Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 22 KR 573/06
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 10/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. November 2008 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von EUR 3.481,03 und insoweit vor allem über die Auslegung einer landesvertraglichen Regelung.
Die 1925 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte A. wurde in der Zeit vom 21. Mai bis 14. Juni 2004 im Krankenhaus der Klägerin stationär wegen eines Magenkarzinoms behandelt. Nach der Entlassung übermittelte die Klägerin der Beklagten die nach § 301 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) erforderlichen Daten, unter anderem die maßgebliche Hauptdiagnose sowie die Nebendiagnosen. Mit ihrer Rechnung vom 25. Juni 2004 machte sie Kosten der stationären Behandlung in Höhe von EUR 12.487,05 auf der Grundlage der Fallpauschale G 03 A geltend.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 13. Juli 2004 mit, dass sie wegen Zweifeln an der gewählten Abrechnungsform eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) veranlasst habe, den Rechnungsbetrag aber aufgrund des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Vertrages über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung vom 19. Dezember 2002 zwischen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft e.V. und unter anderem der Beklagten (Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V) angewiesen habe. Der MDK beanstandete in seiner Stellungnahme vom 9. August 2005 die von der Klägerin vorgenommene Codierung der Nebendiagnosen R 58, K 31.1 und D 70.3. Abrechnungsfähig sei daher lediglich die Fallpauschale G 03 B. Mit Schreiben vom 16. August 2005 forderte die Beklagte die Klägerin unter Bezugnahme auf die Ausführungen des MDK auf, eine korrigierte Rechnung zu übermitteln sowie die entsprechende Gutschrift vorzunehmen. Am 30. September 2005 stornierte die Beklagte die ursprüngliche Zahlung und zahlte der Klägerin lediglich einen Betrag von EUR 9.006,02.
Mit Schreiben vom 17. März 2006 widersprach die Klägerin der Stellungnahme des MDK. Zwar habe dieser zu Recht die Nebendiagnosen K 31.1 und R 58 beanstandet und auch die ursprüngliche Nebendiagnose D 70.3 habe man gestrichen. Allerdings sei auch mit den verbleibenden Nebendiagnosen E 87.6, D 50.0, D 63.0, D 68.9 und C 78.6, deren Codierung eindeutig gerechtfertigt sei, die Fallpauschale G 03 A abrechnungsfähig. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 27. März 2006 mit, dass Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art gemäß § 11 Abs. 2 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V nur innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der in § 301 SGB V vorgeschriebenen Daten geltend gemacht werden könnten. Diese Frist, die auch für Nachforderungen der Krankenhäuser gelte, sei abgelaufen, und könne die korrigierte Rechnung der Klägerin deshalb nicht beglichen werden.
Die Klägerin hat am 20. Juni 2006 Klage erhoben und vorgetragen, dass es zwar grundsätzlich richtig sei, dass die Sechs-Monats-Frist auch für Krankenhäuser gelte, sie betreffe aber nur Nachforderungen. Vorliegend gehe es nicht um eine Nachforderung, sondern darum, dass die ursprüngliche und fristgerecht erstellte Rechnung nach wie vor für berechtigt gehalten werde.
Das Sozialgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 11. November 2008 – der Beklagten zugestellt am 2. Februar 2009 – verurteilt, an die Klägerin EUR 3.481,03 nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 27. März 2006 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Nachforderung im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V liege nur vor, wenn gegenüber dem ursprünglich geltend gemachten Betrag nachträglich ein höherer Betrag gefordert werde. Die Klägerin habe aber nicht nachträglich einen höheren Betrag gefordert, sondern lediglich den ursprünglich geltend gemachten Rechnungsbetrag nachträglich durch die Mitteilung weiterer Nebendiagnosen anders begründet.
Die Beklagte hat dagegen am 24. Februar 2009 Berufung eingelegt und klargestellt, die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung der Versicherten sei zwischen den Beteiligten ebenso unstreitig wie der sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 17. März 2006 aufgrund der mitgeteilten Nebendiagnosen ergebende Rechnungsbetrag von EUR 12.487,05 (Fallpauschale G 03 A). Ausschließlich streitig sei, ob die mit diesem Schreiben erfolgte Mitteilung weiterer Nebendiagnosen als Nachforderung im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V zu werten sei. Dies sei entgegen der Auffassung des Sozialgerichts der Fall.
Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, die in § 11 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages genannte Frist habe den Zweck, dass eine Diskussion der Vertragspartner über die korrekte Abrechnung eines Falles nach sechs Monaten im Regelfall erledigt und es danach beiden Seiten verwehrt sei, neue Argumente oder Forderungen aufzustellen. Nach Ablauf dieser Frist seien beide Vertragspartner an die ursprünglich gemäß § 301 SGB V übermittelten Daten gebunden. Den Krankenkassen sei es verwehrt, Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art dann noch geltend zu machen, die Krankenhäuser müssten sich auf die ursprüngliche Datenlage nach § 301 SGB V verweisen lassen. Der Begriff "Nachforderung" bedeute, dass etwas Weiteres gefordert werde, das bisher nicht verlangt worden sei. Dies müsse aber nicht ein höherer Betrag, sondern könne auch eine andere Begründung für die ursprüngliche Forderung sein. Folge man der Gegenansicht, verliere § 11 Abs. 2 des Vertrages seinen Sinn als den Rechtsfrieden beschleunigende Bestimmung.
Schließlich sei der Anspruch der Klägerin auch ausgeschlossen, weil dessen Geltendmachung nach der neueren und strengeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 08.09.2009 – B 1 KR 11/09 R; Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 12/08 R; beide Juris) treuwidrig sei. Die Beklagte habe aufgrund des erheblichen Zeitablaufs nicht mehr damit rechnen müssen, dass noch eine weitere Äußerung der Klägerin zu dem Abrechnungsfall erfolge.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2011 hat die Klägerin die Klage zurückgenommen, soweit Zinsen für den Zeitraum vor dem 13. April 2006 begehrt wurden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. November 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat das angefochtene Urteil für zutreffend gehalten und vorgetragen, der Wortlaut der vertraglichen Bestimmung sei eindeutig und lasse die Auslegung der Beklagten nicht zu. Eine Bindung an die gemäß § 301 SGB V übermittelten Daten lasse sich der Bestimmung nicht entnehmen. Wäre eine solche Bindung gewollt gewesen, hätte sie problemlos formuliert werden können und müssen. Darüber hinaus könne eine endgültige Erledigung von Abrechnungsstreitigkeiten innerhalb von sechs Monaten ohnehin nicht erwartet werden, wenn zum Beispiel laufend korrespondiert oder eine Forderung gerichtlich geltend gemacht werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie auf die in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten und Unterlagen Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige (§§ 143, 144 und 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) Berufung ist nicht begründet, da das Sozialgericht die Beklagte zu Recht zur Zahlung von weiteren EUR 3.481.03 verurteilt hat.
Rechtsgrundlage des zulässigerweise mit der echten Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) geltend gemachten restlichen Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V, § 17b Abs. 1 S. 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz und § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz in seiner bis zum 24. März 2009 geltenden Fassung in Verbindung mit dem Fallpauschalenkatalog 2004 sowie dem Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten (BSG, Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R, Juris).
Die Krankenhausbehandlung der Versicherten A. war im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Ebenso unstreitig zwischen den Beteiligten ist, dass aufgrund der mit Schreiben vom 17. März 2006 mitgeteilten Nebendiagnosen die Fallpauschale G 03 A maßgeblich ist, was nach Abzug der Eigenbeteiligung der Versicherten dem geltend gemachten Rechnungsbetrag von EUR 12.487,05 entspricht.
Die Beklagte kann dem Anspruch der Klägerin auch nicht entgegenhalten, dass die Frist für die Geltendmachung des Anspruchs nach § 11 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V nicht eingehalten worden sei. § 11 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages bestimmt: "Nachdem die in § 301 SGB V vorgeschriebenen Daten der Krankenkasse zugeleitet worden sind, können Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung innerhalb von sechs Monaten geltend gemacht werden." In § 11 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages heißt es: "Die gleiche Frist gilt auch für Nachforderungen der Krankenhäuser."
Wie das Sozialgericht zu Recht entschieden hat, ist § 11 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil keine Nachforderung der Klägerin im Streit ist. Unter einer Nachforderung ist eine nachträgliche, zusätzliche Forderung zu verstehen (www.duden.de/rechtschreibung/Nachforderung). Es muss sich also nach dem Wortsinn um eine nachträglich geltend gemachte Forderung handeln, die über die ursprüngliche Forderung betragsmäßig hinausgeht. Dies ist hier nicht der Fall, vielmehr verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren nach vollständiger Erfüllung einer betragsmäßig unveränderten Zahlungsforderung weiter.
Die von der Beklagten vertretene Auffassung, eine Nachforderung liege auch dann vor, wenn die ursprüngliche Forderung weiterhin geltend gemacht, aber anders begründet werde, lässt sich mit dem Wortsinn der Vertragsregelung nicht vereinbaren. Der Austausch der Begründung für eine Zahlungsforderung ist etwas anderes als die Formulierung einer höheren als der ursprünglichen Zahlungsforderung. Auch die von der Beklagten angenommene Bindung an die gemäß § 301 SGB V übermittelten Daten findet im Vertragstext keine Stütze. Die Klägerin weist insoweit zu Recht darauf hin, dass eine derartige Bindung an die anfängliche Begründung der Forderung – wenn sie gewollt gewesen wäre – ausdrücklich hätte formuliert werden können und müssen. Dies ist aber nicht geschehen. Der Vertrag sperrt daher nach seinem Wortlaut nicht eine von den zunächst nach § 301 SGB V übermittelten Daten abweichende Begründung einer betragsmäßig unveränderten Zahlungsforderung eines Krankenhauses.
Auch aus Sinn und Zweck der in § 11 Abs. 2 des Vertrages enthaltenen Regelung ergibt sich keine andere Auslegung. Die Bestimmung bewirkt, dass sowohl die Krankenhäuser als auch die Krankenkassen nach einem absehbaren Zeitraum von sechs Monaten darauf vertrauen können, dass keine zusätzlichen Forderungen beziehungsweise Rückforderungen geltend gemacht werden. Demgegenüber kann sie entgegen der Ansicht der Beklagten nicht bewirken und deshalb auch nicht sinnvollerweise bezwecken, dass Abrechnungsfälle innerhalb von sechs Monaten erledigt sein müssen, da die Auseinandersetzung über eine fristgerecht erfolgte Beanstandung oder Nachforderung auch deutlich längere Zeit in Anspruch nehmen kann.
Schließlich ist die Geltendmachung des hier streitbefangenen Anspruchs auch nicht treuwidrig. Soweit die Beklagte sich hierfür auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 8. September 2009 und 17. Dezember 2009 (jeweils a.a.O.) bezogen hat, hat die Klägerin zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Entscheidungen Fallgestaltungen betreffen, in denen nachträglich über die ursprüngliche Rechnung hinausgehende Forderungen geltend gemacht wurden. Es ging dort also um echte Nachforderungen, was hier gerade nicht der Fall ist. Soweit das Bundessozialgericht darauf abgestellt hat, dass die Krankenkassen darauf angewiesen seien, aufgrund ihres laufenden Ausgabevolumens im Kalenderjahr die Höhe ihrer Beiträge zu kalkulieren und sich daher grundsätzlich auf die Schlussrechnung eines Krankenhauses verlassen können müssten (BSG, Urteil vom 08.09.2009, a.a.O.), greift diese Erwägung nicht, wenn die geltend gemachte Forderung – wie hier – durchgehend unverändert ist und lediglich die Begründung geändert wird. Soweit das Bundessozialgericht außerdem ausgeführt hat, es sei mit dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme unvereinbar, wenn nach Prüfung und Zahlung einer vorbehaltlos erteilten Schlussrechnung Nachforderungen erhoben würden und durch deren Prüfung der Krankenkasse ein Verwaltungsaufwand entstehe, der in einem unangemessenen Verhältnis zur Höhe der Nachforderung oder zum ursprünglichen Betrag stehe (BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O.), ist auch dies nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, da weder eine vorbehaltlose Zahlung erfolgt ist noch nachträglich ein höherer Betrag gefordert wurde. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, sie habe aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr mit einer weiteren Äußerung der Klägerin rechnen müssen, ist ihr schließlich entgegen zu halten, dass sie selbst nicht zur Beschleunigung des Verfahrens beigetragen hat, da es nach der mit Schreiben vom 13. Juli 2004 erfolgten Beanstandung der Rechnung über ein Jahr gedauert hat, bis die Stellungnahme des MDK vom 9. August 2005 vorlag.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 14 Satz 1 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V. Erfolgt die Zahlung nicht innerhalb der nach § 12 genannten Frist, kann das Krankenhaus nach Ablauf dieser Zahlungsfrist Zinsen in Höhe von 5 % p.a. ohne Anbindung an den Basiszinssatz verlangen. Gemäß § 12 Satz 1 des Vertrages beträgt die Zahlungsfrist für die Bezahlung der Krankenhausrechnung 15 Arbeitstage. Sie beginnt mit dem Vorliegen aller Daten nach § 301 SGB V (§ 12 Satz 2 des Vertrages). Da die korrigierten Daten nach § 301 SGB V der Beklagten am 22. März 2006 vorlagen, war die Zahlungsfrist am 12. April 2006 verstrichen, sodass der Zinsanspruch seit dem 13. April 2006 besteht. Mehr ist von der Klägerin zuletzt auch nicht begehrt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) oder Nr. 2 SGG (Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von EUR 3.481,03 und insoweit vor allem über die Auslegung einer landesvertraglichen Regelung.
Die 1925 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte A. wurde in der Zeit vom 21. Mai bis 14. Juni 2004 im Krankenhaus der Klägerin stationär wegen eines Magenkarzinoms behandelt. Nach der Entlassung übermittelte die Klägerin der Beklagten die nach § 301 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) erforderlichen Daten, unter anderem die maßgebliche Hauptdiagnose sowie die Nebendiagnosen. Mit ihrer Rechnung vom 25. Juni 2004 machte sie Kosten der stationären Behandlung in Höhe von EUR 12.487,05 auf der Grundlage der Fallpauschale G 03 A geltend.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 13. Juli 2004 mit, dass sie wegen Zweifeln an der gewählten Abrechnungsform eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) veranlasst habe, den Rechnungsbetrag aber aufgrund des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Vertrages über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung vom 19. Dezember 2002 zwischen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft e.V. und unter anderem der Beklagten (Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V) angewiesen habe. Der MDK beanstandete in seiner Stellungnahme vom 9. August 2005 die von der Klägerin vorgenommene Codierung der Nebendiagnosen R 58, K 31.1 und D 70.3. Abrechnungsfähig sei daher lediglich die Fallpauschale G 03 B. Mit Schreiben vom 16. August 2005 forderte die Beklagte die Klägerin unter Bezugnahme auf die Ausführungen des MDK auf, eine korrigierte Rechnung zu übermitteln sowie die entsprechende Gutschrift vorzunehmen. Am 30. September 2005 stornierte die Beklagte die ursprüngliche Zahlung und zahlte der Klägerin lediglich einen Betrag von EUR 9.006,02.
Mit Schreiben vom 17. März 2006 widersprach die Klägerin der Stellungnahme des MDK. Zwar habe dieser zu Recht die Nebendiagnosen K 31.1 und R 58 beanstandet und auch die ursprüngliche Nebendiagnose D 70.3 habe man gestrichen. Allerdings sei auch mit den verbleibenden Nebendiagnosen E 87.6, D 50.0, D 63.0, D 68.9 und C 78.6, deren Codierung eindeutig gerechtfertigt sei, die Fallpauschale G 03 A abrechnungsfähig. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 27. März 2006 mit, dass Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art gemäß § 11 Abs. 2 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V nur innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der in § 301 SGB V vorgeschriebenen Daten geltend gemacht werden könnten. Diese Frist, die auch für Nachforderungen der Krankenhäuser gelte, sei abgelaufen, und könne die korrigierte Rechnung der Klägerin deshalb nicht beglichen werden.
Die Klägerin hat am 20. Juni 2006 Klage erhoben und vorgetragen, dass es zwar grundsätzlich richtig sei, dass die Sechs-Monats-Frist auch für Krankenhäuser gelte, sie betreffe aber nur Nachforderungen. Vorliegend gehe es nicht um eine Nachforderung, sondern darum, dass die ursprüngliche und fristgerecht erstellte Rechnung nach wie vor für berechtigt gehalten werde.
Das Sozialgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 11. November 2008 – der Beklagten zugestellt am 2. Februar 2009 – verurteilt, an die Klägerin EUR 3.481,03 nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 27. März 2006 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Nachforderung im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V liege nur vor, wenn gegenüber dem ursprünglich geltend gemachten Betrag nachträglich ein höherer Betrag gefordert werde. Die Klägerin habe aber nicht nachträglich einen höheren Betrag gefordert, sondern lediglich den ursprünglich geltend gemachten Rechnungsbetrag nachträglich durch die Mitteilung weiterer Nebendiagnosen anders begründet.
Die Beklagte hat dagegen am 24. Februar 2009 Berufung eingelegt und klargestellt, die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung der Versicherten sei zwischen den Beteiligten ebenso unstreitig wie der sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 17. März 2006 aufgrund der mitgeteilten Nebendiagnosen ergebende Rechnungsbetrag von EUR 12.487,05 (Fallpauschale G 03 A). Ausschließlich streitig sei, ob die mit diesem Schreiben erfolgte Mitteilung weiterer Nebendiagnosen als Nachforderung im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V zu werten sei. Dies sei entgegen der Auffassung des Sozialgerichts der Fall.
Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, die in § 11 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages genannte Frist habe den Zweck, dass eine Diskussion der Vertragspartner über die korrekte Abrechnung eines Falles nach sechs Monaten im Regelfall erledigt und es danach beiden Seiten verwehrt sei, neue Argumente oder Forderungen aufzustellen. Nach Ablauf dieser Frist seien beide Vertragspartner an die ursprünglich gemäß § 301 SGB V übermittelten Daten gebunden. Den Krankenkassen sei es verwehrt, Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art dann noch geltend zu machen, die Krankenhäuser müssten sich auf die ursprüngliche Datenlage nach § 301 SGB V verweisen lassen. Der Begriff "Nachforderung" bedeute, dass etwas Weiteres gefordert werde, das bisher nicht verlangt worden sei. Dies müsse aber nicht ein höherer Betrag, sondern könne auch eine andere Begründung für die ursprüngliche Forderung sein. Folge man der Gegenansicht, verliere § 11 Abs. 2 des Vertrages seinen Sinn als den Rechtsfrieden beschleunigende Bestimmung.
Schließlich sei der Anspruch der Klägerin auch ausgeschlossen, weil dessen Geltendmachung nach der neueren und strengeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 08.09.2009 – B 1 KR 11/09 R; Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 12/08 R; beide Juris) treuwidrig sei. Die Beklagte habe aufgrund des erheblichen Zeitablaufs nicht mehr damit rechnen müssen, dass noch eine weitere Äußerung der Klägerin zu dem Abrechnungsfall erfolge.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2011 hat die Klägerin die Klage zurückgenommen, soweit Zinsen für den Zeitraum vor dem 13. April 2006 begehrt wurden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. November 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat das angefochtene Urteil für zutreffend gehalten und vorgetragen, der Wortlaut der vertraglichen Bestimmung sei eindeutig und lasse die Auslegung der Beklagten nicht zu. Eine Bindung an die gemäß § 301 SGB V übermittelten Daten lasse sich der Bestimmung nicht entnehmen. Wäre eine solche Bindung gewollt gewesen, hätte sie problemlos formuliert werden können und müssen. Darüber hinaus könne eine endgültige Erledigung von Abrechnungsstreitigkeiten innerhalb von sechs Monaten ohnehin nicht erwartet werden, wenn zum Beispiel laufend korrespondiert oder eine Forderung gerichtlich geltend gemacht werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie auf die in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten und Unterlagen Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige (§§ 143, 144 und 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) Berufung ist nicht begründet, da das Sozialgericht die Beklagte zu Recht zur Zahlung von weiteren EUR 3.481.03 verurteilt hat.
Rechtsgrundlage des zulässigerweise mit der echten Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) geltend gemachten restlichen Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V, § 17b Abs. 1 S. 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz und § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz in seiner bis zum 24. März 2009 geltenden Fassung in Verbindung mit dem Fallpauschalenkatalog 2004 sowie dem Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten (BSG, Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R, Juris).
Die Krankenhausbehandlung der Versicherten A. war im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Ebenso unstreitig zwischen den Beteiligten ist, dass aufgrund der mit Schreiben vom 17. März 2006 mitgeteilten Nebendiagnosen die Fallpauschale G 03 A maßgeblich ist, was nach Abzug der Eigenbeteiligung der Versicherten dem geltend gemachten Rechnungsbetrag von EUR 12.487,05 entspricht.
Die Beklagte kann dem Anspruch der Klägerin auch nicht entgegenhalten, dass die Frist für die Geltendmachung des Anspruchs nach § 11 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V nicht eingehalten worden sei. § 11 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages bestimmt: "Nachdem die in § 301 SGB V vorgeschriebenen Daten der Krankenkasse zugeleitet worden sind, können Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung innerhalb von sechs Monaten geltend gemacht werden." In § 11 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages heißt es: "Die gleiche Frist gilt auch für Nachforderungen der Krankenhäuser."
Wie das Sozialgericht zu Recht entschieden hat, ist § 11 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil keine Nachforderung der Klägerin im Streit ist. Unter einer Nachforderung ist eine nachträgliche, zusätzliche Forderung zu verstehen (www.duden.de/rechtschreibung/Nachforderung). Es muss sich also nach dem Wortsinn um eine nachträglich geltend gemachte Forderung handeln, die über die ursprüngliche Forderung betragsmäßig hinausgeht. Dies ist hier nicht der Fall, vielmehr verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren nach vollständiger Erfüllung einer betragsmäßig unveränderten Zahlungsforderung weiter.
Die von der Beklagten vertretene Auffassung, eine Nachforderung liege auch dann vor, wenn die ursprüngliche Forderung weiterhin geltend gemacht, aber anders begründet werde, lässt sich mit dem Wortsinn der Vertragsregelung nicht vereinbaren. Der Austausch der Begründung für eine Zahlungsforderung ist etwas anderes als die Formulierung einer höheren als der ursprünglichen Zahlungsforderung. Auch die von der Beklagten angenommene Bindung an die gemäß § 301 SGB V übermittelten Daten findet im Vertragstext keine Stütze. Die Klägerin weist insoweit zu Recht darauf hin, dass eine derartige Bindung an die anfängliche Begründung der Forderung – wenn sie gewollt gewesen wäre – ausdrücklich hätte formuliert werden können und müssen. Dies ist aber nicht geschehen. Der Vertrag sperrt daher nach seinem Wortlaut nicht eine von den zunächst nach § 301 SGB V übermittelten Daten abweichende Begründung einer betragsmäßig unveränderten Zahlungsforderung eines Krankenhauses.
Auch aus Sinn und Zweck der in § 11 Abs. 2 des Vertrages enthaltenen Regelung ergibt sich keine andere Auslegung. Die Bestimmung bewirkt, dass sowohl die Krankenhäuser als auch die Krankenkassen nach einem absehbaren Zeitraum von sechs Monaten darauf vertrauen können, dass keine zusätzlichen Forderungen beziehungsweise Rückforderungen geltend gemacht werden. Demgegenüber kann sie entgegen der Ansicht der Beklagten nicht bewirken und deshalb auch nicht sinnvollerweise bezwecken, dass Abrechnungsfälle innerhalb von sechs Monaten erledigt sein müssen, da die Auseinandersetzung über eine fristgerecht erfolgte Beanstandung oder Nachforderung auch deutlich längere Zeit in Anspruch nehmen kann.
Schließlich ist die Geltendmachung des hier streitbefangenen Anspruchs auch nicht treuwidrig. Soweit die Beklagte sich hierfür auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 8. September 2009 und 17. Dezember 2009 (jeweils a.a.O.) bezogen hat, hat die Klägerin zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Entscheidungen Fallgestaltungen betreffen, in denen nachträglich über die ursprüngliche Rechnung hinausgehende Forderungen geltend gemacht wurden. Es ging dort also um echte Nachforderungen, was hier gerade nicht der Fall ist. Soweit das Bundessozialgericht darauf abgestellt hat, dass die Krankenkassen darauf angewiesen seien, aufgrund ihres laufenden Ausgabevolumens im Kalenderjahr die Höhe ihrer Beiträge zu kalkulieren und sich daher grundsätzlich auf die Schlussrechnung eines Krankenhauses verlassen können müssten (BSG, Urteil vom 08.09.2009, a.a.O.), greift diese Erwägung nicht, wenn die geltend gemachte Forderung – wie hier – durchgehend unverändert ist und lediglich die Begründung geändert wird. Soweit das Bundessozialgericht außerdem ausgeführt hat, es sei mit dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme unvereinbar, wenn nach Prüfung und Zahlung einer vorbehaltlos erteilten Schlussrechnung Nachforderungen erhoben würden und durch deren Prüfung der Krankenkasse ein Verwaltungsaufwand entstehe, der in einem unangemessenen Verhältnis zur Höhe der Nachforderung oder zum ursprünglichen Betrag stehe (BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O.), ist auch dies nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, da weder eine vorbehaltlose Zahlung erfolgt ist noch nachträglich ein höherer Betrag gefordert wurde. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, sie habe aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr mit einer weiteren Äußerung der Klägerin rechnen müssen, ist ihr schließlich entgegen zu halten, dass sie selbst nicht zur Beschleunigung des Verfahrens beigetragen hat, da es nach der mit Schreiben vom 13. Juli 2004 erfolgten Beanstandung der Rechnung über ein Jahr gedauert hat, bis die Stellungnahme des MDK vom 9. August 2005 vorlag.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 14 Satz 1 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V. Erfolgt die Zahlung nicht innerhalb der nach § 12 genannten Frist, kann das Krankenhaus nach Ablauf dieser Zahlungsfrist Zinsen in Höhe von 5 % p.a. ohne Anbindung an den Basiszinssatz verlangen. Gemäß § 12 Satz 1 des Vertrages beträgt die Zahlungsfrist für die Bezahlung der Krankenhausrechnung 15 Arbeitstage. Sie beginnt mit dem Vorliegen aller Daten nach § 301 SGB V (§ 12 Satz 2 des Vertrages). Da die korrigierten Daten nach § 301 SGB V der Beklagten am 22. März 2006 vorlagen, war die Zahlungsfrist am 12. April 2006 verstrichen, sodass der Zinsanspruch seit dem 13. April 2006 besteht. Mehr ist von der Klägerin zuletzt auch nicht begehrt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) oder Nr. 2 SGG (Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved