Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 49 R 535/06
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 R 38/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. September 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Die im Jahre 1952 in der Türkei geborene Klägerin lebt seit November 1973 in der Bundesrepublik Deutschland und war hier, ohne eine förmliche Berufsausbildung durchlaufen zu haben, seit März 1977 u. a. als Verkäuferin und Raumpflegerin und zuletzt bis zum 24. März 2005 als Küchenhilfe in einem Krankenhaus versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 11. Februar 2005 war sie arbeitsunfähig krank und bezog nach dem Ende der Entgeltfortzahlung ab dem 25. März 2005 Krankengeld. Seither hat sie keinerlei Erwerbstätigkeit aufgenommen. Mit Wirkung ab Dezember 2003 wurde sie als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt. Dabei wurden die folgenden Gesundheitsstörungen berücksichtigt: • An Taubheit grenzende Schwerhörigkeit rechts, Schwerhörigkeit links, • Psychische Störung, funktionelle Organbeschwerden, • Sehbehinderung beiderseits, Gesichtsfeldausfälle beiderseits.
Bereits am 27. Januar 2005 hatte sie bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung beantragt und geltend gemacht, sie könne wegen Depressionen, Schulter-, Kopf- und Knieschmerzen sowie wegen Schwerhörigkeit nur noch weniger als drei Stunden täglich erwerbstätig sein. Sie konkretisierte diese Angaben in dem der Vorbereitung der von der Beklagten vorgesehenen Begutachtung dienenden Fragebogen dahin, dass sie halb taub sei und (deswegen) Hörgeräte trage. Wegen der Taubheit werde sie von ihren Kollegen gemobbt. Deshalb habe sie Depressionen bekommen. Der die Klägerin seinerzeit behandelnde Nervenarzt Dr. B1 bezeichnete in seinem Befundbericht vom 2. Juni 2005 die bei der Klägerin auf seinem Fachgebiet bestehende Erkrankung als chronifizierte somatisierte neurotische Depression.
Die Ärztin für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. B. kam nach Untersuchung der Klägerin am 27. Mai 2005 in ihrem Gutachten vom 1. Juni 2005 zum Ergebnis, dass ihr körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten täglich sechs Stunden und mehr zuzumuten seien. Als Diagnosen führte sie an: • Anamnestisch Depression und Kopfschmerzen, seit Januar 2004 mit Antidepressiva behandelt. • Anamnestisch Schwerhörigkeit durch Lärm, beidseits hörgerätversorgt, Umgangssprache wird damit verstanden. Sie sah kein klinisches Korrelat zu den im Rentenantrag angegebenen Knie- und Schulterschmerzen, keine funktionelle Einschränkung von Bedeutung, keine Entzündungszeichen, keine (hiesige) Schmerzangabe.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Wolter gelangte nach Untersuchung der Klägerin am 1. August 2005 in seinem Gutachten vom 2. August zu derselben Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin. Er formulierte als Diagnose: Verdacht auf Verstimmungszustand mit Somatisierungstendenz und Versagenshaltung als Reaktion auf Arbeitsplatzkonflikt.
Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 11. August 2005 wegen des Fehlens einer rentenrechtlich relevanten Einschränkung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin ab. Der dagegen erhobene und in erster Linie mit den vom Versorgungsamt im Zusammenhang mit ihrer Anerkennung als Schwerbehinderte festgestellten Gesundheitsstörungen erhobene Widerspruch wurde nach Auswertung eines weiteren Befundberichtes des Dr. B1 vom 27. September 2005 und des Berichts des Orthopäden Dr. T. vom 14. Oktober 2005 durch Widerspruchsbescheid vom 2. März 2006 zurückgewiesen. Dr. T. hatte die folgenden Diagnosen gestellt: • Rezidivierendes und belastungsabhängiges degeneratives Thorakolumbalsyndrom mit Linksbetonung, • Rezidivierendes degeneratives Cervikobrachialsyndrom mit Linksbetonung, • psychovegetative Erschöpfungszustände
Im anschließendem Klageverfahren vor dem Sozialgericht haben zunächst die behandelnden Ärzte Berichte erstattet: Dr. B1 (Bericht vom 26. Juni 2006), Dr. Y., praktischer Arzt (Bericht vom 30. Juni 2006), Dr. S., Internist (Bericht vom 29. Juni 2006 über eine im Jahre 2000 abgeschlossene Behandlung), Dr. H., Ärztin für Neurologie und Psychiatrie (Bericht vom 29. Juni 2006 über die im Dezember 2005 aufgenommene Behandlung), Dr. S1, Orthopäde (Bericht vom 14. Juli 2006 über die Behandlung bis September 2004) und Dr. K1, Arzt für Gastroenterologie und Proktologie (Bericht vom 30. August 2006). Nach Eingang der Untersuchungsunterlagen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Hamburg, der für die Klägerin vom Versorgungsamt Hamburg geführten Akte und der Krankenakten des J.-Krankenhauses G. über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 21. August 2006 bis zum 25. September 2006 und ihre unmittelbar anschließende teilstationäre Behandlung bis zum 28. Februar 2007 hat auf Veranlassung des Sozialgerichts die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. die Klägerin am 27. April 2007 zur Feststellung ihres Leistungsvermögens untersucht. In ihrem schriftlichen Gutachten vom 13. Juni 2007 ist sie zum Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom und eine gegenüber der depressiven Verstimmung gegenwärtig zurücktretende aber aktenkundig langjährig belegte undifferenzierte Somatisierungsstörung bestehe. Da sich die Klägerin gegenwärtig noch in tagesklinischer Behandlung befinde, könne ein abschließendes Leistungsbild nicht erstellt werden. Es sei daher davon auszugehen, dass nach erfolgreicher Beendigung der tagesklinischen Behandlung wieder eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für körperlich leichte Arbeiten einfacher geistiger Art und mit geringer Verantwortung in wechselnder Körperhaltung, nicht in Zeitdruck, Akkord- oder Nachtarbeit bestehen werde. Eine endgültige Beurteilung sei erst nach dem Abschluss der teilstationären Behandlung möglich.
Auf ihren Antrag wurde die Klägerin sodann durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K2 begutachtet. Aufgrund der Untersuchung der Klägerin am 28. Dezember 2007 ist er in seinem schriftlichen Gutachten vom 15. Januar 2008 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin mindestens seit dem 25. September 2006, jedoch nicht schon zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung im Jahre 2005 aufgrund der deutlich verminderten psychischen Belastbarkeit kein ausreichendes Leistungsvermögen für regelmäßige lohnbringende Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufweise. Sie leide an einer mindestens mittelgradigen depressiven Episode ohne psychotische Symptomatik mit somatischem Syndrom und einer undifferenzierten Somatisierungsstörung. Unter Fortführung der teilstationären Behandlung gegebenenfalls in Kombination mit einer Psychotherapie könne jedoch innerhalb von ein bis zwei Jahren eine derartige Stabilisierung erreicht werden, dass wieder eine Teilleistungsfähigkeit für körperlich leichte Arbeiten einfacher geistiger Art ohne Zeitdruck und ohne besondere Anforderungen an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen, ohne Akkord- und Nachtarbeit bestehen werde. Es sei im Laufe des Jahres 2006 zu einer Verschlechterung und Änderung im Leistungsvermögen gekommen,
Dr. L. hat ihre Einschätzung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 30. September 2008 nach einer weiteren Untersuchung der Klägerin am 8. Juli 2008 bestätigt und ausgeführt, sie habe auch jetzt eine schwergradige depressive Störung nicht feststellen können. Maßgebend dafür sei eine erhebliche willensgebundene Überlagerung der als tatsächlich bestehend anzunehmenden Depression sowie die Tatsache, dass die Klägerin die verordneten Medikamente nicht in der angegebenen Weise einnehme. Daraufhin hat das Sozialgericht die Klage durch das Urteil vom 30. September 2008 mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, weil sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen weder vollständig noch auch nur teilweise erwerbsgemindert sei.
Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 17. Februar 2009 zugestellte Urteil am 17. März 2009 Berufung eingelegt. Sie macht zur Begründung geltend, das Sozialgericht habe die bei ihr vorliegende Depression grundlegend verkannt, und verweist auf ihre erneute teilstationäre Behandlung in der Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Johanniter Krankenhauses G. vom 3. November 2008 bis 8. Januar 2009, aus der sie mit den Diagnosen • rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, • andauernde Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung, • sexueller Missbrauch in der Kindheit entlassen wurde.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. September 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf der Grundlage eines im Zeitpunkt der Rentenantragstellung eingetretenen Leistungsfalles zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Auf Veranlassung des Senats hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L1 nach Untersuchung bzw. Exploration der Klägerin – mit Dr. W. – am 12. Oktober 2009 das Gutachten zur Erwerbsfähigkeit der Klägerin vom 11. Januar 2010 erstattet. Er hat dies am 10. August 2010 schriftlich und am 26. November 2010 in der mündlichen Verhandlung vor dem Berichterstatter erläutert.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Der Rentenanspruch der Klägerin richtet sich nach § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Dieser Bestimmung zufolge haben Versicherte unter weiteren Voraussetzungen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Ist der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, so ist er voll erwerbsgemindert (§ 43 Abs. 2 SGB VI). Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Sie ist nach Überzeugung der Kammer weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, sondern in der Lage, körperlich leichte Arbeiten mit gewissen unwesentlichen qualitativen Einschränkungen unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Das Sozialgericht hat seine diesbezüglichen Feststellungen zutreffend auf die Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. gestützt. Diese hat ihre Einschätzung aus den von ihr erhobenen Befunden schlüssig und nachvollziehbar und deshalb überzeugend abgeleitet. Der Senat nimmt deshalb auf die diesbezüglichen Ausführungen des Sozialgerichts Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Seine Würdigung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin wird durch das im Berufungsverfahren durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L1 nach Untersuchung der Klägerin am 12. Oktober 2009 erstattete Gutachten vom 11. Januar 2010 bestätigt. Auch nach seiner Überzeugung ist die Leistungsfähigkeit der Klägerin auf nervenärztlichen Fachgebiet beeinträchtigt durch eine mittelgradige depressive Störung mit somatischem Syndrom sowie durch eine nach Aktenlage unabhängig von der depressiven Verstimmung bestehende undifferenzierte Somatisierungsstörung. Die zu dauerhafter ambulanter Behandlung führenden Beschwerden des Magen-/Darmbereichs sowie früher auch im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sind in höherem Maß auch als Ausdruck dieser Somatisierungsstörung zu sehen. Damit kann die Klägerin körperlich leichte Arbeiten einfacher geistiger Art und mit geringer Verantwortung in wechselnder Körperhaltung, nicht in Zeitdruck, Akkord oder Nachtarbeit regelmäßig mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Die vom Sachverständigen Dr. L1 getroffenen Feststellungen sind nicht in sich widersprüchlich. Zwar ist eine mittelgradige depressive Störung im Sinne des Abschnitts F32.1 des ICD, wie er sie angenommen hat, definitionsgemäß dadurch gekennzeichnet, dass der betroffene Patient meist große Schwierigkeiten hat, alltägliche Aktivitäten fortzusetzen. Dies steht nur scheinbar im Widerspruch zu seiner abschließenden Einschätzung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin. Im Rahmen der Beurteilung hieß es nämlich, das dokumentierte Niveau (der Depression) habe das einer mittelgradigen depressiven Episode nie überschritten. Richtiger und vollständiger Weise hätte also - wie er auf Vorhalt ausgeführt hat -, in der Beantwortung der Frage nach den die Erwerbsfähigkeit der Klägerin einschränkenden Gesundheitsstörungen ausgeführt werden müssen, dass eine depressive Störung mit somatischem Syndrom bestehe, die nach dem durch Anamnese und Aktenstudium gewonnenen Einblick in den Verlauf allenfalls in schwersten Zeiten einer mittelgradigen depressiven Episode entspreche. Dabei sei die quantitative Trennung von Zeiten leichter oder mittelgradiger depressive Episode schwer. Das Gutachten hat hierzu auf die Diskrepanzen zwischen eigenen Angaben der Klägerin über ihre Tagesaktivitäten und fremdanamnestischen Angaben verwiesen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung hat sich die Klägerin jedenfalls lediglich mit einer mäßigen aktiven Schwingungsfähigkeit bei leicht zum depressiven Pol verschobener Affektivität bei normalem Antriebsniveau vorgestellt, so dass zum Untersuchungszeitpunkt wie bei den Voruntersuchern wieder nur eine leichte depressive Episode bestand. Dies und die anamnestischen Verweise darauf, dass die Klägerin zur aktiven willentlichen Gestaltung ihrer häuslichen Situation, aber auch zur Gestaltung des Krankheitsbildes in der Lage ist, rechtfertigen die Annahme eines vollschichtigen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass in der Vergangenheit in den fünf Jahren dokumentierter depressiver Erkrankung die medizinischen Voraussetzungen für einen befristeten Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gegeben waren, da sich die Frage, ob es nicht Phasen gab, in denen über mehr als sechs Monate das Leistungsvermögen aufgehoben war, nach dem dokumentierten Verlauf nicht sicher beantworten lässt. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil hierfür eine Veranlassung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht bestanden hat.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Die im Jahre 1952 in der Türkei geborene Klägerin lebt seit November 1973 in der Bundesrepublik Deutschland und war hier, ohne eine förmliche Berufsausbildung durchlaufen zu haben, seit März 1977 u. a. als Verkäuferin und Raumpflegerin und zuletzt bis zum 24. März 2005 als Küchenhilfe in einem Krankenhaus versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 11. Februar 2005 war sie arbeitsunfähig krank und bezog nach dem Ende der Entgeltfortzahlung ab dem 25. März 2005 Krankengeld. Seither hat sie keinerlei Erwerbstätigkeit aufgenommen. Mit Wirkung ab Dezember 2003 wurde sie als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt. Dabei wurden die folgenden Gesundheitsstörungen berücksichtigt: • An Taubheit grenzende Schwerhörigkeit rechts, Schwerhörigkeit links, • Psychische Störung, funktionelle Organbeschwerden, • Sehbehinderung beiderseits, Gesichtsfeldausfälle beiderseits.
Bereits am 27. Januar 2005 hatte sie bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung beantragt und geltend gemacht, sie könne wegen Depressionen, Schulter-, Kopf- und Knieschmerzen sowie wegen Schwerhörigkeit nur noch weniger als drei Stunden täglich erwerbstätig sein. Sie konkretisierte diese Angaben in dem der Vorbereitung der von der Beklagten vorgesehenen Begutachtung dienenden Fragebogen dahin, dass sie halb taub sei und (deswegen) Hörgeräte trage. Wegen der Taubheit werde sie von ihren Kollegen gemobbt. Deshalb habe sie Depressionen bekommen. Der die Klägerin seinerzeit behandelnde Nervenarzt Dr. B1 bezeichnete in seinem Befundbericht vom 2. Juni 2005 die bei der Klägerin auf seinem Fachgebiet bestehende Erkrankung als chronifizierte somatisierte neurotische Depression.
Die Ärztin für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. B. kam nach Untersuchung der Klägerin am 27. Mai 2005 in ihrem Gutachten vom 1. Juni 2005 zum Ergebnis, dass ihr körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten täglich sechs Stunden und mehr zuzumuten seien. Als Diagnosen führte sie an: • Anamnestisch Depression und Kopfschmerzen, seit Januar 2004 mit Antidepressiva behandelt. • Anamnestisch Schwerhörigkeit durch Lärm, beidseits hörgerätversorgt, Umgangssprache wird damit verstanden. Sie sah kein klinisches Korrelat zu den im Rentenantrag angegebenen Knie- und Schulterschmerzen, keine funktionelle Einschränkung von Bedeutung, keine Entzündungszeichen, keine (hiesige) Schmerzangabe.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Wolter gelangte nach Untersuchung der Klägerin am 1. August 2005 in seinem Gutachten vom 2. August zu derselben Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin. Er formulierte als Diagnose: Verdacht auf Verstimmungszustand mit Somatisierungstendenz und Versagenshaltung als Reaktion auf Arbeitsplatzkonflikt.
Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 11. August 2005 wegen des Fehlens einer rentenrechtlich relevanten Einschränkung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin ab. Der dagegen erhobene und in erster Linie mit den vom Versorgungsamt im Zusammenhang mit ihrer Anerkennung als Schwerbehinderte festgestellten Gesundheitsstörungen erhobene Widerspruch wurde nach Auswertung eines weiteren Befundberichtes des Dr. B1 vom 27. September 2005 und des Berichts des Orthopäden Dr. T. vom 14. Oktober 2005 durch Widerspruchsbescheid vom 2. März 2006 zurückgewiesen. Dr. T. hatte die folgenden Diagnosen gestellt: • Rezidivierendes und belastungsabhängiges degeneratives Thorakolumbalsyndrom mit Linksbetonung, • Rezidivierendes degeneratives Cervikobrachialsyndrom mit Linksbetonung, • psychovegetative Erschöpfungszustände
Im anschließendem Klageverfahren vor dem Sozialgericht haben zunächst die behandelnden Ärzte Berichte erstattet: Dr. B1 (Bericht vom 26. Juni 2006), Dr. Y., praktischer Arzt (Bericht vom 30. Juni 2006), Dr. S., Internist (Bericht vom 29. Juni 2006 über eine im Jahre 2000 abgeschlossene Behandlung), Dr. H., Ärztin für Neurologie und Psychiatrie (Bericht vom 29. Juni 2006 über die im Dezember 2005 aufgenommene Behandlung), Dr. S1, Orthopäde (Bericht vom 14. Juli 2006 über die Behandlung bis September 2004) und Dr. K1, Arzt für Gastroenterologie und Proktologie (Bericht vom 30. August 2006). Nach Eingang der Untersuchungsunterlagen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Hamburg, der für die Klägerin vom Versorgungsamt Hamburg geführten Akte und der Krankenakten des J.-Krankenhauses G. über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 21. August 2006 bis zum 25. September 2006 und ihre unmittelbar anschließende teilstationäre Behandlung bis zum 28. Februar 2007 hat auf Veranlassung des Sozialgerichts die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. die Klägerin am 27. April 2007 zur Feststellung ihres Leistungsvermögens untersucht. In ihrem schriftlichen Gutachten vom 13. Juni 2007 ist sie zum Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom und eine gegenüber der depressiven Verstimmung gegenwärtig zurücktretende aber aktenkundig langjährig belegte undifferenzierte Somatisierungsstörung bestehe. Da sich die Klägerin gegenwärtig noch in tagesklinischer Behandlung befinde, könne ein abschließendes Leistungsbild nicht erstellt werden. Es sei daher davon auszugehen, dass nach erfolgreicher Beendigung der tagesklinischen Behandlung wieder eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für körperlich leichte Arbeiten einfacher geistiger Art und mit geringer Verantwortung in wechselnder Körperhaltung, nicht in Zeitdruck, Akkord- oder Nachtarbeit bestehen werde. Eine endgültige Beurteilung sei erst nach dem Abschluss der teilstationären Behandlung möglich.
Auf ihren Antrag wurde die Klägerin sodann durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K2 begutachtet. Aufgrund der Untersuchung der Klägerin am 28. Dezember 2007 ist er in seinem schriftlichen Gutachten vom 15. Januar 2008 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin mindestens seit dem 25. September 2006, jedoch nicht schon zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung im Jahre 2005 aufgrund der deutlich verminderten psychischen Belastbarkeit kein ausreichendes Leistungsvermögen für regelmäßige lohnbringende Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufweise. Sie leide an einer mindestens mittelgradigen depressiven Episode ohne psychotische Symptomatik mit somatischem Syndrom und einer undifferenzierten Somatisierungsstörung. Unter Fortführung der teilstationären Behandlung gegebenenfalls in Kombination mit einer Psychotherapie könne jedoch innerhalb von ein bis zwei Jahren eine derartige Stabilisierung erreicht werden, dass wieder eine Teilleistungsfähigkeit für körperlich leichte Arbeiten einfacher geistiger Art ohne Zeitdruck und ohne besondere Anforderungen an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen, ohne Akkord- und Nachtarbeit bestehen werde. Es sei im Laufe des Jahres 2006 zu einer Verschlechterung und Änderung im Leistungsvermögen gekommen,
Dr. L. hat ihre Einschätzung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 30. September 2008 nach einer weiteren Untersuchung der Klägerin am 8. Juli 2008 bestätigt und ausgeführt, sie habe auch jetzt eine schwergradige depressive Störung nicht feststellen können. Maßgebend dafür sei eine erhebliche willensgebundene Überlagerung der als tatsächlich bestehend anzunehmenden Depression sowie die Tatsache, dass die Klägerin die verordneten Medikamente nicht in der angegebenen Weise einnehme. Daraufhin hat das Sozialgericht die Klage durch das Urteil vom 30. September 2008 mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, weil sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen weder vollständig noch auch nur teilweise erwerbsgemindert sei.
Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 17. Februar 2009 zugestellte Urteil am 17. März 2009 Berufung eingelegt. Sie macht zur Begründung geltend, das Sozialgericht habe die bei ihr vorliegende Depression grundlegend verkannt, und verweist auf ihre erneute teilstationäre Behandlung in der Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Johanniter Krankenhauses G. vom 3. November 2008 bis 8. Januar 2009, aus der sie mit den Diagnosen • rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, • andauernde Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung, • sexueller Missbrauch in der Kindheit entlassen wurde.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. September 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf der Grundlage eines im Zeitpunkt der Rentenantragstellung eingetretenen Leistungsfalles zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Auf Veranlassung des Senats hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L1 nach Untersuchung bzw. Exploration der Klägerin – mit Dr. W. – am 12. Oktober 2009 das Gutachten zur Erwerbsfähigkeit der Klägerin vom 11. Januar 2010 erstattet. Er hat dies am 10. August 2010 schriftlich und am 26. November 2010 in der mündlichen Verhandlung vor dem Berichterstatter erläutert.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Der Rentenanspruch der Klägerin richtet sich nach § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Dieser Bestimmung zufolge haben Versicherte unter weiteren Voraussetzungen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Ist der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, so ist er voll erwerbsgemindert (§ 43 Abs. 2 SGB VI). Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Sie ist nach Überzeugung der Kammer weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, sondern in der Lage, körperlich leichte Arbeiten mit gewissen unwesentlichen qualitativen Einschränkungen unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Das Sozialgericht hat seine diesbezüglichen Feststellungen zutreffend auf die Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. gestützt. Diese hat ihre Einschätzung aus den von ihr erhobenen Befunden schlüssig und nachvollziehbar und deshalb überzeugend abgeleitet. Der Senat nimmt deshalb auf die diesbezüglichen Ausführungen des Sozialgerichts Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Seine Würdigung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin wird durch das im Berufungsverfahren durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L1 nach Untersuchung der Klägerin am 12. Oktober 2009 erstattete Gutachten vom 11. Januar 2010 bestätigt. Auch nach seiner Überzeugung ist die Leistungsfähigkeit der Klägerin auf nervenärztlichen Fachgebiet beeinträchtigt durch eine mittelgradige depressive Störung mit somatischem Syndrom sowie durch eine nach Aktenlage unabhängig von der depressiven Verstimmung bestehende undifferenzierte Somatisierungsstörung. Die zu dauerhafter ambulanter Behandlung führenden Beschwerden des Magen-/Darmbereichs sowie früher auch im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sind in höherem Maß auch als Ausdruck dieser Somatisierungsstörung zu sehen. Damit kann die Klägerin körperlich leichte Arbeiten einfacher geistiger Art und mit geringer Verantwortung in wechselnder Körperhaltung, nicht in Zeitdruck, Akkord oder Nachtarbeit regelmäßig mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Die vom Sachverständigen Dr. L1 getroffenen Feststellungen sind nicht in sich widersprüchlich. Zwar ist eine mittelgradige depressive Störung im Sinne des Abschnitts F32.1 des ICD, wie er sie angenommen hat, definitionsgemäß dadurch gekennzeichnet, dass der betroffene Patient meist große Schwierigkeiten hat, alltägliche Aktivitäten fortzusetzen. Dies steht nur scheinbar im Widerspruch zu seiner abschließenden Einschätzung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin. Im Rahmen der Beurteilung hieß es nämlich, das dokumentierte Niveau (der Depression) habe das einer mittelgradigen depressiven Episode nie überschritten. Richtiger und vollständiger Weise hätte also - wie er auf Vorhalt ausgeführt hat -, in der Beantwortung der Frage nach den die Erwerbsfähigkeit der Klägerin einschränkenden Gesundheitsstörungen ausgeführt werden müssen, dass eine depressive Störung mit somatischem Syndrom bestehe, die nach dem durch Anamnese und Aktenstudium gewonnenen Einblick in den Verlauf allenfalls in schwersten Zeiten einer mittelgradigen depressiven Episode entspreche. Dabei sei die quantitative Trennung von Zeiten leichter oder mittelgradiger depressive Episode schwer. Das Gutachten hat hierzu auf die Diskrepanzen zwischen eigenen Angaben der Klägerin über ihre Tagesaktivitäten und fremdanamnestischen Angaben verwiesen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung hat sich die Klägerin jedenfalls lediglich mit einer mäßigen aktiven Schwingungsfähigkeit bei leicht zum depressiven Pol verschobener Affektivität bei normalem Antriebsniveau vorgestellt, so dass zum Untersuchungszeitpunkt wie bei den Voruntersuchern wieder nur eine leichte depressive Episode bestand. Dies und die anamnestischen Verweise darauf, dass die Klägerin zur aktiven willentlichen Gestaltung ihrer häuslichen Situation, aber auch zur Gestaltung des Krankheitsbildes in der Lage ist, rechtfertigen die Annahme eines vollschichtigen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass in der Vergangenheit in den fünf Jahren dokumentierter depressiver Erkrankung die medizinischen Voraussetzungen für einen befristeten Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gegeben waren, da sich die Frage, ob es nicht Phasen gab, in denen über mehr als sechs Monate das Leistungsvermögen aufgehoben war, nach dem dokumentierten Verlauf nicht sicher beantworten lässt. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil hierfür eine Veranlassung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht bestanden hat.
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