Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 34 AS 328/08
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 260/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.&8195;
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage und der Berufung gegen eine Erstattungsforderung des Beklagten wegen überzahlter Unterkunftskosten in einem Zeitraum von rund zweieinhalb Jahren.
Die Klägerin ist 1953 geboren, ledig und g. Staatsangehörige. Sie ist als junge Frau nach D. gekommen, nachdem sie in G. die Grundschule besucht hatte und danach eine Ausbildung durchlaufen hatte, die nach eigenen Angaben derjenigen einer Ausbildung zur technischen Zeichnerin am ehesten vergleichbar ist. Die Voraussetzungen um in D. als technische Zeichnerin zu arbeiten, waren damit jedoch nicht gegeben. In D. ist sie überwiegend in einfachen Tätigkeiten berufstätig gewesen, so zuletzt z.B. als Packerin im Fruchtgroßhandel.
Am 29. März 2005 hat die Klägerin Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten beantragt. Dabei hat sie in dem Formularantrag des Beklagten die Kosten für ihre Ein-Zimmer-Mietwohnung mit 299,11 EUR geltend gemacht. Beigefügt hatte sie eine Kopie ihres Mietvertrags vom 9. August 2000, wonach die fragliche Wohnung 455,00 DM Nettokaltmiete zuzüglich 130,00 DM Betriebskosten und somit eine Bruttowarmmiete von 585,00 DM kostete. Aus den ebenfalls beigefügten Kontoauszügen ergab sich ebenfalls eine monatliche Überweisung an den Vermieter i.H.v. 299,11 EUR. Der Beklagte leistete der Klägerin daraufhin aufgrund von Fortzahlungsanträgen u.a. die Unterkunftskosten, die (versehentlich) auf der im Mietvertrag in DM angegebenen Zahl von 455,00 jedoch in Euro beruhte. Laut Vermerk vom 23. August 2007 bemerkte der Beklagte, dass die bis dahin anerkannten Unterkunftskosten pauschal mit 455,00 EUR berücksichtigt worden sind und forderte die Klägerin mit Schreiben vom selben Datum auf, eine genaue Aufschlüsselung der Unterkunftskosten durch Nachweis des Vermieters zu übersenden. Am 26. September 2007 stellte er den Übertragungsfehler schließlich fest: Die im Mietvertrag noch angegebenen DM-Beträge seien als Euro-Beträge behandelt worden. Auch wenn es sich um Amtsverschulden gehandelt habe, hätte die Klägerin merken müssen, dass sie mehr Unterkunftskosten erhalte als tatsächlich gefordert werde. Ab dem Oktober 2007 wurden die Unterkunftskosten dann richtig erfasst. Insgesamt wurde eine Überzahlung von 5000,29 EUR festgestellt und die Klägerin mit Schreiben vom selben Datum zum Sachverhalt und der vom Beklagten beabsichtigten Erstattungsforderung angehört.
Mit Schreiben vom 23. Oktober 2010 hat der Bevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, seine Mandantin habe auf die Richtigkeit der Bewilligung der Leistungsbescheide vertraut. Sie habe keine falschen Angaben gemacht, denn als g. Staatsangehörige sei sie aufgrund ihrer schlechten d. Sprachkenntnisse nicht in der Lage, den Verwaltungsakt des Beklagten auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Die Fehlerhaftigkeit müsse sich auch aus dem Bescheid selbst ergeben. Das sei nicht der Fall, denn der Bescheid über die Bewilligung habe keine Berechnungsgrundlagen enthalten. Die Voraussetzungen, nach denen gemäß § 45 Abs. 2 S. 1 SGB X Bewilligungsbescheide zurückgenommen werden könnten, seien nicht erfüllt, da die Klägerin nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Die Klägerin habe gegenüber dem Beklagten korrekte Angaben gemacht und auch der Endbetrag der Leistungen, an denen sich orientiert habe, sei ihr nicht zu hoch vorgekommen. Die Klägerin habe die Leistungen auch verbraucht.
Mit Bescheid vom 2. November 2007 hat der Beklagte die Bewilligung der Kosten der Unterkunft für den Zeitraum 29. März 2005 bis 30. September 2007 teilweise zurückgenommen und einen Betrag von 5000,29 EUR zurückgefordert. Die teilweise Rücknahme beziehe sich auf die Bescheide vom 14. April 2005, 29. Dezember 2005, 13. März 2006, 28. November 2006, 13. März 2007 und 2. Juni 2007. Zur Begründung führte er aus, dass seit Beginn der Leistung bei der Berücksichtigung der Kaltmiete davon ausgegangen worden sei, dass es sich bei der im Mietvertrag ausgewiesenen Miete um Euro und nicht um DM handele. Hierdurch sei eine Überzahlung bei den Unterkunftskosten entstanden. Nach den Erkenntnissen des Beklagten sei der Klägerin bekannt gewesen, dass die Bewilligung fehlerhaft gewesen sei. Die Bewilligungsbescheide hätten bei den anerkannten Unterkunftskosten Euro ausgewiesen. Daran sei deutlich erkennbar gewesen, dass die Bescheide fehlerhaft gewesen sein. Es sei der Klägerin durchaus zuzumuten, wenn die Bewilligungsbescheide nicht verständlich seien, eine Vertrauensperson oder einen Mitarbeiter des Beklagten zur Klärung hinzuzuziehen. Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 9. November 2007 Widerspruch erhoben. Die Klägerin habe sämtliche Angaben richtig gemacht und im Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes die erhaltenen Leistungen verbraucht Ihr Vertrauen sei auch schutzwürdig, denn sie habe keinen Grund gehabt an der Richtigkeit der Bewilligungsbescheid enthaltenen Angaben zu zweifeln. Für sie sei lediglich der Endbetrag der gewährten Leistung erkennbar nicht aber wie sich der Betrag zusammensetze. Als Laie sei sie auch nicht verpflichtet zu wissen, wie die Leistungsbeträge sich ermittelten. Eine Offensichtlichkeit der Fehlerhaftigkeit des Bescheides sei nicht erkennbar. Ein Fehler sei nur dann offensichtlich, wenn schon die Berechnung der gewährten Leistung für die Personengruppe, der die Klägerin angehöre, nachvollziehbar sei. Das sei nicht der Fall.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2008 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, dass der Klägerin die Fehlerhaftigkeit der Bescheide hätte ins Auge springen müssen, da die Höhe der Bewilligung der Kosten der Unterkunft weit über die geschuldete Miete hinausgegangen sei. Die von der Klägerin geltend gemachte Nichtkenntnis von der Rechtswidrigkeit fraglichen Bescheide beruhe auf grober Fahrlässigkeit. Denn die von der Aufhebung betroffenen Bescheide hätten einfache Angaben zur Höhe der bewilligten monatlichen Gesamtleistung und zur Höhe der darin enthaltenen Leistungen für die Kosten der Unterkunft enthalten. So weist beispielsweise Bescheid vom 14. Februar 2005 eine monatliche Gesamtleistung von 800 EUR aus und beziffere die darin enthaltenen Leistungen für Unterkunftskosten einfach und klar verständlich auf 455 EUR. Zwar müsse die Klägerin, die korrekte Angaben gemacht hat die Bewilligungsbescheide nicht auf ihre Richtigkeit überprüfen. Ein Bescheid, der den zu Grunde gelegten Sachverhalt unzutreffend wiedergäbe, macht den mit einer bestimmten Rechtsmaterie nicht vertrauten Antragsteller darauf aufmerksam, dass der Bewilligungsbescheid nicht in Ordnung sei. Einen solchen in die Augen springenden Tatbestand, der, wie vorliegend, die Bewilligung von Leistungen für die Unterkunft, die über die geschuldete Miete weit hinausginge, betrifft, habe die Klägerin zur Kenntnis zu nehmen. Sie könne sich nicht darauf berufen, den Bewilligungsbescheid nicht oder nicht vollständig gelesen zu haben und nur deshalb keine Kenntnis von dessen Fehlerhaftigkeit erlangt zu haben.
Am 8. Februar 2008. die Klägerin hiergegen Klage vor dem Sozialgericht erhoben. Im Wesentlichen hat sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren vertieft; in der mündlichen Verhandlung dazu weiter vorgetragen, dass zu berücksichtigen sei, dass eine Vergleichbarkeit der geschuldeten Miete mit dem in den Bescheiden ausgewiesenen Betrag nicht ohne weiteres den Schluss zugelassen hätte, dass wir eine Überzahlung eingetreten sei. Zu berücksichtigen sei, dass in den bewilligten Kosten der Unterkunft auch ein Betrag für die Wasserkosten enthalten sei, der nicht gesondert Bescheid aufgeschlüsselt werde. Tatsächlich hätte die Klägerin etwa 377,65 EUR für die Kosten der Unterkunft inklusive Strom, Wasser und Betriebskosten aufzuwenden gehabt. Dieser Betrag bewege sich nicht so weit von den schließlich bewilligten 455 EUR bzw. 472 EUR, dass der Klägerin die Fehlerhaftigkeitsbescheides hätte ins Auge springen können. Dass die Klägerin diesen Fehler nicht bemerkt habe, obwohl sie bei genauerer Betrachtung in hätte bemerken können, fallen nicht in den Bereich der groben Fahrlässigkeit. Allenfalls sei das Merkmal der einfachen Fahrlässigkeit erfüllt, was aber für den Rücknahmetatbestand des § 45 SGB X nicht ausreiche. Der Beklagte hat beantragt die Klage abzuweisen und sich zur Begründung auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen. Ergänzend hat er vorgetragen, dass auch unter Berücksichtigung des Klagvorbringens die Klägerin hätte erkennen können, dass die Bewilligung der Kosten der Unterkunft ihr in dieser Höhe nicht zugestanden habe. Selbst wenn in den bewilligten 274,20 EUR Wasserkosten enthalten gewesen sein sollen, die nicht gesondert im Bescheid aufgeschlüsselt gewesen seien, hätte der Klägerin doch erkennbar sein können, dass der ihr angewiesene Betrag für die Kosten der Unterkunft weit über dem liege, was Sie tatsächlich an Kosten der Unterkunft inklusive der Nebenkosten zu zahlen gehabt hätte.
Mit Urteil vom 28. Mai 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Rücknahmevoraussetzungen von § 45 SGB X sei nicht erfüllt. Der Vertrauensschutz des §§ 45 Abs. 2 S. 2 SGB II sei durchbrochen, denn die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X seien vorliegend erfüllt. Die Klägerin habe zur Überzeugung des Gerichts infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt, dass die Bewilligungen von Anfang an rechtswidrig gewesen seien. Grobe Fahrlässigkeit läge dann vor, wenn die in der Personengruppe herrschende Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden sei, wenn außer Acht gelassen worden ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Dabei setze die grobe Fahrlässigkeit voraus, dass sich dem Begünstigten nach seinen individuellen Möglichkeiten, seine Bildungsgrad und seiner subjektiven Einsichtsfähigkeit Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids hätten aufdrängen müssen. Die Rechtswidrigkeit müsse sich ohne weitere Nachforschungen aus dem Bescheid selbst ergeben und es müsse anhand der Umstände und ganz nahe liegende Überlegungen einleuchtend und auffallen, dass der Bescheid fehlerhaft sei. Dabei sei auch in subjektiver Hinsicht ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden nötig. Bei komplizierten Berechnungen und maschinellen Verschlüsselungen ohne einen erklärenden Langtext werde in der Regel nicht von einer groben Fahrlässigkeit ausgegangen werden können. Vorliegend handele es sich nicht um komplizierte Berechnungen und maschinelle Verschlüsselung, die ohne Erklärenden Langtext nicht verständlich sein. Der dem jeweiligen Bewilligungsbescheid angefügte Berechnungsbogen weise in Tabellenform den Betrag der Regelleistungen für erwerbstätige Hilfebedürftige aus und führe unter der Rubrik "anerkannte monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung" den hierfür bewilligten Betrag auf. Im Falle der Bewilligungen an die Klägerin sei ein Betrag von 472 EUR eingetragen worden. Die Unterteilung in monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einerseits und Kosten für die Unterkunft und Heizung andererseits werde auch bereits im Bewilligungsbescheid selbst getroffen. Hieraus habe die Klägerin erkennen können, dass die bewilligte Leistung zu hoch gewesen sei und ihre tatsächlichen Kosten der Unterkunft nebst einem Betrag für Wasserkosten sich darin nicht widerspiegelten. Als Maßstab für die Kenntnis der Rechtswidrigkeit genüge eine entsprechende Parallelwertung in der Laiensphäre. Ein verständiger durchschnittlicher Leistungsempfänger, dessen Mietzahlungen seit über zehn Jahren in unverändert gleicher Höhe von ihm geleistet würden, kenne die Höhe seiner Miete. Der Klägerin habe demnach bekannt sein müssen, dass ihre Miete inklusive Heizkosten nach der EUR-Umstellung 299,11 EUR betragen habe. Dies sei der Zahlbetrag, den sie selbst an Ihren Vermieter überwiesen habe. Diesen Betrag hätte sie als Unterkunftskosten in ihrem Berechnungsbogen zu erwarten gehabt. Auch hindere der monatlich variierende Betrag für Wasser und Strom, der den Mietkosten stets hinzugedacht werden müsse, die grobe Fahrlässigkeit nicht, denn die Bewilligung für die anerkannten monatlichen Unterkunfts- und Heizungskosten gehe weit über die Warmmiete der Klägerin hinaus, so dass sich aus einem Vergleich der bewilligten Summe mit der tatsächlichen Mietzahlung und zuzüglich der ungefähren Kosten für Wasser und Strom der Klägerin hätte aufdrängen müssen, dass ihr der tatsächlich bewilligte Betrag nicht zugestanden habe.
Auch habe das Gericht dabei berücksichtigt, dass die Klägerin zutreffende Angaben gegenüber dem Beklagten gemacht habe. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben lasse sich herleiten, dass die Beteiligten in einem Sozialrechtsverhältnis verpflichtet seien, sich gegenseitig vor vermeidbarem Schaden zu bewahren. Daher müsse der Begünstigte den Bescheid lesen und zur Kenntnis nehmen. Es treffe ihn daher auch die Pflicht, die im Bescheid formulierte Begründung auch in Form von Zahlenangaben nachzuvollziehen. Diese Obliegenheit führe dazu, dass eine Begründung der Bewilligungsentscheidung, die den der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt wiedergäbe, auch einen rechtlich unkundigen Adressaten auf die Fehlerhaftigkeit der Bewilligung aufmerksam machen müsse, soweit diese augenfällig sei. Dies sei hier der Fall gewesen. Auch sei nicht zu erkennen, dass die Klägerin nach ihrem Bildungsgrad nicht in der Lage gewesen sei, die Bewilligung zu lesen und zu verstehen. Sie habe am Erwerbsleben teilgenommen. Aufforderungen, Unterlagen vorzulegen, sei sie stets nachgekommen. Es handele sich bei der Klägerin daher um eine verständige Leistungsempfängerin, die in ihrer Einsichts- und Wahrnehmungsfähigkeit nicht eingeschränkt sei.
Auch teile die Kammer die Auffassung der Klägerin nicht, wonach die tatsächlich ihr zustehende Leistung nicht so weit von der Bewilligung entfernt gewesen sei, dass dies eine Augenfälligkeit der Fehlerhaftigkeit der Bewilligung zu begründen vermöge. Die Tatsache, dass die Klägerin g. Staatsangehörigkeit sei und aufgrund ihrer schlechten d. Sprachkenntnisse nicht in der Lage gewesen sei, die Bewilligung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, führe nicht dazu, die grobe Fahrlässigkeit verneinen. In diesem Fall sei es der Klägerin zumutbar gewesen, sich der Hilfe von Personen zu bedienen, die der d. Sprache mächtig seien. Auch läge in dem vorliegenden Fall keine einfache Fahrlässigkeit. Aus dem Bescheid selbst ergebe sich ein viel zu hoher Bewilligungsbetrag alleine für die Unterkunfts- und Heizungskosten. Der Klägerin sei bekannt gewesen, welche Kosten sie für die Miete inklusive Heizung, Wasser und Strom aufbringe. Dieses habe den geleisteten Betrag von 472 EUR um mindestens 100 EUR unterschritten. Dieses verlasse den Bereich einfacher Fahrlässigkeit. Dabei sehe das Gericht auch, dass die Abgrenzung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit im Einzelfall schwierig sein könne und eine Wertungsfrage sei.
Das Urteil ist dem Bevollmächtigten der Klägerin am 7. August 2010 zugestellt worden.
Am 27. August 2010 hat die Klägerin die vorliegende Berufung erhoben. Zur Begründung wiederholt sie ihre Ausführungen vor dem Sozialgericht und betont noch einmal, dass die Fehlerhaftigkeit der fraglichen Bescheide ihr nicht ins Auge hätten springen müssen. Die Klägerin treffe keine Überprüfungspflicht der Bescheide. Sie habe auch erstmalig SGB II-Leistungen beantragt gehabt und darauf vertraut, dass die Behörde die ihr zustehende Leistung richtig berechnet. Zwar hätte sie bei sorgfältiger Prüfung und eigener Berechnung bemerken können, dass eine Überzahlung vorliege, keinesfalls aber hätte sie die Fehlerhaftigkeit ohne weiteres erkennen müssen. Der tatsächliche Betrag weiche nur ca. um 20 % vom geschuldeten Betrag ab. Auch ergäben sich die Unterkunftskosten aus verschiedenen Faktoren wie Kaltmiete, Betriebskostenvorauszahlung, Wasser etc., die im Bewilligungsbescheid nicht transparent aufgeschlüsselt würden. Die Abweichung sei daher gerade nicht durch einen simplen Vergleich der Hilfeleistung mit der Abbuchung des Vermieters ersichtlich gewesen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte die zu gewährenden Leistungen nicht durch einen Pauschalbetrag sondern im Rahmen der Bedürftigkeit unter Zugrundelegung der Angaben des Berechtigten bewilligte. Die Unrichtigkeit hätte sich für die Klägerin nur daraus ergeben können, dass sie selbstständig die Zusammensetzung der Leistungen überprüfe, den ihr zustehenden Anspruch selbst berechne und alsdann die von ihr festgestellten Beträge gegenüberstelle. Hierfür habe die Klägerin aber keinen Anlass gehabt, da sie auf die Richtigkeit der Bescheide habe vertrauen dürfen. Selbst unterstellt die Beträge seien für die Klägerin nachprüfbar gewesen, so ergäbe sich ein Verschulden nicht über den Rahmen der einfachen Fahrlässigkeit hinaus. Die Klägerin genieße daher Vertrauensschutz im Sinne des §§ 45 SGB II.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. Mai 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 2. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2008 in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung des Gerichts zu Protokoll erklärten Inhalts einer Erstattungsforderung i.H.v. 4.676,70 EUR aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung beruft er sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und die Entscheidungsgründe im erstinstanzlichen Urteil.
&8195;
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 143, 144 SGG).
Insbesondere ist das beklagte Jobcenter gemäß § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig und tritt an die Stelle der bisher beklagten ARGE. Der Beklagte steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes als (teil-) rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis entstanden ist (Luik, jurisPR-SozR 24/210 Anm. 1). Die gemeinsame Einrichtung ist im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenzuweisung Trägerin von Rechten und Pflichten und nimmt die Aufgaben der Träger wahr, indem sie insbesondere Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide erlässt (§ 44b Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II). Gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Berufungsverfahren unzulässige Klageänderung i.S. von §§ 99, 168 Satz 1 SGG dar (vgl. BSG Urteil vom 9.12.1987 - 10 RKg 5/85 - BSGE 62, 269, 270 f = SozR 1200 § 48 Nr. 14; BSG Urteil vom 18.7.2007 - B 12 P 4/06 R - BSGE 99, 15, 16 = SozR 4-3300 § 55 Nr. 1 und jüngst BSG Urteil vom 18.1.2011 – B 4 AS 99/10 R - in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl. 2008, § 168 RdNr 2c). Das Passivrubrum ist entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.
Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG). Die Berichterstatterin konnte als Einzelrichterin an Stelle des Senats entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
2. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Bewilligung von SGB-II-Leistungen teilweise aufgehoben und nach entsprechender Teilaufhebung der Erstattungsbescheide überzahlte Leistungen in einem Umfang von – nurmehr – 4.676,70 EUR zurückgefordert. Rechtsgrundlage der angefochtenen Behördenentscheidung ist § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach dieser Vorschrift darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nach Unanfechtbarkeit, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X schließt die Rücknahme aus, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Letzteres ist nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X in der Regel der Fall, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X allerdings dann nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Liegen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vor, ist der Verwaltungsakt abweichend von den allgemeinen Regelungen zwingend mit Wirkung auch für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III –) Bei der Rücknahme sind die Fristen des § 45 Abs. 3 und Abs. 4 SGB X zu beachten. In Anwendung dieser Grundsätze ist die Beklagte zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die zugunsten des Klägers erfolgte Bewilligung von SGB-II-Leistungen in dem von ihm geltend gemachten Umfang von Beginn an rechtswidrig war. Die hier streitige Leistungsbewilligung hätte nach den tatsächlich angefallenen Unterkunftskosten der Klägerin berechnet und im Ergebnis deutlich geringer gewährt werden müssen. Die zu hoch geleisteten Unterkunftskosten hatten ihren Grund in der durch den Beklagten fehlerhaft vorgenommenen Übertragung der im Mietvertrag der Klägerin als DM-Betrag ausgewiesenen Netto-Kaltmiete in Euro. Darüber hinaus ist die dementsprechende Rücknahmeentscheidung auch fristgerecht erfolgt. Dies hat das SG im Urteil vom 30.03.2006 ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Wie das SG ebenfalls in nicht zu beanstandender Weise entschieden hat, weshalb auch insoweit auf die Entscheidungsgründe verwiesen wird, steht der Teilrücknahme der Bewilligung von SGB-II-Leistungen für den Zeitraum vom 29. März 2005 bis 30. September 2007 auch kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin in den Bestand der Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheide vom 14. April 2005, 29. Dezember 2005, 13. März 2006, 28. November 2006, 13. März 2007 und 2. Juni 2007 entgegen. Die Klägerin vermag sich auf den von ihr geltend gemachten Vertrauensschutz nicht zu berufen. Denn sie hat die Rechtswidrigkeit der genannten Bewilligungsbescheide zumindest grob fahrlässig verkannt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X setzt nach der in dieser Vorschrift enthaltenen Legaldefinition voraus, dass der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist dann der Fall, wenn die in der fraglichen Personengruppe herrschende Sorgfaltspflicht in besonders hohem Maße verletzt worden ist, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt worden sind und daher nicht beachtet worden ist, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff). In subjektiver Hinsicht ist ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden nötig. Der Begünstigte muss unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit seine Sorgfaltspflichten in außergewöhnlich hohem Maße verletzt haben. Bezugspunkt für das grob fahrlässige Nichtwissen ist schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, also das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde. Allerdings können "Fehler im Bereich der Tatsachenermittlung oder im Bereich der Rechtsanwendung", auch wenn sie nicht Bezugspunkt des grob fahrlässigen Nichtwissens sind, Anhaltspunkt für den Begünstigten sein, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst zu erkennen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind. Dabei besteht zu Lasten des durch einen Verwaltungsakt Begünstigten die aus dem Sozialrechtsverhältnis herzuleitende Obliegenheit, den erteilten Bewilligungsbescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 08.02.2001 – B 11 AL 21/00 R – in SozR 3-1300 § 45 Nr. 45; von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2005, § 45 Rn. 54). Nach diesem Maßstab beruhte die Unkenntnis der Klägerin von der teilweisen Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bewilligung von SGB-II-Leistungen auf einer besonders schwerwiegenden Sorgfaltspflichtverletzung. Der Klägerin musste sich bei Erhalt der Bewilligungsbescheide angesichts der überhöht gewährten Unterkunftskosten, die unter keinem Aspekt mit den ihr entstehenden Mietkosten in Übereinstimmung zu bringen waren aufdrängen, dass die bewilligten Leistungen zu hoch und damit fehlerhaft berechnet waren. Ihr war, wie das SG in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt hat, ohne weiteres möglich, bereits anhand des ersten Bewilligungsbescheides vom 14. April 2005 die ihr auch als solche im Bescheid für Unterkunft und Heizung bezeichneten und gewährten Kosten in Höhe von damals noch 455,- EUR monatlich zu erkennen, mit den tatsächlich von der Klägerin an ihren Vermieter zu zahlenden Mietkosten in Höhe von 299,11 EUR zu vergleichen und eine erhebliche Differenz festzustellen. Hieraus musste sich für die Klägerin ergeben, dass die für Unterkunft und Heizung geleisteten Kosten weit über den von ihr tatsächlich für die Unterkunft anfallenden Kosten lagen. Dass dies nicht richtig sein konnte, ist augenfällig und hätte auch der Klägerin bewusst werden müssen. Auch hätte sich zumindest eine Nachfrage beim Beklagten, ob der für die Unterkunftskosten ausgewiesene Betrag richtig sein kann, aufgedrängt. Derartiges hat die Klägerin jedoch nicht unternommen, das trägt sie selbst schon nicht vor. Sie hat die fehlerhafte Leistungsbewilligung bis zur Aufdeckung durch den Beklagten ohne weitere Nachfragen entgegengenommen. Die Klägerin kann auch nicht mit dem Argument durchdringen, sie hätte die Bewilligungsbescheide nicht verstanden. Denn diese sind gerade im Falle der Klägerin besonders leicht nachzuvollziehen. Im Unterschied zu beispielsweise aus mehreren Personen mit unterschiedlichen Einkommen bestehenden Bedarfsgemeinschaften, bei denen Bewilligungsbescheide mehrere Seiten schwer nachvollziehbarer Berechnungen enthalten können, umfasst der für die Klägerin erstellte Berechnungsbogen in den fraglichen Bescheiden genau eine Seite. Er führt zunächst grundsätzlich die unterschiedlichen Höhen der Regelleistungen für alleinstehende und Kinder in den unterschiedlichen Altersstufen auf; im Anschluss ist in einem weiteren Block die konkrete Berechnung für die Klägerin zu finden, die aus genau drei Zahlen besteht: nämlich dem Betrag für die Regelleistung, dem Betrag für die Kosten für Unterkunft und Heizung und dem sich aus der Summe dieser beiden Beträge ergebenden Gesamtbetrag, der mit "Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft" bezeichnet wird und der der Klägerin auch per Überweisung auf Ihr Bankkonto zugegangen ist. Auch kann die Klägerin mit ihrem Vortrag, bei ihr sei aufgrund ihrer nur geringen Bildung von einer herabgesetzten Einsichtsfähigkeit auszugehen, so dass ihr die Fehlerhaftigkeit der Bescheide subjektiv nicht auffallen konnte, nicht durchdringen. Die Klägerin hat viele Jahre in D. am Erwerbsleben teilgenommen und gearbeitet. Sie hat ihr Leben mit allem, was üblicherweise dazugehört, organisieren und einwandfrei regeln können und gehört damit breiten Bevölkerungsschichten in D. an, deren Bildungsniveau vergleichbar ist. In der mündlichen Verhandlung des Gerichts hat sie auf Nachfrage erläutern können, welche Kosten bei ihr regelmäßig monatlich anfallen. Zögernde Antworten bei ganz einfachen Fragen der Vorsitzenden haben zusammen mit dem Gesamteindruck, den die Klägerin auf das Gericht gemacht hat, den Eindruck hinterlassen, dass die anwaltlich vertretene Klägerin um den ihr maßgeblichen Maßstab der Einsichtsfähigkeit gewusst hat und ein Interesse hatte, beim Gericht einen möglichst unkundigen und unselbstständigen Eindruck zu hinterlassen. Vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ist auch nicht deshalb abzuweichen, weil die Klägerin nur unzureichend d. spricht. Fehlende Sprachkenntnisse hindern das Vorliegen grober Fahrlässigkeit nicht. Es trifft die der d. Sprache nicht ausreichend Kundigen, worauf auch das SG nicht zu beanstandender Weise hingewiesen hat, die Pflicht, sich ggf. Klarheit zu verschaffen (BSG, Urteil vom 24.04.1997 – 11 RAr 89, 96 – in juris). Dies war der Klägerin auch möglich, nachdem sie seit vielen Jahren in D. lebt und hier integriert ist. Der gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X nach entsprechender Teilaufhebung der angefochtenen Bescheide durch den Beklagten noch zu erstattende Betrag von 4.676,70 EUR ist zutreffend errechnet. Auf Verbrauch der Leistung oder Fähigkeit zur Erstattung kommt es vorliegend nicht an. 3. Die Kostenentscheidung folgt gemäß § 193 SGG dem Ausgang des Verfahrens; die Klägerin hat daher die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen. &8195; 4. Gründe die Revision zuzulassen, sind nicht zu erkennen, da keiner der Zulassungsgründe nach § 160 SGG vorliegt. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits beruht auf der Beurteilung der Frage des Vorliegens grober Fahrlässigkeit anhand eines subjektiven Maßstabs. Diese Beurteilung stellt sich als eine der revisionsgerichtlichen Prüfung weitgehend entzogene tatrichterliche Würdigung dar (vgl. BSG vom 28.11.1978, Az. 4 RJ 130/77, BSGE 47,180 und Beschluss vom 24.10.2011, Az. B 14 AS 45/11 B in juris).
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage und der Berufung gegen eine Erstattungsforderung des Beklagten wegen überzahlter Unterkunftskosten in einem Zeitraum von rund zweieinhalb Jahren.
Die Klägerin ist 1953 geboren, ledig und g. Staatsangehörige. Sie ist als junge Frau nach D. gekommen, nachdem sie in G. die Grundschule besucht hatte und danach eine Ausbildung durchlaufen hatte, die nach eigenen Angaben derjenigen einer Ausbildung zur technischen Zeichnerin am ehesten vergleichbar ist. Die Voraussetzungen um in D. als technische Zeichnerin zu arbeiten, waren damit jedoch nicht gegeben. In D. ist sie überwiegend in einfachen Tätigkeiten berufstätig gewesen, so zuletzt z.B. als Packerin im Fruchtgroßhandel.
Am 29. März 2005 hat die Klägerin Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten beantragt. Dabei hat sie in dem Formularantrag des Beklagten die Kosten für ihre Ein-Zimmer-Mietwohnung mit 299,11 EUR geltend gemacht. Beigefügt hatte sie eine Kopie ihres Mietvertrags vom 9. August 2000, wonach die fragliche Wohnung 455,00 DM Nettokaltmiete zuzüglich 130,00 DM Betriebskosten und somit eine Bruttowarmmiete von 585,00 DM kostete. Aus den ebenfalls beigefügten Kontoauszügen ergab sich ebenfalls eine monatliche Überweisung an den Vermieter i.H.v. 299,11 EUR. Der Beklagte leistete der Klägerin daraufhin aufgrund von Fortzahlungsanträgen u.a. die Unterkunftskosten, die (versehentlich) auf der im Mietvertrag in DM angegebenen Zahl von 455,00 jedoch in Euro beruhte. Laut Vermerk vom 23. August 2007 bemerkte der Beklagte, dass die bis dahin anerkannten Unterkunftskosten pauschal mit 455,00 EUR berücksichtigt worden sind und forderte die Klägerin mit Schreiben vom selben Datum auf, eine genaue Aufschlüsselung der Unterkunftskosten durch Nachweis des Vermieters zu übersenden. Am 26. September 2007 stellte er den Übertragungsfehler schließlich fest: Die im Mietvertrag noch angegebenen DM-Beträge seien als Euro-Beträge behandelt worden. Auch wenn es sich um Amtsverschulden gehandelt habe, hätte die Klägerin merken müssen, dass sie mehr Unterkunftskosten erhalte als tatsächlich gefordert werde. Ab dem Oktober 2007 wurden die Unterkunftskosten dann richtig erfasst. Insgesamt wurde eine Überzahlung von 5000,29 EUR festgestellt und die Klägerin mit Schreiben vom selben Datum zum Sachverhalt und der vom Beklagten beabsichtigten Erstattungsforderung angehört.
Mit Schreiben vom 23. Oktober 2010 hat der Bevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, seine Mandantin habe auf die Richtigkeit der Bewilligung der Leistungsbescheide vertraut. Sie habe keine falschen Angaben gemacht, denn als g. Staatsangehörige sei sie aufgrund ihrer schlechten d. Sprachkenntnisse nicht in der Lage, den Verwaltungsakt des Beklagten auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Die Fehlerhaftigkeit müsse sich auch aus dem Bescheid selbst ergeben. Das sei nicht der Fall, denn der Bescheid über die Bewilligung habe keine Berechnungsgrundlagen enthalten. Die Voraussetzungen, nach denen gemäß § 45 Abs. 2 S. 1 SGB X Bewilligungsbescheide zurückgenommen werden könnten, seien nicht erfüllt, da die Klägerin nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Die Klägerin habe gegenüber dem Beklagten korrekte Angaben gemacht und auch der Endbetrag der Leistungen, an denen sich orientiert habe, sei ihr nicht zu hoch vorgekommen. Die Klägerin habe die Leistungen auch verbraucht.
Mit Bescheid vom 2. November 2007 hat der Beklagte die Bewilligung der Kosten der Unterkunft für den Zeitraum 29. März 2005 bis 30. September 2007 teilweise zurückgenommen und einen Betrag von 5000,29 EUR zurückgefordert. Die teilweise Rücknahme beziehe sich auf die Bescheide vom 14. April 2005, 29. Dezember 2005, 13. März 2006, 28. November 2006, 13. März 2007 und 2. Juni 2007. Zur Begründung führte er aus, dass seit Beginn der Leistung bei der Berücksichtigung der Kaltmiete davon ausgegangen worden sei, dass es sich bei der im Mietvertrag ausgewiesenen Miete um Euro und nicht um DM handele. Hierdurch sei eine Überzahlung bei den Unterkunftskosten entstanden. Nach den Erkenntnissen des Beklagten sei der Klägerin bekannt gewesen, dass die Bewilligung fehlerhaft gewesen sei. Die Bewilligungsbescheide hätten bei den anerkannten Unterkunftskosten Euro ausgewiesen. Daran sei deutlich erkennbar gewesen, dass die Bescheide fehlerhaft gewesen sein. Es sei der Klägerin durchaus zuzumuten, wenn die Bewilligungsbescheide nicht verständlich seien, eine Vertrauensperson oder einen Mitarbeiter des Beklagten zur Klärung hinzuzuziehen. Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 9. November 2007 Widerspruch erhoben. Die Klägerin habe sämtliche Angaben richtig gemacht und im Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes die erhaltenen Leistungen verbraucht Ihr Vertrauen sei auch schutzwürdig, denn sie habe keinen Grund gehabt an der Richtigkeit der Bewilligungsbescheid enthaltenen Angaben zu zweifeln. Für sie sei lediglich der Endbetrag der gewährten Leistung erkennbar nicht aber wie sich der Betrag zusammensetze. Als Laie sei sie auch nicht verpflichtet zu wissen, wie die Leistungsbeträge sich ermittelten. Eine Offensichtlichkeit der Fehlerhaftigkeit des Bescheides sei nicht erkennbar. Ein Fehler sei nur dann offensichtlich, wenn schon die Berechnung der gewährten Leistung für die Personengruppe, der die Klägerin angehöre, nachvollziehbar sei. Das sei nicht der Fall.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2008 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, dass der Klägerin die Fehlerhaftigkeit der Bescheide hätte ins Auge springen müssen, da die Höhe der Bewilligung der Kosten der Unterkunft weit über die geschuldete Miete hinausgegangen sei. Die von der Klägerin geltend gemachte Nichtkenntnis von der Rechtswidrigkeit fraglichen Bescheide beruhe auf grober Fahrlässigkeit. Denn die von der Aufhebung betroffenen Bescheide hätten einfache Angaben zur Höhe der bewilligten monatlichen Gesamtleistung und zur Höhe der darin enthaltenen Leistungen für die Kosten der Unterkunft enthalten. So weist beispielsweise Bescheid vom 14. Februar 2005 eine monatliche Gesamtleistung von 800 EUR aus und beziffere die darin enthaltenen Leistungen für Unterkunftskosten einfach und klar verständlich auf 455 EUR. Zwar müsse die Klägerin, die korrekte Angaben gemacht hat die Bewilligungsbescheide nicht auf ihre Richtigkeit überprüfen. Ein Bescheid, der den zu Grunde gelegten Sachverhalt unzutreffend wiedergäbe, macht den mit einer bestimmten Rechtsmaterie nicht vertrauten Antragsteller darauf aufmerksam, dass der Bewilligungsbescheid nicht in Ordnung sei. Einen solchen in die Augen springenden Tatbestand, der, wie vorliegend, die Bewilligung von Leistungen für die Unterkunft, die über die geschuldete Miete weit hinausginge, betrifft, habe die Klägerin zur Kenntnis zu nehmen. Sie könne sich nicht darauf berufen, den Bewilligungsbescheid nicht oder nicht vollständig gelesen zu haben und nur deshalb keine Kenntnis von dessen Fehlerhaftigkeit erlangt zu haben.
Am 8. Februar 2008. die Klägerin hiergegen Klage vor dem Sozialgericht erhoben. Im Wesentlichen hat sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren vertieft; in der mündlichen Verhandlung dazu weiter vorgetragen, dass zu berücksichtigen sei, dass eine Vergleichbarkeit der geschuldeten Miete mit dem in den Bescheiden ausgewiesenen Betrag nicht ohne weiteres den Schluss zugelassen hätte, dass wir eine Überzahlung eingetreten sei. Zu berücksichtigen sei, dass in den bewilligten Kosten der Unterkunft auch ein Betrag für die Wasserkosten enthalten sei, der nicht gesondert Bescheid aufgeschlüsselt werde. Tatsächlich hätte die Klägerin etwa 377,65 EUR für die Kosten der Unterkunft inklusive Strom, Wasser und Betriebskosten aufzuwenden gehabt. Dieser Betrag bewege sich nicht so weit von den schließlich bewilligten 455 EUR bzw. 472 EUR, dass der Klägerin die Fehlerhaftigkeitsbescheides hätte ins Auge springen können. Dass die Klägerin diesen Fehler nicht bemerkt habe, obwohl sie bei genauerer Betrachtung in hätte bemerken können, fallen nicht in den Bereich der groben Fahrlässigkeit. Allenfalls sei das Merkmal der einfachen Fahrlässigkeit erfüllt, was aber für den Rücknahmetatbestand des § 45 SGB X nicht ausreiche. Der Beklagte hat beantragt die Klage abzuweisen und sich zur Begründung auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen. Ergänzend hat er vorgetragen, dass auch unter Berücksichtigung des Klagvorbringens die Klägerin hätte erkennen können, dass die Bewilligung der Kosten der Unterkunft ihr in dieser Höhe nicht zugestanden habe. Selbst wenn in den bewilligten 274,20 EUR Wasserkosten enthalten gewesen sein sollen, die nicht gesondert im Bescheid aufgeschlüsselt gewesen seien, hätte der Klägerin doch erkennbar sein können, dass der ihr angewiesene Betrag für die Kosten der Unterkunft weit über dem liege, was Sie tatsächlich an Kosten der Unterkunft inklusive der Nebenkosten zu zahlen gehabt hätte.
Mit Urteil vom 28. Mai 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Rücknahmevoraussetzungen von § 45 SGB X sei nicht erfüllt. Der Vertrauensschutz des §§ 45 Abs. 2 S. 2 SGB II sei durchbrochen, denn die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X seien vorliegend erfüllt. Die Klägerin habe zur Überzeugung des Gerichts infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt, dass die Bewilligungen von Anfang an rechtswidrig gewesen seien. Grobe Fahrlässigkeit läge dann vor, wenn die in der Personengruppe herrschende Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden sei, wenn außer Acht gelassen worden ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Dabei setze die grobe Fahrlässigkeit voraus, dass sich dem Begünstigten nach seinen individuellen Möglichkeiten, seine Bildungsgrad und seiner subjektiven Einsichtsfähigkeit Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids hätten aufdrängen müssen. Die Rechtswidrigkeit müsse sich ohne weitere Nachforschungen aus dem Bescheid selbst ergeben und es müsse anhand der Umstände und ganz nahe liegende Überlegungen einleuchtend und auffallen, dass der Bescheid fehlerhaft sei. Dabei sei auch in subjektiver Hinsicht ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden nötig. Bei komplizierten Berechnungen und maschinellen Verschlüsselungen ohne einen erklärenden Langtext werde in der Regel nicht von einer groben Fahrlässigkeit ausgegangen werden können. Vorliegend handele es sich nicht um komplizierte Berechnungen und maschinelle Verschlüsselung, die ohne Erklärenden Langtext nicht verständlich sein. Der dem jeweiligen Bewilligungsbescheid angefügte Berechnungsbogen weise in Tabellenform den Betrag der Regelleistungen für erwerbstätige Hilfebedürftige aus und führe unter der Rubrik "anerkannte monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung" den hierfür bewilligten Betrag auf. Im Falle der Bewilligungen an die Klägerin sei ein Betrag von 472 EUR eingetragen worden. Die Unterteilung in monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einerseits und Kosten für die Unterkunft und Heizung andererseits werde auch bereits im Bewilligungsbescheid selbst getroffen. Hieraus habe die Klägerin erkennen können, dass die bewilligte Leistung zu hoch gewesen sei und ihre tatsächlichen Kosten der Unterkunft nebst einem Betrag für Wasserkosten sich darin nicht widerspiegelten. Als Maßstab für die Kenntnis der Rechtswidrigkeit genüge eine entsprechende Parallelwertung in der Laiensphäre. Ein verständiger durchschnittlicher Leistungsempfänger, dessen Mietzahlungen seit über zehn Jahren in unverändert gleicher Höhe von ihm geleistet würden, kenne die Höhe seiner Miete. Der Klägerin habe demnach bekannt sein müssen, dass ihre Miete inklusive Heizkosten nach der EUR-Umstellung 299,11 EUR betragen habe. Dies sei der Zahlbetrag, den sie selbst an Ihren Vermieter überwiesen habe. Diesen Betrag hätte sie als Unterkunftskosten in ihrem Berechnungsbogen zu erwarten gehabt. Auch hindere der monatlich variierende Betrag für Wasser und Strom, der den Mietkosten stets hinzugedacht werden müsse, die grobe Fahrlässigkeit nicht, denn die Bewilligung für die anerkannten monatlichen Unterkunfts- und Heizungskosten gehe weit über die Warmmiete der Klägerin hinaus, so dass sich aus einem Vergleich der bewilligten Summe mit der tatsächlichen Mietzahlung und zuzüglich der ungefähren Kosten für Wasser und Strom der Klägerin hätte aufdrängen müssen, dass ihr der tatsächlich bewilligte Betrag nicht zugestanden habe.
Auch habe das Gericht dabei berücksichtigt, dass die Klägerin zutreffende Angaben gegenüber dem Beklagten gemacht habe. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben lasse sich herleiten, dass die Beteiligten in einem Sozialrechtsverhältnis verpflichtet seien, sich gegenseitig vor vermeidbarem Schaden zu bewahren. Daher müsse der Begünstigte den Bescheid lesen und zur Kenntnis nehmen. Es treffe ihn daher auch die Pflicht, die im Bescheid formulierte Begründung auch in Form von Zahlenangaben nachzuvollziehen. Diese Obliegenheit führe dazu, dass eine Begründung der Bewilligungsentscheidung, die den der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt wiedergäbe, auch einen rechtlich unkundigen Adressaten auf die Fehlerhaftigkeit der Bewilligung aufmerksam machen müsse, soweit diese augenfällig sei. Dies sei hier der Fall gewesen. Auch sei nicht zu erkennen, dass die Klägerin nach ihrem Bildungsgrad nicht in der Lage gewesen sei, die Bewilligung zu lesen und zu verstehen. Sie habe am Erwerbsleben teilgenommen. Aufforderungen, Unterlagen vorzulegen, sei sie stets nachgekommen. Es handele sich bei der Klägerin daher um eine verständige Leistungsempfängerin, die in ihrer Einsichts- und Wahrnehmungsfähigkeit nicht eingeschränkt sei.
Auch teile die Kammer die Auffassung der Klägerin nicht, wonach die tatsächlich ihr zustehende Leistung nicht so weit von der Bewilligung entfernt gewesen sei, dass dies eine Augenfälligkeit der Fehlerhaftigkeit der Bewilligung zu begründen vermöge. Die Tatsache, dass die Klägerin g. Staatsangehörigkeit sei und aufgrund ihrer schlechten d. Sprachkenntnisse nicht in der Lage gewesen sei, die Bewilligung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, führe nicht dazu, die grobe Fahrlässigkeit verneinen. In diesem Fall sei es der Klägerin zumutbar gewesen, sich der Hilfe von Personen zu bedienen, die der d. Sprache mächtig seien. Auch läge in dem vorliegenden Fall keine einfache Fahrlässigkeit. Aus dem Bescheid selbst ergebe sich ein viel zu hoher Bewilligungsbetrag alleine für die Unterkunfts- und Heizungskosten. Der Klägerin sei bekannt gewesen, welche Kosten sie für die Miete inklusive Heizung, Wasser und Strom aufbringe. Dieses habe den geleisteten Betrag von 472 EUR um mindestens 100 EUR unterschritten. Dieses verlasse den Bereich einfacher Fahrlässigkeit. Dabei sehe das Gericht auch, dass die Abgrenzung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit im Einzelfall schwierig sein könne und eine Wertungsfrage sei.
Das Urteil ist dem Bevollmächtigten der Klägerin am 7. August 2010 zugestellt worden.
Am 27. August 2010 hat die Klägerin die vorliegende Berufung erhoben. Zur Begründung wiederholt sie ihre Ausführungen vor dem Sozialgericht und betont noch einmal, dass die Fehlerhaftigkeit der fraglichen Bescheide ihr nicht ins Auge hätten springen müssen. Die Klägerin treffe keine Überprüfungspflicht der Bescheide. Sie habe auch erstmalig SGB II-Leistungen beantragt gehabt und darauf vertraut, dass die Behörde die ihr zustehende Leistung richtig berechnet. Zwar hätte sie bei sorgfältiger Prüfung und eigener Berechnung bemerken können, dass eine Überzahlung vorliege, keinesfalls aber hätte sie die Fehlerhaftigkeit ohne weiteres erkennen müssen. Der tatsächliche Betrag weiche nur ca. um 20 % vom geschuldeten Betrag ab. Auch ergäben sich die Unterkunftskosten aus verschiedenen Faktoren wie Kaltmiete, Betriebskostenvorauszahlung, Wasser etc., die im Bewilligungsbescheid nicht transparent aufgeschlüsselt würden. Die Abweichung sei daher gerade nicht durch einen simplen Vergleich der Hilfeleistung mit der Abbuchung des Vermieters ersichtlich gewesen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte die zu gewährenden Leistungen nicht durch einen Pauschalbetrag sondern im Rahmen der Bedürftigkeit unter Zugrundelegung der Angaben des Berechtigten bewilligte. Die Unrichtigkeit hätte sich für die Klägerin nur daraus ergeben können, dass sie selbstständig die Zusammensetzung der Leistungen überprüfe, den ihr zustehenden Anspruch selbst berechne und alsdann die von ihr festgestellten Beträge gegenüberstelle. Hierfür habe die Klägerin aber keinen Anlass gehabt, da sie auf die Richtigkeit der Bescheide habe vertrauen dürfen. Selbst unterstellt die Beträge seien für die Klägerin nachprüfbar gewesen, so ergäbe sich ein Verschulden nicht über den Rahmen der einfachen Fahrlässigkeit hinaus. Die Klägerin genieße daher Vertrauensschutz im Sinne des §§ 45 SGB II.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. Mai 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 2. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2008 in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung des Gerichts zu Protokoll erklärten Inhalts einer Erstattungsforderung i.H.v. 4.676,70 EUR aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung beruft er sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und die Entscheidungsgründe im erstinstanzlichen Urteil.
&8195;
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 143, 144 SGG).
Insbesondere ist das beklagte Jobcenter gemäß § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig und tritt an die Stelle der bisher beklagten ARGE. Der Beklagte steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes als (teil-) rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis entstanden ist (Luik, jurisPR-SozR 24/210 Anm. 1). Die gemeinsame Einrichtung ist im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenzuweisung Trägerin von Rechten und Pflichten und nimmt die Aufgaben der Träger wahr, indem sie insbesondere Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide erlässt (§ 44b Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II). Gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Berufungsverfahren unzulässige Klageänderung i.S. von §§ 99, 168 Satz 1 SGG dar (vgl. BSG Urteil vom 9.12.1987 - 10 RKg 5/85 - BSGE 62, 269, 270 f = SozR 1200 § 48 Nr. 14; BSG Urteil vom 18.7.2007 - B 12 P 4/06 R - BSGE 99, 15, 16 = SozR 4-3300 § 55 Nr. 1 und jüngst BSG Urteil vom 18.1.2011 – B 4 AS 99/10 R - in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl. 2008, § 168 RdNr 2c). Das Passivrubrum ist entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.
Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG). Die Berichterstatterin konnte als Einzelrichterin an Stelle des Senats entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
2. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Bewilligung von SGB-II-Leistungen teilweise aufgehoben und nach entsprechender Teilaufhebung der Erstattungsbescheide überzahlte Leistungen in einem Umfang von – nurmehr – 4.676,70 EUR zurückgefordert. Rechtsgrundlage der angefochtenen Behördenentscheidung ist § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach dieser Vorschrift darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nach Unanfechtbarkeit, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X schließt die Rücknahme aus, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Letzteres ist nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X in der Regel der Fall, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X allerdings dann nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Liegen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vor, ist der Verwaltungsakt abweichend von den allgemeinen Regelungen zwingend mit Wirkung auch für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III –) Bei der Rücknahme sind die Fristen des § 45 Abs. 3 und Abs. 4 SGB X zu beachten. In Anwendung dieser Grundsätze ist die Beklagte zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die zugunsten des Klägers erfolgte Bewilligung von SGB-II-Leistungen in dem von ihm geltend gemachten Umfang von Beginn an rechtswidrig war. Die hier streitige Leistungsbewilligung hätte nach den tatsächlich angefallenen Unterkunftskosten der Klägerin berechnet und im Ergebnis deutlich geringer gewährt werden müssen. Die zu hoch geleisteten Unterkunftskosten hatten ihren Grund in der durch den Beklagten fehlerhaft vorgenommenen Übertragung der im Mietvertrag der Klägerin als DM-Betrag ausgewiesenen Netto-Kaltmiete in Euro. Darüber hinaus ist die dementsprechende Rücknahmeentscheidung auch fristgerecht erfolgt. Dies hat das SG im Urteil vom 30.03.2006 ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Wie das SG ebenfalls in nicht zu beanstandender Weise entschieden hat, weshalb auch insoweit auf die Entscheidungsgründe verwiesen wird, steht der Teilrücknahme der Bewilligung von SGB-II-Leistungen für den Zeitraum vom 29. März 2005 bis 30. September 2007 auch kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin in den Bestand der Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheide vom 14. April 2005, 29. Dezember 2005, 13. März 2006, 28. November 2006, 13. März 2007 und 2. Juni 2007 entgegen. Die Klägerin vermag sich auf den von ihr geltend gemachten Vertrauensschutz nicht zu berufen. Denn sie hat die Rechtswidrigkeit der genannten Bewilligungsbescheide zumindest grob fahrlässig verkannt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X setzt nach der in dieser Vorschrift enthaltenen Legaldefinition voraus, dass der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist dann der Fall, wenn die in der fraglichen Personengruppe herrschende Sorgfaltspflicht in besonders hohem Maße verletzt worden ist, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt worden sind und daher nicht beachtet worden ist, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff). In subjektiver Hinsicht ist ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden nötig. Der Begünstigte muss unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit seine Sorgfaltspflichten in außergewöhnlich hohem Maße verletzt haben. Bezugspunkt für das grob fahrlässige Nichtwissen ist schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, also das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde. Allerdings können "Fehler im Bereich der Tatsachenermittlung oder im Bereich der Rechtsanwendung", auch wenn sie nicht Bezugspunkt des grob fahrlässigen Nichtwissens sind, Anhaltspunkt für den Begünstigten sein, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst zu erkennen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind. Dabei besteht zu Lasten des durch einen Verwaltungsakt Begünstigten die aus dem Sozialrechtsverhältnis herzuleitende Obliegenheit, den erteilten Bewilligungsbescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 08.02.2001 – B 11 AL 21/00 R – in SozR 3-1300 § 45 Nr. 45; von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2005, § 45 Rn. 54). Nach diesem Maßstab beruhte die Unkenntnis der Klägerin von der teilweisen Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bewilligung von SGB-II-Leistungen auf einer besonders schwerwiegenden Sorgfaltspflichtverletzung. Der Klägerin musste sich bei Erhalt der Bewilligungsbescheide angesichts der überhöht gewährten Unterkunftskosten, die unter keinem Aspekt mit den ihr entstehenden Mietkosten in Übereinstimmung zu bringen waren aufdrängen, dass die bewilligten Leistungen zu hoch und damit fehlerhaft berechnet waren. Ihr war, wie das SG in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt hat, ohne weiteres möglich, bereits anhand des ersten Bewilligungsbescheides vom 14. April 2005 die ihr auch als solche im Bescheid für Unterkunft und Heizung bezeichneten und gewährten Kosten in Höhe von damals noch 455,- EUR monatlich zu erkennen, mit den tatsächlich von der Klägerin an ihren Vermieter zu zahlenden Mietkosten in Höhe von 299,11 EUR zu vergleichen und eine erhebliche Differenz festzustellen. Hieraus musste sich für die Klägerin ergeben, dass die für Unterkunft und Heizung geleisteten Kosten weit über den von ihr tatsächlich für die Unterkunft anfallenden Kosten lagen. Dass dies nicht richtig sein konnte, ist augenfällig und hätte auch der Klägerin bewusst werden müssen. Auch hätte sich zumindest eine Nachfrage beim Beklagten, ob der für die Unterkunftskosten ausgewiesene Betrag richtig sein kann, aufgedrängt. Derartiges hat die Klägerin jedoch nicht unternommen, das trägt sie selbst schon nicht vor. Sie hat die fehlerhafte Leistungsbewilligung bis zur Aufdeckung durch den Beklagten ohne weitere Nachfragen entgegengenommen. Die Klägerin kann auch nicht mit dem Argument durchdringen, sie hätte die Bewilligungsbescheide nicht verstanden. Denn diese sind gerade im Falle der Klägerin besonders leicht nachzuvollziehen. Im Unterschied zu beispielsweise aus mehreren Personen mit unterschiedlichen Einkommen bestehenden Bedarfsgemeinschaften, bei denen Bewilligungsbescheide mehrere Seiten schwer nachvollziehbarer Berechnungen enthalten können, umfasst der für die Klägerin erstellte Berechnungsbogen in den fraglichen Bescheiden genau eine Seite. Er führt zunächst grundsätzlich die unterschiedlichen Höhen der Regelleistungen für alleinstehende und Kinder in den unterschiedlichen Altersstufen auf; im Anschluss ist in einem weiteren Block die konkrete Berechnung für die Klägerin zu finden, die aus genau drei Zahlen besteht: nämlich dem Betrag für die Regelleistung, dem Betrag für die Kosten für Unterkunft und Heizung und dem sich aus der Summe dieser beiden Beträge ergebenden Gesamtbetrag, der mit "Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft" bezeichnet wird und der der Klägerin auch per Überweisung auf Ihr Bankkonto zugegangen ist. Auch kann die Klägerin mit ihrem Vortrag, bei ihr sei aufgrund ihrer nur geringen Bildung von einer herabgesetzten Einsichtsfähigkeit auszugehen, so dass ihr die Fehlerhaftigkeit der Bescheide subjektiv nicht auffallen konnte, nicht durchdringen. Die Klägerin hat viele Jahre in D. am Erwerbsleben teilgenommen und gearbeitet. Sie hat ihr Leben mit allem, was üblicherweise dazugehört, organisieren und einwandfrei regeln können und gehört damit breiten Bevölkerungsschichten in D. an, deren Bildungsniveau vergleichbar ist. In der mündlichen Verhandlung des Gerichts hat sie auf Nachfrage erläutern können, welche Kosten bei ihr regelmäßig monatlich anfallen. Zögernde Antworten bei ganz einfachen Fragen der Vorsitzenden haben zusammen mit dem Gesamteindruck, den die Klägerin auf das Gericht gemacht hat, den Eindruck hinterlassen, dass die anwaltlich vertretene Klägerin um den ihr maßgeblichen Maßstab der Einsichtsfähigkeit gewusst hat und ein Interesse hatte, beim Gericht einen möglichst unkundigen und unselbstständigen Eindruck zu hinterlassen. Vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ist auch nicht deshalb abzuweichen, weil die Klägerin nur unzureichend d. spricht. Fehlende Sprachkenntnisse hindern das Vorliegen grober Fahrlässigkeit nicht. Es trifft die der d. Sprache nicht ausreichend Kundigen, worauf auch das SG nicht zu beanstandender Weise hingewiesen hat, die Pflicht, sich ggf. Klarheit zu verschaffen (BSG, Urteil vom 24.04.1997 – 11 RAr 89, 96 – in juris). Dies war der Klägerin auch möglich, nachdem sie seit vielen Jahren in D. lebt und hier integriert ist. Der gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X nach entsprechender Teilaufhebung der angefochtenen Bescheide durch den Beklagten noch zu erstattende Betrag von 4.676,70 EUR ist zutreffend errechnet. Auf Verbrauch der Leistung oder Fähigkeit zur Erstattung kommt es vorliegend nicht an. 3. Die Kostenentscheidung folgt gemäß § 193 SGG dem Ausgang des Verfahrens; die Klägerin hat daher die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen. &8195; 4. Gründe die Revision zuzulassen, sind nicht zu erkennen, da keiner der Zulassungsgründe nach § 160 SGG vorliegt. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits beruht auf der Beurteilung der Frage des Vorliegens grober Fahrlässigkeit anhand eines subjektiven Maßstabs. Diese Beurteilung stellt sich als eine der revisionsgerichtlichen Prüfung weitgehend entzogene tatrichterliche Würdigung dar (vgl. BSG vom 28.11.1978, Az. 4 RJ 130/77, BSGE 47,180 und Beschluss vom 24.10.2011, Az. B 14 AS 45/11 B in juris).
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