L 3 R 182/06

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 11 RA 602/04
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 182/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. August 2006 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben. Die Revision wird nicht zugelassen. &8195;

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beigeladene zu 1. im Zeitraum 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2002 bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt war und die Klägerin daher Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 9.567,19 Euro zu zahlen hat.

Die Klägerin ist die Schwester und Alleinerbin der am XXXXX 1952 geborenen und während des Berufungsverfahrens am XXXXX 2008 verstorbenen U.K ... Diese betrieb als Erbin des Vorbesitzers T.-P. D. seit 14. März 2000 eine Weinstube. Die Beigeladenen zu 1. und 2. waren dort seit 1985 bzw. seit 1988 als Kellner mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von maximal 20 Stunden beschäftigt. Beide waren im gesamten streitigen Zeitraum als Studierende immatrikuliert. Der Beigeladene zu 1. hatte den Magisterstudiengang Deutsche Sprache/Literatur belegt; das Wintersemester 1998/1999 war sein 31. Fachsemester. Der Beigeladene zu 2. war im Magisterstudiengang Philosophie eingeschrieben; das Wintersemester 1998/1999 war sein 25. Fachsemester. Sozialversicherungsbeiträge wurden für beide nicht abgeführt.

Im Rahmen der Schlussbesprechung einer am 11. September 2003 durchgeführten Betriebsprüfung wies die Beklagte darauf hin, dass bei den Beigeladenen zu 1. und 2. wegen ihrer ungewöhnlich langen Studiendauer die Studenteneigenschaft und damit die Versicherungsfreiheit zu verneinen sei. Es bestehe die widerlegbare Vermutung, dass bei einer Studienzeit bis zu 25 Fachsemestern Versicherungsfreiheit bestehe, ab dem 26. Fachsemester sei die Studenteneigenschaft glaubhaft zu machen. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin machte demgegenüber geltend, ihr Betrieb beschäftige im Wesentlichen Studenten und geringfügig Beschäftigte. Frühere Prüfungen hätten zu keinen Beanstandungen geführt, obwohl die Beigeladenen zu 1. und 2. sich auch in diesen Zeiträumen schon in höheren Semestern befunden hätten. Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger hätten sich zwar auf eine 25-Semester-Regelung geeinigt, die aber erst am 11. Oktober 2002, als die die Beigeladenen zu 1. und 2. schon nicht mehr versicherungsfrei beschäftigt gewesen seien, veröffentlicht worden sei. Sie berufe sich daher auf Vertrauensschutz, zumal die Beklagte durch Druckschriften wie z.B. SUMMA SUMMARUM (Heft 4/2003) über die Versicherungsfreiheit von Studenten informiert habe. Auf diese Informationen habe sie sich verlassen. Mit Bescheid vom 29. Januar 2004 setzte die Beklagte eine Gesamtsozialversicherungsbeitragsnachforderung in Höhe von 21.009,27 Euro fest, wovon 9.567,19 Euro auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. entfallen. Zur Begründung führte sie aus, mit den Beigeladenen zu 1. und 2. bestünden sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Aufgrund des Lebensalters und der langen Studiendauer stehe bei den Beigeladenen zu 1. und 2. das Studium nicht mehr im Vordergrund. Der Nachweis, dass die lange Studienzeit erforderlich gewesen sei, sei trotz Gewährung einer Vorlagefrist nicht erbracht worden. Verwaltungshandlungen, die bei der Arbeitgeberin einen Vertrauenstatbestand hätten hervorrufen können, seien nicht erkennbar.

Ihren gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch begründete die Rechtsvorgängerin der Klägerin damit, dass sie die Immatrikulationsbescheinigungen der Beigeladenen zu 1. und 2. regelmäßig überprüft und die wöchentliche Arbeitszeit auf 20 Stunden begrenzt habe. Sie sei weder verpflichtet noch in der Lage gewesen zu überprüfen, ob bei ihren Arbeitnehmern das Studium im Vordergrund stehe, ob die wissenschaftliche Ausbildung im geordneten Ausbildungsgang erfolge und ob im Falle einer markanten Überschreitung der Regelstudienzeit hierfür Rechtfertigungsgründe vorlägen. Sie sei nicht einmal verpflichtet, die Semesterzahl der beschäftigten Studenten zu melden. Von Seiten der Beklagten sei sie regelmäßig darauf hingewiesen worden, dass ordentlich eingeschriebene Studenten versicherungsfrei seien. Über die Langzeitstudentenproblematik sei sie nicht informiert worden. Frühestens nachdem man sich im November 2002 auf eine Einschränkung hinsichtlich der Studiendauer geeinigt habe, habe sie Kenntnis von der geänderten Rechtsauffassung erlangen können. Bei seiner Anhörung im Widerspruchsverfahren erklärte der Beigeladene zu 1., er habe im streitigen Zeitraum an zwei bis drei Abenden in der Woche in der Regel zwischen 18.00 und 24.00 Uhr gearbeitet. Es sei immer darauf geachtet worden, dass seine Arbeitszeit während des Semesters 20 Stunden pro Woche nicht übersteige. Er habe im streitigen Zeitraum keine Scheine gemacht. Trotzdem habe er mindestens 40 Stunden pro Woche in der Bibliothek verbracht, da er auch an Übersetzungen aus der polnischen Sprache arbeite. Er sei häufig nach Polen gereist, da er 1996 geheiratet habe und seine Frau weiterhin in Polen lebe. Dieser Umstand habe einen starken Einfluss auf das Tempo seines Studiums gehabt. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es sei unter Berücksichtigung der hohen Anzahl an Studiensemestern, der vorgelegten Unterlagen sowie der persönlich getroffenen Aussagen der Beigeladenen zu 1. und 2. nicht zu erkennen, dass das Studium während des Nachforderungszeitraumes noch im Vordergrund gestanden habe.

Mit ihrer rechtzeitig gegen diese Entscheidung erhobenen Klage hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Das Sozialgericht hat die Beschäftigten W.L. und C.P. sowie die Bundesagentur für Arbeit, die AOK H. und die Techniker Krankenkasse durch Beschluss vom 25. Januar 2005 zu dem Rechtsstreit beigeladen. Der Beigeladene zu 1. hat auf Nachfrage des Gerichts unter anderem mitgeteilt, dass die Entlohnung für seine Beschäftigung auf Stundenbasis mit einem Stundenlohn von 12,-DM erfolgt sei. Die Beschäftigungsdauer habe während des Semesters nie mehr als 20 Stunden wöchentlich betragen. In den Semesterferien sei teilweise mehr gearbeitet worden, in Einzelfällen bis zu 40 Stunden in der Woche. Nach Beendigung seines Studiums im März 2002 sei er bei demselben Arbeitgeber als Teilzeitkraft sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Anlässlich seiner Anhörung im Termin am 18. August 2006 hat der Beigeladene zu 1. angegeben, im streitigen Zeitraum zwar Vorlesungen besucht zu haben, aber keine Seminare. Er könne sich nicht erinnern, nach 1988 noch Scheine gemacht zu haben. Er habe aber weiter deutsche Literatur gelesen und auch an Übersetzungen gearbeitet. Er habe nicht vordergründig studiert, um einen Abschluss zu machen, sondern auch allein um des Studierens willen. Er habe seinen Horizont erweitern wollen. Eine Zwischenprüfung sei bei seinem Studiengang nicht erforderlich gewesen. Bis auf einen Schein habe er alle für die Zwischenprüfung erforderlichen gehabt. Auch den fehlenden Schein habe er gemacht gehabt, dann aber wohl verloren. Er hätte das Hauptseminar wiederholen müssen und das – wie es im Leben so gehe – immer weiter aufgeschoben. Nach einer gewissen Zeit – das müsse in den 90er Jahren gewesen sein – habe dann der Elan gefehlt. Exmatrikuliert habe er sich dann, weil er fest angestellt worden sei und keinen Grund mehr gesehen habe, als Werkstudent zu arbeiten.

Durch Teilurteil vom 18. August 2006 hat das Sozialgericht die Klage hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. abgewiesen. Der Beigeladene zu 1. sei in dem streitbefangenen Zeitraum kein Werkstudent mehr gewesen, weil sein Studium mit dem Ziel des Magisterabschlusses für ihn nicht mehr im Vordergrund gestanden habe. Zwar sei er formell weiter eingeschrieben gewesen, habe das Studium tatsächlich aber nicht mehr ernsthaft betrieben. Zu Beginn des streitigen Zeitraumes sei er bereits im 31. Fachsemester gewesen und habe den letzten Leistungsnachweis vor gut 10 Jahren erbracht. Nach eigenen Angaben habe er nur noch studiert um des Studierens willen; er habe seinen Horizont erweitern wollen. Sein Studium sei aber nicht mehr auf einen Abschluss gerichtet gewesen. Unabhängig davon, ob die Arbeitgeberin habe wissen können, dass der Beigeladene zu 1. kein Werkstudent mehr gewesen sei, sei die Versicherungspflicht kraft Gesetzes eingetreten. Die Arbeitgeberin hätte gegebenenfalls in regelmäßigen Abständen bei der Einzugsstelle die Überprüfung der Versicherungspflicht der studentischen Beschäftigten beantragen können. Die Arbeitgeberin könne sich gegenüber der Nachforderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge auch nicht auf Verwirkung berufen. Es fehle an einem positiven Handeln der Beklagten und der Beigeladenen zu 3.- 5., auf das die Arbeitgeberin hätte vertrauen dürfen. Es sei auch keine rückwirkende Änderung der rechtlichen Beurteilung durch die Beklagte erfolgt. Die objektiven Kriterien für die Bejahung der Werkstudenteneigenschaft hätten bereits unter der Reichsversicherungsordnung gegolten. Die inzwischen vereinbarte 25-Semester-Regel diene allein der Verwaltungsvereinfachung und der Gleichbehandlung der Beschäftigten. Ebenso wenig könne die Arbeitgeberin ihre Zahlungspflicht unter Berufung auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch abwehren. Es fehle schon an der dafür erforderlichen Pflichtverletzung der Beklagten bzw. der Beigeladenen zu 3. – 5.

Gegen das am 26. September 2006 zugestellte Teilurteil hat die frühere Klägerin, die am XXXXX 2008 verstorben ist und deren Schwester als Alleinerbin den Rechtstreit als Rechtsnachfolgerin fortsetzt, am 16. Oktober 2006 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, das Sozialgericht habe die Rechtsgrundlagen gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Sechstes Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI), § 6 Abs. 1 Nr. 3 Fünftes Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V), § 20 Abs. 1 Nr. 9 Elftes Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Pflegeversicherung (SGB XI), § 27 Abs. 4 Drittes Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) und § 230 Abs. 4 SGB VI unter Außerachtlassung des Grundrechtsschutzes der Klägerin gem. Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ausgelegt. Ihre Verpflichtung, sozialversicherungsrechtliche Abgaben für den Beigeladenen zu 1. zu zahlen, stelle einen Eingriff in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit dar, der durch die Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG nicht gedeckt sei. Ein Nachforderungszeitraum für Sozialversicherungsbeiträge von 4 Jahren widerspreche dem Übermaßverbot, da eine die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens gefährdende Nachforderung aufgelaufen sei. Zudem sei es sachlich nicht gerechtfertigt, jemandem eine finanzielle Last rückwirkend aufzubürden, die er nicht zu vertreten habe. Nach Eintritt der Klägerin als Rechtsnachfolgerin hat diese ergänzend vorgetragen. Für ihre Rechtsvorgängerin sei nicht erkennbar gewesen, ob der Beigeladene zu 1. Student gewesen sei oder nicht. Sie habe die jeweils aktuelle Immatrikulationsbescheinigung überprüft und die wöchentliche Arbeitszeit auf 20 Stunden begrenzt. Weiteres sei ihr nicht möglich gewesen. Insoweit stelle die Pflicht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für studentische Arbeitnehmer, deren Lebens- und Studienverhalten nicht nachprüfbar sei, eine nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit und gleichzeitig einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.

Im Übrigen sei das Sozialgericht zu Unrecht davon ausgegangen, der Beigeladene zu 1. sei im streitigen Zeitraum von seinem Erscheinungsbild her Arbeitnehmer und nicht Student gewesen. Dieser sei nach den gerichtlichen Feststellungen im streitigen Zeitraum bei der Universität eingeschrieben gewesen und habe sich durch das Lesen deutscher und polnischer Literatur bildend betätigt. Dieser Bereich betreffe aber allein den Beurteilungsspielraum eines Studenten im Rahmen seiner Studienfreiheit und sei der Überprüfung durch das Gericht weitgehend entzogen. Auch habe das Gericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Beklagte jahrelang eine vom Arbeitgeber vorgelegte gültige Studienbescheinigung der Universität als ausreichenden Nachweis zur Dokumentation des sozialversicherungsrechtlichen Status eines Werkstudenten habe ausreichen lassen. Zumindest anlässlich der vorhergehenden Betriebsprüfung im April 1999 hätte die Beklagte ihre Rechtsvorgängerin (die der Klägerin) zum Erscheinungsbild der Tätigkeit ihrer studentischen Mitarbeiter aufklären müssen. Im Übrigen habe die ursprüngliche Klägerin die Weinstube erst ab März 2000 als Erbin des Vorbesitzers betrieben. Eine Vereinbarung zur Übernahme von Verbindlichkeiten im Sinne von § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gebe es nicht. Die Auferlegung von Zahlungspflichten für die Zeiten vorher habe daher nicht gegenüber der ursprünglichen Klägerin erfolgen dürfen. Letztlich werde dem Steuerberater L. auf dessen Anraten die frühere Klägerin die Immatrikulationsbescheinigungen regelmäßig überprüft und die wöchentliche Arbeitszeit auf 20 Stunden begrenzt habe, der Streit verkündet.

Die Klägerin beantragt, das Teilurteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. August 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. August 2006 zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe die Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen.

Die Beigeladenen zu 1. bis 5. stellen keinen Antrag und haben sich während des Berufungsverfahrens inhaltlich zum Streitgegenstand nicht geäußert.

Während des Berufungsverfahrens hat das Sozialgericht durch Schlussurteil vom 1. August 2008 auch die Klage bezüglich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 2. abgewiesen und der Klägerin die Kosten des gesamten Verfahrens auferlegt. Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin keine Berufung eingelegt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 29. März 2011 aufgeführten Akten und Unterlagen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Der Zulässigkeit der Berufung steht auch nicht entgegen, dass das Schlussurteil des Sozialgerichts vom 1. August 2008, mit welchem auch über die Kosten des durch die Berufung angefochtenen Teilurteils entschieden wurde, rechtskräftig geworden ist. Zwar hätte die Klägerin bei dieser Konstellation ausnahmsweise das Schlussurteil nur wegen der Kosten mit der Berufung angreifen können (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 31. Mai 2000 – 12 U 41/00 ¬–, juris); dass sie dies nicht getan hat, ändert aber nichts an der Zulässigkeit der Berufung gegen das Teilurteil.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage, soweit es mit seinem Teilurteil entschieden hat, zu Recht abgewiesen. Der Beitrags-Nachforderungsbescheid der Beklagten ist, soweit er sich auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. bezieht, rechtmäßig. Der Beigeladene zu 1. unterlag im streitigen Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2002 aufgrund seiner Beschäftigung bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin der Beitrags- bzw. Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung.

Der Senat konnte trotz der in der Berufungsbegründung vom 17. November 2006 enthaltenen Streitverkündung entscheiden. Diese Streitverkündung der Klägerin gegenüber dem Steuerberater geht ins Leere, weil das sozialgerichtlichen Verfahren die Streitverkündung nicht kennt. Auch eine Beiladung des Steuerberaters nach § 75 SGG kam nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Unabhängig davon war die nach den Angaben der Klägerin vom Steuerberater dieser gegenüber erfolgte Auskunft vollkommen zutreffend.

Der Hinweis der Klägerin, dass ihre Rechtsvorgängerin die Weinstube als Erbin des Vorinhabers erst im März 2000 übernommen hat, steht dem Beitrags-Nachforderungsbescheid ebenfalls nicht entgegen. Nach der Regelung für den Betriebsübergang in § 613 a BGB haftet der den Betrieb Übernehmende für Verbindlichkeiten aus den Arbeitsverhältnissen auch für die Zeit vor Übernahme des Lokals. Eine entsprechende Haftung folgt zusätzlich aus der Stellung der Rechtsvorgängerin der Klägerin als Erbin (§ 1922 BGB).

Das Sozialgericht hat in dem angefochtenen Urteil zutreffend die Normen zitiert, aus denen sich die Beitrags- bzw. Sozialversicherungspflicht eines Arbeitnehmers und die Berechtigung der Beklagten zur Beitragsforderung ergeben. Die ebenfalls vom Sozialgericht zutreffend dargestellten Ausnahmeregelungen des so genannten Werkstudentenprivilegs erfüllte der Beigeladene zu 1. in dem streitigen Zeitraum nicht mehr. Er war jedenfalls seit dem 1. Januar 1999 nicht mehr "während der Dauer seines Studiums als ordentlicher Studierender einer Hochschule gegen Arbeitsentgelt beschäftigt". Das Sozialgericht hat in dem angefochtenen Urteil unter Abwägung aller Gesichtspunkte zutreffend dargelegt, dass für den Beigeladene zu 1. nach seinen eigenen Angaben und den sonstigen Umständen das Studium mit dem Ziel, den Magisterabschluss zu erlangen, nicht mehr im Vordergrund stand und er deshalb von seinem Erscheinungsbild her in dem streitigen Zeitraum nicht Student, sondern Arbeitnehmer gewesen ist. Auf die ausführlichen Darlegungen des Sozialgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Berufungsvorbringen der Klägerin vermag nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen. Soweit sie sich darauf beruft, ihre Verpflichtung zur Zahlung von sozialversicherungsrechtlichen Abgaben für den Beigeladenen zu 1. stelle insofern eine Grundrechtsverletzung dar, als sie einen Eingriff in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit und in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb sowie eine nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit bedeute, verkennt sie, dass – worauf bereits die Beklagte zu Recht hingewiesen hat – die bemängelten Eingriffe durch die zum Schutz der Rechte der Arbeitnehmer geschaffenen sozialversicherungsrechtlichen Regelungen gerechtfertigt und von jedem Arbeitgeber hinzunehmen sind.

Soweit die Klägerin immer wieder anführt, für sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin sei nicht erkennbar gewesen, dass der Beigeladene zu 1. von seinem Erscheinungsbild kein ordentlicher Student mehr gewesen sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass ihrer Rechtsvorgängerin bei der angeblich regelmäßig vorgenommenen Kontrolle der Immatrikulationsbescheinigungen die außergewöhnlich hohe Anzahl der Fachsemester auffallen und sich zumindest Zweifel an einem ordnungsgemäßen Studium des Beigeladenen zu 1. aufdrängen hätten müssen. Unabhängig davon richtet sich die Beurteilung der Versicherungspflicht eines Beschäftigten, auch wenn er an einer Universität immatrikuliert ist, allein nach den objektiven Verhältnissen. Es kommt deshalb darauf an, ob ein Beschäftigter seinem objektiven Erscheinungsbild nach überwiegend als Student oder Arbeitnehmer anzusehen ist. Hierzu hat das Sozialgericht unter Berücksichtigung der Angaben der Beteiligten und der sonstigen Umstände zu Recht ausgeführt, dass jedenfalls im streitigen Zeitraum von einem ordnungsgemäßen Studium des Beigeladenen zu 1., das gegebenenfalls seine fortdauernde Versicherungs- und Beitragsfreiheit hätte rechtfertigen können, nicht mehr auszugehen war (vgl. zum Ganzen. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 15. Mai 2007 – L 12 RI 13704 –,m.w.N., juris). Dieser Beurteilung schließt sich der erkennende Senat an. Ein ordnungsgemäßes Studium setzt ein geregeltes Hochschul- oder Fachschulstudium voraus, welches konkret auf einen für den späteren Beruf qualifizierenden Abschluss gerichtet ist (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. September 2009 – L 5 R 715/08 –, m.w.N., juris). Wird ein solcher Abschluss nicht oder nicht mehr angestrebt, führt allein die Aufrechterhaltung der Einschreibung danach nicht zu einer längeren Inanspruchnahme des Werkstudenten-Privilegs (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 21. April 1993 – 11 Rar 25/92 –, juris). Nicht zu beanstanden ist, dass das Sozialgericht unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Maßstäbe aufgrund der Angaben des Beigeladenen zu 1. im Termin am 18. August 2006, nach denen ihm seit der 90er Jahre der Elan gefehlt habe, die erforderliche Wiederholung des Hauptseminars in Angriff zu nehmen, und er nicht vordergründig studiert habe, um einen Abschluss zu machen, sondern allein um des Studierens willen, davon ausgegangen ist, dass zumindest während des streitigen Zeitraums objektiv kein ordnungsgemäßes, auf einen Abschluss gerichtetes Studium mehr vorgelegen hat.

Auch soweit die Klägerin bemängelt, die Beklagte habe anlässlich der vorhergehenden Betriebsprüfung die Werkstudenteneigenschaft der Beigeladenen zu 1. und 2. nicht beanstandet und keine aufklärenden Hinweise gegeben, kann sie daraus nichts für sie positives herleiten. Die vorhergehende Betriebsprüfung betraf nicht den jetzt streitigen Zeitraum, so dass die damals vorgefundenen Verhältnisse nicht ohne weiteres übertragen werden können. Im Übrigen hat schon das Sozialgericht zutreffend dargelegt, dass selbst eine durchgeführte Betriebsprüfung keinen Vertrauenstatbestand des Unternehmers hinsichtlich der Richtigkeit des Beitragseinzuges begründet. Dies gilt umso mehr, wenn ein anderer Betriebsprüfungszeitraum betroffen ist. Selbst wenn die Beklagte einer Pflicht, die Klägerin auf Zweifel hinsichtlich der Werkstudenteneigenschaft der Arbeitnehmer hinzuweisen, nicht nachgekommen wäre, könnte die Klägerin daraus für ihr Begehren nichts herleiten. Auch insoweit hat schon das Sozialgericht klargestellt, dass auch im Rahmen des so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nur der rechtmäßige Zustand hergestellt werden kann und dieser gerade die Zahlung der jetzt nachgeforderten Beiträge beinhaltet.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a, 191 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis der Hauptsache.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat der Senat nicht für erstattungsfähig erklärt, weil Gründe, die dies mit Rücksicht auf die Billigkeit geboten hätten (§ 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 197a SGG), nicht ersichtlich sind.

Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved