines bestimmten Personenkreises erlassenen Norm zugleich auch eine Begünstigung einzelner Dritter ergibt. Auch ein rein wirtschaftliches Interesse oder faktische Betroffenheit genügen nicht.

Ein in diesem Sinne rechtlich geschütztes Individualinteresse des Klägers besteht nicht.

Ein solches Recht folgt nicht aus den Vorschriften, die für die Bildung und die Arbeit der Landesverbände der Betriebskrankenkassen gelten. Den Vorschriften der §§ 207 ff. SGB V ist nichts dafür zu entnehmen, dass einem Landesverband die Möglichkeit der Einflussnahme auf die durch Satzung (vgl. § 194 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) zu treffende Bestimmung des Sitzes einer Krankenkasse und damit auf den Bestand der Mitglieder des Landesverbandes eröffnet ist. Vielmehr setzen diese Vorschriften den Sitz in dem jeweiligen Bundesland für die Zugehörigkeit zum Landesverband voraus (vgl. § 207 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Kläger hat auch kein subjektives Recht auf eine bestimmte Anzahl von Mitgliedskassen, denn die Errichtung, Vereinigung, Auflösung oder Schließung von Mitgliedskassen ist ausschließlich Sache der im Gesetz bezeichneten Stellen, zu denen der Kläger nicht gehört (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 30. September 2004 – L 1 B 172/04 ER und Beschluss vom 29. August 2008 – L 1 KR 34/08 KL ER; Bayrisches LSG, Urteil vom 6. Juli 1960 – Kr. 113/56 = Breithaupt 1960, 963 f.). Auch soweit dieser vorträgt, dass sich durch die Genehmigung der Sitzverlegung das zu seiner Finanzierung herangezogene Finanzvolumen mindere, weil nur seine Mitgliedskassen zu Finanzierung herangezogen werden könnten, begründet dies keine Klagebefugnis. Insoweit macht der Kläger nur Reflexfolgen der Sitzverlegung geltend. Die hierfür maßgebliche Vorschrift des § 210 Abs. 1 Satz 3 SGB V bestimmt lediglich, dass die Satzung Bestimmungen enthalten muss über die Aufbringung und Verwaltung der Mittel des Landesverbandes. Mindert sich die Anzahl der Mitgliedskassen, dann führt dies in der Folge – bei gleichbleibenden Ausgaben – zu steigenden Umlagen. Dem Gesetz ist hingegen nichts dafür zu entnehmen, dass der Zweck der Mittelaufbringung die Möglichkeit der Einflussnahme auf den Mitgliederbestand eröffnet.

Auch aus § 172 Abs. 1 S. 2 SGB V folgt kein subjektives Recht des Klägers. Nach dieser Vorschrift sind die Verbände der beteiligten Krankenkassen zu hören, wenn eine Krankenkasse ihren Sitz in den Bezirk eines anderen Verbandes verlegen will. Mit der Einführung dieses Anhörungsrechtes wollte der Gesetzgeber die mit der Sitzverlegung oft einhergehende Änderung der Haftungszuständigkeiten der Verbände berücksichtigen (vgl. BT-Drucks. 15/1525 S. 136 zu Nummer 132). Mit Wirkung zum 1. Juli 2008 – noch vor Ergehen des vorliegend streitigen Bescheides – ist die Haftung der Verbände abgeschafft worden. Nach der Neufassung des § 155 Abs. 4 SGB V haften statt der Kassenverbände nunmehr die übrigen Betriebskrankenkassen. Der vom Gesetzgeber angegebene Grund für die Informationsrechte der Verbände bei einer Sitzverlegung ist daher entfallen. Gleichwohl wurde das Anhörungsrecht der Verbände beibehalten. Es dient nach der seit dem 1. Juli 2008 geltenden Rechtslage nur mehr der vollständigen Sachverhaltsermittlung im Sinne des § 21 SGB X; der Kläger wird hierdurch nicht Beteiligter i.S.v. § 12 SGB X, der nach § 24 SGB X anzuhören wäre (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 30. September 2004 – L 1 B 172/04 ER und Beschluss vom 29. August 2008 – L 1 KR 34/08 KL ER; Bayrisches LSG, Urteil vom 6. Juli 1960 – Kr. 113/56 = Breithaupt 1960, 963 f.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. September 2005 – L 24 B 1038/05 KR ER; Klose in: Jahn, SGB V, § 172 Rn. 9; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 172 Rn. 8 – keine Anfechtungsberechtigung mangels Beschwer). Denn die Wahl eines Sitzes einer Selbstverwaltungskörperschaft ist deren ureigenes Recht. Den Verbänden steht kein Mitbestimmungsrecht zu. Die Aufsichtsbehörde nimmt dabei nur eine Rechtsprüfung vor. Sie hat in diesem Zusammenhang die Pflicht wegen des eintretenden Verbandswechsels eine Anhörung nach § 172 SGB V durchzuführen. Dies ist vorliegend geschehen; die Antragstellerin konnte sich äußern. Weitere Rechte hat sie spätestens seit der Neufassung des § 155 Abs. 4 SGB V in diesem Verfahren nicht.

b) Die Klage ist auch unbegründet. Der Bescheid vom 17. Juli 2008 ist rechtmäßig. Zu Recht hat die Beklagte die Satzungsänderung hinsichtlich der Sitzverlegung ab 1. August 2008 genehmigt.

Nach § 195 Abs. 1 SGB V bedarf die Satzung einer gesetzlichen Krankenkasse der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Dies betrifft zunächst die Satzung einer neu errichteten Kasse, gilt aber auch für jede Änderung/Neufassung einer Satzung (Baier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 195 SGB V Rdn. 3). Durch den Genehmigungsvorbehalt soll sichergestellt werden, dass sich die Satzung mit dem Gesetz und dem sonstigen für die Krankenkasse maßgebenden Recht in Einklang befindet. Das Bundesversicherungsamt ist vorliegend nach § 90 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – die zuständige Aufsichtsbehörde. Es hat bei der Genehmigung der Satzung einer Krankenkasse keinen Ermessensspielraum, sondern darf lediglich eine Rechtsprüfung vornehmen (BSG, Urteil vom 26. Februar 1992 – 1 RR 8/91 = SozR 3-2500 § 240 Nr. 8; Urteil vom 7. November 2000 – B 1 A 4/99 R = SozR 3-3300 § 47 Nr. 1). Nach diesen Maßstäben durfte die Genehmigung der Satzungsänderung nicht versagt werden, denn der Satzungsbeschluss ist formell und materiell rechtmäßig. Das Gesetz verbietet es der Beigeladenen nicht, ihren Sitz frei zu wählen. Bei den Krankenkassen als Selbstverwaltungskörperschaften des Sozialrechts ist zwischen dem durch die tatsächlichen Umstände festgelegten Verwaltungssitz und dem durch die Satzung festgelegten sogenannten Rechtssitz zu unterscheiden. Verwaltungssitz ist der Ort, an dem sich tatsächlich die Hauptverwaltung befindet, also der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane. Dagegen entscheidet der Rechtssitz über das für die Körperschaft maßgebende Recht, den Gerichtsstand und die behördlichen Zuständigkeiten und erfordert als solcher nicht zwingend einen Bezug zum Ort der Geschäftstätigkeit. Satzungs- und Verwaltungssitz müssen nur dann übereinstimmen, wenn dies das Gesetz bestimmt. Fehlt eine solche Anordnung, so ist eine Identität dieser beiden Sitze nicht erforderlich. Der Rechtssitz kann dann grundsätzlich frei gewählt werden (dazu BSG, Urteil vom 7. November 2000, a.a.O.). Dies beruht auf der Bedeutung des Selbstverwaltungsrechts, welches ein tragendes Organisationsprinzip der Sozialversicherung darstellt (BSG, Urteil vom 24. April 2002 – B 7 A 1/01 R = BSGE 89, 235 ff.). Im Zweifel sind die Normen des Sozialversicherungsrechts zugunsten des Selbstverwaltungsgrundsatzes auszulegen. Da die Satzung der Krankenkassen lediglich einer Rechtsprüfung – und keiner staatlichen Fach- und Zweckmäßigkeitskontrolle – unterliegt, und das Selbstverwaltungsrecht ein subjektives Recht auf Wahrung der Kompetenzen einräumt, darf die Rechtsetzungsbefugnis der Kasse nur aus wichtigem Grund eingeschränkt werden. Grundsätzlich hat die Kasse die Kompetenz ihren Rechtssitz frei zu bestimmen.

Da sich nach der erwähnten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, die für juristische Personen des Privatrechts entwickelten Grundsätze hinsichtlich des Rechts auf freie Sitzwahl auf die mit Satzungsautonomie ausgestatteten Körperschaften des öffentlichen Rechts – und damit auf Krankenkassen – übertragen lassen, kommt eine Versagung der Genehmigung einer Sitzverlegung lediglich in Betracht, wenn mit der Sitzbestimmung Missbrauch getrieben wird, indem etwa ein bestimmter Sitz allein mit dem Ziel gewählt wird, die an den Rechtssitz geknüpften behördlichen oder gerichtlichen Zuständigkeiten zu manipulieren (BSG, Urteil vom 7. November 2000, a.a.O.). Eine derartige Annahme ist hier nicht gerechtfertigt. Zwar will die Beigeladene mit der Sitzverlegung auch die Zugehörigkeit zu einem anderen Landesverband erreichen. Dies ist aber kein Missbrauch bzw. keine Manipulation behördlicher oder gerichtlicher Zuständigkeiten. Auch die weiter angegebene Begründung der besseren Fusionsmöglichkeiten ist nachvollziehbar und rechtfertigt nicht die Annahme eines von vorn herein nur beabsichtigten Scheinsitzes. Von einer willkürlichen Sitzwahl ohne jede Beziehung zur Betätigung der Beigeladenen kann ebenfalls nicht ausgegangen werden, da die Beigeladene durch die Fusion mit der BKK B. und der B1 BKK, die ihren Sitz in Stuttgart hatten, über eine Verbindung nach Stuttgart verfügt. Im Übrigen ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die Beigeladene wirtschaftliche Gründe für die Sitzverlegung anführt. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsaufsicht der Beklagten, betriebswirtschaftliche Gründe auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Gründe der Finanzierung des zuständigen Landesverbandes allein vermögen nicht die Rechtswidrigkeit der Sitzverlegung ergeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG I.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens, d.h. nach § 162 Abs. 1 VwGO die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten sowie diejenigen der Beigeladenen zu tragen. Letzteres entspricht der Billigkeit im Sinne des nach § 197a VwGO entsprechend anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, weil die Beigeladene einen eigenen Sachantrag gestellt, sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt und letztlich mit ihrem Rechtsstandpunkt durchgesetzt hat.

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr.1 oder 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür fehlen.
Rechtskraft
Aus
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