L 2 AL 47/09

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 689/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 47/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Oktober 2009 dahingehend abgeändert, dass dem Kläger Verschuldenskosten nicht auferlegt werden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Wiederbewilligung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit für die Zeit vom 1. August 2001 bis 31. Dezember 2004.

Der 1956 geborene und bei der Beigeladenen versicherte Kläger stammt aus B. und lebt seit Anfang der neunziger Jahre in D ... Er war mit Unterbrechungen durch Zeiten der Krankheit und der Arbeitslosigkeit bei verschiedenen Arbeitgebern, unter anderem als Reinigungskraft und Lagerarbeiter, beschäftigt. Vom 9. November 1998 bis 1. Juli 1999 bezog der Kläger Arbeitslosengeld und vom 2. Juli 1999 bis 17. November 2000 Arbeitslosenhilfe. Aus Anlass seines Umzugs aus dem Bezirk des Arbeitsamts E. nach H. wurde ihm, nachdem er sich am 16. November 2000 beim Arbeitsamt H.-W. persönlich arbeitslos gemeldet hatte, mit Bescheid vom 13. Dezember 2000 für die Zeit vom 18. November 2000 bis zum voraussichtlichen Ende des Bewilligungsabschnitts am 1. Juli 2001 Arbeitslosenhilfe bewilligt. Nachdem der Kläger ab 24. Januar 2001 zunächst bis 23. März 2001 von seinen behandelnden Ärzten arbeitsunfähig krankgeschrieben worden war, hob die Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 8. März 2001 die Bewilligung über Arbeitslosenhilfe ab 6. März 2001 wegen des Endes der Leistungsfortzahlung von sechs Wochen Dauer auf. Mit Bescheid vom 21. März 2001 bewilligte sie ihm Arbeitslosenhilfe für den 6. März 2001. In der Folgezeit erhielt der Kläger für weitere Zeiten bis zum 2. April 2002 Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit. Krankengeld bezog er in dieser Zeit zunächst nicht. Er meldete sich zunächst auch nicht erneut bei der Beklagten.

Am 2. April 2002 meldete sich der Kläger erneut persönlich arbeitslos und beantragte, ihm Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 10. April 2002 mit der Begründung ab, der Kläger erfülle nicht die Anwartschaftszeit für den Bezug von Arbeitslosengeld, denn er habe innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor dem 2. April 2002 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Auch erfülle der Kläger nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, weil er innerhalb der einjährigen Vorfrist vor dem 2. April 2002 kein Arbeitslosengeld bezogen habe und die Gewährung originärer Arbeitslosenhilfe wegen einer Beschäftigung oder gleichgestellten Zeit seit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III) ab 1. Januar 2000 nicht mehr möglich sei. Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, dass er von der Beigeladenen die Zahlung von Krankengeld erwarte. Insoweit sei bisher keine Ablehnung erfolgt, aber ein Verfahren anhängig. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Da seit dem letzten Tag des Bezuges von Arbeitslosenhilfe mehr als ein Jahr verstrichen sei, sei der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe nach § 196 Satz 1 Nr. 2 SGB III erloschen.

Der Kläger hat, vertreten durch die Rechtssekretäre der D1 Rechtsschutz GmbH in H., am 23. Juli 2002 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben und zu deren Begründung zunächst vorgetragen, dass ihm nach seiner Auffassung für die Zeit bis 2. April 2002 Krankengeld zustehe. Hierüber sei in dem noch anhängigen Verfahren gegen die Beigeladene zu entscheiden. Dieses Verfahren wurde im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Hamburg (Aktenzeichen L 1 KR 4/07) durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs vom 5. September 2007 beendet, in dem sich der (seinerzeit ebenfalls durch die D1 Rechtsschutz GmbH vertretene) Kläger und die Beigeladene darauf verständigten, dass dem Kläger Krankengeld über den 6. März 2001 hinaus bis 31. Juli 2001 gewährt und der Rechtsstreit vollen Umfangs für erledigt erklärt werde. Anschließend hat der Kläger das Klageverfahren wieder aufgenommen und sein Begehren weiter verfolgt. Wegen seiner mehr als sechs Monate andauernden Leistungsunfähigkeit stehe ihm aufgrund der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 SGB III Arbeitslosenhilfe über den 6. März 2001 hinaus bis zum 2. April 2002 zu. Diese Auffassung sei zutreffend auch von der Beigeladenen vertreten und von der Beklagten zu Unrecht negiert worden. Zwar habe der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe während des Bezuges von Krankengeld geruht, danach sei er aber wieder aufgelebt.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten, dass im Zeitpunkt der Wiedermeldung am 2. April 2002 der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe gemäß § 196 Satz 1 Nr. 2 SGB III erloschen gewesen sei. Hieran ändere auch die Bewilligung von Krankengeld für die Zeit vom 7. März bis 31. Juli 2001 nichts. Diese Zeit reiche nicht aus, um eine neue Anwartschaft für den Bezug von Arbeitslosengeld ab 2. April 2002 zu erfüllen. Über den 31. Juli 2001 hinaus sei ein Anspruch auf Krankengeld nicht erstritten worden. Zudem sei die Wirkung der letzten Arbeitslosmeldung gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 SGB III erloschen, denn die Arbeitslosigkeit des Klägers sei durch die Arbeitsunfähigkeit für mehr als sechs Wochen unterbrochen worden.

Im Verhandlungstermin am 14. Oktober 2009 hat das Sozialgericht die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert und den Kläger darauf hingewiesen, dass es die weitere Fortführung des Verfahrens als Rechtsmissbrauch ansehe und erwäge, für die Absetzung des Urteils gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Missbrauchskosten zu verhängen. Mit Urteil vom selben Tage hat es die Klage abgewiesen und dem Kläger Verschuldenskosten in Höhe von 150,- EUR auferlegt. Zur Begründung der Klageabweisung hat es auf die Begründung der angefochtenen Bescheide Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, § 125 SGB III könne nur einschlägig sein, wenn die Arbeitsagentur von der Beendigung des Krankengeldbezuges Kenntnis habe und der Betroffene sich im Rahmen eines noch festzustellenden Leistungsvermögens der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stelle. Anderenfalls habe sie keine Möglichkeit, nach § 125 Abs. 2 SGB III vorzugehen. Nachdem durch die mehr als sechs Wochen andauernde Arbeitsunfähigkeit die Wirkung der Arbeitslosmeldung des Klägers gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 SGB III erloschen sei und der Anspruch des Klägers wegen des Bezuges von Krankengeld geruht habe, sei zwar kein neuer Leistungsantrag, wohl aber eine erneute persönliche Arbeitslosmeldung erforderlich gewesen. Der Wegfall der das Ruhen begründenden Leistung müsse der Arbeitsagentur im Sinne der notwendigen Mitwirkung angezeigt werden, um die Wiederaufnahme der Zahlungen zu ermöglichen. Die Auferlegung von Verschuldenskosten in Höhe des Mindestbetrags von 150,- EUR sei aufgrund der entsprechend dem Gesetz erfolgten Hinweise und der Tatsache, dass der Kläger das Verfahren gleichwohl fortgeführt habe, sachgerecht.

Gegen das der D1 Rechtsschutz GmbH H. am 18. November 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger, der nunmehr durch die Rechtsanwältin K. in H. vertreten wurde, am 17. Dezember 2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung des Rechtsmittels trägt er vor, sein Leistungsanspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe ergebe sich aus § 125 SGB III. Er sei vom 24. Januar 2001 bis zum 2. April 2002 erkrankt und daher für mehr als sechs Monate nicht in der Lage gewesen, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung zu den einschlägigen Bedingungen des Arbeitsmarktes auszuüben. Die Vorschrift bestimme außerdem, dass sich der Leistungsgeminderte persönlich oder, falls er die Meldung persönlich nicht abgeben könne, durch einen Vertreter oder nach Wegfall des Grundes für die Verhinderung unverzüglich persönlich arbeitslos melden müsse. Danach erfülle der Kläger bereits ab 1. August 2001 alle Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch. Er habe noch vor seiner Erkrankung eine Arbeitslosmeldung vorgenommen, sodann eine mehr als 6-monatige Minderung seiner Leistungsfähigkeit hinnehmen müssen und sich nach deren Beendigung unverzüglich, nämlich am 3. April 2002 (richtig: am 2. April 2002) persönlich gemeldet. Soweit das Sozialgericht meine, dass die Wirkung der (vorherigen) Arbeitslosmeldung erloschen sei, weil sich der Kläger nicht spätestens sechs Wochen nach Beginn der Leistungsunfähigkeit, also bis 7. März 2001 arbeitslos gemeldet habe, wende er ein, dass er seinen Anspruch nicht auf § 118 SGB III, sondern auf die Sondervorschrift des § 125 SGB III stütze, in der die Voraussetzung der erneuten Meldung nicht geregelt sei. Er wolle eine Gesamtrevision seines Falles erreichen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Oktober 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2001 bis 31. Dezember 2004 Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe) dem Grunde nach zu gewähren. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt der Berufung entgegen und bezieht sich auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils, denen sie beipflichtet. Weiter trägt sie vor, eine rückwirkende Gewährung von Arbeitslosenhilfe vor der erst am 2. April 2002 erfolgten erneuten Arbeitslosmeldung gemäß § 125 SGB III scheide aus, weil die Wirkung der früheren Arbeitslosmeldung gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 SGB III nach mehr als 6-wöchiger Unterbrechung der Arbeitslosigkeit erloschen und eine erneute Meldung erforderlich geworden sei. Die Wirkung des § 125 SGB III, der gemäß § 198 Satz 2 Nr. 3 SGB III auf die Arbeitslosenhilfe entsprechend anzuwenden sei, beschränke sich darauf, ein gesundheitliches Leistungsvermögen des Arbeitslosen zu fingieren, solange der Träger der Rentenversicherung noch keine Erwerbsminderung festgestellt habe. Bis zu diesem Zeitpunkt werde lediglich eine Vorleistungspflicht der Beklagten begründet. Im Zeitpunkt der Meldung am 2. April 2002 sei aber in Ermangelung des erforderlichen Vorbezuges von Arbeitslosenhilfe der Leistungsanspruch des Klägers gemäß § 196 Satz 1 Nr. 2 SGB III erloschen. Die Dauer des zuerkannten Krankengeldanspruchs reiche auch nicht aus, um eine neue Anwartschaft auf Arbeitslosengeld zu begründen.

Sämtliche Beteiligten haben ihre Zustimmung dazu erteilt, dass über die Berufung durch den Berichterstatter als Einzelrichter entschieden wird (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Anfrage des Gerichts, ob gemäß § 153 Abs. 1 und 124 Abs. 2 SGG Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe, hat die frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 14. Februar 2012 zunächst bejaht. Mit einem am selben Tage eingegangenen Schriftsatz hat sie jedoch mitgeteilt, dass der Kläger mit der Durchführung des schriftlichen Verfahrens nicht einverstanden sei und eine mündliche Verhandlung wünsche. Die Einverständniserklärungen der Beklagten und der Beigeladenen mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung sind später, nämlich am 14. Mai 2012 und am 17. Juli 2012 eingegangen. Mit Beschluss vom 9. Januar 2012 hat das Gericht den Antrag des Klägers, ihm für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwältin K. zu gewähren, wegen fehlender Erfolgsaussicht abgelehnt. Nach mündlicher Verhandlung am 15. Februar 2012 hat das Gericht das Verfahren ausgesetzt und dem Kläger Gelegenheit zu geben, sich zur Fortführung des Verfahrens zu äußern. Mit dem am 24. Februar 2012 eingegangenen Schriftsatz hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers mitgeteilt, dass sie den Kläger nicht mehr anwaltlich vertrete. Mit Schreiben vom 30. April und vom 7. Juni 2012 hat der Kläger mitgeteilt, er wolle das Verfahren wieder aufnehmen. Das mit dem zuletzt genannten Schreiben zugleich angebrachte Ablehnungsgesuch gegen den Berichterstatter hat der Senat mit Beschluss vom 29. Juni 2012 zurückgewiesen. Zu der für den 24. Oktober 2012 anberaumten mündlichen Verhandlung ist der Kläger erschienen. Vor der Wiedergabe des wesentlichen Inhalts der Akten hat er jedoch erklärt, vor dem Berichterstatter, dem er nach wie vor vorwerfe, ihn als "Irren" anzusehen und zu behandeln, ohne Unterstützung durch einen Rechtsanwalt nicht verhandeln zu wollen. Nach Abgabe dieser Erklärung hat er den Sitzungssaal verlassen. Die Verhandlung ist anschließend in Abwesenheit des Klägers durchgeführt worden. Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die zu den Sitzungsniederschriften gelangten Feststellungen und den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 24. Oktober 2012 aufgeführten Unterlagen Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet aufgrund der Zustimmung aller Beteiligten über die Berufung durch den Berichterstatter als Einzelrichter (§ 155 Abs. 3 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)). Einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 SGG steht bereits entgegen, dass das hierzu ebenfalls erforderliche Einverständnis aller Beteiligter zu keinem Zeitpunkt übereinstimmend bestanden hat (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2001 – X ZR 21/00, BGHZ 147, S. 397; BSG, Urteil vom 10. August 1965 – 6 RKa 5/64, Breithaupt 1968, S. 718 sowie BSG, Beschlüsse vom 11. November 2004 – B 9 SB 19/04, vom 14. Oktober 2005 – B 11a AL 45/05 B und vom 16. Februar 2007 – B 6 KA 60/06 B, alle Beschlüsse in juris veröffentlicht). Denn die frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte ihre 14. Februar 2012 erteilte Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung am selben Tage widerrufen, also rechtzeitig zu einem Zeitpunkt, als die diesbezügliche Zustimmung der übrigen Beteiligten noch nicht vorlag. Der Kläger selbst hat nach dem 14. Februar 2012 nicht erneut sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt, sondern darauf bestanden, dass eine solche Verhandlung stattfinde. Einer Entscheidung des Gerichts steht nicht entgegen, dass der Kläger seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2012 noch vor Erstattung des Sachberichts abgebrochen und den Sitzungssaal verlassen hat. Denn er ist in der Terminsmitteilung vom 30. August 2012 darauf hingewiesen worden, dass auch in seiner Abwesenheit entschieden werden könne. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Kläger möglicherweise nicht im Sinne von § 71 SGG prozessfähig ist. Hinweise hierauf enthalten die vom Kläger am 13. Februar 2012 dem Gericht vorgelegten, aus der Zeit zwischen 23. August 2001 und 23. Februar 2010 stammenden ärztlichen Unterlagen mit den Diagnosen einer wahnhaften Störung, einer posttraumatischen Belastungsstörung und zeitweise einer schweren depressiven Episode. Auch sein in den Verhandlungsterminen am 15. Februar und 24. Oktober 2012 gezeigtes Verhalten könnte Zweifel an der Prozessfähigkeit begründen. Andererseits deutet das schriftliche Vorbringen des Klägers darauf hin, dass er sein Begehren unter Einbeziehung der Vorgeschichte des Verfahrens, insbesondere des wegen der Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 7. März 2001 bis 1. April 2002 geführten Klage- und Berufungsverfahrens (S 48 KR 47/04 und L 1 KR 4/07) nachvollziehbar und verständlich formulieren kann. Jedenfalls hat das Gericht keinen Grund mehr gesehen, die Verhandlung zu vertagen, um die Frage der Prozessfähigkeit zu klären, gegen den am 15. Februar 2012 erklärten Willen des Klägers beim zuständigen Vormundschaftsgericht die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung anzuregen und/oder, falls eine solche nicht zustande kommt, ihm für den Fall fehlender Prozessfähigkeit gemäß § 72 SGG einen besonderen Vertreter zu bestellen. Dies alles würde zu einer unnötigen, zeitlich nicht absehbaren Verzögerung des Verfahrens mit möglichen weiteren Komplikationen führen und könnte nichts daran ändern, dass die Rechtsverfolgung im vorliegenden Verfahren, wie noch auszuführen ist, offensichtlich haltlos ist. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt worden. Auch die möglicherweise fehlende Prozessfähigkeit des Klägers steht der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen.

Die Berufung ist jedoch offensichtlich unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 10. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2002, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger Leistungen wegen Arbeitslosigkeit dem Grunde nach zu gewähren.

Der Zulässigkeit der gegen diese Bescheide statthaften, form- und fristgerecht erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage könnte allerdings eine fehlende Prozessfähigkeit des Klägers entgegenstehen. Gleichwohl hat das Gericht davon abgesehen, die Frage der Prozessfähigkeit zu klären, die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung in die Wege zu leiten und/oder, falls es hierzu nicht kommen sollte, ihm für den Fall festzustellender Prozessfähigkeit gemäß § 72 SGG einen besonderen Vertreter zu bestellen, dessen Kosten der Kläger dann zu tragen hätte, weil ihm wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht seiner Berufung Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden konnte und kann (vgl. Beschluss des Gerichts vom 9. Januar 2012). Denn der Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung zur Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens oder der Bestellung eines besonderen Vertreters bedarf es auch bei feststehender Prozessunfähigkeit einer Partei nicht, wenn sich die Rechtsverfolgung als offenkundig haltlos erweist (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Juli 2003 – B 7 AL 216/02 B, SozR 4-1500 § 72 Nr. 1; LSG Hamburg, Urteile vom 14. Oktober 2004 – L 5 AL 57/04, nicht veröffentlicht und vom 11. Oktober 2006 – L 1 KR 17/06, www.sozialgerichtsbarkeit.de; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, Randnr. 2c zu § 72 mit weiteren Nachweisen) oder wenn der prozessunfähigen Partei der von ihr geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zustehen kann und ihm deshalb für die Inanspruchnahme unnützen Rechtsschutzes das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde (vgl. BSG, Beschluss vom 19. Oktober 2011 – B 14 AS 1/10 B, nicht veröffentlicht). Beides ist hier der Fall.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind unter keinem denkbaren tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden. Der Kläger erfüllt ganz offensichtlich nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe ab dem 1. August 2001 oder ab dem 2. April 2002 nach dem SGB III in den zu jenen Zeitpunkten jeweils geltenden, im Folgenden nur bei Gesetzesänderungen gesondert genannten Fassungen. Denn er hat die für beide Leistungen erforderliche Anspruchsvoraussetzung der persönlichen Arbeitslosmeldung erst am 2. April 2002 erfüllt (nachstehend 1.). Ausgehend hiervon scheitert ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bereits an der fehlenden Anwartschaftszeit (nachstehend 2.) Der frühere Anspruch auf Arbeitslosenhilfe war im Zeitpunkt der Wiedermeldung am 2. April 2002 bereits erloschen (nachstehend 3.).

1. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe nach dem Ende des letzten Krankengeldbezuges ab 1. August 2001 scheitert bereits an der fehlenden persönlichen Arbeitslosmeldung, die Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist (§ 117 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in Verbindung mit §§ 190 Abs. 1 Nr. 2 in der Fassung des Arbeitsförderungsreformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594 und § 198 Satz 2 Nr. 2 SGB III in der Fassung des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997, BGBl. I S. 2970). Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III (in der Fassung des AFRG, a.a.O.) hat sich der Arbeitslose persönlich beim zuständigen Arbeitsamt (später: bei der zuständigen Agentur für Arbeit) arbeitslos zu melden. Ist er hierzu wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht in der Lage, so kann die Meldung durch einen Vertreter erfolgen; in einem solchen Fall hat sich der Leistungsgeminderte unverzüglich persönlich beim Arbeitsamt zu melden, sobald der Grund für die Verhinderung entfallen ist (125 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB III in der Fassung des AFRG, a.a.O., in Verbindung mit § 198 Satz 2 Nr. 3 SGB III in der Fassung des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes, a.a.O.). Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 SGB III erlischt die Wirkung der Arbeitslosmeldung bei einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit.

Der Kläger erfüllte in der Zeit vom 1. August 2001 bis 31. März 2002 nicht das Erfordernis der erneuten persönlichen Arbeitslosmeldung. Er hat sich in dieser Zeit, insbesondere am oder mit Wirkung zum 1. August 2001 weder selbst noch durch einen Vertreter arbeitslos gemeldet und dies auch in der danach folgenden Zeit bis zum 1. April 2002 nicht getan. Vielmehr ist seine Wiedermeldung bei der Beklagten erst am 2. April 2002 erfolgt. Auf seine letzte persönliche Arbeitslosmeldung vom 16. November 2000, die dem letzten Bezug von Arbeitslosenhilfe zugrunde gelegen hat, kann er einen Leistungsanspruch ab dem 1. August 2001 nicht stützen, weil die Wirkung dieser Arbeitslosmeldung gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 SGB III nach mehr als 6 Wochen andauernder Erkrankung erloschen war. In dieser Zeit, die hier mit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 24. Januar 2001 begonnen und nicht vor Ablauf von sechs Wochen geendet hat, war die Arbeitslosigkeit unterbrochen, weil der Kläger mangels Arbeitsfähigkeit nicht verfügbar war. Hieran vermag der Einwand des Klägers, er habe sich erst nach Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit am 2. April 2002 wieder bei der Beklagten melden können, nichts zu ändern. Soweit der Kläger seinen Leistungsanspruch auf § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III (hier anzuwenden in der am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl. I S. 1827) stützen will, weil seine Leistungsminderung mehr als sechs Monate angedauert habe, verkennt er, dass diese Vorschrift keine eigenständige Anspruchsgrundlage bildet, sondern ihre Wirkung lediglich darin besteht, ein gesundheitliches Leistungsvermögen des Arbeitslosen (Versicherten) bis zum Eintritt des in der Rentenversicherung versicherten Risikos der Erwerbsminderung zu fingieren. Diese Fiktion hindert die Arbeitsverwaltung im Sinne einer Sperrwirkung daran, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld mit der Begründung zu verneinen, der Arbeitslose sei wegen nicht nur vorübergehenden Einschränkungen der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit objektiv nicht verfügbar; sie soll insbesondere widersprüchliche Beurteilungen des Leistungsvermögens verhindern (vgl. BSG, Urteil vom 9. September 1999 - B 11 AL 13/99 R, SozR 3-4100 § 105a Nr 7). Diese Sperrwirkung der sog. Nahtlosigkeitsregelung entfaltet sich deshalb allein im Rahmen der objektiven Verfügbarkeit und kann lediglich ihr Fehlen, nicht aber das Fehlen einer erforderlichen persönlichen Arbeitslosmeldung oder sonstiger Voraussetzungen für den Leistungsanspruch ersetzen. Die Leistungsminderung muss vielmehr der alleinige Grund für das Fehlen der Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit, hier in Form der objektiven Arbeitsfähigkeit sein (vgl. nur Brand in Niesel, SGB III, 5. Auflage, Randnr. 2 zu § 125 mit weiteren Nachweisen). Da der Kläger sich in der Zeit vom 1. August 2001 bis zum 1. April 2002 nicht erneut persönlich arbeitslos gemeldet hatte, bleibt es auch in Ansehung des § 125 Abs. 1 SGB III dabei, dass der geltend gemachte Anspruch schon an der fehlenden persönlichen Wiedermeldung scheitern muss.

Diese war, um die Anwendbarkeit des § 125 Abs. 1 SGB III überhaupt begründen zu können, auch aus einem weiteren Grund erforderlich. Das Sozialgericht hat zutreffend erkannt, dass das Arbeitsamt (später: die Bundesagentur für Arbeit) durch die Mitwirkung des Arbeitslosen in die Lage versetzt werden muss, die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm - Minderung der Leistungsfähigkeit auf weniger als 15 Stunden wöchentlich für eine Dauer von mehr als sechs Monaten - selbst zu ermitteln und festzustellen, denn erst diese Feststellung bietet ihr die Grundlage für die Prüfung, ob auch subjektive Arbeitsbereitschaft entsprechend der objektiven Arbeitsfähigkeit des Arbeitslosen bestanden hat (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2007 – B 7a AL 36/06 R, SozR 4-4300 § 125 Nr. 2 und Beschluss vom 23. August 2010 – B 11 AL 2/10 BH). Fehlt es wie im vorliegenden Fall an der erforderlichen persönlichen Wiedermeldung nach einer Erkrankung des Arbeitslosen von mehr als sechs Wochen, hat das Arbeitsamt bzw. die Arbeitsagentur auch nicht die Möglichkeit, den Anspruchsteller aufzufordern, einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen und das Unterbleiben eines solchen Antrags zu sanktionieren, wie dies in § 125 Abs. 2 SGB III (sowohl in der Fassung des AFRG, a.a.O., als auch in der hier maßgeblichen Fassung des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046) vorgesehen war.

2. Steht mithin fest, dass die vom Kläger geltend gemachten Leistungen nur an seine persönliche Arbeitslosmeldung am 2. April 2002 geknüpft werden können, scheitert ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab diesem Zeitpunkt bereits an der zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllten Anwartschaftszeit (§ 117 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in der Fassung des AFRG, a.a.O., und § 123 Satz 1 Nr. 1 in der Fassung des Ersten SGB-III-Änderungsgesetzes, a.a.O.). Denn der Kläger hätte selbst bei Erfüllung aller sonstigen Leistungsvoraussetzungen in der für ihn maßgeblichen dreijährigen Rahmenfrist (§ 124 Abs. 1 SGB III in der Fassung des AFRG, a.a.O.) vom 2. April 1999 bis 1. April 2002 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Während des in jener Zeit liegenden Bezuges von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit hat keine Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversicherung bestanden. Während des Bezuges von Krankengeld vom 7. März bis 31. Juli 2001 bestand zwar Versicherungspflicht (§ 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III in der Fassung des AFRG, a.a.O.), doch hat diese nur knapp fünf Monate und damit nicht die erforderlichen zwölf Monate angedauert. In Anbetracht dessen kann offen bleiben, ob einem Anspruch auf Arbeitslosengeld weitere Hindernisse entgegenstehen würden.

3. Bestand mithin in der Zeit vom 1. August 2001 bis 1. April 2001 schon mangels der erforderlichen persönlichen Wiedermeldung des Klägers bei der Beklagten kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, kann ein solcher Anspruch auch ab dem 2. April 2002 nicht mehr bestanden haben. Gemäß § 196 Satz 1 Nr. 2 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung des Dritten SGB III-Änderungsgesetzes vom 22. Dezember 1999, BGBl. I S. 2624) erlischt der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, wenn seit dem letzten Tage des Bezugs von Arbeitslosenhilfe ein Jahr vergangen ist. So verhält es sich hier. Am 2. April 2002 lag der letzte Tag des Bezuges von Arbeitslosenhilfe, der 6. März 2001, mehr als ein Jahr zurück, so dass der Anspruch erloschen war. Eine Verlängerung der Erlöschensfrist gemäß § 196 Satz 2 Nrn. 1 bis 5 SGB III scheidet aus, weil der Kläger keinen der dort genannten Tatbestände erfüllt hat.

Hinsichtlich der verhängten Missbrauchskosten gemäß § 192 SGG kann das angefochtene Urteil des Sozialgerichts keinen Bestand haben. Angesichts der fraglichen Prozessfähigkeit kann nicht festgestellt werden, ob der Kläger im Verhandlungstermin am 14. Oktober 2009 die erforderliche Einsichtsfähigkeit hatte, die rechtlichen Hinweise des Sozialgerichts zu verstehen und nachzuvollziehen. Nur in einem solchen Fall kann aber von missbräuchlicher Rechtsverfolgung im Sinne von § 192 Abs. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG gesprochen werden (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, Randnr. 9a zu § 192).

Das Gericht hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die dafür gemäß § 160 Abs. 2 SGG erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Saved