L 6 RJ 159/02

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 16 J 1175/97
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 6 RJ 159/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. August 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit vom 1. Juli 1991 bis 31. März 2008.

Der am X.XXXXX 1943 in O. geborene deutsche Kläger hat seinen Wohnsitz seit 1976 in Großbritannien. Sein Versicherungsverlauf (vom 30. Juni 2008) weist insgesamt 56 Beitragsmonate in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung aus, u. a. für seine abgeschlossene Ausbildung (Gesellenbrief) zum Elektriker von 1959 bis 1962. Außerdem hat der Kläger Versicherungszeiten in Irland aufgrund einer Beschäftigung als Elektriker von 1965 bis Ende 1970 und in Großbritannien zurückgelegt. Hier war er von 1981 bis zur Versetzung in den Ruhestand im Sommer 1991 Lehrkraft/Lehrer/Dozent/Lehrbeauftragter an weiterführenden Schulen. Zuletzt war er beim C. County Council als sog. college lecturer in B. (Nordwest-England) angestellt, wo er nach längeren krankheitsbedingten Fehlzeiten auf Betreiben des Arbeitgebers ausschied. Dieser Tätigkeit unmittelbar vorausgegangen waren - nach dem Besuch einer Fachoberschule und einer technischen Fachhochschule in B. [Deutschland] von 1971 bis 1976 - ein Studium der Soziologie an der Universität A./Schottland, das er als "Master of Arts" (Magister) abschloss, nachdem er das erste Jahr im Studiengang "Bachelor of Science in Engineering" studiert hatte, und der Erwerb der Lehrbefähigung (teaching qualifikation) für Physik in einem ein Jahr umfassenden Lehrgang am A. College of Education. Der Kläger bezieht seit 1991 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (incapacity benefit) aus der britischen Sozialversicherung (benefit agency) und seit dem 1. April 2008 von der Beklagten Altersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres.

Im Juni 1991 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung und gab an, seit dem 20. Dezember 1990 wegen Myalgie und Encephalomyelitis arbeitsunfähig krank zu sein. In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 24. Mai 1994 vertrat der Internist Dr. B1 vom ärztlichen Dienst der Beklagten nach Auswertung der aus England und Schottland eingegangenen ärztlichen Unterlagen die Auffassung, die vorliegenden Befunde allein reichten nicht zur Feststellung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Vielmehr sei ein psychiatrisches Gutachten erforderlich. Den Berichten aus den Jahren 1990 und 1991 zufolge leide der Kläger seit dem Juli 1990 an häufigen Kopfschmerzen, verbunden mit Schwäche, Übelkeit und Müdigkeit. Trotz intensiver diagnostischer Bemühungen habe sich keine ausreichende Ursache für diese Kopfschmerzen finden lassen. Bei den angesprochenen Unterlagen handelte es sich um von dem praktischen Arzt Dr. J. - dem Hausarzt des Klägers - übersandte Papiere mit Berichten des F. General Hospital bzw. der für diese Klinik tätigen beratenden Ärzte Dr. S. (Praktiker), Dr. M. (Neurologe), Dr. W. (Psychiater) und Dr. C1 (Neurologe) sowie der Assistenzärztin für Neurologie F1 vom Royal P. Hospital und des Neurologen B2 vom West C2 Hospital in W1. Dr. J. berichtete zusammenfassend, der Kläger habe sich dort erstmalig im Januar 1990 wegen coitaler Kopfschmerzen vorgestellt. Er sei bis Juli 1990, dann vom Oktober 1990 an und erneut wieder ab Januar 1991 der Arbeit fern geblieben. Im Mai 1991 sei er wegen des schlechten Gesundheitszustandes aus der Arbeit geschieden. Während dieser Zeit sei er von einem Allgemeinmediziner (physician), einem Psychiater und zwei Neurologen gesehen und ausgiebig untersucht worden (CCT, nuklearmedizinische Untersuchung des Gehirns, Röntgen des Schädels, Angiografie mit Ausschluss eines Aneurysmas). Eine organische Ursache sei nicht gefunden worden; keine der Behandlungen - auch nicht wegen Migräne - habe dem Kläger geholfen.

Der britische Versicherungsträger (Department of Social Security – DSS) veranlasste im August 1994 die Begutachtung des Klägers durch die Ärztin Dr. B3. Diese kam nach dessen Untersuchung und ohne einen pathologischen Befund erhoben zu haben in ihrem Gutachten vom 5. Oktober 1994 zum Ergebnis, der Kläger leide an Kopfschmerzen unbekannter Ursache und sei seit Januar 1990 für unbestimmte Zeit völlig erwerbsunfähig. Er habe ihr berichtet, jeglicher Stress, angenehmer wie unangenehmer, verursache ihm Kopfschmerzen. So empfinde er eine ausgedehnte Unterhaltung als anstrengend. Seine Ehefrau kümmere sich um die Aufgaben (Verpflichtungen) im Haushalt. Er bevorzuge ein ruhiges Leben. Auch körperliche Aktivität (wie zum Beispiel Klettern) verursache ihm Kopfschmerzen. Er könne sich nur schlecht und nur für kurze Zeit, maximal 10 Minuten, konzentrieren. Eine Behandlung werde derzeit nicht durchgeführt.

Nachdem Dr. B1 dieses Gutachten als Grundlage einer abschließenden sozialmedizinischen Beurteilung für unzureichend befunden, insbesondere eine Anamneseerhebung in psychiatrischer Hinsicht vermisst und eine Angiografie der Hirngefäße, eine Histologie der Temporalarterien, eine ausführliche psychiatrische Befragung sowie eine Röntgenuntersuchung der Halswirbelsäule (HWS) für erforderlich gehalten hatte, veranlasste das DSS bzw. die benefit agency eine Begutachtung des Klägers durch den Psychiater Dr. A. P1 vom F. General Hospital. Dieser kam in seinem Bericht vom 8. Juni 1995 zum Ergebnis, dass beim Kläger eine eindeutige psychiatrische Diagnose nicht zu stellen sei. Allerdings scheine ihn sein Problem, das wohl eine Kombination aus körperlichen und psychologischen Symptomen sei, völlig erwerbsunfähig zu machen. Er zeige einige Symptome, die zur Diagnose einer Depression passten, jedoch passten zu dieser Diagnose nicht die Hauptbeschwerden in der Form chronischer häufiger und schwerer Kopfschmerzen. Es sei möglich, dass der Kläger an einer Variante des chronischen Ermüdungssyndroms (CFS – chronic fatigue syndrom) leide. Dafür sprächen reduzierte Energie und Aktivität, dagegen der Umstand, dass er über keinerlei muskuläre Beschwerden klage. Auch sei es nicht einfach, auf der Grundlage dieser Diagnose die Kopfschmerzen zu erklären.

In Auswertung dieses Berichtes kam Dr. B1 zum Ergebnis, für die vom Kläger angegebenen Kopfschmerzen hätten keinerlei Ursachen gefunden werden können, so dass er leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsfeld und auch im erlernten Beruf noch vollschichtig verrichten könne. Dabei zitierte er - unzutreffend - Angaben des Klägers, er habe bei seinem mit körperlichen Belastungen verbundenen Hobby - dem Renovieren von Altautos – keinerlei Schmerzzustände und leide auch nicht an Schlafstörungen.

Gestützt auf diese Stellungnahme Dr. B1’s lehnte die Beklagte den Rentenantrag durch Bescheid vom 18. Oktober 1995 mit der Begründung ab, der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und auch in seinem Beruf als Elektriker noch vollschichtig verrichten.

Der Kläger erhob Widerspruch und verwies darauf, dass er nach den Feststellungen des C. County Council vom Mai 1991 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, seinen Beruf als Dozent am B. College for further Education auszuüben und er deshalb in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden sei. Die seither bis 1994 jährlich durchgeführten Untersuchungen durch Vertrauensärzte des Department for Health and Social Security (DHSS) hätten jedes Mal zur Feststellung geführt, dass er vollständig erwerbsunfähig sei. Zu demselben Ergebnis sei der Psychiater gekommen, der ihn auf Veranlassung der Beklagten im Sommer 1995 dreimal untersucht habe. Auf eine Tätigkeit als Elektriker könne er nicht zumutbar verwiesen werden. In diesem Beruf habe er maximal fünf Jahre gearbeitet, bevor er seine mittlere Reife nachgeholt, drei Jahre an einer Fachhochschule und anschließend fünf Jahre an einer schottischen Universität studiert und nach Erwerb der Lehrbefähigung als Lehrer bzw. Dozent an weiterführenden Schulen bzw. Bildungseinrichtungen tätig gewesen sei.

Während des Vorverfahrens gingen bei der Beklagten weitere den Kläger betreffende ärztliche Unterlagen aus England ein. So berichtete Dr. K. am 6. Dezember 1996, der Kläger, der zwei Jahre lang wegen starker Herzbeschwerden sein Patient im F. General Hospital gewesen sei, leide seit Januar 1995 an einer instabilen angina pectoris, die mit Betablockern behandelt werde. Ein Herzinfarkt habe ausgeschlossen werden können. Er - Dr. K. - unterstütze den Rentenantrag.

Dr. B1 vertrat in seiner Stellungnahme vom 29. April 1997 die Auffassung, es ließen sich anhand der vorliegenden Befundberichte keine wesentlichen krankhaften Veränderungen nachweisen, die das Leistungsvermögen des Klägers für die Tätigkeiten eines Elektrikers oder die eines Lehrers einschränkten. Eine koronare Herzkrankheit liege den objektiven Befunden zufolge nicht vor, ebenso wenig eine Herzklappenerkrankung oder eine Funktionsstörung des Herzens. Darauf gestützt wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 1997 zurück.

Der Kläger hat im anschließenden Klageverfahren die Auffassung vertreten, Dr. B1 habe in seiner Beurteilung die von Dr. P1 gutachtlich gestellte Diagnose auf den Kopf gestellt. Die englischen Ärzte, die ihn gesehen hätten, unterstützten seinen Rentenantrag. Zudem sei die Beklagte vom falschen Beruf - dem des Elektrikers - ausgegangen. Er sei als Physiklehrer in der Sekundarstufe II und als Dozent für Elektrotechnik tätig gewesen. Wenn man auf diesem Niveau unterrichte und nach kurzer Zeit - 10 Minuten - Kopfschmerzen bekomme, könne man sich nicht mehr konzentrieren und sich z. B. nicht mehr an die einfachsten mathematischen Formeln erinnern. Geschehe dies regelmäßig, was bei ihm der Fall gewesen sei, so könne kein normaler Unterricht stattfinden.

Das Sozialgericht (SG) hat Berichte von Dr. P1, Dr. J., Dr. M., Dr. B3 und Dr. K. eingeholt. Sodann hat auf seine Veranlassung der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. nach Lage der Akten das Gutachten vom 10. Januar 2001 erstattet. Er hat die vorliegenden Unterlagen dahin ausgewertet, dass beim Kläger ein neurasthenisches Syndrom ohne Nachweis einer neurologischen oder psychiatrischen Grunderkrankung vorliege und dieser noch leichte und mittelschwere körperliche Arbeit durchschnittlicher geistiger Art und durchschnittlicher Verantwortung ohne besonderen Zeitdruck und ohne Nachtarbeiten vollschichtig verrichten könne. Wesentliche Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, schwere depressive Symptome, Denk-, Wahrnehmungs- und Willensstörungen seien nicht notiert. Ob ein so genanntes CFS bestehe, könne dahingestellt bleiben, zumal diese Diagnose noch keinen Eingang in die geltende ICD 10 - Klassifizierung gefunden habe und zudem bei der Bewertung des Leistungsvermögens nicht eine Diagnose, sondern vielmehr das Ausmaß von psychischen und körperlichen Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde zu legen sei.

Der Kläger hat sich gegenüber dem SG geweigert, Untersuchungen zur Klärung seiner Erwerbsfähigkeit in Deutschland Folge zu leisten, zunächst allein aus grundsätzlichen Erwägungen - durch die Verpflichtung, zu einer solchen Untersuchung in das Land des angegangenen Leistungsträgers zu kommen, werde er in seinem Recht auf Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt; die vom Gericht angeordnete Untersuchung müsse nach europäischem Recht an seinem Wohnort stattfinden -, später auch aus gesundheitlichen Gründen. Daraufhin hat sich der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B4 nach Auswertung der Akten in der mündlichen Verhandlung am 5. August 2002 der Einschätzung der Erwerbsfähigkeit des Klägers durch Dr. N. angeschlossen.

Gestützt auf diese Gutachten hat das SG die Klage durch das dem Kläger am 2. September 2002 zugestellte Urteil vom 5. August 2002 abgewiesen. Er sei nicht erwerbsunfähig, weil er in der Lage sei, leichte und mittelschwere Arbeiten vollschichtig auszuüben. Da er weiterhin im zuletzt ausgeübten Beruf tätig sein könne, sei er auch nicht berufsunfähig.

Im anschließenden Berufungsverfahren (Berufung vom 25. November 2002) ist der Kläger auf Veranlassung des Senats am 14. November 2006 durch den Neurologen Dr. S1 in D./Schottland untersucht worden. In seinem schriftlichen Gutachten vom 5. Februar 2007 hat dieser folgende Diagnosen gestellt: gutartiger Kopfschmerz, chronischer Spannungskopfschmerz, Migräne mit visuellen Symptomen, CFS. Durch letzteres Syndrom sei die Leistungsfähigkeit des Klägers wesentlich eingeschränkt. Rückblickend und bis zum heutigen Tag erscheine er nach den vorliegenden Befunden und seinen eigenen Angaben seit 1990 zu keinen regelmäßigen Arbeiten einsetzbar. Eine neurotische oder psychische Gesundheitsstörung bestehe bei ihm nicht.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. hat in seinem auf Veranlassung des Senats nach Lage der Akten erstatteten schriftlichen Gutachten vom 5. August 2007 der von Dr. S1 gestellten Diagnose CFS die - im ICD 10 anerkannte und von ihm bevorzugte - Diagnose Neurasthenie gleichgesetzt und die von der Beklagten geäußerte Kritik an jenem Gutachten für teilweise berechtigt gehalten; insbesondere fehle es an einer Beschreibung des Tagesablaufs sowie der Belastungen, die der Kläger ertragen bzw. nicht ertragen könne. Bedeutsamer sei jedoch, dass Dr. S1 sein Gutachten nach ausführlicher Befragung und Untersuchung und nicht nur nach Aktenlage erstellt habe. Auch wenn die Tatsache, dass der Kläger nach englischem Rentenrecht 1995 rückwirkend endgültig als arbeitsunfähig behandelt worden sei, für die Entscheidung der deutschen Rentenversicherung in keiner Weise relevant sei, sei doch festzuhalten, dass ihn damals verschiedene Ärzte nach persönlichen Untersuchungen und Befragungen in England für arbeitsunfähig gehalten hätten. Im deutschen Verfahren sei das Gutachten des Dr. S1 das einzige, das nach eigener Befragung und ausführlicher Untersuchung angefertigt worden sei. Auch wenn die konkreten Beschwerden des Klägers in diesem Gutachten nicht detailliert herausgearbeitet worden seien, so erscheine es doch von ausreichender nervenärztlicher Qualität und in seinen Aussagen überzeugend, so dass ihm zu folgen sei.

Zum selben Ergebnis ist auch der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. in seinem nach Aktenlage erstatteten schriftlichen Gutachten vom 8. September 2008 gekommen. Nach seiner Auffassung ist der Kläger aufgrund der bei ihm bestehenden Neurasthenie (Synonym für chronisches Erschöpfungssyndrom) seit 1990 zu einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nicht mehr in der Lage.

Demgegenüber hat sich der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H1 nach Auswertung der Akten in seinem Gutachten vom 17. November 2008 dieser Einschätzung der Erwerbsfähigkeit nicht angeschlossen, sondern den Kläger für fähig erachtet, seiner Ausbildung entsprechende leichte bis mittelschwere körperliche und geistige Arbeiten mit durchschnittlicher Belastung ohne besonderen Zeitdruck unter Ausschluss von Schicht- und Nachtarbeit vollschichtig zu verrichten. Die für diese Einschätzung relevanten Diagnosen hat er wie folgt bezeichnet: kombiniertes Kopfschmerzsyndrom mit Migräne und Spannungskopfschmerzen, Neurasthenie (Erschöpfungssyndrom), retrosternaler Schmerz ohne Nachweis einer koronaren Herzkrankheit.

In der mündlichen Verhandlung am 28. November 2008 hat Dr. H1 diese Diagnosen relativiert und ausgeführt, dass der einzige das Leistungsvermögen des Klägers einschränkende Befund das chronische Erschöpfungssyndrom bzw. die Neurasthenie sei. Wie weit die Leistungsfähigkeit des Klägers tatsächlich eingeschränkt gewesen sei, sei ohne exakte Daten kaum zu beurteilen. Solche Daten seien weder der Akte noch dem Gutachten des Dr. S1 zu entnehmen, so dass er sich den Ausführungen von Dr. B4 und Dr. N. anschließe.

Im April 2008 hatte der Kläger das Berufungsgericht zum Verständnis seines im Herbst 2007 zur Beendigung des damals bestehenden Mandatsverhältnisses und der Beiordnung seines damaligen Prozessbevollmächtigten führenden und von ihm nunmehr als irrational, von Panik bestimmt bezeichneten Verhaltens wissen lassen, dass man ihm seinerzeit - im Herbst 2007 - mitgeteilt habe, er habe Krebs an der Harnblase. Diese sei Anfang Dezember 2007 entfernt worden. Im Januar und Februar 2008 seien weitere Krankenhausaufenthalte notwendig gewesen. Er sei auch gegenwärtig noch unter ständiger medizinischer Betreuung.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. August 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 1995, soweit er die Rente ablehnt, in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Juli 1991 zu gewähren,

hilfsweise gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weiter hilfsweise gemäß § 109 SGG den Sachverständigen Dr. S1 erneut mit der Begutachtung und Untersuchung des Klägers zu beauftragen mit der Maßgabe, die im heutigen Termin von Dr. H1 und in seinem Gutachten vom 17. November 2008 ausgeführten Untersuchungs- und Ermittlungsdefizite weit möglichst zu beseitigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. August 2002 zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, sieht keine neuen Gesichtspunkte und hält unverändert an ihrer Einschätzung der Erwerbsfähigkeit des Klägers fest, die sie durch Dr. H1 bestätigt sieht, auf dessen Ausführungen sie Bezug nimmt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 SGG), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Das Urteil vom 5. August 2002 ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 18. Oktober 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 1997 abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der Rentenanspruch des Klägers richtet sich im Hinblick auf das Datum der Rentenantragstellung noch nach dem bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Recht (vgl. § 300 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI -). Dieses regelte den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in § 1247 Reichsversicherungsordnung (RVO). Dessen Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil der Kläger ab dem 1. Juli 1991 - und bis 31. März 2008 - nicht erwerbsunfähig war. Dasselbe gilt sinngemäß für den hilfsweise verfolgten und vormals in § 1246 RVO geregelten Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Erwerbsunfähig ist der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann (§ 1247 Abs. 2 Satz 1 RVO). Geringfügige Einkünfte im Sinne des Satzes 1 sind monatliche Einkünfte in Höhe eines Siebtels der monatlichen Bezugsgröße (1247 Abs. 2 Satz 2 RVO).

Demgegenüber ist berufsunfähig ein Versicherter, dessen Erwerbsunfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 1246 Abs. 2 Sätze 1 und 2 RVO).

Eine so weitgehende Einschränkung der Erwerbsfähigkeit - insbesondere eine Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit für körperlich leichte Arbeiten in quantitativer Hinsicht - hat beim Kläger im streitigen Zeitraum nicht vorgelegen. Der Senat folgt insofern zunächst der Einschätzung der Erwerbsfähigkeit des Klägers durch das SG, die sich auf die schlüssigen und nachvollziehbaren und mithin überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. N. und Dr. B4 stützt. Deren Bewertung gründet sich auf die dem SG und der Beklagten vorliegenden Berichte der Ärzte, die den Kläger in Großbritannien behandelt hatten. Diese haben einen maßgeblichen neurologischen Befund nicht objektivieren können. Schon der Hausarzt des Klägers, Dr. J., hat im Zusammenhang mit dessen Rentenantrag unter Berufung auf Dr. S., Dr. M. und Dr. B2 und durchgeführte computertomografische Aufnahmen des Schädels sowie eine Angiografie der hirnversorgenden Blutgefäße angegeben, es hätten sich keine pathologischen Befunde ergeben. Ebenso wenig enthalten die Unterlagen der Ärzte Hinweise für eine sozialmedizinisch relevante psychiatrische Problematik. Der Psychiater Dr. A. P1 vom F. General Hospital ist in seinem Bericht vom 8. Juni 1995 vielmehr zum Ergebnis gekommen, dass beim Kläger eine eindeutige psychiatrische Diagnose nicht zu stellen sei. Zuvor hatte schon Frau Dr. B3 in ihrem vom britischen Versicherungsträger veranlassten Gutachten vom 5. Oktober 1994 keinerlei pathologische Befunde beschrieben und als einzige Diagnose "Kopfschmerzen unbekannter Ursache" angeführt. Da Dr. B3 ihr abschließendes Urteil, der Kläger sei seit Januar 1990 für unbestimmte Zeit völlig erwerbsunfähig, nicht nachvollziehbar aus erhobenen Befunden abgeleitet hat, kann der Senat ihr schon deshalb nicht folgen.

Zudem hatte Dr. K. in seinem Bericht vom 1. März 1996 mitgeteilt, eine von ihm durchgeführte Darstellung der Herzkranzgefäße des Klägers habe ein unauffälliges Ergebnis gehabt, und im Bericht vom 7. Juni 1996 ausgeführt, es gehe dem Kläger weiterhin gut. Nach einem Krankenhausaufenthalt wegen linksseitiger Brustbeschwerden ("chestpain") im April 1998 schrieb Dr. L1, Mitarbeiter von Dr. K., am 31. Juli 1998 an Dr. J., der Kläger habe berichtet, dass es ihm ganz gut gehe und dass keine weiteren Episoden mit Brustschmerzen aufgetreten seien. Die Symptome von Lethargie hätten sich in gewissem Umfang (to an extent) gebessert. Leistungshindernde Befunde können daher diesen Berichten nicht entnommen werden.

Zwar gibt der Kläger an, seit Jahren unter migräneartigen Kopfschmerzen sowie unter Erschöpfungszuständen zu leiden. Selbst wenn man aber beide Symptome ohne Abstriche betrachtet, lässt sich daraus wegen fehlender medizinischer sonstiger Anknüpfungstatsachen nicht auf ein aufgehobenes oder teilweise eingeschränktes Leistungsvermögen schließen, weder für den ursprünglich erlernten Beruf des Elektrikers noch für die zuletzt ausgeübte Lehrtätigkeit. Diese Einschätzung der Erwerbsfähigkeit gilt unverändert auch im Berufungsverfahren. In ihm haben keine wesentlich neuen Erkenntnisse gewonnen werden können.

Der Sachverständige Dr. S1 hat in seinem Gutachten vom 5. Februar 2007 keine überzeugenden Anhaltspunkte für eine psychiatrische oder neurologische Erkrankung des Klägers geliefert. Seine Auffassung, dieser sei rückblickend bis zum heutigen Tag zu keinen regelmäßigen Arbeiten einsetzbar, hat er nicht aus von ihm erhobenen relevanten Befunden von Krankheitswert nachvollziehbar abgeleitet. Dr. S1 hat seine Leistungseinschätzung allein auf die von ihm gestellte Diagnose "CFS" gestützt und diese konkret mit den von ihm zitierten Angaben des Klägers bei dessen Befragung, die von dessen Ehefrau bestätigt worden sind, begründet. Demnach hat der Kläger vorgetragen, es bestehe für alle angegebenen Arbeiten unter allen angegebenen Bedingungen eine stark eingeschränkte Leistungsfähigkeit. Schon unter vergleichweise geringer Belastung ermüde er in allen Lebensbereichen stark und schnell. Eine kritische Reflexion dieser Angaben des Klägers hat der Sachverständige bei der psychiatrischen Bewertung unterlassen. Seinem Gutachten mangelt es an entscheidenden Aussagen bzw. Feststellungen. Es liefert keinen (differenzierten) psychopathologischen Befund, der eine Überprüfung der Schlussfolgerung ermöglicht. Weder enthält es eine lebendige Schilderung des Klägers mit seiner Reaktion auf die Situation und den Arzt noch Beobachtungen und Mitteilungen des Probanden über seine Erlebnisse. In Bezug auf Angaben über Bewusstsein, Affekt, Gedächtnis, Intelligenz und Verhalten des Patienten, insbesondere Rapport und Kontakt, ist das Gutachten Dr. S1 nur wenig ergiebig. Es enthält keine Feststellungen zu den kognitiven Fähigkeiten des Klägers, wie Merkfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit, geistige Wendigkeit, Koordinierung bezüglich Ort und Zeit, über die Affektivität, d. h. über die Stimmung - ob eventuell eine traurige Verstimmung im Sinne einer Depression besteht -, ob Wahnideen vorliegen, und keine Auskünfte über seine Persönlichkeitsstruktur.

Zutreffend hat Professor Dr. H. in seinem Gutachten vom 5. August 2007 - insoweit die Kritik der Beklagten bzw. von Dr. F2 aufgreifend - beanstandet, im Gutachten des Dr. S1 fehlten z. B. eine detaillierte Beschreibung des Tagesablaufs des Klägers und Ausführungen zur Frage, welche Belastungen er noch ertragen könne und welche nicht. Mitteilungen darüber kommen im Gutachten Dr. S1 zwar an einigen Stellen andeutungsweise, insgesamt aber nur ungenügend zum Ausdruck. Wie es um den Kläger tatsächlich bestellt ist, d. h. welche funktionellen Defizite wirklich vorliegen, ist - wie der Sachverständige Dr. H1 zutreffend bemerkt - dem Gutachten, wie überhaupt den vorliegenden Akten, nicht zu entnehmen. Maßgebend für die Beurteilung des Leistungsvermögens eines Versicherten sind jedoch nicht hauptsächlich gestellte Diagnosen, sondern aus erhobenen Befunden resultierende - abzuleitende - Funktionsbeeinträchtigungen. Der Senat vermag sich schon deshalb der Leistungseinschätzung Dr. S1 nicht anzuschließen.

Auch der Hinweis Dr. S1 auf eine von britischen Ärzten schon in der Vergangenheit bescheinigte Leistungsunfähigkeit des Klägers überzeugt nicht. In den aus Großbritannien eingegangenen ärztlichen Unterlagen befindet sich keine anhand erhobener Befunde nachvollziehbare und damit überzeugende Ableitung der Leistungsunfähigkeit. Die Einschätzungen der britischen Ärzte sind zwar sicher nicht völlig unmaßgeblich; jedoch darf das Gericht ihnen - ebenso wie den Äußerungen deutscher Ärzte - nicht unkritisch folgen, wenn sie nicht überzeugend, d. h. plausibel, schlüssig und nachvollziehbar begründet, sind. Ist dies, wie z. B. im Falle der Gutachten des Dr. S1 und der Dr. B3 nicht gegeben, können diese Leistungseinschätzungen für das Gericht nicht von Relevanz sein. Im Übrigen hat Dr. K. dem Rentenantrag des Klägers schon im Februar 1998 keine großen Erfolgschancen mehr eingeräumt, sondern vielmehr ausgeführt, er vermute, dass das Betreiben dieses Verfahrens nur für weitere Belastungen des Klägers sorgen werde.

Dass die bloße Schilderung der Beschwerden durch den Kläger ohne kritische Überprüfung keine geeignete, sondern eine fragwürdige Grundlage für die Bewertung seiner Erwerbsfähigkeit ist, zeigt sich auch an seinen Angaben zu den Kopfschmerzen, unter denen er angeblich leidet, auch wenn Dr. S1 diese nicht in seine Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers einbezogen hat. Dr. H1 weist zutreffend darauf hin, dass Dr. S1 die ihm geschilderten Kopfschmerzattacken nicht hinterfragt hat, insbesondere nicht nach deren Schmerzcharakter gefragt hat. Das ist für die diagnostische Einordnung aber ebenso wenig belanglos - und daher unverzichtbar - wie die Frage nach begleitenden Symptomen der Kopfschmerzen, wie Übelkeit, Lärm- und Lichtempfindlichkeit, Gesichtsblässe, Erbrechen, Augenflimmern, Harndrang, Tränen- oder Nasenfluss, Durchfall, Lähmungserscheinungen, Stirnkühle, gerötete Augenbindehaut etc. Auch nach Schmerz auslösenden Faktoren (Nahrungs- und Genussmittel, Wetteränderungen, psychologische Auslösefaktoren etc.) hat Dr. S1 ebenso wenig gefragt wie nach konkreten medikamentösen Behandlungsversuchen. Letzteres ist umso erstaunlicher, als einerseits Patienten mit Migräneattacken der vom Kläger beschriebenen Intensität und Häufigkeit - zweimal wöchentlich mit visuellen Symptomen für zwei oder mehr Stunden - eine erhebliche Einschränkung ihrer Handlungsfähigkeit und ihrer - nicht nur beruflichen - Leistungsfähigkeit erfahren, andererseits aber bisher eine prophylaktische Behandlung von Migränekopfschmerzen unterblieben ist, obwohl diese Dr. H1 und auch Dr. L. zufolge sehr erfolgreich sein kann. Wer Schmerzen hat, wird sich in der Regel einer Behandlung unterziehen. So wie die Bereitschaft bzw. Neigung hierzu mit der Intensität der Schmerzsymptomatik zunehmen dürfte, stellt das Unterbleiben einer solchen Therapie den Leidensdruck bzw. die beschriebene Intensität der Schmerzen in Frage, macht diese gleichsam "fragwürdig". Dementsprechend haben Dr. L. und Dr. H1 die Angaben des Klägers über die Intensität der Migräneattacken als dadurch relativiert gesehen, dass über eine prophylaktische Medikation zu keinem Zeitpunkt berichtet wird. Letztlich hält auch Dr. S1 die geklagten Migräneattacken offenbar nicht für leistungseinschränkend. Dies ist umso bedeutsamer, als der Kläger nach seinen Angaben gegenüber Dr. S1 in seinem Beruf Befriedigung und Freude empfunden und angeblich alles versucht haben will, in seinen Beruf zurückzukehren.

Nicht minder erstaunlich und fragwürdig - aber gleichwohl von Dr. S1 unbewertet geblieben - ist die gegenüber ihm erfolgte Einlassung des Klägers, dass der Genuss von Alkohol seine Kopfschmerzen lindere. Denn bekanntermaßen kann bereits Alkoholkonsum in geringen Dosen Kopfschmerzen auslösen. Hatte der Kläger in der Vergangenheit berichtet, dass seine Frau und er 10 bis 20 Flaschen Bier und eine halbe Flasche Whisky wöchentlich konsumierten, so hat er gegenüber Dr. S1 angegeben, mehrmals wöchentlich mit seiner Ehefrau eine Flasche Wein zu konsumieren. Immerhin berichten erfahrungsgemäß etwa 20% der Migränepatienten, dass alkoholische Getränke einen negativen Einfluss auf ihre Kopfschmerzen haben. Im Widerspruch dazu vermittelt der Kläger hier, dass Alkohol schmerzlindernd wirke und dass alle Kopfschmerzmittel nicht wirkten.

Angesichts der dargestellten Defizite des Gutachtens des Dr. S1 vermag sich der Senat auch nicht der Auffassung der Sachverständigen Prof. Dr. H. und Dr. L. anzuschließen, die der Einschätzung der Erwerbsfähigkeit durch Dr. S1 vor allem unter Hinweis auf den Umstand zuzustimmen geneigt sind, dass sein Gutachten das einzige sei, das auf eigener Befragung und ausführlicher Untersuchung des Klägers beruhe. Zwar dürfte einer Begutachtung nach Untersuchung im Allgemeinen ein höherer Beweiswert zukommen als einer Begutachtung allein nach Aktenlage, weil nur bei der persönlichen Begegnung mit dem Probanden die Möglichkeit besteht, diesen eingehend zu befragen und hierdurch und durch die Untersuchung einen persönlichen Eindruck von ihm zu gewinnen. Werden diese Möglichkeiten aber - wie es hier augenscheinlich geschehen ist - nicht oder nur unzulänglich genutzt, so entfällt dieser Vorteil. Die vorhandenen Unterlagen über Befunderhebungen erlauben schlichtweg nicht, wie es Prof. Dr. H. getan hat, davon auszugehen, dass der Kläger bereits seit 1990/1992 zu keinen regelmäßigen Lohn bringenden Arbeiten mehr in der Lage ist.

Zwar mag, wie Dr. H1 ausgeführt hat, auch auf der Grundlage einer organisch nicht erklärbaren Erschöpfung bei entsprechendem Schweregrad der Symptomatik ein Anspruch auf Leistungen aus den sozialen Sicherungssystemen zu begründen sein. Jedoch mangelt es vorliegend sowohl an einer nachvollziehbaren Darlegung der Entwicklung der Beschwerden und der therapeutischen Bemühungen als auch an Feststellungen bezüglich der sich in der sozialen Realität daraus ergebenden Funktionseinschränkungen. Der Senat kommt summa summarum daher zu der Konklusion, dass beim Kläger Krankheiten, andere Gebrechen oder eine Schwäche seiner körperlichen und geistigen Kräfte, die ihn nachvollziehbar daran hindern, Leistungen des allgemeinen Arbeitsmarktes bzw. im Beruf eines Elektrikers oder Physiklehrers (Dozenten, Studienrats) zu verrichten, nicht festzustellen sind. Das schließt den Mangel der Feststellung ein, dass der Kläger - wie er es selbst formuliert - wegen einer geistigen Unfähigkeit nicht in der Lage ist, sein Wissen zu gebrauchen und anzuwenden. Dafür trägt der Kläger aber die Feststellungslast.

Soweit der Kläger am 18. April 2008 mitgeteilt hat, dass ihm wegen eines im Frühherbst 2007 bei ihm diagnostizierten Krebses an der Harnblase diese Anfang Dezember 2007 entfernt worden und es deshalb im Januar/Februar 2008 zu weiteren Krankenhausaufenthalten gekommen sei und dass er auch im April 2008 noch immer unter ständiger medizinischer Betreuung gestanden habe, folgt daraus für die restliche Zeit des streitigen Zeitraums (Oktober 2007 bis März 2008) keine andere Leistungsbeurteilung. Für diese, den Zeitraum eines halben Jahres nicht überschreitende Zeit kann möglicherweise von (andauernder) Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden, nicht aber bereits von Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit. Dafür liegen dem Gericht und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers - wie dieser auf Befragen angeben hat - keinerlei Anhaltspunkte (Informationen) vor.

Dem Hilfsantrag des Klägers brauchte der Senat nicht zu entsprechen.

Der Sachverhalt ist ausermittelt, so dass es der Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 106 SGG nicht bedarf. Die Sachlage stellt sich bei genauer Betrachtung so dar, dass alle bisherigen Untersuchungen und Berichte keine Befunde zu Tage gefördert haben, die eine rentenrelevante Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers begründen können. Das liegt, auch wenn das Gutachten von Dr. S1 den strengen Anforderungen, die an ein Gutachten zu stellen sind, nicht gerecht wird, nicht an der mangelnden Qualität der Gutachten, sondern schlichtweg am Fehlen entscheidungserheblicher Krankheiten, Gebrechen und körperlicher oder geistiger Schwächen. Dem ist durch die Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen nicht abzuhelfen. Dem Senat drängt sich deshalb - zumal auch das Ende des streitbefangenen Zeitraums bereits acht Monate zurückliegt - auch nicht auf, den Kläger - was dieser bisher stets abgelehnt hat - in Deutschland untersuchen zu lassen.

Der Beweisantrag nach § 109 SGG war zudem verspätet. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung kann das Gericht einen Antrag des Versicherten, einen bestimmten Arzt gutachtlich zu hören, unter anderem dann ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. So verhält es sich hier. Das Gutachten des Dr. S1 vom 5. Februar 2007 ist dem Kläger seit dem Februar 2007 bekannt. Er hat in seinen beiden Schriftsätzen vom 5. und 6. Juni 2007 zwar Defizite des Gutachtens angesprochen, jedoch lediglich angeregt, Dr. S1 die Akten mit der Auflage zu übermitteln, weitere Befundberichte bei im einzelnen benannten Ärzten und Krankenhäusern einzuholen und seine Stellungnahme unter Berücksichtigung der Stellungnahme des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten sowie der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie unter anderem für die Begutachtung von Schmerzen zu ergänzen. Einen förmlichen Beweisantrag nach § 109 SGG hat er nicht gestellt. Vielmehr hat der Kläger in seinem beim Gericht am 5. September 2007 eingegangenen Schreiben ausdrücklich erklärt, mit dem Gutachten des Dr. S1 einverstanden zu sein.

Unter diesen Umständen kann auf sich beruhen, ob dem Beweisantrag insgesamt schon deswegen nicht gefolgt zu werden braucht, weil er die an einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt. Für seine Bewertung in diesem Sinne spricht, dass der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter in dem zu Protokoll gegebenen Beweisantrag nicht substantiiert formuliert hat, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen Dr. S1 aufgrund einer erneuten Untersuchung und Begutachtung unter Beseitigung der von Dr. H1 ausgeführten Untersuchungs- und Ermittlungsdefizite feststellen soll, so dass zumindest zu erwägen ist, ob es nicht an der - unerlässlichen - Behauptung einer bestimmten entscheidungserheblichen Tatsache fehlt (Bundessozialgericht (BSG) vom 22.10.2008 - B 5 KN 1/06 B - juris). Zwar kann unterstellt werden, dass es dem Kläger um die Feststellung des Vorliegens der für eine dauerhafte Erwerbsminderung bedeutsamen Gesundheitsbeeinträchtigungen geht. Es ist jedoch zweifelhaft, ob dies ausreicht und ob nicht gleichwohl der Beweisantrag im Rahmen eines Rentenverfahrens sich mit ihnen befassen, d. h. sie ausdrücklich bezeichnen muss.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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