L 4 SO 5/12

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 43 SO 278/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 5/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Dezember 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Bereitstellung von Monatskarten für öffentliche Verkehrsmittel (ermäßigte CC-Karten für den Großbereich H1) für Zeit ab dem 1. März 2009 aus Mitteln der Sozialhilfe.

Die am XXXXX 1967 geborene Klägerin leidet an paranoider Schizophrenie und war zunächst vollstationär im A.-Heim untergebracht, seit Februar 2011 im R., Wohnhaus H ... Ihre Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wird zur anteiligen Deckung der Unterbringungskosten eingesetzt. Darüber hinaus leistet die Beklagte den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen nach § 35 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII, hier in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, a.F.), u.a. als Barbetrag zur persönlichen Verfügung in Höhe von zunächst 91,26 Euro monatlich; derzeit beläuft sich der Betrag nach Angaben der Klägerin auf ungefähr 100.- Euro im Monat. Weiterhin übernahm die Beklagte bis einschließlich Februar 2009 zusätzlich die Kosten für eine HVV-Monatskarte für den Großbereich H1 (CC-Karte). Für die Zeit ab dem 1. März 2009 stellte die Beklagte der Klägerin anstelle der beantragten CC-Karte lediglich die (zur Inanspruchnahme von Ermäßigungen bei der Anschaffung von Zeitkarten berechtigende) sog. Sozialkarte H1 aus. Die Klägerin hielt angesichts dessen an ihrem Antrag fest und begründete dies damit, die Sozialkarte sei für Leistungsbezieher gedacht, die in der eigenen Häuslichkeit wohnten und somit auch den Regelsatz erhielten. Ihr hingegen stehe lediglich der Barbetrag zur Verfügung, aus dem sie die Fahrtkosten zur Aufrechterhaltung ihrer sozialen Kontakte nicht bestreiten könne. Sie fahre durchschnittlich viermal monatlich nach G. zu ihrem Partner, zweimal monatlich zu Arztterminen und drei bis viermal pro Monat in die Innenstadt oder nehme an den von der Einrichtung organisierten Ausflügen teil.

Die Beklagte lehnte diesen weitergehenden Antrag mit Bescheid vom 26. März 2009 ab. Fahrten, die Teil des Gesamtkonzepts der Einrichtung seien, seien bereits mit der Maßnahmepauschale abgegolten und durch die Einrichtung zu finanzieren. Darüber hinausgehende Fahrten für Arztbesuche und Familienbesuche seien von der Klägerin aus ihrem Barbetrag zu bestreiten, wobei sie aufgrund der bereits übersandten Sozialkarte H1 eine Ermäßigung in Anspruch nehmen könne.

Den am 31. März 2009 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 12. August 2009 zurück. Wie sich aus der Konkretisierung zu § 35 Abs. 2 SGB XII a.F. ergebe, diene der Barbetrag der Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens einschließlich des Fahrgeldes für den öffentlichen Nahverkehr. Daneben bestehe grundsätzlich kein Anspruch auf eine vollständige Übernahme der Fahrtkosten. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass im Fall der Klägerin eine höhere Bemessung des Barbetrags geboten sei. An ihre frühere Verwaltungspraxis sei die Beklagte jedenfalls inzwischen nicht mehr gebunden, da sie mit der Einführung der Sozialkarte H1 diese Verwaltungspraxis grundlegend geändert habe. Es liege auch kein Ausnahmefall vor, in dem die Übernahme der vollen Kosten für eine Zeitkarte geboten sei. Die Klägerin werde nicht schlechter gestellt als diejenigen Leistungsberechtigten, die in der eigenen Häuslichkeit lebten und aus dem Regelsatz erheblich mehr Bedürfnisse selbst decken müssten als die Klägerin, die weitgehend durch in der Einrichtung versorgt würden. Gerade die Kosten der geschilderten Fahrten seien aus dem Regelsatz zu bestreiten. Hierfür sei ein Betrag von etwa 20.- Euro bei der Regelsatzbemessung berücksichtigt worden. Soweit trotz der Sozialkarte H1 eine geringfügige Differenz zulasten der Klägerin verbleibe, sei es ihr zumutbar, diese aus dem Barbetrag selbst aufzubringen. Ihr Bedarf an Barmitteln sei insgesamt geringer als beim Aufenthalt in einer eigenen Unterkunft, da durch die vollstationäre Unterbringung zum Beispiel das Reinigen von Wäsche entfalle.

Die Klägerin hat am 25. August 2009 Klage erhoben: Es sei gerade Ziel ihrer Wiedereingliederung, ihre Mobilität und Eigenständigkeit zu fördern. Den Barbetrag erhalte hingegen in gleicher Höhe auch ein Bewohner eines Alten- oder Pflegeheimes, bei dem dieses Ziel nicht mehr verfolgt werden könne und der keine entsprechenden Fahrkosten habe. Zudem sei die Beklagte durch ihr früheres Verwaltungshandeln gebunden. Soweit sie in der Zwischenzeit Fahrkarten benötigt habe, habe sie diese selbst beschafft.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 15. Dezember 2010 (dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 27. Dezember 2010) abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch aus § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII. Der Barbetrag decke u.a. die Kosten der Bedarfsgruppe "Erhaltung der Beziehungen zur Umwelt" ab, wozu auch die Aufwendungen für den öffentlichen Personennahverkehr gehörten. Es sei der Klägerin zumutbar, für ihre Fahrten im Großbereich H1 monatlich 31.- Euro und damit knapp ein Drittel des Mindestbarbetrags einzusetzen. Aus der früheren Verwaltungspraxis der Beklagten könne die Klägerin keinen Anspruch herleiten, denn die Beklagte habe ihre Verwaltungspraxis mit Einführung der Sozialkarte H1 erkennbar geändert, ohne dass dies rechtlich zu beanstanden sei. Schließlich ergebe sich ein Anspruch auch nicht aus Vorschriften der Eingliederungshilfe. Die Kosten für Fahrten zu auswärtigen Maßnahmen des Einrichtungsträgers seien bereits mit der dem Heimträger gewährten Maßnahmepauschale abgegolten. Was andere Fahrten angehe, erfülle die Fahrtkostenübernahme keine Aufgabe der Eingliederungshilfe. Die geschilderten Aktivitäten (Schaufensterbummel, eigenständige Arztbesuche, Besuche beim Partner) zeigten, dass der Klägerin insoweit eine Teilhabe am Leben in Gemeinschaft möglich sei. Wenn hierbei Fahrtkosten entstünden, liege dies nicht an Art und Schwere ihrer Behinderung, sondern schlicht daran, dass Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln kostenpflichtig seien. Diese Aufwendungen entstünden behinderten und nichtbehinderten Fahrgästen gleichermaßen. Auch die Höhe der anfallenden Fahrtkosten liege im Rahmen dessen, was auch nichtbehinderte Bewohner H1 aufwenden müssten. Im Übrigen müsse die Beklagte selbst bei der Übernahme von Fahrtkosten als Eingliederungshilfe Fahrten nur in dem Umfang ermöglichen, der dem üblichen Verhalten nichtbehinderter Personen entspreche. Durch eine Übernahme von Fahrtkosten würde der Klägerin nicht etwas ermöglicht, was ihr ansonsten aufgrund ihrer Behinderung nicht oder nicht zureichend möglich wäre. Das Anliegen der Klägerin finde seinen Grund allein darin, dass sie den gewährten Barbetrag als nicht auskömmlich erachte.

Die Klägerin hat am 21. Januar 2011 Berufung eingelegt. Maßnahmen, die geeignet seien, das Gefühl sozialer Isolation zu überwinden, fielen grundsätzlich unter § 58 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Anders als nicht behinderte Menschen sei sie für ihre Wiedereingliederung auf Fahrten im öffentlichen Personennahverkehr angewiesen. Das Sozialgericht habe ihre bestehende soziale Isolation im Sinne einer Beschränkung auf die Kontakte zu anderen Mitbewohnern der Unterkunft nicht hinreichend berücksichtigt. Da ihre Mutter und andere nahe Verwandte außerhalb H1 lebten und die Klägerin sie nur einmal jährlich besuchen könne, sei sie auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, um soziale Kontakte außerhalb der Einrichtung aufrecht zu erhalten. Auch Wohnungsbesichtigungen seien bisher an der mangelnden Mobilität der Klägerin gescheitert.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2009 zu verurteilen, ihr die Kosten einer ermäßigten CC-Karte für die Zeit ab dem 1. März 2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Wenn die Klägerin den Barbetrag für nicht ausreichend erachte, um neben den Kosten einer Fahrkarte auch ihre Aufwendungen für Telefon, Tabak- und Süßwaren zu decken, rechtfertige dies keinen höheren Leistungsanspruch. Weiterhin verweist die Beklagte auf eine Stellungnahme des sozialpädagogischen Fachdienstes beim Bezirksamts W. - Fachamt Eingliederungshilfe - vom 16. Mai 2012, in der es heißt, die Klägerin sei nicht in der Lage, die ihr zur Verfügung stehenden Mittel planvoll zu verwalten, und erkenne selbst, das manche ihrer Einkäufe nicht unbedingt notwendig und auch nicht wichtiger seien als die Fahrtkosten. Am gesellschaftlichen Leben nehme die sehr kontaktfreudige Klägerin auch jetzt schon aktiv und erfolgreich teil. Insofern beziehe sich der Hilfebedarf "Teilhabe" mehr auf eine Reflexion der Art und Weise, wie sie ihre sozialen Kontakte gestaltet, nicht aber auf eine Einschränkung ihrer Teilhabefähigkeit aufgrund fehlender Monatskarte. Der Wunsch nach Ausweitung des Aktionsradius sei unterstützenswert, solle allerdings mit dem Ziel verbunden werden, den Umgang mit Geld zu erlernen.

Der Senat hat einen Befundbericht des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. H2 vom 10. April 2012 eingeholt. Dr. H2 hat bei der Klägerin paranoide Schizophrenie diagnostiziert und ausgeführt, ihr Wunsch nach Kontaktpflege und anderen Aktivitäten außerhalb der Einrichtung sei zu begrüßen. Er habe die krankheitsbedingt in ihrer Kritikfähigkeit erheblich eingeschränkte Klägerin jedoch nicht davon zu überzeugen vermocht, dass sie die Kosten der begehrten Fahrkarte durch Aufgabe des gesundheitsschädlichen Rauchens finanzieren könne. Die Behandlungsfrequenz habe zunächst bei 28 Tagen gelegen, zwischenzeitlich bei 14 Tagen und zuletzt bei acht Wochen.

Die Beteiligten haben sich am 15. Februar 2012 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter einverstanden erklärt.

Der Senat hat am 26. November 2012 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 155 Abs. 3 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch den Berichterstatter.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Sie ist nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Klägerin wehrt sich gegen einen Bescheid, mit dem die Beklagte den Antrag auf Übernahme der monatlich entstehenden Kosten ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt hat. Enthält auch der Klageantrag keine zeitliche Begrenzung, so ist Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens in einer solchen Situation zulässigerweise die gesamte bis zum für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt verstrichene Zeit (speziell für das Sozialhilferecht BSG, Urteil vom 11.12.2007, B 8/9b SO 12/06 R). Für eine Beschränkung dieser Grundsätze auf Fälle der Totalablehnung ist nichts ersichtlich. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass als Rechtsgrundlage für das Klagebegehren nicht nur § 35 SGB XII a.F. (bzw. § 27b SGB XII in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) in Betracht kommt, sondern auch die §§ 53 SGB XII. Richtet sich das Klagebegehren nicht eindeutig auf eine Erhöhung des Barbetrages und somit auf einen integralen Bestandteil einer bereits bewilligten Leistung, so besteht auch aus Gründen der Prozessökonomie kein Bedürfnis nach Aufspaltung des Streitgegenstandes in einzelne Bewilligungsabschnitte.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Klägerin hat nach allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen weder Anspruch auf Bereitstellung von Monatskarten noch auf Erstattung der Kosten für in der Vergangenheit selbst beschaffte Karten.

Ein auf die medizinische Notwendigkeit zur Benutzung von Verkehrsmitteln gestützter Anspruch scheidet aus. Die Klägerin ist nicht gehbehindert oder aus anderen gesundheitlichen Gründen daran gehindert, im Alltag übliche Strecken zu Fuß zurückzulegen. Dasselbe gilt für einen auf die Notwendigkeit von Arztbesuchen gestützten Anspruch. Ein Angewiesensein auf öffentliche Verkehrsmittel kommt nur hinsichtlich der Behandlung bei Dr. H2 und auch insoweit nur für die Zeit ab Februar 2011 überhaupt in Betracht. Es erscheint nachvollziehbar, wenn sich die Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet von dem Arzt ihres Vertrauens behandeln lässt. Aber auch die Behandlung bei Dr. H2 vemag keinen – auf welche konkrete Rechtsgrundlage auch immer gestützten – Anspruch auf höhere Leistungen zu begründen. Die Wegstrecke zu seiner Praxis betrug von der alten Unterkunft der Klägerin aus 2,6 km. Es ist nicht ersichtlich, wieso die Klägerin daran gehindert gewesen wäre, diesen Weg mit einer Frequenz von bis zu zweimal monatlich zu Fuß zurückzulegen. Die Entfernung von der derzeitigen Unterkunft aus ist zwar beträchtlich länger, lässt sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln indes zu einem Preis von 1,85 Euro für eine einfache Fahrt zurücklegen. Auch bei der zeitweiligen vierzehntägigen Behandlungsfrequenz belaufen sich die Kosten daher nur auf 7,40 Euro monatlich, was finanziell zumutbar erscheint (zumal die Behandlungsfrequenz nach Auskunft von Dr. H2 derzeit bei acht Wochen liegt, was die hierdurch entstehenden Fahrtkosten auf durchschnittlicher weniger als 2 Euro im Monat senkt). Angesichts all dessen bedarf auch das Verhältnis zu § 60 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) im vorliegenden Fall keiner näheren Erörterung. Was eine allgemeinärztliche Behandlung angeht, ist nicht ersichtlich, wieso sie hierzu überhaupt auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen sein sollte. Sie kann vielmehr Ärzte in fußläufiger Entfernung aufsuchen. Dass sie regelmäßiger und engmaschiger ärztlicher Behandlung bedürfte, die nur ein weiter entfernt ansässiger Arzt zu leisten vermag, ist weder dargetan noch ersichtlich.

Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus § 27b SGB XII bzw. § 35 SGB XII a.F. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Darlegungen im Urteil des Sozialgerichts verwiesen, denen nichts hinzuzufügen ist.

Auch aus den Vorschriften der Eingliederungshilfe ergibt sich der klageweise geltend gemachte Anspruch nicht. Dasselbe gilt für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für selbstbeschaffte Fahrkarten nach § 15 SGB IX. Als Anspruchsgrundlage kommt insoweit § 53 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 SGB XII i.V.m. den §§ 55 Abs. 2 Nr.7, 58 SGB IX in Betracht, deren Voraussetzungen allerdings nicht erfüllt sind. Nach § 58 SGB IX umfassen die Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben i.S.d. § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX vor allem 1. Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen, 2. Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen, 3. die Bereitstellung von Hilfsmitteln, die der Unterrichtung über das Zeitgeschehen oder über kulturelle Ereignisse dienen, wenn wegen Art oder Schwere der Behinderung anders eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht oder nur unzureichend möglich ist.

Die begehrte Übernahme von Fahrtkosten lässt sich keinem dieser Regelbeispiele zuordnen und unterfällt auch sonst ("vor allem") nicht dem Anwendungsbereich von § 58 SGB IX. Vielmehr handelt es sich – worauf das Sozialgericht zutreffend abgestellt hat – nicht um Aufwendungen, die der Klägerin gerade aufgrund ihrer Behinderung entstehen. Im Rahmen der Eingliederungshilfe sind jedoch vorrangig die Kosten zu übernehmen, die zusätzlich durch die Behinderung des Antragstellers entstehen (Thüringer LSG, Beschluss vom 22.12.2008, L 1 SO 619/08 ER). Im Einzelnen sind Schaufensterbummel und Besuche bei Freunden und Verwandten keine Veranstaltungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen (§ 58 Nr. 2 SGB IX), und stellen auch keine Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen i.S.d. § 58 Nr. 1 SGB IX dar. Soweit die Klägerin auf den positiven Aspekt des Aufenthalts unter Menschen außerhalb der Einrichtung abstellt, ist nicht ersichtlich, weshalb dies nur an Orten möglich sein sollte, die sie nicht fußläufig erreichen kann. Besuche bei außerhalb H1s lebenden Verwandten können mit den begehrten Zeitkarten ebenfalls nicht ermöglicht oder wesentlich erleichtert werden. Auch was die ungefähr wöchentlichen Besuche bei ihrem Partner angeht, befindet sich die Klägerin in keiner anderen Lage als andere Menschen, die in einer sog. Fernbeziehung leben und die hiermit verbundenen Fahrtkosten aus ihren Mitteln aufbringen müssen. Weiterhin darf gerade bei der Prüfung eines Anspruchs aus Mitteln der Eingliederungshilfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich die Klägerin – sowohl nach dem Befundbericht des behandelnden Psychiaters als auch nach Einschätzung des sozialpädagogischen Dienstes – im Interesse ihrer Eingliederung dringend einen eigenverantwortlichen Umgang mit ihren finanziellen Mitteln gewöhnen muss. In diesem Zusammenhang fällt besonders ins Gewicht, dass die Klägerin rechnerisch gesehen über ausreichende Mittel verfügt. Es ist ihr zuzumuten, zwecks Finanzierung von Besuchen, Schaufensterbummeln etc. ihren Konsum insbesondere an Zigaretten einzuschränken (wozu der behandelnde Arzt Dr. H2 im Übrigen auch aus gesundheitlichen Gründen rät).

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren ausgeführt hat, sie könne auch Fahrten zu Wohnungsbesichtigungen nicht finanzieren, ist bereits nicht klar, ob sie, die nach Auskunft von Dr. H2 zur Selbstüberschätzung neigt, tatsächlich befähigt ist, wieder in einem eigenen Haushalt zu leben. Sollte dies der Fall sein, käme unter Umständen ein Anspruch auf der Grundlage von § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX in Betracht, was allerdings voraussetzte, dass sie Aufwendungen für konkrete Besichtigungstermine geltend machen könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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