Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 33 KR 1134/08
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 154/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. September 2011 aufgehoben. Die Bescheide der Beklagten vom 14. Februar 2008, 4. März 2008 und 28. März 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2008 werden dahin gehend abgeändert, dass der Beitragsbemessung nur die vorgezogene Altersbetriebsrente sowie die Subvention des versicherungsmathematischen Abzuges zugrunde gelegt werden. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die zu Unrecht entrichteten Beiträge in Höhe von EUR 776,68 zu erstatten. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Beitragspflicht von Leistungen des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers.
Der 1948 geborene Kläger war bei der I. GmbH beschäftigt. Er schloss mit seinem Arbeitgeber eine Auflösungsvereinbarung, wonach das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2000 endete. Die Vereinbarung nahm ferner Bezug auf die im Betrieb bestehende "Frühpensionierungsvereinbarung 2000", wonach der Kläger ab 1. Mai 2000 folgende Leistungen erhielt:
Vorgezogene I. Altersrente DM 1.836 Subvention des versicherungsmathematischen Abzugs DM 475 Befristetes Überbrückungsgeld DM 2.901 Befristeter Sozialversicherungszuschuss DM 600
Das Überbrückungsgeld errechnete sich aus 70 Prozent des monatlichen Bruttogrundgehalts abzüglich der vorgezogenen Altersrente und der Subvention des versicherungsmathematischen Abzugs (Ziffer 2.1 der Frühpensionierungsvereinbarung 2000). Es wurde ab dem Folgemonat des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis bis zum Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, längstens bis zum Ende des Monats gezahlt, in dem der frühere Arbeitnehmer sein 60. Lebensjahr vollendet hat (Ziffer 4.2 der Frühpensionierungsvereinbarung 2000). Eine gegebenenfalls bezogene Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit war auf das Überbrückungsgeld anzurechnen (Ziffer 4.3 der Frühpensionierungsvereinbarung 2000). Der Sozialversicherungszuschuss wurde für die Dauer der Überbrückungsgeldzahlung zur Verwendung der Beitragszahlung in der Sozialversicherung, aber nicht zweckgebunden geleistet (Ziffer 3.1. der Frühpensionierungsvereinbarung 2000).
Der Kläger war im Anschluss an seine Beschäftigung bei der I. GmbH bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt und bezog dort zunächst ein Arbeitsentgelt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze. Ab 1. Januar 2007 befand er sich in Altersteilzeit und war versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Von seinem früheren Arbeitgeber erhielt er ab diesem Zeitpunkt folgende Leistungen:
Vorgezogene I. Altersrente EUR 1.054,03 Subvention des versicherungsmathematischen Abzugs EUR 273,44 Befristetes Überbrückungsgeld EUR 1.337,39 Befristeter Sozialversicherungszuschuss EUR 306,78
Die Beklagte setzte mit Bescheiden vom 14. Februar 2008 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. Januar 2007 unter Berücksichtigung sämtlicher Leistungen der I. GmbH fest.
Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass nur die vorgezogene Altersbetriebsrente sowie die Subvention des versicherungsmathematischen Abzugs der Beitragspflicht unterlägen, nicht jedoch das Überbrückungsgeld und der Sozialversicherungszuschuss.
Mit Bescheiden vom 4. März 2008 nahm die Beklagte eine Korrektur des ab 1. Januar 2007 geltenden Beitragssatzes vor. Mit weiteren Bescheiden vom 28. März 2008 hielt sie daran fest, dass sämtliche Leistungen der I. GmbH für die Beitragsbemessung heranzuziehen seien, und teilte dem Kläger mit, dass die Beiträge von ihm als Selbstzahler an die Beklagte zu entrichten seien. Die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung setzte sie ab 1. Januar 2007 auf EUR 240,47, ab 1. April 2007 auf EUR 251,92 und ab 1. Januar 2008 auf EUR 257,75 fest. Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch berief sich der Kläger erneut darauf, dass das Überbrückungsgeld und der Sozialversicherungszuschuss der Beitragsbemessung nicht zugrunde gelegt werden dürften. Seit dem 1. Mai 2008 ist er Mitglied einer anderen Krankenkasse.
Die Beklagte wies die Widersprüche des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2008 zurück.
Mit seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger an seiner Rechtsauffassung festgehalten und vorgetragen, bei dem Überbrückungsgeld und dem Sozialversicherungszuschuss handele es sich nicht um eine betriebliche Altersversorgung, sondern um eine gesplittete Kapitalabfindung bzw. um eine Zahlung aus Anlass des Arbeitsplatzverlustes.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die streitigen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen seien. Sie hätten Einkommensersatzfunktion und würden faktisch zur Alterssicherung gezahlt. Die individuelle Leistungsfähigkeit sei nicht relevant.
Auf Anfrage des Sozialgerichts hat die I. GmbH mitgeteilt, dass in jedem Einzelfall entschieden worden sei, ob einem Arbeitnehmer eine entsprechende Auflösungsvereinbarung angeboten werde. Dabei hätten in erster Linie betriebsbedingte Gründe die ausschlaggebende Rolle gespielt. Der Mitarbeiter habe zum Austrittszeitpunkt mindestens sein 50. Lebensjahr und mindestens zehn Dienstjahre vollendet haben müssen. Ein Rechtsanspruch auf die Erteilung eines solchen Angebots habe nicht bestanden. Das Überbrückungsgeld habe den Charakter einer Abfindung, die in monatlichen Teilbeträgen ausgezahlt worden sei. Damit habe die Zeit zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Beginn einer gesetzlichen Rente überbrückt werden sollen.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 30. September 2011 – den Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 7. November 2011 – abgewiesen und ausgeführt, das Überbrückungsgeld unterliege der Beitragspflicht, da es sich um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung handele. Es sei einer Rente vergleichbar, da es unabhängig davon gewährt werde, ob ein neues Arbeitsverhältnis begründet werde oder eine Arbeitslosmeldung erfolge. Aufgrund seiner Höhe werde wie bei einer Rente erreicht, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt damit sicherstellen könne. Auch der zeitliche Faktor spreche für einen Versorgungsbezug, da die Leistung bis zum Bezug einer gesetzlichen Rente, längstens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres, gezahlt werde und an ein Mindestalter von 50 Jahren anknüpfe. Der Versorgungszweck werde schließlich dadurch verdeutlicht, dass eine Rente wegen Erwerbsminderung gegebenenfalls auf das Überbrückungsgeld angerechnet werde.
Der Kläger hat dagegen am 6. Dezember 2011 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das Sozialgericht habe zu Unrecht das befristete Überbrückungsgeld und den befristeten Sozialversicherungszuschuss als Versorgungsbezüge gewertet. Beide Leistungen dienten weder der Altersversorgung noch der Versorgung wegen Invalidität oder Tod, sondern seien vereinbart worden, um den Verlust des Arbeitsplatzes zu kompensieren. Daraus, dass sich das Überbrückungsgeld an der Höhe des zuletzt bezogenen Gehalts orientiere, lasse sich nicht auf eine Altersversorgung schließen. Vielmehr sei dies auch bei Abfindungen nahezu immer der Fall. Ebenso wenig spreche der Umstand, dass die Leistung dem ehemaligen Arbeitnehmer zur Bestreitung seines Lebensunterhalts gewährt werde, für einen rentenähnlichen Versorgungsbezug, denn dies sei gerade auch typisch für eine Abfindung. Abfindungen würden im Übrigen stets unabhängig davon gewährt, ob der Arbeitnehmer arbeitslos werde oder eine Anschlussbeschäftigung eingehe. Das Überbrückungsgeld werde bis zum Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt. Es diene daher der Sicherung des Lebensstandards bis zum Ausscheiden des Klägers aus dem Erwerbsleben und gerade nicht für die Zeit danach. Das Gleiche ergebe sich aus der Befristung der Leistung bis zum 60. Lebensjahr. Der Umstand, dass derartige Abfindungsvereinbarungen nur Arbeitnehmern ab vollendetem 50. Lebensjahr und mit mindestens zehn Dienstjahren angeboten worden seien, spreche nicht für einen Versorgungsbezug, sondern habe lediglich sicherstellen sollen, dass mit jüngeren Arbeitnehmern keine unangemessenen Abfindungen vereinbart würden, die zudem in keinem vernünftigem Verhältnis zur Betriebszugehörigkeit stünden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. September 2011 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 14. Februar 2008, 4. März 2008 und 28. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2008 dahin gehend abzuändern, dass nur die vorgezogene Altersbetriebsrente und die Subvention des versicherungsmathematischen Abzugs der Beitragsbemessung zugrunde gelegt werden sowie die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die zu Unrecht entrichteten Beiträge in Höhe von EUR 776,68 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Sie verweist auf dessen Entscheidungsgründe sowie auf ihre bisherigen Ausführungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, soweit der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge auch das Überbrückungsgeld und der Sozialversicherungszuschuss zugrunde gelegt wurden. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf die insoweit zu Unrecht entrichteten Beiträge.
Gemäß § 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) werden der Beitragsbemessung bei versicherungspflichtig Beschäftigten unter anderem das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung sowie der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) zugrunde gelegt. Als Versorgungsbezüge gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, unter anderem die Renten der betrieblichen Altersversorgung (§ 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der erkennende Senat anschließt, ist der beitragsrechtliche Begriff der betrieblichen Altersversorgung unabhängig von der Definition in § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) und weiter als dieser (BSG, Urteil vom 25.05.2011 – B 12 P 1/09 R – Juris, m.w.N.). Ein beitragspflichtiger Versorgungsbezug liegt demnach vor, wenn die Leistung in engem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Versicherten steht, in ihren Voraussetzungen einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar ist und ihrer Höhe nach von dem Gehalt aus dem Arbeitsverhältnis abhängt (BSG, Urteil vom 25.05.2011, a.a.O.; Peters in jurisPK-SGB V, 2. Aufl., § 229 Rn. 37).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe handelt es sich bei dem hier streitigen Überbrückungsgeld nicht um einen Versorgungsbezug.
Es besteht zwar eindeutig ein Zusammenhang mit dem früheren Arbeitsverhältnis und auch eine Abhängigkeit von der Höhe des früheren Gehalts, denn durch das Überbrückungsgeld war gewährleistet, dass der Arbeitnehmer zusammen mit den übrigen Bezügen insgesamt 70 Prozent seines früheren Arbeitsentgelts erhielt.
Es fehlt jedoch an der Vergleichbarkeit der Voraussetzungen des Überbrückungsgeldes mit denen einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Renten dienen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben, und werden daher durch ein biologisches Ereignis – Alter, Invalidität oder Tod – ausgelöst (BSG, Urteil vom 26.03.1996 – 12 RK 21/95; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.02.2007 – L 16 KR 107/06; BAG, Urteil vom 18.03.2003 – 3 AZR 315/02; alle Juris). Dieser Versorgungszweck unterscheidet die betriebliche Altersversorgung von sonstigen Zuwendungen, etwa solchen zur Überbrückung von erwarteter Arbeitslosigkeit oder Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes (BSG, Urteil vom 26.03.1996 – 12 RK 21/95 – Juris; Seywald-Rewitz in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 229 Rn. 12).
Da der Kläger weder leistungsgemindert noch verstorben ist, scheidet eine Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung als Zweck des Überbrückungsgeldes von vornherein aus. Das Überbrückungsgeld diente aber auch nicht der Alterssicherung des Klägers.
Dies folgt daraus, dass das Überbrückungsgeld weder durch ein biologisches Ereignis – insbesondere das Erreichen eines bestimmten Lebensalters – ausgelöst noch für Zeiten gezahlt wurde, die typischerweise nach dem endgültigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben – also etwa ab dem 60. oder 65. Lebensjahr – liegen. Es wurde vielmehr für die Übergangsphase ab der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bis zum Beginn einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der Vollendung des 60. Lebensjahr gezahlt und endete somit gerade in dem Zeitpunkt, indem das Erwerbsleben typischerweise beendet wird.
Zwar war der Abschluss einer Auflösungsvereinbarung nach dem hier vorliegenden Modell nur Arbeitnehmern mit einem Mindestalter von 50 Jahren und einer Betriebszugehörigkeit von mindestens zehn Jahren möglich. Es hatte jedoch nicht jeder Arbeitnehmer, der diese persönlichen Voraussetzungen erfüllte, deshalb einen Anspruch darauf. Vielmehr wurde nach den Angaben des früheren Arbeitgebers in jedem Einzelfall entschieden, ob ein entsprechendes Angebot unterbreitet wurde, wobei in erster Linie betriebsbedingte Gründe ausschlaggebend waren. Das Mindestalter sowie die Mindestdauer der Betriebszugehörigkeit dienten daher vor allem dem Interesse des Arbeitgebers, sich im Rahmen eines betrieblich veranlassten Personalabbaus zur Wahrung oder Herstellung einer ausgewogenen Altersstruktur auch von älteren Mitarbeitern trennen zu können, während jüngere Arbeitnehmer mit kurzer Betriebszugehörigkeit zumeist leichter kündbar sind.
Vor allem aber war das Mindestalter von 50 Jahren – im konkreten Fall war der Kläger bei Ende des Beschäftigungsverhältnisses 51 Jahre alt – noch sehr weit vom Eintritt des gesetzlichen Rentenalters entfernt. In diesem Alter kann noch nicht typischerweise davon ausgegangen werden, dass ein Arbeitnehmer endgültig aus dem Erwerbsleben ausscheidet. Vielmehr ist – wie der Fall des Klägers zeigt – durchaus eine weitere Teilnahme am Arbeitsleben möglich. Es handelt sich vorliegend auch nicht um eine Branche oder eine Tätigkeit, bei der aus berufsspezifischen Gründen ein früheres Eintreten in den Ruhestand üblich ist (so z.B. in den zugrunde liegenden Fällen bei: LSG Berlin, Urteil vom 22.10.2003 – L 9 KR 410/01 (Flugbegleiter) und SG Hannover, Urteil vom 20.07.1999 – S 11 KR 114/98 (Seeleute); beide Juris). Soweit es für Arbeitnehmer in der Altersgruppe ab 50 Jahren grundsätzlich schwerer wird, einen neuen Arbeitsplatz auch tatsächlich zu finden, spricht dies nicht für den Charakter der Leistung als Altersversorgung, sondern dafür, dass durch sie die Gefahr einer wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintretenden Arbeitslosigkeit kompensiert werden sollte. Zwar wird das Überbrückungsgeld nicht von tatsächlich bestehender Arbeitslosigkeit abhängig gemacht, dem Arbeitnehmer soll jedoch ein Anreiz zum Abschluss der Auflösungsvereinbarung dadurch geboten werden, dass in pauschalisierender Weise von vornherein das Risiko einer möglicherweise eintretenden Arbeitslosigkeit finanziell ausgeglichen wird.
Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der fehlenden Verpflichtung des ausgeschiedenen Arbeitnehmers, sich arbeitslos zu melden. Es trifft zwar zu, dass es der Annahme eines Alterssicherungszwecks entgegensteht, wenn eine Leistung davon abhängig gemacht wird, dass sich der ehemalige Arbeitnehmer dem Arbeitsmarkt weiter zur Verfügung stellt, denn dann wird sie gerade nicht für Zeiten nach dem endgültigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, sondern lediglich zur Überbrückung von Zeiten der Arbeitslosigkeit gezahlt (LSG Sachsen, Urteil vom 04.02.2009 – L 1 KR 132/07; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.07.2011 – L 4 KR 5115/10; beide Juris). Daraus ergibt sich aber nicht im Umkehrschluss, dass eine fehlende Verpflichtung zur Arbeitslosmeldung stets die Annahme eines Versorgungsbezugs rechtfertigt. Im vorliegenden Fall ist es nämlich für die Leistungsgewährung ebenfalls unerheblich, ob der frühere Arbeitnehmer eine neue Beschäftigung aufnimmt, sodass das endgültige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gerade keine Leistungsvoraussetzung ist.
Für den Sozialversicherungszuschuss, der für die Dauer der Überbrückungsgeldzahlung zur Verwendung für die Beitragszahlung in der Sozialversicherung gewährt wurde, aber nicht zweckgebunden war, gelten die vorstehenden Erwägungen entsprechend.
Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Erstattung der aufgrund der fehlerhaften Beitragsbemessung zu Unrecht gezahlten Beiträge. Der Beitragserstattungsanspruch entsteht gemäß § 26 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV kraft Gesetzes und ist von Amts wegen zu berücksichtigen, setzt also keinen gesonderten Antrag voraus (Udsching in Hauck/Noftz, SGB IV, § 26 Rn. 13). Die vierjährige Verjährungsfrist (§ 27 Abs. 2 SGB IV) ist durch die Erhebung der Widersprüche gegen die Beitragsbescheide gehemmt (§ 27 Abs. 3 S. 2 SGB IV). Der Kläger hat im streitigen Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 30. April 2008 Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von EUR 4.019,69 gezahlt. Ohne Berücksichtigung des Überbrückungsgeldes und des Sozialversicherungszuschusses hätte er nur Beiträge in Höhe von EUR 3.243,01 entrichten müssen, sodass sich der Erstattungsanspruch auf EUR 776,68 beläuft.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Beitragspflicht von Leistungen des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers.
Der 1948 geborene Kläger war bei der I. GmbH beschäftigt. Er schloss mit seinem Arbeitgeber eine Auflösungsvereinbarung, wonach das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2000 endete. Die Vereinbarung nahm ferner Bezug auf die im Betrieb bestehende "Frühpensionierungsvereinbarung 2000", wonach der Kläger ab 1. Mai 2000 folgende Leistungen erhielt:
Vorgezogene I. Altersrente DM 1.836 Subvention des versicherungsmathematischen Abzugs DM 475 Befristetes Überbrückungsgeld DM 2.901 Befristeter Sozialversicherungszuschuss DM 600
Das Überbrückungsgeld errechnete sich aus 70 Prozent des monatlichen Bruttogrundgehalts abzüglich der vorgezogenen Altersrente und der Subvention des versicherungsmathematischen Abzugs (Ziffer 2.1 der Frühpensionierungsvereinbarung 2000). Es wurde ab dem Folgemonat des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis bis zum Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, längstens bis zum Ende des Monats gezahlt, in dem der frühere Arbeitnehmer sein 60. Lebensjahr vollendet hat (Ziffer 4.2 der Frühpensionierungsvereinbarung 2000). Eine gegebenenfalls bezogene Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit war auf das Überbrückungsgeld anzurechnen (Ziffer 4.3 der Frühpensionierungsvereinbarung 2000). Der Sozialversicherungszuschuss wurde für die Dauer der Überbrückungsgeldzahlung zur Verwendung der Beitragszahlung in der Sozialversicherung, aber nicht zweckgebunden geleistet (Ziffer 3.1. der Frühpensionierungsvereinbarung 2000).
Der Kläger war im Anschluss an seine Beschäftigung bei der I. GmbH bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt und bezog dort zunächst ein Arbeitsentgelt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze. Ab 1. Januar 2007 befand er sich in Altersteilzeit und war versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Von seinem früheren Arbeitgeber erhielt er ab diesem Zeitpunkt folgende Leistungen:
Vorgezogene I. Altersrente EUR 1.054,03 Subvention des versicherungsmathematischen Abzugs EUR 273,44 Befristetes Überbrückungsgeld EUR 1.337,39 Befristeter Sozialversicherungszuschuss EUR 306,78
Die Beklagte setzte mit Bescheiden vom 14. Februar 2008 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. Januar 2007 unter Berücksichtigung sämtlicher Leistungen der I. GmbH fest.
Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass nur die vorgezogene Altersbetriebsrente sowie die Subvention des versicherungsmathematischen Abzugs der Beitragspflicht unterlägen, nicht jedoch das Überbrückungsgeld und der Sozialversicherungszuschuss.
Mit Bescheiden vom 4. März 2008 nahm die Beklagte eine Korrektur des ab 1. Januar 2007 geltenden Beitragssatzes vor. Mit weiteren Bescheiden vom 28. März 2008 hielt sie daran fest, dass sämtliche Leistungen der I. GmbH für die Beitragsbemessung heranzuziehen seien, und teilte dem Kläger mit, dass die Beiträge von ihm als Selbstzahler an die Beklagte zu entrichten seien. Die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung setzte sie ab 1. Januar 2007 auf EUR 240,47, ab 1. April 2007 auf EUR 251,92 und ab 1. Januar 2008 auf EUR 257,75 fest. Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch berief sich der Kläger erneut darauf, dass das Überbrückungsgeld und der Sozialversicherungszuschuss der Beitragsbemessung nicht zugrunde gelegt werden dürften. Seit dem 1. Mai 2008 ist er Mitglied einer anderen Krankenkasse.
Die Beklagte wies die Widersprüche des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2008 zurück.
Mit seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger an seiner Rechtsauffassung festgehalten und vorgetragen, bei dem Überbrückungsgeld und dem Sozialversicherungszuschuss handele es sich nicht um eine betriebliche Altersversorgung, sondern um eine gesplittete Kapitalabfindung bzw. um eine Zahlung aus Anlass des Arbeitsplatzverlustes.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die streitigen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen seien. Sie hätten Einkommensersatzfunktion und würden faktisch zur Alterssicherung gezahlt. Die individuelle Leistungsfähigkeit sei nicht relevant.
Auf Anfrage des Sozialgerichts hat die I. GmbH mitgeteilt, dass in jedem Einzelfall entschieden worden sei, ob einem Arbeitnehmer eine entsprechende Auflösungsvereinbarung angeboten werde. Dabei hätten in erster Linie betriebsbedingte Gründe die ausschlaggebende Rolle gespielt. Der Mitarbeiter habe zum Austrittszeitpunkt mindestens sein 50. Lebensjahr und mindestens zehn Dienstjahre vollendet haben müssen. Ein Rechtsanspruch auf die Erteilung eines solchen Angebots habe nicht bestanden. Das Überbrückungsgeld habe den Charakter einer Abfindung, die in monatlichen Teilbeträgen ausgezahlt worden sei. Damit habe die Zeit zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Beginn einer gesetzlichen Rente überbrückt werden sollen.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 30. September 2011 – den Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 7. November 2011 – abgewiesen und ausgeführt, das Überbrückungsgeld unterliege der Beitragspflicht, da es sich um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung handele. Es sei einer Rente vergleichbar, da es unabhängig davon gewährt werde, ob ein neues Arbeitsverhältnis begründet werde oder eine Arbeitslosmeldung erfolge. Aufgrund seiner Höhe werde wie bei einer Rente erreicht, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt damit sicherstellen könne. Auch der zeitliche Faktor spreche für einen Versorgungsbezug, da die Leistung bis zum Bezug einer gesetzlichen Rente, längstens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres, gezahlt werde und an ein Mindestalter von 50 Jahren anknüpfe. Der Versorgungszweck werde schließlich dadurch verdeutlicht, dass eine Rente wegen Erwerbsminderung gegebenenfalls auf das Überbrückungsgeld angerechnet werde.
Der Kläger hat dagegen am 6. Dezember 2011 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das Sozialgericht habe zu Unrecht das befristete Überbrückungsgeld und den befristeten Sozialversicherungszuschuss als Versorgungsbezüge gewertet. Beide Leistungen dienten weder der Altersversorgung noch der Versorgung wegen Invalidität oder Tod, sondern seien vereinbart worden, um den Verlust des Arbeitsplatzes zu kompensieren. Daraus, dass sich das Überbrückungsgeld an der Höhe des zuletzt bezogenen Gehalts orientiere, lasse sich nicht auf eine Altersversorgung schließen. Vielmehr sei dies auch bei Abfindungen nahezu immer der Fall. Ebenso wenig spreche der Umstand, dass die Leistung dem ehemaligen Arbeitnehmer zur Bestreitung seines Lebensunterhalts gewährt werde, für einen rentenähnlichen Versorgungsbezug, denn dies sei gerade auch typisch für eine Abfindung. Abfindungen würden im Übrigen stets unabhängig davon gewährt, ob der Arbeitnehmer arbeitslos werde oder eine Anschlussbeschäftigung eingehe. Das Überbrückungsgeld werde bis zum Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt. Es diene daher der Sicherung des Lebensstandards bis zum Ausscheiden des Klägers aus dem Erwerbsleben und gerade nicht für die Zeit danach. Das Gleiche ergebe sich aus der Befristung der Leistung bis zum 60. Lebensjahr. Der Umstand, dass derartige Abfindungsvereinbarungen nur Arbeitnehmern ab vollendetem 50. Lebensjahr und mit mindestens zehn Dienstjahren angeboten worden seien, spreche nicht für einen Versorgungsbezug, sondern habe lediglich sicherstellen sollen, dass mit jüngeren Arbeitnehmern keine unangemessenen Abfindungen vereinbart würden, die zudem in keinem vernünftigem Verhältnis zur Betriebszugehörigkeit stünden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. September 2011 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 14. Februar 2008, 4. März 2008 und 28. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2008 dahin gehend abzuändern, dass nur die vorgezogene Altersbetriebsrente und die Subvention des versicherungsmathematischen Abzugs der Beitragsbemessung zugrunde gelegt werden sowie die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die zu Unrecht entrichteten Beiträge in Höhe von EUR 776,68 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Sie verweist auf dessen Entscheidungsgründe sowie auf ihre bisherigen Ausführungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, soweit der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge auch das Überbrückungsgeld und der Sozialversicherungszuschuss zugrunde gelegt wurden. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf die insoweit zu Unrecht entrichteten Beiträge.
Gemäß § 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) werden der Beitragsbemessung bei versicherungspflichtig Beschäftigten unter anderem das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung sowie der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) zugrunde gelegt. Als Versorgungsbezüge gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, unter anderem die Renten der betrieblichen Altersversorgung (§ 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der erkennende Senat anschließt, ist der beitragsrechtliche Begriff der betrieblichen Altersversorgung unabhängig von der Definition in § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) und weiter als dieser (BSG, Urteil vom 25.05.2011 – B 12 P 1/09 R – Juris, m.w.N.). Ein beitragspflichtiger Versorgungsbezug liegt demnach vor, wenn die Leistung in engem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Versicherten steht, in ihren Voraussetzungen einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar ist und ihrer Höhe nach von dem Gehalt aus dem Arbeitsverhältnis abhängt (BSG, Urteil vom 25.05.2011, a.a.O.; Peters in jurisPK-SGB V, 2. Aufl., § 229 Rn. 37).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe handelt es sich bei dem hier streitigen Überbrückungsgeld nicht um einen Versorgungsbezug.
Es besteht zwar eindeutig ein Zusammenhang mit dem früheren Arbeitsverhältnis und auch eine Abhängigkeit von der Höhe des früheren Gehalts, denn durch das Überbrückungsgeld war gewährleistet, dass der Arbeitnehmer zusammen mit den übrigen Bezügen insgesamt 70 Prozent seines früheren Arbeitsentgelts erhielt.
Es fehlt jedoch an der Vergleichbarkeit der Voraussetzungen des Überbrückungsgeldes mit denen einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Renten dienen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben, und werden daher durch ein biologisches Ereignis – Alter, Invalidität oder Tod – ausgelöst (BSG, Urteil vom 26.03.1996 – 12 RK 21/95; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.02.2007 – L 16 KR 107/06; BAG, Urteil vom 18.03.2003 – 3 AZR 315/02; alle Juris). Dieser Versorgungszweck unterscheidet die betriebliche Altersversorgung von sonstigen Zuwendungen, etwa solchen zur Überbrückung von erwarteter Arbeitslosigkeit oder Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes (BSG, Urteil vom 26.03.1996 – 12 RK 21/95 – Juris; Seywald-Rewitz in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 229 Rn. 12).
Da der Kläger weder leistungsgemindert noch verstorben ist, scheidet eine Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung als Zweck des Überbrückungsgeldes von vornherein aus. Das Überbrückungsgeld diente aber auch nicht der Alterssicherung des Klägers.
Dies folgt daraus, dass das Überbrückungsgeld weder durch ein biologisches Ereignis – insbesondere das Erreichen eines bestimmten Lebensalters – ausgelöst noch für Zeiten gezahlt wurde, die typischerweise nach dem endgültigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben – also etwa ab dem 60. oder 65. Lebensjahr – liegen. Es wurde vielmehr für die Übergangsphase ab der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bis zum Beginn einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der Vollendung des 60. Lebensjahr gezahlt und endete somit gerade in dem Zeitpunkt, indem das Erwerbsleben typischerweise beendet wird.
Zwar war der Abschluss einer Auflösungsvereinbarung nach dem hier vorliegenden Modell nur Arbeitnehmern mit einem Mindestalter von 50 Jahren und einer Betriebszugehörigkeit von mindestens zehn Jahren möglich. Es hatte jedoch nicht jeder Arbeitnehmer, der diese persönlichen Voraussetzungen erfüllte, deshalb einen Anspruch darauf. Vielmehr wurde nach den Angaben des früheren Arbeitgebers in jedem Einzelfall entschieden, ob ein entsprechendes Angebot unterbreitet wurde, wobei in erster Linie betriebsbedingte Gründe ausschlaggebend waren. Das Mindestalter sowie die Mindestdauer der Betriebszugehörigkeit dienten daher vor allem dem Interesse des Arbeitgebers, sich im Rahmen eines betrieblich veranlassten Personalabbaus zur Wahrung oder Herstellung einer ausgewogenen Altersstruktur auch von älteren Mitarbeitern trennen zu können, während jüngere Arbeitnehmer mit kurzer Betriebszugehörigkeit zumeist leichter kündbar sind.
Vor allem aber war das Mindestalter von 50 Jahren – im konkreten Fall war der Kläger bei Ende des Beschäftigungsverhältnisses 51 Jahre alt – noch sehr weit vom Eintritt des gesetzlichen Rentenalters entfernt. In diesem Alter kann noch nicht typischerweise davon ausgegangen werden, dass ein Arbeitnehmer endgültig aus dem Erwerbsleben ausscheidet. Vielmehr ist – wie der Fall des Klägers zeigt – durchaus eine weitere Teilnahme am Arbeitsleben möglich. Es handelt sich vorliegend auch nicht um eine Branche oder eine Tätigkeit, bei der aus berufsspezifischen Gründen ein früheres Eintreten in den Ruhestand üblich ist (so z.B. in den zugrunde liegenden Fällen bei: LSG Berlin, Urteil vom 22.10.2003 – L 9 KR 410/01 (Flugbegleiter) und SG Hannover, Urteil vom 20.07.1999 – S 11 KR 114/98 (Seeleute); beide Juris). Soweit es für Arbeitnehmer in der Altersgruppe ab 50 Jahren grundsätzlich schwerer wird, einen neuen Arbeitsplatz auch tatsächlich zu finden, spricht dies nicht für den Charakter der Leistung als Altersversorgung, sondern dafür, dass durch sie die Gefahr einer wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintretenden Arbeitslosigkeit kompensiert werden sollte. Zwar wird das Überbrückungsgeld nicht von tatsächlich bestehender Arbeitslosigkeit abhängig gemacht, dem Arbeitnehmer soll jedoch ein Anreiz zum Abschluss der Auflösungsvereinbarung dadurch geboten werden, dass in pauschalisierender Weise von vornherein das Risiko einer möglicherweise eintretenden Arbeitslosigkeit finanziell ausgeglichen wird.
Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der fehlenden Verpflichtung des ausgeschiedenen Arbeitnehmers, sich arbeitslos zu melden. Es trifft zwar zu, dass es der Annahme eines Alterssicherungszwecks entgegensteht, wenn eine Leistung davon abhängig gemacht wird, dass sich der ehemalige Arbeitnehmer dem Arbeitsmarkt weiter zur Verfügung stellt, denn dann wird sie gerade nicht für Zeiten nach dem endgültigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, sondern lediglich zur Überbrückung von Zeiten der Arbeitslosigkeit gezahlt (LSG Sachsen, Urteil vom 04.02.2009 – L 1 KR 132/07; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.07.2011 – L 4 KR 5115/10; beide Juris). Daraus ergibt sich aber nicht im Umkehrschluss, dass eine fehlende Verpflichtung zur Arbeitslosmeldung stets die Annahme eines Versorgungsbezugs rechtfertigt. Im vorliegenden Fall ist es nämlich für die Leistungsgewährung ebenfalls unerheblich, ob der frühere Arbeitnehmer eine neue Beschäftigung aufnimmt, sodass das endgültige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gerade keine Leistungsvoraussetzung ist.
Für den Sozialversicherungszuschuss, der für die Dauer der Überbrückungsgeldzahlung zur Verwendung für die Beitragszahlung in der Sozialversicherung gewährt wurde, aber nicht zweckgebunden war, gelten die vorstehenden Erwägungen entsprechend.
Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Erstattung der aufgrund der fehlerhaften Beitragsbemessung zu Unrecht gezahlten Beiträge. Der Beitragserstattungsanspruch entsteht gemäß § 26 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV kraft Gesetzes und ist von Amts wegen zu berücksichtigen, setzt also keinen gesonderten Antrag voraus (Udsching in Hauck/Noftz, SGB IV, § 26 Rn. 13). Die vierjährige Verjährungsfrist (§ 27 Abs. 2 SGB IV) ist durch die Erhebung der Widersprüche gegen die Beitragsbescheide gehemmt (§ 27 Abs. 3 S. 2 SGB IV). Der Kläger hat im streitigen Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 30. April 2008 Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von EUR 4.019,69 gezahlt. Ohne Berücksichtigung des Überbrückungsgeldes und des Sozialversicherungszuschusses hätte er nur Beiträge in Höhe von EUR 3.243,01 entrichten müssen, sodass sich der Erstattungsanspruch auf EUR 776,68 beläuft.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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