Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 13 AL 744/03
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AL 89/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses, insbesondere um die Frage, ob die selbständige Tätigkeit des Klägers vor der Antragstellung begonnen hat und ob gegebenenfalls eine verspätete Antragstellung zuzulassen ist.
Der 1974 geborene Kläger war von November 1996 bis Dezember 2002 als Elektriker bzw. Elektroniker und von Januar bis Februar 2003 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt und bezog nach Meldung am 26. Februar 2003 vom 27. Februar bis zum 10. März 2003 von der Beklagten Arbeitslosengeld. Den entsprechenden Leistungsantrag hatte er am 3. März 2003 unterzeichnet und dabei auch den Empfang des Merkblattes 1 für Arbeitslose bestätigt; der Antrag enthielt den Bearbeitervermerk: "Arbeit ab 11.03.03". Am 11. März 2003 ging bei der Beklagten eine entsprechende Veränderungsmitteilung des Klägers ein, die über die Aufnahme einer Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter bei einer Marketingfirma ab dem 12. März 2003 informierte; diese Tätigkeit gab der Kläger nach eigenen Angaben wenige Tage später wieder auf.
Am Freitag, den 21. März 2003, meldete sich der Kläger bei der Beklagten erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld; gleichzeitig beantragte er die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses für eine am Montag, den 24. März 2003, beginnende selbständige Tätigkeit als Promoter. Im Antrag gab er durch Ankreuzen vorgedruckter Formulierungen u.a. an, in eine persönliche Abhängigkeit zu einem Auftraggeber eingebunden zu sein und kein eigenes Unternehmensrisiko (z.B. eigene Geschäftsräume oder eigenes Betriebskapital) zu tragen.
Mit Bescheid vom 5. Juni 2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld vom 21. bis 24. März 2003; den Antrag auf Bewilligung eines Existenzgründungszuschusses lehnte sie unter Hinweis auf die Angaben im Antrag mit Bescheid vom 9. April 2003 ab. Der Kläger sei faktisch abhängig und weise keine eigene Unternehmensorganisation auf.
Hiergegen legte der Kläger am 14. April 2003 Widerspruch ein und führte aus, er habe sich unklar ausgedrückt: Er habe derzeit zwei Auftraggeber, mit zwei weiteren sei er im Gespräch, und an deren Weisungen sei er selbstverständlich gebunden; schließlich seien dies seine Kunden. Auch eine eigene Unternehmensorganisation habe er; er besitze einen Gewerbeschein und organisiere seine Büro- und sonstigen Tätigkeiten selbst. Zudem werde bei jedem neuen Auftrag über den Preis der Tätigkeit verhandelt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück: Es sei davon auszugehen, dass der Kläger keine selbständige Tätigkeit aufgenommen habe. Er habe angegeben, kein eigenes Unternehmensrisiko zu tragen; auch habe er trotz entsprechender Aufforderung nicht belegt, für verschiedene Firmen tätig zu sein.
Hiergegen hat der Kläger am 24. Mai 2003 Klage erhoben, mit der er zwei Verträge vorgelegt hat; einen Kommissionärs-Vertrag mit der Firma O. GmbH vom 28./30. April 2003 und einen am 1. März 2003 ausgestellten Vertrag zur Akquisition der K.-Card mit der Fa. F., demzufolge er zur Vertragserfüllung ab dem 1. März 2003 verpflichtet war. Der Kläger hat u.a. geltend gemacht, schon vom 10. bis 14. März 2003 probeweise selbständig tätig gewesen zu sein. Den Vertrag mit der Fa. F. habe er auf einer Informationsveranstaltung im K.-Haus Hamburg/M.-Straße am Mittwoch, den 19. März 2003, erhalten; er sei dann schon ab diesem Tag von ca. 12.00 bis 20.00 Uhr sowie am 20. März 2003 von ca. 11.00 bis 20.00 Uhr entsprechend tätig geworden. Am Freitag, den 21. März 2003, habe er nicht gearbeitet, sondern die Beklagte zwecks Antragstellung besucht, um dann am Samstag, den 22. März 2003, seine Tätigkeit in den K.-Märkten weiterzuführen. Von der Möglichkeit der Förderung habe er anlässlich der Informationsveranstaltung am 19. März 2003 erfahren. Zum Beleg der selbständigen Tätigkeit hat der Kläger weitere, später abgeschlossene Vereinbarungen mit anderen Firmen sowie weitere Unterlagen, u.a. Gewinn- und Verlustrechnungen für die Jahre 2003 und 2004, vorgelegt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. Oktober 2006 abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger besitze wegen verspäteter Antragstellung keinen Anspruch auf den begehrten Existenzgründungszuschuss nach § 421 lit. l Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Unabhängig davon, ob dessen Voraussetzungen erfüllt seien, werde der Existenzgründungszuschuss, wie alle Leistungen der Arbeitsförderung, gemäß § 324 Abs. 1 SGB III nur erbracht, wenn er vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden sei (§ 324 Abs. 1 S. 1 SGB III), wobei die Beklagte zur Vermeidung unbilliger Härten eine verspätete Antragstellung zulassen könne (§ 324 Abs. 1 S. 2 SGB III). Diese Härteregelung trete als spezielles Gesetz an die Stelle der allgemeinen Vorschrift über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Leistungsbegründendes Ereignis sei hier die Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit beendenden selbständigen Tätigkeit. Dies sei am Mittwoch, den 19. März 2003, geschehen. Bei vorausschauender Betrachtungsweise sei die Prognose gerechtfertigt gewesen, dass die selbständige Tätigkeit mindestens 15 Stunden pro Woche umfassen würde und daher die Arbeitslosigkeit des Klägers beendet gewesen sei. Den Antrag habe der Kläger aber erst am Freitag, den 21. März 2003, gestellt. Eine unbillige Härte liege nicht vor. Der Kläger trage ein nicht nur geringes Verschulden daran, dass er erst am 21. März 2003 den Antrag auf Bewilligung des Existenzgründungszuschusses gestellt habe; deshalb komme die Anerkennung einer unbilligen Härte trotz der für den Kläger erheblichen Folgen der Versagung nicht in Betracht. Der Kläger hätte nämlich durchaus Zeit gehabt, sich am Dienstag, den 18. März 2003, bei der Beklagten nach der Möglichkeit einer Förderung der Selbständigkeit zu erkundigen. Er hätte hierzu auch allen Anlass gehabt; bei seiner Arbeitslosmeldung sei ihm das Merkblatt 1 für Arbeitslose ausgehändigt worden, in dem sich der Hinweis befinde, dass die Beklagte unter bestimmten Voraussetzungen die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit fördere, sowie der weitere Hinweis, dass diese Hilfe vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit beantragt werden müsse. Zudem habe der Kläger vorgetragen, dass er von der Möglichkeit der Förderung durch den Existenzgründungszuschuss anlässlich der Informationsveranstaltung bei K. am 19. März 2003 erfahren habe. Es sei mehr als sorglos, nicht umgehend, also spätestens am nächsten Werktag, die Beklagte aufzusuchen und sich hier zwecks möglicher Antragstellung weiter zu erkundigen.
Gegen das ihm am 2. November 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. November 2006 Berufung eingelegt. Er sei vor der Selbständigkeit über neun Jahre lang im Angestelltenverhältnis tätig und auch nicht durch seine Ausbildung auf die Tätigkeit vorbereitet gewesen. Daher habe er sich zunächst für eine kurze Probephase von eineinhalb Tagen entschieden. Die mögliche Unterstützung durch den Existenzgründungszuschuss habe ihn bestärkt, es mit der Selbständigkeit zu versuchen und schwierige vertragliche Bedingungen in Kauf zu nehmen. Eine Verspätung der Antragstellung sei von der Beklagten nicht gerügt worden, sie habe somit dem Vorliegen einer Härte zugestimmt. Die Beklagte habe vielmehr allein den fehlenden Nachweis der Selbständigkeit gerügt. Nur diese Frage sei mithin streitgegenständlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. Oktober 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 24. März 2003 einen Existenzgründungszuschuss nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für überzeugend und macht sich dessen Ausführungen zu eigen.
Das Gericht hat am 16. Juli 2009 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte nebst Beiheft der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 9. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2003 ist rechtmäßig.
Der begehrte Zuschuss nach § 421 lit. l SGB III setzt nach § 324 Abs. 1 SGB III grundsätzlich voraus, dass der entsprechende Antrag vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses gestellt worden ist. Leistungsbegründendes Ereignis ist nach § 421 lit. l Abs. 1 Satz 1 SGB III die Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit beendenden selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit. Hier hat der Kläger spätestens – nach seinen Angaben – am 19. März 2003 eine selbständige Tätigkeit für die Fa. F. aufgenommen. Dass der Kläger dagegen zunächst lediglich eine Probe- bzw. Testphase von eineinhalb Tagen durchlaufen wollte, kann das Gericht ihm nicht abnehmen. Diese erst im Berufungsverfahren vorgetragene Behauptung ist offenbar dazu bestimmt, die tatsächlichen Abläufe mit dem rechtlichen Erfordernis rechtzeitiger Antragstellung in Einklang zu bringen. Im Übrigen ist ein solcher Vorbehalt nicht objektiv manifestiert, sondern allenfalls ein rechtlich irrelevanter innerer Vorbehalt. Die Antragstellung am 21. März 2003 war mithin verspätet. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgesehen, weil das Gericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts folgt. Ergänzend ist auszuführen:
Zur Vermeidung einer unbilligen Härte kann nach § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III eine verspätete Antragstellung zugelassen werden. Die Beklagte hat noch nicht dadurch, dass sie die Verspätung zunächst nicht gerügt hat, eine Härte in diesem Sinne anerkannt; sie hatte nach ihrer Rechtsauffassung und dem damaligen Vorbringen des Klägers schlicht keinen Anlass, sich mit dieser Frage zu befassen. Auch die Verfahrensweise des Mitarbeiters der Beklagten, dem Kläger – nach dessen Angaben – die erneute kurzzeitige Arbeitslosmeldung nahezulegen, um die Voraussetzungen für den Zuschuss zu erfüllen, bedeutet noch keine Entscheidung über das Vorliegen einer unbilligen Härte.
Zur Überzeugung des Senats liegt in der Versagung des Existenzgründungszuschusses vorliegend keine unbillige Härte im Sinne von § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III. Einigkeit besteht zunächst darüber, dass § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III eine Spezialvorschrift ist, welche die Wiedereinsetzungsvorschriften verdrängt (statt aller: BSG, Urt. v. 8.2.2007, B 7a AL 22/06 R, SozR 4-4300 § 324 Nr. 3). Daraus wird vereinzelt gefolgert, dass stets schon dann eine Härte vorliegt, wenn die Verspätung unverschuldet ist (Radüge, in: Hauck/Noftz, SGB III, § 324 Rn. 11, Stand Sept. 2003; dagegen LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.3.2006, L 8 AL 2899/04, juris; Leitherer, in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 24 Rn. 30, Stand Dez. 2007). Eine Härte wird zum Teil auch angenommen, wenn nur geringes Verschulden an der Verspätung vorliegt und zugleich erhebliche negative Folgen, etwa die Sozialhilfebedürftigkeit, durch die Versagung eintreten würden (Hünecke, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 324 SGB III Rn. 17a, Stand Jan. 2009; Radüge, a.a.O., Rn. 12; Winkler, in: LPK-SGB III, 2008, § 324 Rn. 9). Zumindest für Fälle, in denen die Gefahr von Mitnahmeeffekten besteht, wird aber auch eine enge Auslegung vertreten, nach der darauf abzustellen ist, ob die Versäumung durch ein Verhalten der Bundesagentur verursacht wurde (Leitherer, a.a.O., Rn. 33; Eicher, in: Spellbrink/Eicher, Kasseler Hdb. zum Arbeitsförderungsrecht, 2003, § 16 Rn. 109h; ähnlich Hünecke, a.a.O., Rn. 17). Nach Auffassung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Urt. v. 17.3.2006, a.a.O.) liegt eine unbillige Härte vor, wenn es an einem Verschulden fehlt und die Verspätung auf die Verletzung von Beratungspflichten der Bundesagentur zurückzuführen ist. Auch das Bundessozialgericht (Urt. v. 8.2.2007, a.a.O.) nimmt stets eine unbillige Härte an, wenn die Verspätung Folge fehlerhafter oder zu Unrecht unterbliebener Beratung durch die Bundesagentur ist.
Der Meinungsstreit muss nicht entschieden werden. Nach allen Auffassungen scheidet eine unbillige Härte nämlich aus. Nach der Überzeugung des Senats liegt hier nicht etwa fehlendes oder nur geringes Verschulden des Klägers vor. Auch insoweit folgt der Senat dem Urteil des Sozialgerichts. Dem Kläger ist zumindest einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Er hätte den entsprechenden Hinweis im Merkblatt 1 für Arbeitslose, dessen Erhalt er mit Datum vom 3. März 2003 quittiert hatte, beachten müssen. Dort heißt es auf Seite 58: "So kann es (gemeint ist das Arbeitsamt) unter bestimmten Umständen finanzielle Hilfen zur Förderung der Aufnahme einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit leisten. Wichtig ist dabei, dass Sie diese Hilfen bei Ihrem Arbeitsamt vor der Arbeitsaufnahme, dem Eintritt in ein Ausbildungsverhältnis oder der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit bzw. bevor die Kosten entstanden sind, beantragen."
Mit der Nichtbeachtung dieses Hinweises hat der Kläger die erforderliche Sorgfalt verletzt. Überdies hat er auch die Möglichkeit, nach Kenntnisnahme von Förderungsmöglichkeiten am 19. März 2003 noch an diesem, spätestens am nächsten Tage die Beklagte zwecks Beratung/Antragstellung aufzusuchen, versäumt. Das Gericht hat angesichts der Vorbildung des Klägers keinen Zweifel, dass er nach seinen individuellen Möglichkeiten durchaus in der Lage gewesen wäre, diese Sorgfaltspflicht zu erkennen und ihr nachzukommen.
Weiterhin ist auszuschließen, dass hier – wie nach der zuletzt erwähnten Auffassung erforderlich – eine Beratungspflicht der Beklagten verletzt wäre. Weder hat der Kläger in dieser Hinsicht Beratungsbedarf angemeldet noch drängte sich für die Beklagte eine Beratung in diese Richtung auf (vgl. dazu BSG, Urt. v. 8.2.2007, a.a.O.). Vielmehr gab es in dem bereits erwähnten Merkblatt 1 für Arbeitslose Hinweise auf die Förderung selbständiger Tätigkeit durch die Beklagte, die insbesondere die Notwendigkeit vorheriger Antragstellung erwähnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses, insbesondere um die Frage, ob die selbständige Tätigkeit des Klägers vor der Antragstellung begonnen hat und ob gegebenenfalls eine verspätete Antragstellung zuzulassen ist.
Der 1974 geborene Kläger war von November 1996 bis Dezember 2002 als Elektriker bzw. Elektroniker und von Januar bis Februar 2003 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt und bezog nach Meldung am 26. Februar 2003 vom 27. Februar bis zum 10. März 2003 von der Beklagten Arbeitslosengeld. Den entsprechenden Leistungsantrag hatte er am 3. März 2003 unterzeichnet und dabei auch den Empfang des Merkblattes 1 für Arbeitslose bestätigt; der Antrag enthielt den Bearbeitervermerk: "Arbeit ab 11.03.03". Am 11. März 2003 ging bei der Beklagten eine entsprechende Veränderungsmitteilung des Klägers ein, die über die Aufnahme einer Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter bei einer Marketingfirma ab dem 12. März 2003 informierte; diese Tätigkeit gab der Kläger nach eigenen Angaben wenige Tage später wieder auf.
Am Freitag, den 21. März 2003, meldete sich der Kläger bei der Beklagten erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld; gleichzeitig beantragte er die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses für eine am Montag, den 24. März 2003, beginnende selbständige Tätigkeit als Promoter. Im Antrag gab er durch Ankreuzen vorgedruckter Formulierungen u.a. an, in eine persönliche Abhängigkeit zu einem Auftraggeber eingebunden zu sein und kein eigenes Unternehmensrisiko (z.B. eigene Geschäftsräume oder eigenes Betriebskapital) zu tragen.
Mit Bescheid vom 5. Juni 2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld vom 21. bis 24. März 2003; den Antrag auf Bewilligung eines Existenzgründungszuschusses lehnte sie unter Hinweis auf die Angaben im Antrag mit Bescheid vom 9. April 2003 ab. Der Kläger sei faktisch abhängig und weise keine eigene Unternehmensorganisation auf.
Hiergegen legte der Kläger am 14. April 2003 Widerspruch ein und führte aus, er habe sich unklar ausgedrückt: Er habe derzeit zwei Auftraggeber, mit zwei weiteren sei er im Gespräch, und an deren Weisungen sei er selbstverständlich gebunden; schließlich seien dies seine Kunden. Auch eine eigene Unternehmensorganisation habe er; er besitze einen Gewerbeschein und organisiere seine Büro- und sonstigen Tätigkeiten selbst. Zudem werde bei jedem neuen Auftrag über den Preis der Tätigkeit verhandelt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück: Es sei davon auszugehen, dass der Kläger keine selbständige Tätigkeit aufgenommen habe. Er habe angegeben, kein eigenes Unternehmensrisiko zu tragen; auch habe er trotz entsprechender Aufforderung nicht belegt, für verschiedene Firmen tätig zu sein.
Hiergegen hat der Kläger am 24. Mai 2003 Klage erhoben, mit der er zwei Verträge vorgelegt hat; einen Kommissionärs-Vertrag mit der Firma O. GmbH vom 28./30. April 2003 und einen am 1. März 2003 ausgestellten Vertrag zur Akquisition der K.-Card mit der Fa. F., demzufolge er zur Vertragserfüllung ab dem 1. März 2003 verpflichtet war. Der Kläger hat u.a. geltend gemacht, schon vom 10. bis 14. März 2003 probeweise selbständig tätig gewesen zu sein. Den Vertrag mit der Fa. F. habe er auf einer Informationsveranstaltung im K.-Haus Hamburg/M.-Straße am Mittwoch, den 19. März 2003, erhalten; er sei dann schon ab diesem Tag von ca. 12.00 bis 20.00 Uhr sowie am 20. März 2003 von ca. 11.00 bis 20.00 Uhr entsprechend tätig geworden. Am Freitag, den 21. März 2003, habe er nicht gearbeitet, sondern die Beklagte zwecks Antragstellung besucht, um dann am Samstag, den 22. März 2003, seine Tätigkeit in den K.-Märkten weiterzuführen. Von der Möglichkeit der Förderung habe er anlässlich der Informationsveranstaltung am 19. März 2003 erfahren. Zum Beleg der selbständigen Tätigkeit hat der Kläger weitere, später abgeschlossene Vereinbarungen mit anderen Firmen sowie weitere Unterlagen, u.a. Gewinn- und Verlustrechnungen für die Jahre 2003 und 2004, vorgelegt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. Oktober 2006 abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger besitze wegen verspäteter Antragstellung keinen Anspruch auf den begehrten Existenzgründungszuschuss nach § 421 lit. l Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Unabhängig davon, ob dessen Voraussetzungen erfüllt seien, werde der Existenzgründungszuschuss, wie alle Leistungen der Arbeitsförderung, gemäß § 324 Abs. 1 SGB III nur erbracht, wenn er vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden sei (§ 324 Abs. 1 S. 1 SGB III), wobei die Beklagte zur Vermeidung unbilliger Härten eine verspätete Antragstellung zulassen könne (§ 324 Abs. 1 S. 2 SGB III). Diese Härteregelung trete als spezielles Gesetz an die Stelle der allgemeinen Vorschrift über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Leistungsbegründendes Ereignis sei hier die Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit beendenden selbständigen Tätigkeit. Dies sei am Mittwoch, den 19. März 2003, geschehen. Bei vorausschauender Betrachtungsweise sei die Prognose gerechtfertigt gewesen, dass die selbständige Tätigkeit mindestens 15 Stunden pro Woche umfassen würde und daher die Arbeitslosigkeit des Klägers beendet gewesen sei. Den Antrag habe der Kläger aber erst am Freitag, den 21. März 2003, gestellt. Eine unbillige Härte liege nicht vor. Der Kläger trage ein nicht nur geringes Verschulden daran, dass er erst am 21. März 2003 den Antrag auf Bewilligung des Existenzgründungszuschusses gestellt habe; deshalb komme die Anerkennung einer unbilligen Härte trotz der für den Kläger erheblichen Folgen der Versagung nicht in Betracht. Der Kläger hätte nämlich durchaus Zeit gehabt, sich am Dienstag, den 18. März 2003, bei der Beklagten nach der Möglichkeit einer Förderung der Selbständigkeit zu erkundigen. Er hätte hierzu auch allen Anlass gehabt; bei seiner Arbeitslosmeldung sei ihm das Merkblatt 1 für Arbeitslose ausgehändigt worden, in dem sich der Hinweis befinde, dass die Beklagte unter bestimmten Voraussetzungen die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit fördere, sowie der weitere Hinweis, dass diese Hilfe vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit beantragt werden müsse. Zudem habe der Kläger vorgetragen, dass er von der Möglichkeit der Förderung durch den Existenzgründungszuschuss anlässlich der Informationsveranstaltung bei K. am 19. März 2003 erfahren habe. Es sei mehr als sorglos, nicht umgehend, also spätestens am nächsten Werktag, die Beklagte aufzusuchen und sich hier zwecks möglicher Antragstellung weiter zu erkundigen.
Gegen das ihm am 2. November 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. November 2006 Berufung eingelegt. Er sei vor der Selbständigkeit über neun Jahre lang im Angestelltenverhältnis tätig und auch nicht durch seine Ausbildung auf die Tätigkeit vorbereitet gewesen. Daher habe er sich zunächst für eine kurze Probephase von eineinhalb Tagen entschieden. Die mögliche Unterstützung durch den Existenzgründungszuschuss habe ihn bestärkt, es mit der Selbständigkeit zu versuchen und schwierige vertragliche Bedingungen in Kauf zu nehmen. Eine Verspätung der Antragstellung sei von der Beklagten nicht gerügt worden, sie habe somit dem Vorliegen einer Härte zugestimmt. Die Beklagte habe vielmehr allein den fehlenden Nachweis der Selbständigkeit gerügt. Nur diese Frage sei mithin streitgegenständlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. Oktober 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 24. März 2003 einen Existenzgründungszuschuss nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für überzeugend und macht sich dessen Ausführungen zu eigen.
Das Gericht hat am 16. Juli 2009 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte nebst Beiheft der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 9. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2003 ist rechtmäßig.
Der begehrte Zuschuss nach § 421 lit. l SGB III setzt nach § 324 Abs. 1 SGB III grundsätzlich voraus, dass der entsprechende Antrag vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses gestellt worden ist. Leistungsbegründendes Ereignis ist nach § 421 lit. l Abs. 1 Satz 1 SGB III die Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit beendenden selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit. Hier hat der Kläger spätestens – nach seinen Angaben – am 19. März 2003 eine selbständige Tätigkeit für die Fa. F. aufgenommen. Dass der Kläger dagegen zunächst lediglich eine Probe- bzw. Testphase von eineinhalb Tagen durchlaufen wollte, kann das Gericht ihm nicht abnehmen. Diese erst im Berufungsverfahren vorgetragene Behauptung ist offenbar dazu bestimmt, die tatsächlichen Abläufe mit dem rechtlichen Erfordernis rechtzeitiger Antragstellung in Einklang zu bringen. Im Übrigen ist ein solcher Vorbehalt nicht objektiv manifestiert, sondern allenfalls ein rechtlich irrelevanter innerer Vorbehalt. Die Antragstellung am 21. März 2003 war mithin verspätet. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgesehen, weil das Gericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts folgt. Ergänzend ist auszuführen:
Zur Vermeidung einer unbilligen Härte kann nach § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III eine verspätete Antragstellung zugelassen werden. Die Beklagte hat noch nicht dadurch, dass sie die Verspätung zunächst nicht gerügt hat, eine Härte in diesem Sinne anerkannt; sie hatte nach ihrer Rechtsauffassung und dem damaligen Vorbringen des Klägers schlicht keinen Anlass, sich mit dieser Frage zu befassen. Auch die Verfahrensweise des Mitarbeiters der Beklagten, dem Kläger – nach dessen Angaben – die erneute kurzzeitige Arbeitslosmeldung nahezulegen, um die Voraussetzungen für den Zuschuss zu erfüllen, bedeutet noch keine Entscheidung über das Vorliegen einer unbilligen Härte.
Zur Überzeugung des Senats liegt in der Versagung des Existenzgründungszuschusses vorliegend keine unbillige Härte im Sinne von § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III. Einigkeit besteht zunächst darüber, dass § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III eine Spezialvorschrift ist, welche die Wiedereinsetzungsvorschriften verdrängt (statt aller: BSG, Urt. v. 8.2.2007, B 7a AL 22/06 R, SozR 4-4300 § 324 Nr. 3). Daraus wird vereinzelt gefolgert, dass stets schon dann eine Härte vorliegt, wenn die Verspätung unverschuldet ist (Radüge, in: Hauck/Noftz, SGB III, § 324 Rn. 11, Stand Sept. 2003; dagegen LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.3.2006, L 8 AL 2899/04, juris; Leitherer, in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 24 Rn. 30, Stand Dez. 2007). Eine Härte wird zum Teil auch angenommen, wenn nur geringes Verschulden an der Verspätung vorliegt und zugleich erhebliche negative Folgen, etwa die Sozialhilfebedürftigkeit, durch die Versagung eintreten würden (Hünecke, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 324 SGB III Rn. 17a, Stand Jan. 2009; Radüge, a.a.O., Rn. 12; Winkler, in: LPK-SGB III, 2008, § 324 Rn. 9). Zumindest für Fälle, in denen die Gefahr von Mitnahmeeffekten besteht, wird aber auch eine enge Auslegung vertreten, nach der darauf abzustellen ist, ob die Versäumung durch ein Verhalten der Bundesagentur verursacht wurde (Leitherer, a.a.O., Rn. 33; Eicher, in: Spellbrink/Eicher, Kasseler Hdb. zum Arbeitsförderungsrecht, 2003, § 16 Rn. 109h; ähnlich Hünecke, a.a.O., Rn. 17). Nach Auffassung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Urt. v. 17.3.2006, a.a.O.) liegt eine unbillige Härte vor, wenn es an einem Verschulden fehlt und die Verspätung auf die Verletzung von Beratungspflichten der Bundesagentur zurückzuführen ist. Auch das Bundessozialgericht (Urt. v. 8.2.2007, a.a.O.) nimmt stets eine unbillige Härte an, wenn die Verspätung Folge fehlerhafter oder zu Unrecht unterbliebener Beratung durch die Bundesagentur ist.
Der Meinungsstreit muss nicht entschieden werden. Nach allen Auffassungen scheidet eine unbillige Härte nämlich aus. Nach der Überzeugung des Senats liegt hier nicht etwa fehlendes oder nur geringes Verschulden des Klägers vor. Auch insoweit folgt der Senat dem Urteil des Sozialgerichts. Dem Kläger ist zumindest einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Er hätte den entsprechenden Hinweis im Merkblatt 1 für Arbeitslose, dessen Erhalt er mit Datum vom 3. März 2003 quittiert hatte, beachten müssen. Dort heißt es auf Seite 58: "So kann es (gemeint ist das Arbeitsamt) unter bestimmten Umständen finanzielle Hilfen zur Förderung der Aufnahme einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit leisten. Wichtig ist dabei, dass Sie diese Hilfen bei Ihrem Arbeitsamt vor der Arbeitsaufnahme, dem Eintritt in ein Ausbildungsverhältnis oder der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit bzw. bevor die Kosten entstanden sind, beantragen."
Mit der Nichtbeachtung dieses Hinweises hat der Kläger die erforderliche Sorgfalt verletzt. Überdies hat er auch die Möglichkeit, nach Kenntnisnahme von Förderungsmöglichkeiten am 19. März 2003 noch an diesem, spätestens am nächsten Tage die Beklagte zwecks Beratung/Antragstellung aufzusuchen, versäumt. Das Gericht hat angesichts der Vorbildung des Klägers keinen Zweifel, dass er nach seinen individuellen Möglichkeiten durchaus in der Lage gewesen wäre, diese Sorgfaltspflicht zu erkennen und ihr nachzukommen.
Weiterhin ist auszuschließen, dass hier – wie nach der zuletzt erwähnten Auffassung erforderlich – eine Beratungspflicht der Beklagten verletzt wäre. Weder hat der Kläger in dieser Hinsicht Beratungsbedarf angemeldet noch drängte sich für die Beklagte eine Beratung in diese Richtung auf (vgl. dazu BSG, Urt. v. 8.2.2007, a.a.O.). Vielmehr gab es in dem bereits erwähnten Merkblatt 1 für Arbeitslose Hinweise auf die Förderung selbständiger Tätigkeit durch die Beklagte, die insbesondere die Notwendigkeit vorheriger Antragstellung erwähnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved