L 3 U 39/10

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 168/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 39/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 23. September 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Arbeits- (Schul-) unfalls streitig.

Der am XXXXX 2000 geborene Kläger – Sohn eines türkischen Staatsangehörigen und einer deutschen Staatsangehörigen türkischer Nationalität – besuchte im zweiten Halbjahr 2008 die zweite Klasse der Schule "L." (Grundschule, Beobachtungsstufe, Integrierte Haupt- und Realschule) in H., während seine am XXXXX 1997 geborene Schwester die Klasse der "F.Schule" (Grundschule) in H. besuchte. Nachdem bereits die Schwester des Klägers an einem vom türkischen Konsulat in H. organisierten muttersprachlichen Ergänzungsunterricht, welcher einmal wöchentlich Montagnachmittag in den Räumen der Schule F1 in H. stattfand, teilgenommen hatte, meldeten die Eltern auch den Kläger im Sommer 2008 zu einem derartigen Unterricht bei dem vom Konsulat gestellten Türkischlehrer A.J. an. Während der Teilnahme an dem Ergänzungsunterricht erlitt der Kläger am 29. September 2008 auf dem Pausenhof der Schule "F1" einen Unfall, bei welchem er sich Zahnverletzungen im Frontbereich zuzog, die eine über die Wachstumsphase hinaus andauernde Behandlung erfordern.

Auf Formblatt Unfallzeige für Kinder in Tageseinrichtungen, Schüler, Studierende zeigte die Schule L. den Unfall bei der Beklagten am 9. Oktober 2008 an. Beigefügt war ein Schreiben der Mutter des Klägers vom selben Tage, in welchem diese den Unfall unter Hinweis auf die Teilnahme am Sprachkurs für die türkische Sprache schilderte und darauf hinwies, dass der Lehrer A.Y. den Unfall gesehen habe. Die Beklage nahm Ermittlungen bei der Schule auf, die ergaben, dass lediglich der Unterrichtsraum von der Schule zur Verfügung gestellt, der Sprachkurs aber vom türkischen Konsulat durchgeführt wird. Eine Versicherung für die Teilnehmer bestehe über das Konsulat. Mit Bescheid vom 26. Januar 2009 lehnte sie die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 29. September 2008 mit der Begründung ab, dass es sich bei dem Sprachkurs um keine schulische Veranstaltung handele, weil er nicht im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule liege. Er sei vielmehr vom türkischen Konsulat als außerschulische Institution organisiert und durchgeführt worden. Das bloße zur Verfügung stellen von Räumlichkeiten durch die Schule reiche zur Begründung des Versicherungsschutzes nicht aus. Mit dem gegen diese Entscheidung eingelegten Widerspruch verwies der Kläger darauf, dass seine im März 1997 geborene Schwester ebenfalls an dem türkischen Ergänzungsunterricht teilgenommen habe und diese Teilnahme in dem Zeugnis der von ihr besuchten "F.-Schule" erwähnt worden sei. Er bzw. seine Eltern hätten daher davon ausgehen müssen, dass es sich bei dem Sprachunterricht um eine schulische Veranstaltung handele. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Türkischunterricht des Klägers sei weder von der Schule "L." noch von der Schule "F1", sondern vom türkischen Konsulat organisiert worden. Er habe somit im Gegensatz zu dem türkischen Ergänzungsunterricht der Schwester des Klägers, welcher nach Auskunft der "F.-Schule" eine schulische Veranstaltung gewesen sei, außerhalb des schulischen Verantwortungsbereichs stattgefunden.

Während des nachfolgenden Klageverfahrens, in welchem der Kläger sein Begehren weiterverfolgt hat, hat die Beklagte das auf ihre Anfrage ergangene Schreiben der Freien und Hansestadt H., Behörde für Schule und Berufsausbildung, vom 4. November 2009 eingereicht, nach welchem seitens der Behörde ein hohes bildungspolitisches Interesse an der Pflege der Herkunftssprache bestehe und sie deshalb bezüglich eines entsprechenden Unterrichts mit den Konsulaten verschiedener Staaten kooperiere und auf Anfrage bei der Organisation des herkunftssprachlichen Unterrichts in der Form helfe, dass Informationen über diese Angebote an die Familien geleitet und Räume in den staatlichen Schulen zur Verfügung gestellt werden. Allerdings werde der Unterricht nicht von der Schulpflicht umfasst. Nach dem H1 Schulgesetz könnten Schulzeugnisse auch von Dritten, wie z.B. den Konsulaten, aber auch von vertrauenswürdigen Partnern aus dem Sport oder der musischen Bildung, zertifizierte Leistungen und Fähigkeiten dokumentieren. Allerdings würden diese Informationen nicht Teil des Zeugnisses als Verwaltungsakt.

Durch Urteil vom 23. September 2010 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger am 29. September 2008 einen Schul- bzw. Arbeitsunfall erlitten habe. Der Kläger sei zum Zeitpunkt des Unfalls als versicherte Person einer versicherten Tätigkeit im Rahmen des § 2 Abs. 1 Nr. 8 b Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) nachgegangen. Er sei während des Besuchs der Schule "F1" im Rahmen des dort erteilten türkischen Ergänzungsunterrichts über die Beklagte versichert gewesen. Entscheidend sei insoweit das Gesamtbild der Veranstaltung, wie es sich für die unbefangenen Eltern und Schüler ergebe. Voraussetzung für den Versicherungsschutz einer Veranstaltung sei, dass die Durchführung im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule liege. Dies sei im Hinblick auf den regelmäßigen Besuch des türkischen Ergänzungsunterrichts in der Schule "F1" gegeben, da der Unterricht durch einen schulinternen Aushang in den Räumen der Schule für Schulkinder angeboten und durchgeführt worden sei. Bei dem Ergänzungsunterricht, der zwar nicht in den für den Kläger geltenden Lehrplan der Schule "L." aufgenommen gewesen sei, habe es sich trotzdem um eine schulische Veranstaltung gehandelt, weil er in den jeweiligen Schulzeugnissen wertend erwähnt worden sei und somit den Anschein einer schulischen Veranstaltung gesetzt habe. Auch wenn die Veranstaltung nicht in den Lehrplan aufgenommen ist, sei ein innerer Zusammenhang mit dem Schulbesuch gegeben, wenn Eltern und Schüler im Zeitpunkt der Durchführung der Veranstaltung davon ausgehen konnten, dass es sich um eine organisatorisch von der Schule als Schulveranstaltung getragene Unternehmung handelt. Dies könne im vorliegenden Fall unter der Berücksichtigung der Tatsache bejaht werden, dass bereits die ältere Schwester des Klägers den türkischen Ergänzungsunterricht besucht habe und ein entsprechender wertender Eintrag von ihrer Schule in das Zeugnis aufgenommen worden sei. Mit der wertenden Erwähnung des Besuchs des türkischen Ergänzungsunterrichts im Zeugnis der Schwester sei der Charakter einer schulischen Veranstaltung für Schüler und Eltern nach außen manifest geworden. Für einen solchen Charakter spreche auch die Ankündigung des Sprachunterrichts durch den Aushang der Schule und die organisatorische Bereitstellung der Räumlichkeiten sowie die Durchführung des Unterrichts durch einen der Schule "F1" angehörigen Lehrer. Dass entsprechende, vom jeweiligen Konsulat angebotene Veranstaltungen nicht von der Schulpflicht umfasst seien, sei unerheblich, da der Versicherungsschutz insbesondere unter Berücksichtigung schulischer Veranstaltungen, die auch im Rahmen von Schulfesten, Theaterarbeitsgemeinschaften oder Sportwettkämpfen ausgeübt werden könnten, nicht allein auf die Schulpflicht beschränke und von den Eltern und Schülern auch nicht als von der Schule getrennt angesehen werden, zumal dann nicht, wenn entsprechende Angebote über eine Schule verkündet und in den Räumlichkeiten der Schule durchgeführt würden.

Gegen das ihr am 6. Oktober 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25. Oktober 2010 Berufung eingelegt, mit der sie geltend macht, bei dem Sprachkurs, an dem der Kläger teilgenommen habe, handele es sich nach Aktenlage um einen vom türkischen Konsulat durchgeführten Kurs. Der unterrichtende Lehrer sei vom Konsulat beauftragt gewesen. Die Schule "F1" habe lediglich die Räume zur Verfügung gestellt. Die Vermutung des Klägers bzw. der Eltern, es handele sich um eine vom organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule umfasste Veranstaltung, ziehe keinen inneren Zusammenhang mit dem Schulbesuch nach sich. Vielmehr müsse die Verrichtung bzw. unfallbringende Tätigkeit vom organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule umfasst sein. Dies beurteile sich zum Beispiel durch Art und Umfang der Betreuung und Aufsicht sowie durch die finanzielle Gestaltung. Dies alles sei durch die Schule F1 nicht gegeben gewesen. Von einer schulischen Veranstaltung sei demgegenüber auszugehen, wenn eine Tätigkeit durch den Schulbesuch bedingt sei. Hierfür spreche, dass die Veranstaltung in den Lehrplan aufgenommen sei. Dies sei bei dem streitigen Sprachkurs nicht der Fall. Der muttersprachliche Unterricht stehe nicht unter Versicherungsschutz, wenn dieser durch einen privaten Träger wie dem Konsulat ohne Beteiligung eines Schulträgers und ohne Rang einer Ersatzschule abgehalten werde. Der Versicherungsschutz greife auch dann nicht, wenn der Kurs in Schulräumen durchgeführt werde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 23. September 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, das Sozialgericht habe der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben. Die Berufungsbegründung der Beklagten enthalte keinen Denkansatz für eine andere Betrachtungsweise.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2011 haben die Eltern des Klägers angegeben, dass im Abschlusszeugnis der Klasse 2 des Klägers vom 15. Juli 2009 der türkische Sprachunterricht nicht erwähnt ist, weil der Kläger nach dem Unfallereignis nicht mehr an diesem Unterricht teilgenommen habe. Sie haben ferner eingeräumt, dass ihnen bekannt gewesen sei, dass das Konsulat den Lehrer schickt, bei welchem persönlich sie ihr Kind auch angemeldet hätten. Allerdings sei diese Anmeldung nicht an das Konsulat weiter geleitet worden. Ihnen sei dann gesagt worden, dass eine Versicherung seitens des Konsulats nicht bestehe. Darüber hinaus haben sie die von der "F.-Schule" ausgestellten Zeugnisse der Schwester des Klägers vorgelegt, in denen für die Jahre 2004, 2005 und 2006 festgehalten ist, dass diese erfolgreich am türkischen Ergänzungsunterricht teilgenommen habe, während es für das Jahr 2007 heißt, dass sie regelmäßig und sehr erfolgreich den türkischen Ergänzungsunterricht des Konsulats der Republik Türkei besucht habe.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 11. Oktober 2011 aufgeführten Akten und Unterlagen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht der Klage auf Feststellung des Vorliegens eines Arbeits (Schul-) Unfalls unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide stattgegeben. Diese lassen aber Rechtsfehler zu Lasten des Klägers nicht erkennen. Denn der Kläger stand nicht unter dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung, als er am Nachmittag des 29. September 2008 auf dem Pausenhof der Schule "F1" durch ein anderes Kind verletzt wurde.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe b SGB VII sind kraft Gesetzes Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen versichert. Zum Zeitpunkt des Unfalls war der Kläger Schüler der allgemeinbildenden Schule "L.". Allein diese "besuchte" er im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe b SGB VII. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass der türkische Ergänzungsunterricht in Räumen der Schule F1 stattfand. Wie sich aus den vorgelegten Schulzeugnissen ergibt, ist der Kläger in die Schule "L." eingeschult worden. Mit ihr ist das Schulverhältnis im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 Hamburgisches Schulgesetz (HmBSG) begründet worden, welches nach § 28 Abs. 1 Satz 2 HmbSG solange fortbesteht, bis ein Schulwechsel vollzogen ist oder die Schulpflicht endet. Als Stammschule ist die Schule "L." für alle schulischen Belange des Klägers verantwortlich (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 2 HmbSG). Ausschließlich auf diese Schule bezieht sich mithin die Versicherung in der Schülerunfallversicherung.

Nach der zu § 539 Abs. 1 Nr. 14b Reichsversicherungsordnung, welche Vorschrift mit § 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe b SGB VII im Wortlaut übereinstimmt, ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, vgl. etwa Urteil vom 22. Februar 1973 – 2 RU 150/70 – juris Rn. 22 f.) ist das Merkmal "während des Besuchs von allgemeinbildenden Schulen" dahin zu verstehen, dass der Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift beschränkt ist auf diejenigen Veranstaltungen, die in den organisatorischen Verantwortungsbereich der besuchten Schule fallen. Damit ist der Kreis der Versicherten in der Schülerunfallversicherung, der so genannten unechten Unfallversicherung, enger gezogen, als in der Gesetzlichen Unfallversicherung der Beschäftigten. Während bei letzter der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit zur Begründung des Versicherungsschutzes ausreicht, bedarf es hierfür bei der Schülerunfallversicherung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Teilnahme an der Veranstaltung und dem Schulbesuch. Dieser ursächliche Zusammenhang ist nur dann gegeben, wenn die betreffende Veranstaltung von der besuchten Schule organisatorisch getragen wird. Dies gilt (selbstverständlich) für alle Lehrplanveranstaltungen, für nicht in den Lehrplan aufgenommene Veranstaltungen nur dann, wenn es sich um eine Veranstaltung der besuchten Schule handelt, diese mithin organisatorisch von ihr getragen wurde. Hiermit wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass Versicherungsschutz nur dann besteht, wenn die Schule die Möglichkeit hat, auf den Ablauf der Veranstaltung Einfluss zu nehmen und so die sich hieraus ergebenden Gefahren zu mindern. Versicherungsschutz ist hingegen nicht anzunehmen für Unfälle, die sich außerhalb des Bereichs jeder Einwirkungsmöglichkeit einer ordnungsgemäßen schulischen Aufsicht ereignen (BSG, a.a.O. Rn. 21). Versichert ist ein Schüler danach nicht nur während des Unterrichts und der Schulpausen, sondern auch während aller Schulveranstaltungen. Bestimmend dafür, ob eine Veranstaltung Schulveranstaltung ist, ist, dass sie (noch) in die Verantwortung der Schule fällt. Außerhalb dieses Verantwortungsbereichs besteht in der Regel kein Versicherungsschutz, auch nicht bei Verrichtungen, die durch den Schulbesuch wesentlich bedingt sind und deshalb an sich nach dem Recht der allgemeinen Unfallversicherung ihm zuzuordnen wären (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Dezember 2006 – L 9 U 781/05 –, m.w.N.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Versicherungsschutz des Klägers zum Zeitpunkt des Unfallereignisses vom 29. September 2008 nicht bejaht werden. Unstreitig wurde der türkische Ergänzungsunterricht nicht von der Schule des Klägers, sondern vom türkischen Konsulat organisiert, welches auch den Lehrer stellte und finanzierte. Darüber hinaus fand er nicht in der vom Kläger besuchten Schule "L." statt, sondern in Räumen der Schule "F1". Insoweit fehlt es an der unmittelbaren räumlichen Beziehung zur Schule des Klägers. Das gleiche gilt hinsichtlich der zeitlichen Beziehung, weil der Türkischunterricht am Montagnachmittag ab 14.00 Uhr stattfand, obwohl der normale Schulbesuch des Klägers bereits um 13.00 Uhr endete. Entscheidend ist aber, dass die beteiligten staatlichen Schulen, und zwar weder die Schule des Klägers noch diejenige, in deren Räumen der Unterricht abgehalten wurde, keinerlei Einfluss auf Art und Weise sowie Ablauf des Ergänzungsunterrichts hatte. Denn wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, war zum Unfallzeitpunkt der vom Konsulat gestellte Lehrer A.Y. anwesend. Eine personelle Begleitung durch Lehrer einer staatlichen Schule fand nicht statt. Dem Lehrer des Konsulats und nicht einem Angehörigen der staatlichen Schulverwaltung oblag die Aufsicht über die Veranstaltung. Das hohe bildungspolitische Interesse der Schulbehörde H. an der Durchführung eines derartigen Ergänzungsunterrichts, welches unter anderem dadurch zum Ausdruck kommt, dass an den Schulen Informationen über derartige Veranstaltungen durch Aushang verbreitet werden, vermag nichts daran zu ändern, dass die Veranstaltung selbst in den organisatorischen Verantwortungsbereichs des Konsulats und nicht der oder einer Schule fällt. Dies wäre bei Veranstaltungen von Volkshochschulen oder Sportvereinen, die ebenfalls häufig in Räumlichkeiten von Schulen stattfinden, nicht anders.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Behauptung der Eltern, sie hätten geglaubt, bei dem Sprachunterricht habe es sich um eine schulische Veranstaltung gehandelt. Diese Behauptung findet in den objektiven Fallumständen keine Stütze. Sie konnten schon deswegen nicht davon ausgehen, dass es sich um eine Veranstaltung der Schule ihres Sohnes handelte, weil sie wie die mündliche Verhandlung ergeben hat davon Kenntnis hatten, dass die Organisation des Ergänzungsunterrichts dem Konsulat oblag. Auch gingen sie wie die mündliche Verhandlung ebenfalls ergeben hat bei der Anmeldung davon aus, dass wie bei den anderen Teilnehmern des Ergänzungsunterrichts auch Versicherungsschutz über das Konsulat besteht und wandten sich erst an die Schule, als dies unter Hinweis auf die fehlende Anmeldung beim Konsulat verneint wurde.

Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts lässt sich auch aus der Entscheidung des BSG vom 23. Juni 1977 – 2 RU 25/77 – nichts anderes herleiten. Zwar stellt das Gericht in dieser Entscheidung darauf ab, dass immer dann, wenn die objektiven Umstände ergeben, dass eine Schulveranstaltung vorliegt, Versicherungsschutz später nicht mit Blick auf nachträglich bekannt gewordene Umstände (in jenem Fall das nach dem Ende der Veranstaltung bekannt gewordene Fehlen einer Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde) verneint werden darf. Ob dies so zu verstehen ist, dass Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Unfallversicherung in Abweichung von dem in § 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe b SGB VII gesetzlich geregelten Tatbestand im Einzelfall auch allein aufgrund Vertrauensschutzes gewährt wird, braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn selbst unter Zugrundelegung dieser Auffassung scheidet vorliegend Versicherungsschutz aus. Nicht nachträglich bekannt gewordene Umstände führen hier zur Versagung des Versicherungsschutzes. Vielmehr ergaben die objektiven Umstände für alle Beteiligten erkennbar von Anbeginn an, dass es sich nicht um eine von der Schule organisierte Veranstaltung handelte und die Teilnehmer nicht unter dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung standen. In diesem Zusammenhang macht auch die Erwähnung der erfolgreichen Teilnahme an einer außerschulischen Veranstaltung in einem Schulzeugnis diese nicht zu einer Schulveranstaltung. Insoweit hat die Behörde für Schule und Berufsausbildung in der von der Beklagten eingereichten Stellungnahme vom 4. November 2009 mit Blick auf das vorgelegte Zeugnis der Schwester der Klägerin dargelegt, dass Zeugnisse staatlicher Schulen auch "von Dritten zertifizierte Leistungen und Fähigkeiten" dokumentieren können und dies regelmäßig mit den Ergebnissen des vom Konsulat organisierten Sprachunterrichts wie auch Meldungen von anderen vertrauenswürdigen Partnern aus dem Sport oder der musischen Bildung geschehe. Eine derartige, die außerschulischen Leistungen eines Kindes honorierende Handhabungsweise lässt aber weder den vom Konsulat durchgeführten Sprachunterricht, noch die von einem Sportverein durchgeführte Leichtathletikveranstaltung oder gar das von einem privaten Chor unter Mitwirkung von Schülern organisierte Konzert zu einer unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden schulischen Veranstaltung werden. Im Übrigen mag die von der Schule insoweit in dem Zeugnis der Schwester vom 31. Januar 2007 verwendete Formulierung noch missverständlich sein, als dort der Hinweis auf die Trägerschaft des Konsulats fehlte. Spätestens durch das im der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegte erste Halbjahreszeugnis des Jahres 2007 der Schwester vom 11. Juli 2007 war aber durch die dort enthaltene Wendung " hat sehr erfolgreich den Ergänzungsunterricht des Konsulats der Republik Türkei besucht " klargestellt, dass es sich bei diesem Unterricht um keine Veranstaltung der Schule handelte. Vor diesem Hintergrund konnten die Eltern des Klägers bei Beginn des Ergänzungsunterrichts für diesen nicht darauf vertrauen, dass dieser Unterricht eine gesetzlich versicherte Veranstaltung der staatlichen deutschen Schule ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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