L 2 AL 49/10

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 47 AL 775/08
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 49/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe sowie von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Während des Bezuges von Arbeitslosengeld zeigte der aus M. stammende Kläger der Beklagten am 9. Juli 2002 auf dem dafür vorgesehenen Vordruck an, dass er beabsichtige, sich vom 15. Juli 2002 bis zum 4. August 2002 wegen Urlaubs auswärts aufzuhalten. Die Beklagte erhob unter dem Gesichtspunkt der Fortzahlung des Arbeitslosengeldes keine Einwände dagegen und verfügte, dass sich der Kläger am 5. August 2002 persönlich zurück zu melden habe. Als dies nicht geschah, stellte sie die Zahlung der Leistungen mit Ablauf des 4. August 2002 ein und hob mit Bescheid vom 5. August 2002 die ihr zugrunde liegenden Bewilligungsbescheide vom 16. April 2002 und 15. Mai 2002 mit Wirkung vom 5. August 2002 wegen der Ortsabwesenheit des Klägers auf. Nachdem der Kläger sich am 12. August 2002 zurückgemeldet hatte, bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 16. August 2002 Arbeitslosengeld ab dem 12. August 2002, das er bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 22. Januar 2003 bezog. Anschließend bezog er Arbeitslosenhilfe bis zum 11. März 2003 und nach Beschäftigungen erneut vom 28. Dezember 2003 bis zum 8. Februar 2004 (Bewilligungsbescheid vom 6. Februar 2004). Nach einer weiteren Beschäftigung erhielt er vom 23. Juni 2004 bis zum 31. August 2004 erneut Arbeitslosengeld (Bewilligungsbescheid vom 20. August 2004), ebenso nach Beschäftigungen bei der Firma O. vom 22. Dezember 2006 bis zum 31. März 2007 (Bewilligungsbescheid vom 23. Januar 2007) und wiederum nach einer Beschäftigung aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 17. September 2007 vom 11. Juni 2007 bis zum 23. Oktober 2007.

Am 21. Februar 2008 wurde die Beklagte von der Polizeiinspektion Fahndung in P. darüber unterrichtet, dass der Kläger am 29. Dezember 2007 bei einer Passkontrolle bei P. in einem m. Fernreisebus angetroffen worden sei und sich dabei aufgrund s., m. und anderer Passkontrollstempel ergeben habe, dass er sich u. a. in folgenden Zeiträumen nicht in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe: • 11. Juli 2002 bis 9. August 2002, • 3. Januar 2004 bis 17. Januar 2004, • 1. Juli 2004 bis 1. August 2004, • 24. Dezember 2006 bis 9. Januar 2007, • 12. Juli 2007 bis 15. August 2007.

Die Beklagte hob nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 28. August 2008 die Bewilligung von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe wegen fehlender Verfügbarkeit aufgrund nicht angezeigter Ortsabwesenheit unter Berufung auf §§ 118 und 119 Sozialgesetz-buch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) für die folgenden drei Zeiträume auf: • für die Zeit vom 11. Juli 2002 bis zum 4. August 2002 die Bewilligung von Arbeitslosengeld, • für die Zeit vom 3. Januar 2004 bis 17. Januar 2004 die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe, • für die Zeit vom 1. Juli 2004 bis zum 1. August 2004 die Bewilligung von Arbeitslosen-geld.

Sie hielt dem Kläger unter Hinweis auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) vor, er sei seiner Verpflichtung, ihr alle Änderungen der für die Leistungen erheblichen Verhältnisse mitzuteilen, zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Gleichzeitig verpflichtete sie den Kläger unter Berufung auf § 50 SGB X zur Erstattung der in diesen Zeiträumen bezogenen Leistungen in Höhe von insgesamt 2006,47 EUR und unter Hinweis auf § 335 Abs. 1 SGB III zur Erstattung der von ihr für den Kläger für diese Zeiten gezahlten Beiträge zur Kranken- und zur Pflegeversicherung i.H.v. 439,50 EUR, insgesamt von 2.445,97 EUR.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, der Vorwurf der Beklagten treffe nicht zu. Er habe jedes Mal, bevor er weggefahren sei, persönlich bei der Beklagten vorgesprochen und seine Reisepläne erklärt. Jedes Mal habe der Vermittler bzw. die Vermittlerin erklärt, dass dem nichts entgegenstehe und ihm die Leistung für drei Wochen weitergezahlt werde.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2008 zu-rück. Sie stellte klar, dass sie sich für die vom Kläger angefochtene Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 6. Februar 2004 und 20. August 2004 auf § 45 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III stütze. Im Übrigen hielt sie daran fest, dass der Kläger den Vermittlungsbemühungen vom 11. Juli 2002 bis zum 4. August 2002, vom 3. Januar 2004 bis zum 17. Januar 2004 sowie vom 1. Juli 2004 bis 1. August 2004 wegen nicht angezeigter Ortsabwesenheit nicht zur Verfügung gestanden habe, nicht arbeitslos im Sinne des § 119 Abs. 1 SGB III gewesen sei und deshalb keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosen-hilfe gehabt habe. Die Aufhebung der Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit sei gerechtfertigt, weil der Kläger eine wesentliche Veränderung in seinen tatsächlichen Verhältnissen pflichtwidrig zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt habe.

Mit Bescheid vom 17. September 2008 verpflichtete die Beklagte den Kläger zur Erstattung von Arbeitslosengeld in Höhe von 789,48 EUR. Er habe Leistungen bis zum 15. August 2007 erhalten, obwohl die Leistungsvoraussetzungen wegen Ortsabwesenheit entfallen seien. Sie habe deshalb die Bewilligung ab dem 24. Dezember 2006 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III aufgehoben. Sie nahm dabei Bezug auf von ihr so bezeichneten Änderungs-/Aufhebungsbescheide vom selben Tage, in denen sie dem Kläger für die Zeiten vom 24. Dezember 2006 bis 9. Januar 2007 und vom 12. Juli bis zum 15. August 2007 Leistungen in Höhe von 0,00 EUR bewilligt hatte. Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tage verpflichtete sie den Kläger zur Erstattung der Beiträge zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung, die sie für ihn für die Zeit vom 24. Dezember 2006 bis zum 15. August 2007 in Höhe von 191,59 EUR entrichtet hatte.

Auch gegen diese Bescheide erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, er habe der Beklagten die Zeiten seiner Ortsabwesenheit jeweils vorab mitgeteilt. Die Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2008 mit im Wesentlichen denselben Erwägungen wie im oben bereits erwähnten Widerspruchsbescheid vom selben Tage zurück. Klarstellend wies sie darauf hin, dass die Aufhebung der Bewilligung vom 23. Januar 2007 sich auf § 45 SGB X gründe.

Gegen beide Widerspruchsbescheide hat der Kläger am 3. November 2008 Klage erhoben (S 47 AL 775/08 und 776/08). In den beiden später verbundenen Klageverfahren hat der Kläger daran festgehalten, dass er sich während des Leistungsbezuges stets nur mit Erlaubnis der Beklagten ins Ausland begeben habe. In den Leistungsbezugszeiträumen ab 2004 seien seine Sachbearbeiter bei der Beklagten Frau B. (oder ähnlich) und Herr M1 gewesen. Mit beiden habe er über diese Angelegenheit auch gesprochen und seine Pläne abgestimmt. An die Namen seiner Sachbearbeiter in der Zeit vor 2004 könne er sich nicht mehr erinnern. Er könne nur versichern, dass er auch seinerzeit immer alles mit seinen Sachbearbeitern besprochen habe. Er habe ihnen immer bekannt gegeben, dass er nach M. fahren werde. Sie hätten ihm sogar eine gute Reise gewünscht. Man habe immer nur wissen wollen, ob bzw. wann er endlich fest eingestellt werden würde. Nach seiner Erinnerung sei er im Sommer nie arbeitslos gewesen. Daher könne er nicht nachvollziehen, dass er auch für diese Zeiten ortsabwesend gewesen sein solle. Er sei im Übrigen der Meinung, dass man ihn nie darüber informiert habe, dass er nicht ohne vorherige Genehmigung ortsabwesend sein dürfe. Auch in den schriftlichen Unterlagen, die er von der Beklagten erhalten habe, habe er dazu nichts gefunden.

Die Beklagte hat dem entgegengehalten, die vom Kläger benannten Mitarbeiter seien ihr nicht bekannt. Er sei in den streitigen Zeiträumen von ihren Mitarbeitern T., L. und H. betreut worden. Aus dem Beratungsvermerk in der Leistungsakte vom 18. Dezember 2003 gehe hervor, dass sich der Kläger an diesem Tage persönlich bei ihr gemeldet habe. Die nächste Meldung sei am 6. Februar 2004 erfolgt. In diesem Zeitraum sei keine Ortsabwesenheit bekannt gegeben worden. Unzutreffend behaupte der Kläger, dass er nur im Winter arbeitslos gewesen sei, denn er habe sich nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses am 22. Juni 2004 arbeitslos gemeldet. Dem Beratungsvermerk vom 24. Juni 2004 zufolge habe der Kläger sich an diesem Tag persönlich arbeitslos gemeldet; danach habe er am 18. August 2004 persönlich bei ihr vorgesprochen. Auch in diesem Zeitraum sei von einer Ortsabwesenheit des Klägers nichts bekannt gewesen. Es stehe fest, dass der Kläger seine Mitteilungspflichten grob fahrlässig verletzt habe, denn er habe zumindest dem Merkblatt für Arbeitslose entnehmen können, dass ein auswärtiger Aufenthalt der Arbeitsagentur vorher anzuzeigen sei.

Das Sozialgericht hat die Klage durch das Urteil vom 3. Mai 2010 abgewiesen. Es hat bekräftigt, die Beklagte habe zu Recht die Bewilligung von Leistungen für die in Rede stehenden Zeiträume aufgehoben. Der Kläger habe seinerzeit keinen Leistungsanspruch gehabt, weil er sich im Ausland aufgehalten und der Vermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe.

Der Kläger hat gegen das ihm am 8. Mai 2010 zugestellte Urteil am 19. Mai 2010 Berufung eingelegt. Er hält daran fest, dass er während seiner Arbeitslosigkeit im Winter dem Arbeitsamt stets mitgeteilt habe, wenn er ortsabwesend gewesen sei. Im Übrigen verweist er auf sein bisheriges Vorbringen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 30. November 2011, zu dem der ordnungsgemäß geladene Kläger nicht erschienen ist, hat die Beklagte auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts die angefochtenen Bescheide dahingehend abgeändert, dass die Aufhebung der Leistungsbewilligung und damit auch die Verpflichtung zur Leistungserstattung für die Zeit vom 15. Juli bis 4. August 2002 sowie für die Zeit vom 23. Juli bis zum 15. August 2007 zurückgenommen werde. Die Beklagte hat sich verpflichtet, die Rückforderung von Arbeitslosengeld und Versicherungsbeiträgen entsprechend zu mindern und dem Kläger einen entsprechenden Ausführungsbescheid zu erteilen.

Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 3. Mai 2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 28. August 2008 und vom 17. September 2008 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 24. Oktober 2008 sowie des Teilanerkenntnisses vom 30. November 2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung, soweit sie über die von ihr zugunsten des Klägers vorgenommenen Änderungen der angefochtenen Bescheide hinausgeht, für unbegründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nach der Änderung der angefochtenen Bescheide durch die Beklagte unbegründet. Die danach verbliebene Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe für die Zeiträume 11. Juli 2002 bis 14. Juli 2002, 3. Januar bis 17. Januar 2004, 1. Juli bis 1. August 2004 und 24. Dezember 2006 bis 9. Januar 2007 ist rechtmäßig. Der Kläger hatte auf die in diesen Zeiträumen bezogenen Leistungen keinen Anspruch, weil er wegen Ortsabwesenheit den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes bzw. der Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung stand und deshalb nicht arbeitslos war (§§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 Nr. 2, 119 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 3, 190 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung bzw. §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 Nr. 1, 119 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 5 Nr. 2 SGB III in der im Jahre 2007 geltenden Fassung). Der Senat hält die diesbezüglichen Ausführungen des Sozialgerichts für zutreffend und nimmt auf sie Bezug (§ 153 Abs. 4 SGG). Der Kläger hat im Berufungsverfahren nichts vorgetragen, was eine für ihn günstigere Entscheidung rechtfertigt.

Zu ergänzen ist, dass der Kläger die Zeiträume der Ortsabwesenheit nicht in Abrede gestellt und sich lediglich gegen den Vorwurf gewehrt hat, seine Mitteilungspflicht grob fahrlässig verletzt zu haben. Damit kann er jedoch keinen Erfolg haben. Ihm waren die bei einer längeren Ortsabwesenheit einzuhaltenden Prozeduren, wie der Akte zu entnehmen ist, durchaus bekannt. Seine Behauptung, in jedem Fall vorher ordnungsgemäß die Zustimmung der Beklagten eingeholt zu haben, konnte er nicht belegen. Auch aus den vorliegenden Akten ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte.

Schließlich ist zu ergänzen, dass der Bescheid vom 28. August 2008 nicht schon wegen einer unterbliebenen Anhörung zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen gemäß § 24 Abs. 1 SGB X rechtswidrig ist. Zwar hatte die Beklagte den Kläger im Anhörungsschreiben vom 26. Februar 2008 lediglich von ihrer Absicht in Kenntnis gesetzt, die Bewilligung des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 5. August - 11. August 2002 aufzuheben. Zuvor hatte sie jedoch den Kläger über die Rechtswidrigkeit des Leistungsbezugs in den drei Zeiträumen unterrichtet, für die sie dann im Bescheid vom 28. August 2008 die Bewilligung aufgehoben hat. Insofern war der Kläger vor der Auf-hebung über die für sie maßgebenden Umstände informiert, hatte Gelegenheit, sich im Widerspruch gegen diesen Bescheid zu ihnen zu äußern und hat diese Gelegenheit auch genutzt. Dies reicht zur Erfüllung des Anhörungsgebots des § 24 Abs. 1 SGB X aus.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil hierfür eine Veranlassung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht bestanden hat.
Rechtskraft
Aus
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