L 1 KR 87/11

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 23 KR 216/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 87/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Juni 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist der Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung für Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung in Ö ...

Die am XXXXX 1970 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin unterzog sich mit ihrem Ehemann einer Kinderwunschbehandlung. Für diese legte sie der Beklagten einen Behandlungsplan des E.-Klinik H. vom 13. Oktober 2009 über eine intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) vor, nach der die auf die Klägerin entfallenden Kosten pro Zyklusfall 3.403,65 EUR und die Kosten für einmalig im Reproduktionsfall anfallende Leistungen 41,55 EUR betragen sollten. Die Beklagte genehmigte den Behandlungsplan am 19. Oktober 2009 für maximal drei Zyklen und teilte der Klägerin mit Schreiben vom selben Tag mit, nach den gesetzlichen Bestimmungen übernehme sie die aufgeführten Leistungen des Behandlungsplans zu 50 %.

Die Klägerin und ihr Ehemann absolvierten sodann zwei Behandlungszyklen im E.-Klinikum H., die erfolglos blieben. Die Beklagte übernahm im gesetzlichen Rahmen die hierbei entstandenen Kosten. Nach dem zweimaligen Scheitern entschlossen sich die Klägerin und ihr Ehemann zur Durchführung einer weiteren Behandlung in Ö. in der Hoffnung, die Erfolgschancen der Kinderwunschbehandlung zu verbessern.

Die Behandlung in Ö. begann am 30. März 2010. Am 6. April 2010 meldete sich die Klägerin telefonisch bei der Beklagten und bat offenbar um Informationen über die Inanspruchnahme einer künstlichen Befruchtung im europäischen Ausland. Hierauf teilte ihr die Beklagte mit Schreiben vom selben Tag mit, es gälten grundsätzlich dieselben Anspruchsvoraussetzungen wie bei einer Behandlung in D ... Damit der Anspruch geprüft werden könne, würden noch Unterlagen benötigt, unter anderem eine detaillierte Behandlungsplanung des im Ausland behandelnden Arztes.

Eine solche Behandlungsplanung legte die Klägerin zu keinem Zeitpunkt vor. Vielmehr reichte sie nach Abschluss der – ebenfalls erfolglos gebliebenen – Behandlung in Ö. bei der Beklagten Rechnungen ein, deren Gesamtbetrag sich auf 6.933,80 EUR belief und deren Erstattung sie mit Schreiben vom 28. Juni 2010 beantragte. Die für die Behandlung in Ö. ausweislich der Rechnungen entstandenen Kosten sind von der Klägerin und ihrem Ehemann bezahlt worden.

Durch Bescheid vom 7. Juli 2010 lehnte die Beklagte den Kostenerstattungsantrag ab. Die Kostenübernahme müsse vor dem Beginn der Behandlung beantragt werden. Hierüber habe sie die Klägerin auch mit Schreiben vom 6. April 2010 informiert. Die Behandlung sei jedoch bereits vom 30. März 2010 bis zum 12. Juni 2010 durchgeführt worden. Eine rückwirkende Kostenübernahme sei nicht möglich.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2011 als unbegründet zurück. Bei Leistungsinanspruchnahme im Ausland nach § 13 Abs. 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) müssten die nach inländischem Recht maßgeblichen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sein. Die Leistungsvoraussetzungen nach § 27a SGB V seien jedoch nicht gegeben. Denn § 27a Abs. 3 Satz 2 SGB V setze voraus, dass vor Beginn der Behandlung der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorgelegt werde. Vor Beginn der Behandlung in Ö. am 30. März 2010 habe die Klägerin jedoch keinen Behandlungsplan für diese Behandlung eingereicht, obgleich sie über dieses Erfordernis auf ihre Anfrage vom selben Tag mit Schreiben der Beklagten vom 6. April 2010 informiert worden sei. Die Bewilligung vom 19. Oktober 2009 des Behandlungsplans vom 13. Oktober 2009 habe sich demgegenüber nur auf diesen Behandlungsplan des E.-Klinikums H. bezogen.

Mit ihrer am 2. März 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin das Begehren nach Kostenerstattung weiter verfolgt und unter anderem vorgetragen, sie habe am 6. April 2010 vorab um Kostenübernahme gebeten. Auch sei die Kostenübernahmebestätigung der Beklagten vom 19. Oktober 2009 so zu verstehen, dass sie – die Klägerin – mit der geplanten Behandlung habe beginnen können.

Die Beklagte hat erwidert, die Klägerin selbst habe die Bewilligung vom 19. Oktober 2009 nicht als eine für das Inland und das Ausland verstanden. Sie habe die Klägerin auf deren Anfrage auf die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme im Ausland hingewiesen. Eine Überprüfung im Vorwege sei der Beklagten nicht möglich gewesen.

Das Sozialgericht hat durch Gerichtsbescheid vom 15. Juni 2011 die Klage abgewiesen. Die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 4 SGB V setze das Bestehen des Primäranspruchs auf die Sach- oder Dienstleistung voraus. Die Voraussetzungen des entsprechenden Primäranspruchs nach § 27a SGB V seien jedoch nicht erfüllt. Denn es sei kein Behandlungsplan des behandelnden Arztes in Ö. vor Beginn der Behandlung bei der Beklagten zur Genehmigung eingereicht worden. Die Genehmigung eines Behandlungsplans beziehe sich immer nur auf die Behandlung durch den Arzt, der den Plan erstellt habe. Deshalb enthalte die Genehmigung des Behandlungsplans des E.-Klinikums H. von 13. Oktober 2009 keine generelle Zusage jeglicher Leistungen der in dem Behandlungsplan genannten Art. Hierüber habe die Beklagte die Klägerin auf deren Anfrage vom 6. April 2010 auch zutreffend informiert.

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 17. Juni 2010 zugestellten Gerichtsbescheid vom 15. Juni 2011 hat die Klägerin am Montag, 18. Juli 2011, Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie unter anderem vor, sie habe die vorgesehene Behandlung im Vorwege der Beklagten angezeigt. Die Beklagte habe sie jedoch nicht darauf hingewiesen, dass sie vorab eine Genehmigung oder Bewilligung der Beklagten einholen müsse. Die Behandlung habe sie erst nach Anzeige bei der Beklagten aufgenommen.

Der Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Juni 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 1. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die für Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung in Ö. in Höhe von 6.933,80 EUR entstandenen Behandlungskosten in gesetzlicher Höhe zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist unter anderem auf § 27a Abs. 3 Satz 2 SGB V, der zwingend voraussetze, dass der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen sei. Die Klägerin habe jedoch lediglich im Oktober 2009 einen Behandlungsplan des E.-Klinikums H. eingereicht. Nur auf diesen habe sich die Kostenzusage der Beklagten vom 19. Oktober 2009 bezogen. Diese Zusage könne die Genehmigung eines anderen Behandlungsplans eines anderen Behandlers in einem anderen Land nicht ersetzen. Eine nachträgliche Bewilligung eines Behandlungsplans komme nicht in Betracht. Im Übrigen habe die Klägerin die Behandlung in Ö. schon vor ihrer Anfrage bei der Beklagten am 6. April 2010 begonnen.

Durch Beschluss vom 2. November 2011 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in der Besetzung mit dem Berichterstatter und zwei ehrenamtlichen Richtern verhandeln und entscheiden, weil das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entschieden hat und der Senat durch Beschluss vom 2. November 2011 die Berufung dem Berichterstatter übertragen hat, der nach § 153 Abs. 5 SGG zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Der Beschluss ist den Beteiligten am 15. November 2011 bzw. am 16. November 2011 zugestellt worden.

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung. Auf die diesen Anspruch ablehnenden zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Sozialgerichts wird nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Die Berufung gibt Anlass, nur erneut darauf hinzuweisen, dass die für den verfolgten Anspruch hier allein in Betracht kommende Kostenerstattungsregelung in § 13 Abs. 4 SGB V für bestimmte Auslandsbehandlungen nicht von den Leistungsvoraussetzungen nach deutschem Recht für den Primärleistungsanspruch befreit, wie auch § 13 Abs. 4 Satz 3 SGB V zeigt (vgl. – auch zu den damit in Zusammenhang stehenden europarechtlichen Fragen – BSG 30.6.2009 – B 1 KR 19/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 21). Es gilt daher auch für die hier streitbefangene Inanspruchnahme von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Ö. die inländische Leistungsvoraussetzung des § 27a Abs. 3 Satz 2 SGB V, dass vor Beginn der Behandlung der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen ist. Hieran aber fehlt es vorliegend. Ein Behandlungsplan des die Klägerin in Ö. behandelnden Arztes ist zu keinem Zeitpunkt vorgelegt worden.

Anderes folgt vorliegend auch nicht aus der Genehmigung des Behandlungsplans des E.-Klinikums H. durch die Beklagte im Oktober 2009. Diese Genehmigung deckt nicht auch die Behandlung in Ö. ab und ist die Planabweichung auch offensichtlich, geht es doch um die Behandlung durch einen anderen Behandler in einem anderen Land, für die zudem etwa doppelt so hohe Kosten angefallen sind. Zwar mögen sich Fallkonstellationen vorstellen lassen, in denen die Genehmigung eines Behandlungsplans auch die Erbringung der Leistungen durch einen anderen Behandler zu erfassen vermag, etwa wenn dem bisherigen Leistungserbringer die Leistung unmöglich wird und der einspringende Leistungserbringer sich an den genehmigten Behandlungsplan hält. Doch kann davon vorliegend keine Rede sein. Die Fortsetzung der Behandlung im E.-Klinikum H. war weiterhin möglich und die Behandlung in Ö. folgte nicht dem genehmigten Behandlungsplan, mögen auch die persönlichen Beweggründe der Klägerin für die Inanspruchnahme der Leistung dort nachvollziehbar sein.

Es hat daher vorliegend bei dem Grundsatz zu bleiben, dass nach § 27a Abs. 3 Satz 2 SGB V der der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung zur Genehmigung vorzulegende Behandlungsplan von dem Arzt aufzustellen ist, der die Behandlungsmaßnahmen zur künstlichen Befruchtung durchführt (vgl. zu diesem Grundsatz Lauf, in: Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl. 2010, § 27a Rn. 30; Brandts, in: Kasseler Kommentar, § 27a Rn. 40; Knispel, in: BeckOK-SGB V, § 27a Rn. 33; Fahlbusch, in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 27a Rn. 68). Dieser Leistungsvoraussetzung aber ist hier nicht genügt.

Aus dem Berufungsvorbringen ergeben sich im Übrigen weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Anknüpfungspunkte für eine abweichende Bewertung der Sach- und Rechtslage. Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe der Beklagten die vorgesehene Behandlung im Vorwege angezeigt, trifft dies zwar auf die Behandlung in H., nicht aber auf die am 30. März 2010 begonnene Behandlung in Ö. zu. Soweit sie vorträgt, die Beklagte habe sie nicht darauf hingewiesen, dass sie vorab eine Genehmigung einholen müsse, trifft auch dies nicht zu, denn mit Schreiben vom 6. April 2010 informierte die Beklagte sie zutreffend über die Anspruchs- und Verfahrensvoraussetzungen für die Behandlung im Ausland. Eine frühere Information kam nicht in Betracht, weil die Klägerin die Beklagte erst am 6. April 2010 wegen einer Auslandsbehandlung anfragte. Auch soweit die Klägerin vorträgt, sie habe erst nach der Anzeige der Behandlung bei der Beklagten diese aufgenommen, trifft dies auf die hier allein streitbefangene Behandlung in Ö. nicht zu. Denn diese begann bereits am 30. März 2010, wie sich aus der Honorarnote 4303 vom selben Tag der I.-Zentren Prof. Z. – Dr. Z. S. GmbH ergibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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