Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 116/05
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 42/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 23. August 2007 wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung des Ereignisses vom 16. Juli 2004 als Arbeitsunfall streitig. Insbesondere streiten die Beteiligten darüber, ob die Tätigkeit als Trockenbauer auf der Baustelle in der T.-Straße in Hamburg, bei deren Ausführung der Kläger verunfallte, als abhängige Beschäftigung der Firma D. GmbH oder als selbständige Tätigkeit (Subunternehmer) ausgeübt wurde.
Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 23. August 2007 verwiesen. Ergänzend bzw. korrigierend gilt Folgendes: Bis Ende November 2003 war der Kläger als Trockenbauer selbständig tätig und verfügte insoweit über eine Gewerbeanmeldung (Abmeldung am 20. November 2003). Zur Zeit des Ereignisses (bis zum Dezember 2004) war er im laufenden Sozialhilfebezug. Er bemühte sich um die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung. Kurz vor Beginn der Tätigkeit auf der Baustelle T.-Straße erhielt er eine Absage von der Firma M. (Schreiben vom 19. Juni 2004), die damit begründet wurde, dass er wegen Fehlens eines gültigen Führerscheins die Betriebsfahrzeuge nicht fahren dürfe und man sich deshalb für einen anderen Bewerber entschieden habe. Dem Sozialamt lag die Bescheinigung der Firma D. GmbH vom 26. Juni 2004 vor, wonach der Kläger dort auf geringfügiger Basis (400 Euro) beschäftigt sei und der Kläger teilte dem Amt später ergänzend mit, er habe kein Entgelt von der Firma erhalten. Aus diesem Grunde wurde ihm der volle Sozialhilfesatz durchgehend gewährt. Der Geschäftsführer der Firma D. GmbH ist D1 L ... Der Kläger hatte jedoch – entgegen den Äußerungen in verschiedenen Schriftsätzen, im arbeitsgerichtlichen Urteil und in der angegriffenen Entscheidung – ausschließlich mit dessen Bruder, S. L., Kontakt, der sich um die Baustelle T.-Straße kümmerte und auch jeweils die Schreiben bzw. Bescheinigungen der Firma unterzeichnete. Die Arbeit für die Firma D. GmbH wurde durch den Krankenhausaufenthalt des Klägers vom 7. bis 12. Juli 2004 wegen einer Darmentzündung unterbrochen. Nach dem Unfall vom 15. Juli 2004 wurde der Kläger mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus gefahren, wo er bis zum 28. August 2004 stationär behandelt wurde. Danach kam es zu keiner Arbeitsaufnahme mehr.
Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben. Nach den gesamten Umständen lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger keinen Unfall im Sinne des Unfallversicherungsrechts bei Ausübung einer versicherten Tätigkeit erlitten habe. Er habe bei der Firma D. GmbH in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Dies ergebe sich aus der Gesamtschau der Einzelumstände der Tätigkeit, auch wenn einzelne Punkte für eine selbständige Arbeit sprechen könnten. Der ursprünglich geplanten Zeugenvernehmungen bedürfe es nicht.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben. Es habe sich zu stark am für den Kläger positiven Urteil des Arbeitsgerichts bezüglich ausstehender Lohnforderungen orientiert. Tatsächlich sprächen überwiegende Indizien gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Da die abhängige Beschäftigung im Sinne eines Vollbeweises feststehen müsse, sei die Klage unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuweisen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts vom 23. August 2007 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2005 abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Entgegen der Auffassung der Beklagten sprächen die Indizien nicht gegen eine abhängige Beschäftigung.
Im Berufungsverfahren sind D1 L., B. S1 und S. L. als Zeugen vernommen worden. D1 L. hat ausgesagt, er sei zwar der Geschäftsführer der Firma D. GmbH gewesen, aber er habe mit dem Kläger nichts zu tun gehabt. Auch die Unterschriften auf Schreiben und Bescheinigungen der Firma D. GmbH in den dem Gericht vorliegenden Akten stammten nicht von ihm. Um die Baustelle habe sich sein Bruder S. als Bauleiter gekümmert. Dieser habe auch Personal einstellen dürfen. Eigentlich sei vereinbart gewesen, dass er (sein Bruder) laufend über die Situation auf der Baustelle berichte, aber es seien keine Informationen geflossen. B. S1 hat dargelegt, er habe selbst als abhängig Beschäftigter auf der Baustelle T.-Straße arbeiten sollen. Eine Einigung über die Bezahlung sei aber mit dem Bruder des D1 L. nicht zustande gekommen. Über die Tätigkeit, die der Kläger dort verrichtet habe, könne er nichts sagen; auch nicht zu etwaigen Vereinbarungen. Dazu sei er zu kurz auf der Baustelle anwesend gewesen. S. L. hat bei seiner Vernehmung angegeben, er habe als Bauleiter in der Firma seines Bruders gearbeitet und wegen des seinerzeit hohen Bedarfs an Arbeitskräften den Kläger, den er flüchtig kannte, gefragt, ob er für ihn arbeiten wolle. Dieser sei beim Sozialamt gemeldet gewesen und habe was hinzuverdienen wollen. Der Kläger sei dann kurze Zeit für die Firma tätig gewesen und habe eines Tages einen Unfall gemeldet. Als er (der Zeuge) aber auf der Baustelle eingetroffen sei, habe diese einen völlig aufgeräumten Eindruck gemacht und deswegen bestünden Zweifel, ob ein Unfall stattgefunden habe. Der Kläger habe auf 400-Euro-Basis arbeiten sollen. Das wären dann ca. 40 Stunden pro Monat gewesen. Um die Einzelheiten der Tätigkeit habe er (der Zeuge) sich nicht gekümmert. Es sei damals so viel los gewesen und er habe gedacht, als ehemaliger Selbständiger werde der Kläger schon irgendwas zustande bringen und außerdem sei so die Baustelle wenigstens besetzt. Über die Sozialversicherung sei nicht gesprochen worden, aber der Kläger habe seinerzeit kein Gewerbe angemeldet gehabt und deswegen sei nur eine abhängige Beschäftigung in Betracht gekommen und keine selbständige Arbeit wie bei den für die Firma auch damals tätigen Subunternehmern. Er (der Zeuge) habe den Kläger in dessen Arbeit eingewiesen und auch ab und zu geschaut, was dieser mache. Insgesamt seien aber die Kontrollen sehr nachlässig gewesen, so dass er (der Zeuge) nicht sagen könne, wie viel der Kläger gearbeitet habe. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der Aussagen wird auf die Sitzungsniederschriften vom 17. November 2008 und 3. März 2009 verwiesen.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Prozessakte, die Verwaltungsakte der Beklagten, die Prozessakte zum arbeitsgerichtlichen Verfahren 5 Ca 413/04 sowie die Sozialhilfeakte verwiesen. Sie sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung konnte die Berichterstatterin an Stelle des Senats und im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 und § 155 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG) ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Der Kläger hat einen Arbeitsunfall bei der Tätigkeit als Trockenbauer erlitten, denn er stand im Zeitpunkt des Unfalls in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis.
Auf den Rechtsstreit finden die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) Anwendung, weil ein Versicherungsfall nach dessen Inkrafttreten am 1. Januar 1997 geltend gemacht wird (vgl. Artikel 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2,3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeit). Voraussetzung für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall vorliegt. Zum versicherten Personenkreis gehören gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Beschäftigte. Eine Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)).
Zur Abgrenzung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit hat die Rechtsprechung Kriterien herausgearbeitet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (vgl. BSG 12.2.04 - B 12 KR 26/02 R, nicht veröffentlicht; grundlegend bereits BSG 1.12.77 - 12/3/12 RK 39/74, BSGE 45, 199). Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers auch eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (vgl. BSG 18.12.01 - B 12 KR 8/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 19).
Vorliegend kommt das Gericht in der Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls zu dem Ergebnis, dass eine abhängige Beschäftigung vorliegt. Zwar gibt es auch Indizien für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit, denn der Kläger arbeitete mit seinem eigenen Werkzeug, wurde nicht bei der Sozialversicherung als Arbeitnehmer gemeldet, nach Aufmass bezahlt und arbeitete auch ohne direkte Anleitung, wobei er insbesondere Absprachen mit dem Architekten und dem Polier zur Abstimmung der Trockenbautätigkeit mit den anderen auf der Baustelle tätigen Gewerken traf. Diese Indizien wiegen jedoch nicht sehr schwer, denn bei dem für den Trockenbau erforderlichen Werkzeug handelt es sich zum einen um alltägliche Haushaltsgegenstände (z. B. Leiter) und zum anderen durchweg um Utensilien von eher geringem Sachwert (z. B. Bohrmaschine, Sägen). Teurere Spezialwerkzeuge oder gar Investitionsgüter kommen nicht zum Einsatz. Von einer Anmeldung zur Sozialversicherung wurde nicht deswegen abgesehen, weil die Firma D. GmbH von einer selbständigen Tätigkeit ausging, sondern weil eine geringfügige Beschäftigung (angenommen oder vorgetäuscht) wurde. Als ehemals im Trockenbau selbständig Tätiger hatte der Kläger die berufliche Erfahrung, um keiner detaillierten Anleitung zu bedürfen. Ähnlich wie bei Diensten höherer Art verfeinert sich die Weisungsgebundenheit in einem solchen Fall auf relativ allgemeine Anweisungen, wie z. B. über die jeweils zu verkleidenden Wände. Auch ist ein erfahrener Arbeiter in der Lage, ohne dass es einer Rücksprache mit einem Vorgesetzten bedarf, seine Arbeitsweise an die Bedürfnisse anderer Gewerke anzupassen. Eine solche Rücksichtnahme auf die anderen auf der Baustelle tätigen Firmen und deren Beschäftigte ist daher eher ein Zeichen des fachbezogenen Wissens über das Zusammenwirken unterschiedlicher Arbeiten zur Erstellung eines Gebäudes. Demgegenüber gibt es gewichtigere Indizien, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Nicht nur, dass die steuerliche Handhabung und das Fehlen einer Gewerbeerlaubnis sowie der Umstand, dass der Kläger schon länger sein früheres Gewerbe abgemeldet hatte, weil es nicht ausreichenden Gewinn abgab (im Jahre 2002 17.250,57 Euro und im Jahre 2003 11.183,62 Euro), für eine abhängige Beschäftigung sprechen, auch verarbeitete der Kläger das von der Firma D. GmbH zur Verfügung gestellte Material und es gehörte zu seiner Tätigkeit, den firmeneigenen Lkw zu entladen. Er hatte weder bestimmt, welches und wie viel Material verwendet noch von wo es bezogen wird. Sowohl für den Kläger als auch für den Zeugen S. L. kam ausschließlich eine abhängige Beschäftigung in Betracht. Der Kläger hatte sich zuvor schon bei einer anderen Firma um eine abhängige Beschäftigung beworben. Obwohl der Umfang der zwischen den Parteien des (mündlichen) Vertrages vereinbarten Tätigkeit (geringfügige Beschäftigung oder nicht) ungeklärt blieb, so bestand nach eigenem Vortrag (beider) doch Einigkeit darüber, dass es sich um eine abhängige Beschäftigung handeln sollte und gehandelt hat. Insbesondere aber war der Kläger in den Betrieb eingegliedert, in dem ihm die zu verrichtende Tätigkeit in einer Einweisung in den Arbeitsplatz vorgegeben worden war und seine Tätigkeit einer Kontrolle durch den Zeugen S. L. unterlag, zu dem der Kläger während dessen Abwesenheit von der Baustelle zumindest telefonisch Kontakt hielt. Der Umstand, dass Herr L. nicht so oft auf der Baustelle anwesend war, wie es eigentlich seine Aufgabe gewesen wäre, und er die Aufsicht eher "schleifen" lies, führt nicht zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit. Zum einen hat der Zeuge S. L. bei seiner Vernehmung selbst eingeräumt, in diesem Punkt seine Pflichten vernachlässigt zu haben. Zum anderen klärte der Kläger Fragen der Arbeitsausführung stets mittels einer telefonischen Kontaktaufnahme. Der Arbeitsort war durch die Baustelle vorgegeben. Hinsichtlich der Arbeitszeit gab es zwar offenbar keine konkrete Absprache, aber der Kläger fühlte sich an bestimmte Arbeitszeiten gebunden und hielt diese ein. Dies wird durch die im arbeitsgerichtlichen Verfahren gehörten Zeugen bestätigt. Daraus, dass Herr L. nach seinen Angaben keine Vorstellung vom Umfang der Tätigkeit des Klägers hatte, kann nicht auf eine selbständige Arbeit geschlossen werden, denn insoweit fehlte ihm der Überblick über den Fortgang der Tätigkeiten gänzlich. Er wusste genauso wenig, ob und wann der Kläger die nach seiner (des Zeugen) Aussage vereinbarte geringfügige Beschäftigung ableistete, noch hätte er – wenn man eine selbständige Arbeit unterstellen würde – eine Vorstellung davon gehabt, ob bzw. wann das vereinbarte Werk fertig gestellt wurde.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Umstände der Tätigkeit zwar nicht gänzlich, so jedoch ausreichend aufklärbar gewesen, um die Frage, ob eine abhängige Beschäftigung vorlag, entscheiden zu können. Es liegt daher keine Beweislosigkeit vor, die zulasten des Klägers gehen würde.
Der Unfall ist während der Ausübung der Tätigkeit eingetreten. Auch wenn es keine direkten Zeugen für das Geschehen gibt, ist der Beschreibung des Klägers zum Ablauf des Ereignisses zu folgen. Insbesondere spricht auch der Umstand, dass er von der Baustelle mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht und dort sogleich der Armbruch festgestellt wurde, für einen Unfall während der Tätigkeit für den Betrieb.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG ist nicht gegeben.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung des Ereignisses vom 16. Juli 2004 als Arbeitsunfall streitig. Insbesondere streiten die Beteiligten darüber, ob die Tätigkeit als Trockenbauer auf der Baustelle in der T.-Straße in Hamburg, bei deren Ausführung der Kläger verunfallte, als abhängige Beschäftigung der Firma D. GmbH oder als selbständige Tätigkeit (Subunternehmer) ausgeübt wurde.
Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 23. August 2007 verwiesen. Ergänzend bzw. korrigierend gilt Folgendes: Bis Ende November 2003 war der Kläger als Trockenbauer selbständig tätig und verfügte insoweit über eine Gewerbeanmeldung (Abmeldung am 20. November 2003). Zur Zeit des Ereignisses (bis zum Dezember 2004) war er im laufenden Sozialhilfebezug. Er bemühte sich um die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung. Kurz vor Beginn der Tätigkeit auf der Baustelle T.-Straße erhielt er eine Absage von der Firma M. (Schreiben vom 19. Juni 2004), die damit begründet wurde, dass er wegen Fehlens eines gültigen Führerscheins die Betriebsfahrzeuge nicht fahren dürfe und man sich deshalb für einen anderen Bewerber entschieden habe. Dem Sozialamt lag die Bescheinigung der Firma D. GmbH vom 26. Juni 2004 vor, wonach der Kläger dort auf geringfügiger Basis (400 Euro) beschäftigt sei und der Kläger teilte dem Amt später ergänzend mit, er habe kein Entgelt von der Firma erhalten. Aus diesem Grunde wurde ihm der volle Sozialhilfesatz durchgehend gewährt. Der Geschäftsführer der Firma D. GmbH ist D1 L ... Der Kläger hatte jedoch – entgegen den Äußerungen in verschiedenen Schriftsätzen, im arbeitsgerichtlichen Urteil und in der angegriffenen Entscheidung – ausschließlich mit dessen Bruder, S. L., Kontakt, der sich um die Baustelle T.-Straße kümmerte und auch jeweils die Schreiben bzw. Bescheinigungen der Firma unterzeichnete. Die Arbeit für die Firma D. GmbH wurde durch den Krankenhausaufenthalt des Klägers vom 7. bis 12. Juli 2004 wegen einer Darmentzündung unterbrochen. Nach dem Unfall vom 15. Juli 2004 wurde der Kläger mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus gefahren, wo er bis zum 28. August 2004 stationär behandelt wurde. Danach kam es zu keiner Arbeitsaufnahme mehr.
Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben. Nach den gesamten Umständen lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger keinen Unfall im Sinne des Unfallversicherungsrechts bei Ausübung einer versicherten Tätigkeit erlitten habe. Er habe bei der Firma D. GmbH in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Dies ergebe sich aus der Gesamtschau der Einzelumstände der Tätigkeit, auch wenn einzelne Punkte für eine selbständige Arbeit sprechen könnten. Der ursprünglich geplanten Zeugenvernehmungen bedürfe es nicht.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben. Es habe sich zu stark am für den Kläger positiven Urteil des Arbeitsgerichts bezüglich ausstehender Lohnforderungen orientiert. Tatsächlich sprächen überwiegende Indizien gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Da die abhängige Beschäftigung im Sinne eines Vollbeweises feststehen müsse, sei die Klage unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuweisen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts vom 23. August 2007 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2005 abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Entgegen der Auffassung der Beklagten sprächen die Indizien nicht gegen eine abhängige Beschäftigung.
Im Berufungsverfahren sind D1 L., B. S1 und S. L. als Zeugen vernommen worden. D1 L. hat ausgesagt, er sei zwar der Geschäftsführer der Firma D. GmbH gewesen, aber er habe mit dem Kläger nichts zu tun gehabt. Auch die Unterschriften auf Schreiben und Bescheinigungen der Firma D. GmbH in den dem Gericht vorliegenden Akten stammten nicht von ihm. Um die Baustelle habe sich sein Bruder S. als Bauleiter gekümmert. Dieser habe auch Personal einstellen dürfen. Eigentlich sei vereinbart gewesen, dass er (sein Bruder) laufend über die Situation auf der Baustelle berichte, aber es seien keine Informationen geflossen. B. S1 hat dargelegt, er habe selbst als abhängig Beschäftigter auf der Baustelle T.-Straße arbeiten sollen. Eine Einigung über die Bezahlung sei aber mit dem Bruder des D1 L. nicht zustande gekommen. Über die Tätigkeit, die der Kläger dort verrichtet habe, könne er nichts sagen; auch nicht zu etwaigen Vereinbarungen. Dazu sei er zu kurz auf der Baustelle anwesend gewesen. S. L. hat bei seiner Vernehmung angegeben, er habe als Bauleiter in der Firma seines Bruders gearbeitet und wegen des seinerzeit hohen Bedarfs an Arbeitskräften den Kläger, den er flüchtig kannte, gefragt, ob er für ihn arbeiten wolle. Dieser sei beim Sozialamt gemeldet gewesen und habe was hinzuverdienen wollen. Der Kläger sei dann kurze Zeit für die Firma tätig gewesen und habe eines Tages einen Unfall gemeldet. Als er (der Zeuge) aber auf der Baustelle eingetroffen sei, habe diese einen völlig aufgeräumten Eindruck gemacht und deswegen bestünden Zweifel, ob ein Unfall stattgefunden habe. Der Kläger habe auf 400-Euro-Basis arbeiten sollen. Das wären dann ca. 40 Stunden pro Monat gewesen. Um die Einzelheiten der Tätigkeit habe er (der Zeuge) sich nicht gekümmert. Es sei damals so viel los gewesen und er habe gedacht, als ehemaliger Selbständiger werde der Kläger schon irgendwas zustande bringen und außerdem sei so die Baustelle wenigstens besetzt. Über die Sozialversicherung sei nicht gesprochen worden, aber der Kläger habe seinerzeit kein Gewerbe angemeldet gehabt und deswegen sei nur eine abhängige Beschäftigung in Betracht gekommen und keine selbständige Arbeit wie bei den für die Firma auch damals tätigen Subunternehmern. Er (der Zeuge) habe den Kläger in dessen Arbeit eingewiesen und auch ab und zu geschaut, was dieser mache. Insgesamt seien aber die Kontrollen sehr nachlässig gewesen, so dass er (der Zeuge) nicht sagen könne, wie viel der Kläger gearbeitet habe. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der Aussagen wird auf die Sitzungsniederschriften vom 17. November 2008 und 3. März 2009 verwiesen.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Prozessakte, die Verwaltungsakte der Beklagten, die Prozessakte zum arbeitsgerichtlichen Verfahren 5 Ca 413/04 sowie die Sozialhilfeakte verwiesen. Sie sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung konnte die Berichterstatterin an Stelle des Senats und im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 und § 155 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG) ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Der Kläger hat einen Arbeitsunfall bei der Tätigkeit als Trockenbauer erlitten, denn er stand im Zeitpunkt des Unfalls in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis.
Auf den Rechtsstreit finden die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) Anwendung, weil ein Versicherungsfall nach dessen Inkrafttreten am 1. Januar 1997 geltend gemacht wird (vgl. Artikel 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2,3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeit). Voraussetzung für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall vorliegt. Zum versicherten Personenkreis gehören gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Beschäftigte. Eine Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)).
Zur Abgrenzung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit hat die Rechtsprechung Kriterien herausgearbeitet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (vgl. BSG 12.2.04 - B 12 KR 26/02 R, nicht veröffentlicht; grundlegend bereits BSG 1.12.77 - 12/3/12 RK 39/74, BSGE 45, 199). Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers auch eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (vgl. BSG 18.12.01 - B 12 KR 8/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 19).
Vorliegend kommt das Gericht in der Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls zu dem Ergebnis, dass eine abhängige Beschäftigung vorliegt. Zwar gibt es auch Indizien für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit, denn der Kläger arbeitete mit seinem eigenen Werkzeug, wurde nicht bei der Sozialversicherung als Arbeitnehmer gemeldet, nach Aufmass bezahlt und arbeitete auch ohne direkte Anleitung, wobei er insbesondere Absprachen mit dem Architekten und dem Polier zur Abstimmung der Trockenbautätigkeit mit den anderen auf der Baustelle tätigen Gewerken traf. Diese Indizien wiegen jedoch nicht sehr schwer, denn bei dem für den Trockenbau erforderlichen Werkzeug handelt es sich zum einen um alltägliche Haushaltsgegenstände (z. B. Leiter) und zum anderen durchweg um Utensilien von eher geringem Sachwert (z. B. Bohrmaschine, Sägen). Teurere Spezialwerkzeuge oder gar Investitionsgüter kommen nicht zum Einsatz. Von einer Anmeldung zur Sozialversicherung wurde nicht deswegen abgesehen, weil die Firma D. GmbH von einer selbständigen Tätigkeit ausging, sondern weil eine geringfügige Beschäftigung (angenommen oder vorgetäuscht) wurde. Als ehemals im Trockenbau selbständig Tätiger hatte der Kläger die berufliche Erfahrung, um keiner detaillierten Anleitung zu bedürfen. Ähnlich wie bei Diensten höherer Art verfeinert sich die Weisungsgebundenheit in einem solchen Fall auf relativ allgemeine Anweisungen, wie z. B. über die jeweils zu verkleidenden Wände. Auch ist ein erfahrener Arbeiter in der Lage, ohne dass es einer Rücksprache mit einem Vorgesetzten bedarf, seine Arbeitsweise an die Bedürfnisse anderer Gewerke anzupassen. Eine solche Rücksichtnahme auf die anderen auf der Baustelle tätigen Firmen und deren Beschäftigte ist daher eher ein Zeichen des fachbezogenen Wissens über das Zusammenwirken unterschiedlicher Arbeiten zur Erstellung eines Gebäudes. Demgegenüber gibt es gewichtigere Indizien, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Nicht nur, dass die steuerliche Handhabung und das Fehlen einer Gewerbeerlaubnis sowie der Umstand, dass der Kläger schon länger sein früheres Gewerbe abgemeldet hatte, weil es nicht ausreichenden Gewinn abgab (im Jahre 2002 17.250,57 Euro und im Jahre 2003 11.183,62 Euro), für eine abhängige Beschäftigung sprechen, auch verarbeitete der Kläger das von der Firma D. GmbH zur Verfügung gestellte Material und es gehörte zu seiner Tätigkeit, den firmeneigenen Lkw zu entladen. Er hatte weder bestimmt, welches und wie viel Material verwendet noch von wo es bezogen wird. Sowohl für den Kläger als auch für den Zeugen S. L. kam ausschließlich eine abhängige Beschäftigung in Betracht. Der Kläger hatte sich zuvor schon bei einer anderen Firma um eine abhängige Beschäftigung beworben. Obwohl der Umfang der zwischen den Parteien des (mündlichen) Vertrages vereinbarten Tätigkeit (geringfügige Beschäftigung oder nicht) ungeklärt blieb, so bestand nach eigenem Vortrag (beider) doch Einigkeit darüber, dass es sich um eine abhängige Beschäftigung handeln sollte und gehandelt hat. Insbesondere aber war der Kläger in den Betrieb eingegliedert, in dem ihm die zu verrichtende Tätigkeit in einer Einweisung in den Arbeitsplatz vorgegeben worden war und seine Tätigkeit einer Kontrolle durch den Zeugen S. L. unterlag, zu dem der Kläger während dessen Abwesenheit von der Baustelle zumindest telefonisch Kontakt hielt. Der Umstand, dass Herr L. nicht so oft auf der Baustelle anwesend war, wie es eigentlich seine Aufgabe gewesen wäre, und er die Aufsicht eher "schleifen" lies, führt nicht zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit. Zum einen hat der Zeuge S. L. bei seiner Vernehmung selbst eingeräumt, in diesem Punkt seine Pflichten vernachlässigt zu haben. Zum anderen klärte der Kläger Fragen der Arbeitsausführung stets mittels einer telefonischen Kontaktaufnahme. Der Arbeitsort war durch die Baustelle vorgegeben. Hinsichtlich der Arbeitszeit gab es zwar offenbar keine konkrete Absprache, aber der Kläger fühlte sich an bestimmte Arbeitszeiten gebunden und hielt diese ein. Dies wird durch die im arbeitsgerichtlichen Verfahren gehörten Zeugen bestätigt. Daraus, dass Herr L. nach seinen Angaben keine Vorstellung vom Umfang der Tätigkeit des Klägers hatte, kann nicht auf eine selbständige Arbeit geschlossen werden, denn insoweit fehlte ihm der Überblick über den Fortgang der Tätigkeiten gänzlich. Er wusste genauso wenig, ob und wann der Kläger die nach seiner (des Zeugen) Aussage vereinbarte geringfügige Beschäftigung ableistete, noch hätte er – wenn man eine selbständige Arbeit unterstellen würde – eine Vorstellung davon gehabt, ob bzw. wann das vereinbarte Werk fertig gestellt wurde.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Umstände der Tätigkeit zwar nicht gänzlich, so jedoch ausreichend aufklärbar gewesen, um die Frage, ob eine abhängige Beschäftigung vorlag, entscheiden zu können. Es liegt daher keine Beweislosigkeit vor, die zulasten des Klägers gehen würde.
Der Unfall ist während der Ausübung der Tätigkeit eingetreten. Auch wenn es keine direkten Zeugen für das Geschehen gibt, ist der Beschreibung des Klägers zum Ablauf des Ereignisses zu folgen. Insbesondere spricht auch der Umstand, dass er von der Baustelle mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht und dort sogleich der Armbruch festgestellt wurde, für einen Unfall während der Tätigkeit für den Betrieb.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG ist nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved